Puno / Titicacasee, Peru – Schockierender Kommerz: die schwimmenden Inseln der Uros

Eines darf man nicht erwarten: Authentizität. Wenn man aufs Schlimmste, ja aufs Allerschlimmste gefasst ist, dann kann man dem Ganzen mit einer guten Prise Humor und Verständnis für das Bestreben der Menschen, Geld zu verdienen und ein vermeintlich besseres Leben zu führen, wie für das, was Tourismus anrichten kann, etwas abgewinnen. Nämlich, dass man die schwimmenden Inseln der Uros einmal gesehen und vor allem betreten hat. Was einst als bitterer Ernst begann, ist heute Show und Kommerz. Das kleine Volk der Uro lebte ursprünglich an den Ufern des Titicacasees. Auf der Flucht vor den aggressiven Collas, den Inkas und schließlich den Spaniern flüchteten sie zunächst mit Booten und bauten sich dann schwimmende Inseln im See, um ihre Kultur zu schützen und ihr eigenes Leben zu leben (das Ziel scheinen sie etwas aus den Augen verloren zu haben).

Die Inseln bestehen aus Totora-Schilf, das in den flachen Zonen des Sees bis 15 m Tiefe in rauen Mengen wächst. Jede Insel besteht aus vielen Schichten, die von unten wegfaulen und von oben immer wieder ersetzt werden müssen. Auch die traditionellen Boote sind dicht aus Reet geflochten und überdauern nur einige Monate. Schilf wird ebenfalls verwendet für den Hausbau – die traditionelle Tipi-Form wie das moderne Rechteckhaus mit einem Dach aus Plastikfolie – die handgefertigten Souvenirs, die Touristen zum Kauf angeboten werden und ist sogar teilweise essbar.

Puno ist der Ausgangspunkt für Ausflüge zu den Uro-Inseln. Im Hafen erhaschen wir ein Boot, das nur wenige Minuten später abfährt. Die Hin- und Rückfahrt kostet 10 PEN plus 5 PEN Eintritt auf eine Insel, dauert 30 Minuten und geht stündlich oder öfter. Eine ganze Ansammlung von Inseln liegt im Kreis in einer „Lichtung“ des Schilfgrases. Alle ähneln sich, wirken wie Uro-Modellinseln für Touristen (was sie wohl auch sind) und werden abwechselnd angefahren. Zum Glück ist heute nicht viel los.

Auf der Insel betreten wir erstmals den schwankenden Boden, der bei jedem Schritt nachgibt – es läuft sich schon sehr komisch. Eine der jungen Frauen in Uro-Tracht mit lustigen schwarzen Bommeln an den Zopfenden erklärt sich zu unserem Guide und mit Hilfe eines modernen Digitaldruckplakats den Titicacasee. Mit kleinen Modellen veranschaulicht sie uns den Aufbau der Inseln, wie sie fest gepflockt werden, um nicht wegzuschwimmen, und erzählt lediglich die halbe Geschichte der Uros – gejammert wird nur über die Spanier. Das verdächtig unbenutzt aussehende Häuschen enthält ein Bett, auf dem angeblich die Kinder schlafen (die Eltern auf dem Boden), ein paar Kleidungsstücke, ein Solarpaneel, eine Autobatterie und einen uralten kaputten Fernseher, den nicht einmal mehr ein Uro-Indianer benutzen würde. Alles darf kostenlos fotografiert werden.

Die Bewohner Punos behaupten, die Uro würden gar nicht mehr auf den Inseln leben, sondern auf dem Festland schlafen. Möglich ist das, andererseits stehen am äußeren Rand des Inselkreises richtige Häuser auf Pontons, die aussehen, als ob sie bewohnbar wären. Nach der Hausbesichtigung werden wir zum Verkaufsstand geführt, wo man das Kunsthandwerk der Uros erstehen kann. Wir hörten sogar schon, dass die Damen durchaus verärgert reagieren können, wenn man nichts kauft. Wir lassen es nicht so weit kommen, sind doch die Miniaturschilfboote recht niedlich. Für weitere 5 PEN kann man sich mit einem kunstvoll gefertigten Reetboot auf die Hauptinsel fahren lassen, oder man fährt mit dem Ausflugsboot hinüber, wo man noch mehr Souvenirstände und ein Restaurant besuchen kann.

Zur Verabschiedung des Schilfboots liefern die beiden Hauptakteurinnen eine perfekte Touristenshow: Erst singen sie mit hohen Sopranstimmen ein Aymara-Lied, denn durch vielfache Heiraten mit Aymara-Indianern gibt es keine reinblütigen Uro mehr und haben sie deren Sprache angenommen. Anschließend tragen sie in synchroner Choreographie den spanischen Hit „Vamos a la playa, oh-oho-oho“ vor. Das wäre der richtige Zeitpunkt, einen Schreikrampf zu bekommen. Wenn man aber aufs Schlimmste, ja aufs Allerschlimmste gefasst ist, erträgt man auch das mit einem nachsichtigen Lächeln. Gesamtdauer der Unternehmung: 2,5 Stunden. Mit einem Privatboot kann man sich auf weitere entfernte und weniger touristische Inseln fahren lassen – zum entsprechenden Preis.

Die einzige Übernachtungsmöglichkeit für Wohnmobilreisende in Puno ist das Sonesta-Hotel Posadas del Inca. Das bekanntere El Libertador akzeptiert keine Camper mehr. Eventuell könnte man den Hafenparkplatz nutzen, wie es allerdings um die Sicherheit bestellt ist, wissen wir nicht – der peruanische Titicacasee genießt in der Beziehung nicht den besten Ruf. Das Posadas del Inca verlangt für eine Nacht auf dem Hotelparkplatz stramme 15 US$ (auf Nachfrage dürfen Dusche und Toilette benutzt werden), mit Strom 20 US$. Das nach uns eintreffende deutsche Paar Ela und Stefan, das wir unterwegs trafen und mit dem wir uns hier verabredeten, sollen sogar 20 $ fürs „trockene“ Campen zahlen, doch das lässt sich schnell klären. (S 15°49’26.2’’ W 70°00’19.6’’)

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