Munaychay, Peru – Die erste Woche im Kinderdorf

Am siebten Tage sollst Du ruhen, sprach der Herr. Das haben wir auch nötig. Schwere körperliche Arbeit ist auf dreieinhalbtausend Meter Höhe noch mal so schwer. Mein Post-Inka schleppt Steine und schaufelt, was das Zeug hält, schläft dafür aber schon um sechs. Unser erstes Projekt ist eine Werkstatt für den Fuhrpark des Kinderdorfes. Mauern und Dach stehen bereits, aber der Erdboden und die Mauern sind feucht von einlaufendem Wasser. Zunächst schachten wir den Boden aus, um den Wasserabfluss zu finden. Wir bauen eine Form aus Holz, um einen Kanalschacht herzustellen, mischen Beton mit der Hand in einer Schubkarre, schleppen ihn in Eimern eine Treppe hinab, und gießen den Kanal.

Am nächsten Tag mischen wir erneut Beton, legen ein Abwasserrohr, gießen mehr Beton, um den Eingangsbereich wasserdicht zu bekommen und einen Deckel für den Abwasserschacht zu formen. Mit einem Zwei-Mann/Frau-Team, bestehend aus Jörg und mir, ist man dabei gut und gerne ein paar Tage beschäftigt. Zumal wir für jedes Werkzeug herumrennen, den Verantwortlichen suchen müssen, der meist gerade nicht in Sicht ist, und sich das Werkzeug dann sowieso an einer völlig anderen Stelle befindet als gedacht. Wie die Maurerkelle, die im Fenster des Hühnerstalls liegt, weil sie zum Abkratzen des Hühnerkots benutzt wird. Wir bauen nächste Woche weiter.

Die Kinder indessen können immer noch nicht genug bekommen von unserer Kabine. Bett-Küche-Bad-Dusche, das sind die Prioritäten. Wobei wir zugeben müssen, dass die Kinder sehr gut erzogen sind, immer höflich fragen, ein Nein zur Besichtigung widerspruchslos akzeptieren und selbst bei einem Ja nur ein paar Minuten bleiben, obwohl sie bereits auf der Treppe noch mindestens zweimal kehrt machen, der Abschied fällt so schwer. Vor allem die größeren Mädchen übernehmen Verantwortung und ordern die Jüngeren: „Wir gehen jetzt!“ Überhaupt sind das Verantwortungsbewusstsein und die Verantwortungsbereiche der Kinder erstaunlich: Sie putzen, kochen, waschen ihre Wäsche selbst. Mit der Hand, und mit kaltem Wasser, versteht sich. (Etwas Ermunterung werden sie vielleicht schon brauchen.) Es gibt auch Vorschüler und Erstklässler hier.

Mit riesigen Heckenscheren schneiden die Kleinsten das Gras kurz. Jede deutsche Mutter würde vor Entsetzen aufschreien. Mit Bestimmtheit hat auch hier jemand die Kinder auf die Gefahren einer großen Schwere hingewiesen, aber sie schneiden sich nicht. Sie springen zwei Meter hohe Mauern hinunter und klettern sie wieder hoch. Trotz Schule und Haushaltspflichten bleibt ihnen genügend Zeit für Spaß und Spiel. An einem sonnigen Tag – schließlich ist Karneval – begeben sie sich mit Eimern bewaffnet in den Springbrunnen und spritzen oder vielmehr schütten sich voll. Immer mehr Kinder kommen mit noch mehr Eimern zum Mitmachen. Sie sind klitschnass und kreischen vor Freude. Niemand maßregelt sie. Aller Wahrscheinlichkeit nach ziehen sie sich anschließend selbstständig trockene Kleidung an und waschen die nasse womöglich gleich.

Mit Kinderarbeit hat das Ganze nichts zu tun, nur mit Vorbereitung auf das wahre Leben. Bei uns werden Kleinkinder bis zum Alter von 31 in Watte gepackt, im Hotel Mama versorgt, von wo aus sie sich einen weiblichen oder männlichen Mamaersatz suchen, heiraten, enttäuscht feststellen, dass es eben doch nicht Mama ist, und sich wieder scheiden lassen.

Wir bitten um Verständnis, dass es aus dem Kinderdorf vielleicht nicht so viele Fotos gibt wie erhofft. Fotografieren ist hier eingeschränkt, da unter den Kinderdorfbewohnern auch Gewaltopfer sind, deren Identität geschützt werden soll.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.