Tipón + Santa Rosa, Peru – Unterwegs ins Altiplano

Dunkelrot erstrahlen die Felder, sanft wiegen sich die Halme. Das Getreide ähnelt unserer Hirse, hat aber weit puscheligere Ähren, die bei einem bestimmten Reifestand die intensive Farbe annehmen. „Kiwicha für die Welt“ verkündet ein Banner das Motto des Agrarprodukts. Ich sehe das etwas kritischer. Ich kann nichts bio-, öko- oder sonst wie logisches daran entdecken, im Reformhaus Getreide zu kaufen, das über tausende von Kilometern Entfernung mit dem Schiff oder Flugzeug die Erdatmosphäre belastend herangekarrt wurde. Kiwicha ist der Quechua-Ausdruck für Quinoa bzw. Amarant, wie er auch genannt wird. Vor Ort aber finde ich die Quinoa-Kekse ausgesprochen lecker.

Wir lassen Urubamba und Pisac hinter uns und fahren in Richtung Titicacasee. Im Gepäck haben wir ein paar Souvenirs, die wir in Munaychay erstanden haben. Immer samstags können sich Kinder wie Tias künstlerisch betätigen – es kommt sogar eigens eine Kunstlehrerin. Die Werke werden dann verkauft, die Erlöse kommen dem Kinderdorf zugute. Eine Gruppe töpfert feine Keramikwaren, ohne Drehscheibe und in dennoch perfekt runder Form. Andere glasieren und bemalen das Steingut. Eine weitere Gruppe fertigt die niedlichen Grußkarten aus Blütenblättern, die Vögel, Schmetterlinge, Blumen und Menschen darstellen. Viele der Kinder zeigen erstaunliches kreatives Geschick und malen Wandbilder, die man Erwachsenen zuschreiben würde. Handarbeitsbegeisterte stricken Schals oder, besonders attraktiv und auch bei den Jungs sehr beliebt, weben kleine Wandteppiche.

Inzwischen haben wir Cusco umfahren und Tipón auf seiner Süd-Ost-Seite erreicht. Hier befinden sich ausnehmend schöne Inka-Terrassierungen. Das Besondere hier ist, dass es sich nicht um Hangterrassen handelt, sondern dass ein ansteigendes Tal bebaut und kultiviert wurde, was größere Ackerflächen erlaubt. Die Stützmauern jeder Ebene wie auch die ausgeklügelten, teils unterirdischen Bewässerungskanäle wurden im Hinblick auf Haltbarkeit, Perfektion und Schönheit angelegt. Die Arbeiterunterkünfte an den Rändern dagegen, deren Ruinen noch stehen, sind eher mit Pragmatismus denn mit Detailliebe gebaut.

Der aufwändige Terrassenbau schaffte nicht nur große Anbauflächen, er wirkte auch der Bodenerosion entgegen. Heutiger Feldbau an den Schräghängen begünstigt Erdrutsche und liefert wegen mangelnder Kontrolle über Be- und Entwässerung schlechtere Erträge. Eines muss man den Inka lassen: Sie scheinen mir die einzigen gewesen zu sein, die es schafften, südamerikanische Schlampigkeit in geordnete Bahnen zu lenken, jedenfalls noch weit besser, als die Spanier nach ihnen. Eintritt zur archäologischen Stätte Tipón mit Boleto Turistico oder für 10 PEN pP (S 13°34’17.9’’ W 71°47’03.6’’).

Während der Ort Tipón als Geheimtipp für gutes und günstiges Cuy-Essen gilt (mein Meerschweinbedarf ist gedeckt), bezeichnet sich das nächste Dorf als Hauptstadt des Brotes. Kaum halten wir am Fahrbahnrand an, klettert schon ein Junge die Trittstufen hoch und knallt mir durch die offene Scheibe eine Packung Brot auf den Schoß. Zwei wagenradgroße süßliche Fladenbrote und ein Extra-Teilchen dazu für 5 Nuevo Soles, 1,50 €. Dafür muss ich nicht einmal aussteigen – der schnellste macht das Geschäft.

Einem sanften Tal folgend klettern wir fast unmerklich ohne Serpentinen und größere Steigungen in die Höhe. Endlich weitet sich der Blick, nachdem wir Wochen in dem engen Chicón-Tal oberhalb von Urubamba eingezwängt zwischen den Andenwänden lebten. Der 5.443 m hohe Cerro Cunurana ragt schroff und schneebedeckt in den Himmel. Der Abra La Raya, 4.360 m hohe Passüberquerung, markiert nicht nur die höchste Stelle dieser Strecke und die Wasserscheide zwischen Atlantik und Pazifik, sondern auch den Beginn des Altiplano, dem ausgedehnten, abflusslosen Hochplateau zwischen zwei Andenketten auf durchschnittlich 3.600 m Höhe, das sich bis weit nach Bolivien hineinzieht.

Ein Stück weiter, südlich der Ortschaft Santa Rosa, finden wir in einem Schotterweg, der sich praktischerweise als Sackgasse herausstellt, einen äußerst friedlichen Stellplatz am rauschenden Fluss: S 14°46’44.5’’ W 70°43’51.0’’.

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