Vicuña, Chile – Von Pisco, Observatorien und Esoterik

Das Valle de Elqui ist Anziehungspunkt aus mannigfaltigen Gründen: Das milde Klima lässt Obst und ausgesprochen süße Weintrauben wachsen, aus denen sich besonders gut hochprozentiger Pisco brennen lässt. Chiles beste Pisco-Destillerien befinden sich demzufolge hier. Die Luft in den Bergen ist besonders klar, trocken, partikelfrei und die wenigen kleinen Orte strahlen kaum Licht ab – eine erstaunliche Anzahl der größten und weltbesten Himmelobservatorien hat sich in der Umgebung angesammelt. Außerdem sollen besondere Erdenergien spürbar sein, weshalb sich die unterschiedlichsten Vertreter von Naturphilosophien, asiatischen Religionen und Ufogläubigen angesammelt haben.

Mit den Esoterikern hab ich’s nicht so, vor allem, wenn sie mir das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Daher spreche ich auf die ersten beiden Punkte besser an. Die Touristeninformation des Hauptortes Vicuña an der hübschen Plaza de Armas (S 30°02’03.0’’ W 70°42’48.1’’) befindet sich in einem markanten weinroten Holzturm, den Bürgermeister Adolfo Bauer (man bemerke den Namen) 1905 in Ulm fertigen und nach Chile transportieren ließ. Gleich daneben bzw. um die Ecke befinden sich die Büros der Observatorien Pangue und Mamalluca. Der Besuch eines regulären Sternenzentrums ist hier ebenfalls eingeschränkt und schwierig, verbunden mit langwierigen Anmeldungen. Daher bieten sich die beiden Lehrobservatorien an, die vielleicht über kleinere Teleskope, dafür über erklärende Multimediaprogramme verfügen.

Das Observatorio del Pangue hat ein stattliches 25-Zoll-Teleskop und einen ebensolchen Preis: 16.000 CLP (26 €) für die zweistündige Vorführung inkl. Transport. Das Observatorio Mamalluca kann man schon für 4.500 CLP (7,25 €) besuchen (Eigenanfahrt; optionaler Transport 1.500 CLP). Programmdauer mit erfahrenen Astronomen (Englisch oder Spanisch) auch hier zwei Stunden. Das Teleskop hat zwar nur 12 Zoll, aber mir gefällt, dass die Vorführung nur bei wolkenfreiem Himmel stattfindet und man vorher nicht bezahlen muss. Der Tourismus in Vicuña scheint zu schlafen, sodass die Lehrobservatorien momentan keine Wartezeiten erfordern.

Am Stadtrand steht die berühmteste Pisco-Destillerie des Landes, Pisco Capel (S 30°02’18.2’’ W 70°41’51.6’’). Führungen durch die Anlage auch in Englisch werden für 1.500 Peso angeboten. Da sich Brennereien ähneln, interessiere ich mich mehr für das Endprodukt. Wir dürfen verschiedene Sorten probieren (kostenlos), um erstaunt festzustellen, dass es vom stark alkoholischen Vodkageschmack zum Mixen bis zum süßlichen Cognacaroma alles gibt. Ein mildes trauben-fruchtiges Spitzenprodukt (Linea Alto del Carmen), das weich die Kehle hinunter rinnt, gibt es für unglaubliche 6 bis 8,50 €, je nach Reifegrad. Da hilft alles Jammern nichts, mehr als zwei Flaschen kriegen wir nicht unter.

Die Carabineros an Vicuñas Hauptstraße geben freundlich Auskunft zum Zustand der Andenpässe nach Argentinien, die generell um den 15. Mai für den Winter geschlossen werden (nur wenige Hauptpässe werden geräumt), je nach Wetterlage. Der Paso de Agua Negra ist wieder frei, der Paso de San Francisco, der uns nach Chile zurückbringen soll, ist „mit Vorsicht“ und Vierradantrieb befahrbar. In der gleichen Straße wie die Polizei befinden sich eine Shell- und eine Copec-Tankstelle, die letzten bis zum argentinischen Las Flores in 270 km Entfernung, wo man mit Glück Kraftstoff erhascht. Einen Unimarc-Supermarkt gibt es gleich an der Plaza.

Die Wolken ziehen sich jedoch zusammen, sodass unsere nächtliche Sternguckertour abgesagt wird. Zum Trost gibt es an unserem Übernachtungsplatz am Sportplatz von Vicuña (S 30°02’12.7’’ W 70°42’27.3’’) die Abaloneschnecken zum Abendessen, die bereits umfangreiche Vorbereitungen erfahren haben. Man schleudert den Beutel mit den Weichtieren in eine Badewanne oder gegen einen Autoreifen, wie es der Fischer für uns freundlicherweise übernommen hat. (Dasselbe macht man mit großen Tintenfischen, wenn man sie selbst fängt und nicht im Kühlregal kauft.) Gestern kochte ich die Meeresschnecken für eine Stunde im Schnellkochtopf (doppelt so lange wie erwartet).

Heute schneide ich sie in Würfel, mische sie laut Anweisung nur mit Mayonnaise und serviere Papas Mayo dazu, gekochte Kartoffeln mit Mayonnaise, eine beliebte Beilage in Chile. Ziemlich viel Mayo, das Ganze, zum Glück gibt es auch hier die Light-Version. Doch der Parkplatzwächter hatte Recht. Das Fleisch ist so schmackhaft, dass es kaum mehr braucht als etwas zum „Hinunterrutschen“. Und das ist schon nötig, da uns das schlechte Gewissen wegen der bedrohten Tiere ein wenig die Kehle zuschnürt.

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