Arequipa, Peru – Das Kloster Santa Catalina: Eine wahre Geschichte in mehreren Teilen

Nachdem sie unter dem Bogen durchgeschritten waren, mussten sie ihre Lippen verschließen und ein Leben in feierlichem Schweigen verbringen. Die Novizinnen des Klosters Santa Catalina verbrachten vier Jahre, bevor sie ihr Gelübde ablegen oder sich entscheiden konnten, zu ihren Familien zurückzukehren. Letzteres hätte jedoch ohne Zweifel Schande über die Familie gebracht. In spanischen Oberklassefamilien war es in kolonialen Zeiten üblich, dass der zweite Sohn oder die zweite Tochter in den kirchlichen Dienst eintrat. Das Kloster Santa Catalina wurde 1580 von einer reichen Witwe gegründet, die ihre Nonnen sorgfältig aussuchte. Sie kamen nur aus den besten spanischen Patrizierfamilien und mussten eine ansehnliche Mitgift und jährliche Alimente zahlen.

Hier beginnt der zweite Teil der Geschichte: Normalerweise bedeutete das zumindest für die Töchter ein Leben in der keuschen Armut eines Nonnenklosters. Nicht so in Santa Catalina. Nach Ablegen des Gelübdes wurde das Armuts- und Schweigegelöbnis nicht mehr so streng gehandhabt, auch Besucher durften empfangen werden, wenn auch getrennt durch Sprechgitter. Hinter den Klostermauern jedoch lebten die 150 privilegierten Frauen in Saus und Braus. Jede von ihnen hatte ein bis vier meist schwarze Dienerinnen oder Sklavinnen, lebte in verhältnismäßig großen, prachtvollen Räumen, ausgestattet mit Küchen und edelstem Porzellan, je nach Reichtung der jeweiligen Nonne. Sie luden Musiker ein, veranstalteten Partys und lebten ihr gewohntes reiches Leben weiter.

Part drei scheint unvermeidlich: Nach drei Jahrhunderten hedonistischen Ausschweifungen sandte Papst Pius IX Schwester Josefa, eine strenge Dominikanernonne, um die Dinge gerade zu rücken. Wie ein Tornado fegte sie 1871 durch das Kloster, schickte die Partynonnen nach Hause und befreite die Dienerinnen und Sklavinnen. Einige von ihnen verblieben als Nonnen. Die vierte Episode der Catalina-Saga bleibt dagegen ein Geheimnis der katholischen Kirche. Für 100 Jahre drang nicht ein Wort mehr nach außen, bis das Kloster 1970 – nicht zuletzt auf Drängen des Bürgermeisters von Arequipa – der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde und damit die fünfte und bislang letzte Etappe begann.

Die 20.000 qm große Anlage ist eine Stadt in der Stadt, ein Fort mit Straßen und Plätzen, umgeben von einer imposanten Schutzmauer. Nach den verheerenden Erdbeben von 1958 und 60 wurden die Gebäude nicht vollständig restauriert, auf den Wiederaufbau der zweiten Stockwerke wurde verzichtet. Viele der recht komfortablen Zellen stehen frei zur Besichtigung, genau wie die Klosterküche und -bäckerei, die Badewanne der Nonnen, der Waschplatz, der untere Chor, wo die Nonnen ungesehen am Gottesdienst teilnehmen konnten, die Pinakothek mit zahlreichen Gemälden und der Kreuzgang.

In einem kleinen abgelegenen Teil modernerer Bauweise des Klosters leben die heute verbliebenen Nonnen. Wie Geister huschen sie manchmal durch die Gänge. Noch immer backen sie Süßigkeiten zum Verkauf und sündige süße fette Torten, die im hauseigenen Café angeboten werden. Jörg schafft zwei Stück, ich kämpfe schon mit dem einen und brauche später dringend einen Jägermeister, da die ungewohnte Eine-Million-Kalorienbombe meinem Magen zu schaffen macht.

Das Kloster Santa Catalina die die Attraktion Arequipas, wenn auch mit 35 PEN Eintritt  (10 €) nicht gerade günstig. Deshalb auf den Besuch zu verzichten wäre schade, denn die Stimmung ist mythisch, die Erinnerung an die verwegenen Nonnen lebendig und die Motive für Fotografen zahllos. Eine Führerin bekommt man für 20 PEN pro Gruppe (auch in Deutsch), die Tour dauert eine Stunde. Dabei werden viele Zellen ausgelassen, die man anschließend noch selbstständig aufsuchen kann. Wir gehen lieber alleine. Am Ticketschalter erhält man einen exakten Plan, auf dem jede einzelne Zelle eingezeichnet ist, die man besuchen kann, und mit dem man sich im Gassengewirr nicht verlaufen kann. Zwei bis drei Stunden Zeit sollte man sich mindestens gönnen. Dienstags und donnerstags hat das Kloster bis 20 Uhr geöffnet und wird dann von Laternen stimmungsvoll beleuchtet.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.