Iquique, Chile – Opportunistische Seelöwen und billiger Wein

Eilig drängelt sich der fette Seelöwe zwischen den parkenden Autos durch, hat aber Mühe, die renitenten Pelikane zu vertreiben, die nicht weichen wollen. Auch sie verlangen ihren Anteil an den Fischabfällen, die der Fischermann gerade wegwirft. Riesige Fischskelette verschwinden in den Kröpfen der Vögel, die sie zu schlucken versuchen. Jetzt kommen auch noch hupend Autos gefahren und die Pelikane wissen nicht, ob sie erst schlucken oder weglaufen sollen. Dazwischen tobt noch der Seelöwe herum und das Chaos bricht vollends aus.

Der kleine Fischmarkt am Strand ist ein Ort, wo man stundenlang beobachten könnte. Es ist auch einer der wenigen Möglichkeiten in Stadtnähe, wo man größere Fahrzeuge parken kann. Doch selbst auf diesem Sandplatz braucht man Glück, eine Stellmöglichkeit zu finden. Nur ein paar Blöcke läuft man zur zentralen Plaza Prat, wo einige schöne Bauten aus dem 19. Jh. stehen wie der Uhrenturm, das Theater und das Gewerkschaftshaus. Auf dem Platz wurden sämtliche Strom- und Telefonleitungen unterirdisch verlegt, damit dem Fotovergnügen nichts im Wege steht – eine absolute Ausnahme in Chile.

Von der Plaza geht die Avenida Baquedano ab, Prachtstraße und Fußhängerzone, die mit ihren etwas heruntergekommenen Villen und den hölzernen Bürgersteigen noch original erhalten ist. Die gesamte Stadt quetscht sich zwischen die über 600 m hohe Steilwand der Küstenkordillere und das Pazifikufer und kann nur nach Nord und Süd wachsen. Trotz bestehender Erdbebengefahr ist man wegen des Platzmangels zum Bau von Hochhäusern übergegangen. Den begrenzten Platz teilt sich Iquique auch noch mit einer riesigen, mehrere Hundert Meter hohen Sanddüne, die wegen ihrer Drachenform El Dragón genannt wird. Dank ihrer gleichmäßigen Thermik gilt die Stadt als einer der zehn weltbesten Spots für Gleitschirmfliegen von der Klippe bis hinunter an den Strand.

Zum Abschluss unseres Iquique-Aufenthalts decken wir uns noch einmal im Jumbo-Supermarkt ein, wo es wirklich fast alles zu kaufen gibt: ein Glas Kühne-Gürkchen für 3,20 €, eine Dose mexikanisches Bohnepüree, ein Pfennigprodukt, für 2 €, Knäckebrot für 6 €. Selbst lokale Produkte wie Philadelphia oder anderer Frischkäse müssen mit 3,20 € die kleine Packung teuer bezahlt werden. Wurst (auch Bierschinken); Käse und Brot (Kasseler Müslibrot oder toskanisches Ciabatta) haben deutsches Preisniveau. Dabei sind die Löhne recht niedrig, der durchschnittliche Chilene kann sich nicht viel leisten.

Kopfschüttelnd stellen wir fest, dass es in Chile nichts Günstiges gibt, außer einer Sache: Wein. Rot, weiß, in völlig unüberschaubarer Auswahl und teils billiger als Bier. Den trinkbaren Rebsortenwein aus dem Tetrapack gibt’s schon für unter 1,50 €, gute Tropfen ab 3 € die Flasche. Und das alles dank Verzicht auf Schwefelung völlig kopfwehfrei. Chile kann auf eine jahrhundertelange Weinbautradition zurückblicken, auch wenn es erst seit den 1980er Jahren nach Qualität strebt und ins Exportgeschäft eingestiegen ist.

Das Land wurde sowohl von der Mitte des 19. Jh. grassierenden Weinpest als auch von der Reblaus aus noch nicht erforschten Gründen verschont. Damit ist Chile als weltweit einziges Land im Besitz von Rebstöcken, die sämtlich auf ihren Originalwurzeln stehen und auch von andernorts ausgestorbenen Rebsorten. Wir fahren noch gut 100 km an der Küstenroute # 1 in den Süden, um am Strand Boca del Diablo zu campen (oder an jedem anderen der zahlreichen Strände) und uns eine gute Flasche Carmenière zu gönnen: S 21°10’33.8’’ W 70°06’25.1’’.

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