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Munaychay, Peru – Die Machu-Picchu-Frage

Mittwoch, März 21st, 2012

Machu Picchu ist die größte Sehenswürdigkeit Perus und die berühmteste Ruine Südamerikas. Es ist das bekannteste Bauwerk der Inka – nie entdeckt von den Spaniern wurde es nie zerstört und geriet bis zu seiner „Wiederentdeckung“ Anfang des 20. Jh. in Vergessenheit. Der Zweck des Bauwerks liegt bis heute im Dunkeln. Theorien sprechen von einem königlichen Rückzugsort oder einer Landresidenz in der Nähe Cuscos, andere reden von einem politischen, religiösen und administrativen Zentrum. Erbaut wurde Machu Picchu um die Mitte des 15. Jh. gegen Ende der Inkaherrschaft.

Heute steht die archäologische Fundstätte im Mittelpunkt des peruanischen Tourismus. Täglich dürfen maximal 2.500 Personen die Inkaruine besuchen, und sie tun es auch. Dabei hat Peru ein wenig die Relation verloren – Angebot und Nachfrage bestimmen eben den Preis, wie bei Cuscos Attraktionen und dem bereits beschriebenen Boleto Turistico auch. Da bis heute keine Straße nach Machu Picchu führt, wurde eine Bahnlinie erbaut, deren Benutzung sich die Regierung von Besuchern teuer bezahlen lässt. Alleine der Eintrittspreis schlägt mit satten 60 US$ zu Buche, dazu kommen die hochpreisige Bahnfahrt und eine Busfahrt. Günstigere Bahntickets bedingen eine Übernachtung im letzten Ort vor Machu Picchu, Aguas Calientes, was finanziell dann so ziemlich aufs Gleiche hinausläuft.

Für uns beide würde der Besuch insgesamt um die 400 $ kosten – ziemlich viel für ein paar alte Steine. Zumal die Ruine selbst von Besuchern als sicherlich nicht der Welt beste bezeichnet wird, obwohl die Lage stets als außergewöhnlich schön beschrieben wird. Schließlich tun wir es so vielen anderen Weltreisenden nach, verzichten auf den Besuch von Machu Picchu und boykottieren die unverschämten Preise, möchten aber anderen Reisenden unsere gesammelten Informationen nicht vorenthalten. Viele Wege führen nach Machu Picchu:

1. Mit der Bahn: Der Zug fährt von Cusco, Urubamba oder Ollantaytambo (mit geringerer Entfernung günstiger werdend) nach Aguas Calientes. Unterschiedlich komfortable Züge sind zu unterschiedlichen Preisen buchbar. Von dort aus geht es mit dem Bus (oder zu Fuß) nach Machu Picchu weiter. Bahnfahrkarten und Infos unter www.perurail.com. Vorbestellung dringend erforderlich. Ticketbuchungen an den Bahnhöfen oder in Cusco möglich.
Fahrzeugabstellmöglichkeiten:
Cusco: Camping Quinta Lala, S 13°30’20.8’’ W 71°59’06.3’’, Info siehe 09.02.2012
Urubamba: Camping Los Cedros, www.campingloscedros.com
Ollantaytambo: Busparkplatz, S 13°15’32.6’’ W 72°15’57.5’’, bewacht, 5 PEN/24 Stunden

2. Mit eigenem Fahrzeug: Von Cusco über Urubamba, Ollantaytambo und Chaullay nach Santa Teresa. Campen / Fahrzeug abstellen am Campingplatz von Genaro Moscoso Laforre, S 13°07’55.4’’ W 72°35’46.9’’. Die Strecke ist einfach ca. 250 km lang und führt ab Chaullay über eine Erdpiste – Allradantrieb empfohlen, in der Regenzeit ist die Route häufig durch Erdrutsche verschüttet. Rechnet man die Kraftstoffkosten für 500 km gegen, kommt man vermutlich auf einen ähnlichen Betrag wie mit dem Zug. Ab Santa Teresa fährt man weiter mit dem Zug nach Aguas Calientes – oder läuft entlang der Bahnschienen. Dann geht es wie oben mit Bus oder zu Fuß weiter bis Machu Picchu.

3. Mit dem Bus: Ab Cusco mit dem Bus Richtung Quillabamba, in Santa María umsteigen in ein Collectivo nach Santa Teresa. Von dort weiter wie oben. Das ist die ökonomischste Lösung.

4. Zu Fuß über den Inka Trail: Der hoch gelobte Inka Trail ist nur einer von mittlerweile 12 entdeckten Inkawegen nach Machu Picchu, jedoch der berühmteste und damit wieder Einnahmequelle für die peruanische Regierung. Der Inka Trail darf nur mit einer lizenzierten Agentur begangen werden, das kostet pro Person schon einmal 350 bis 500 $. Da die nur 43 km sehr steil über drei Pässe führen, kommt man außer bei interstellarer Fitness ohne Träger kaum aus, was zusätzlich kostet. Guides, Köche und Träger müssen Trinkgelder erhalten etc. Selbst der berühmte budgetfreundliche Reiseführer Lonely Planet beziffert die Kosten für den Inka Trail pro Person auf rund 1.300 US$. Dazu kommt, dass täglich 500 Personen auf dem Pfad zugelassen sind. Ob man die Landschaft mit 499 anderen Personen um sich herum wirklich genießen kann, ist dahingestellt. Außerdem muss man Toiletten benutzen, die in wenigen vorangegangenen Tagen mehrere Tausend Personen besuchten. Auch die mangelhafte Müllentsorgung bereitet zunehmend – nicht nur optische – Probleme.

5. Zu Fuß über alternative Inka Trails: Es gibt diverse Anbieter, die verschiedene Wege laufen, alle sind mit nicht geringen Kosten verbunden. Beispiele sind der 2-Tages-Inka-Trail, der Lares Valley Trek, der Salkantay Trek, der Inca Jungle Trail sowie der alternative Inka Trail ab Mollepata.

Noch ein Wort zum Thema Wayna Picchu: Will man den Berg bei Machu Picchu bei besteigen, kommt man um eine Vorreservierung des Machu Picchu Eintrittstickets zusammen mit Wayna Picchu Ticket kaum herum. Die Wandererzahl ist täglich auf 400 begrenzt – 200 um 7 Uhr und weitere 200 um 10 Uhr, und somit sind die Plätze rar. Wer wenig Lust verspürt, die steilen Treppen mit so vielen anderen Touristen gleichzeitig zu erklimmen, dem sei der unverständlicherweise wenig bekannte Aufstieg auf den Cerro Machu Picchu empfohlen. Das dauert zwar etwas länger, ist unbeschränkt, dennoch einsamer und soll sogar noch die bessere Aussicht auf Machu Picchu zusammen mit dem Wayna Picchu bieten. Eine genaue Wegbeschreibung findet sich beispielsweise im Lonely Planet Reiseführer „Peru“.

Munaychay, Peru – Überstanden

Sonntag, März 18th, 2012

Wir haben es so gut wie überstanden. Nein, nicht die Zeit im Kinderdorf, wir hängen sogar noch eine Woche dran. Wir sprechen von der Regenzeit. Die ist fast vorüber. Der Himmel präsentiert sich mehr und mehr in tiefem, fast nachtdunklem Blau, durchsetzt mit hübschen weißen Wölkchen, Regen gibt es nur noch alle paar Nächte. Dafür zeigt sich, dass es hier nur zwei verschiedene „Wetterarten“ gibt: graue, regnerische Kühle zum einen oder unangenehm stechende, heiße Sonne, bei der nicht einmal Sonnenschutzmittel richtig hilft.

Unsere Erdhubarbeiten sind ebenfalls beendet. Die Garagenzufahrt erhielt noch einen Feinschotterbelag, einige weitere Entwässerungskanäle wurden angelegt, damit das Regenwasser ablaufen kann und der Weg nicht wieder verschlammt, dann wenden wir uns Tischlerarbeiten zu. Der Weiler Huilloc oberhalb des Ortes Ollantaytambo wird ebenfalls von Herzen für eine neue Welt e.V. unterstützt. Die Schule erhält Mittel, ein eigener Gesundheitsstützpunkt wurde eingerichtet und eine Forellenzucht gebaut. Bald soll hier ein Fischrestaurant entstehen, das Arbeitsplätze schaffen und Touristen in diese abgelegene Ecke bringen soll. Aktuell wird ein Computerschulungsraum eingerichtet. 11 neue PCs wurden schon gekauft, und heute sollen die Tische dafür zusammengebaut werden, die in der hauseigenen Schreinerei in Santa Rosa entstanden sind.

Der Tischler, Jörg und ich schrauben zusammen und lackieren anschließend auf peruanische Weise: Eine Art Riesenwattebausch aus Baumwollfasern wird mit der Hand in die Lasur getaucht (die Chirurgenhandschuhe lösen sich nach ein paar Mal Tauchen in Wohlgefallen auf). Nach einigen Versuchen haben wir den Bogen raus, wie die einzelnen Fasern nicht auf der Tischfläche kleben, sondern am Bausch bleiben. Bei dieser Technik ist man dem Tisch und der Farbe so nahe, dass man vom Lack auf Nitrobasis jedes Mal einen ordentlichen Atemzug nehmen kann. Ich muss zwischendurch an die frische Luft. Am nächsten Tag fühle ich mich, als ob ich einen Kater hätte. Schnüffeln ist also nicht so meines.

Als nächstes sollen wir uns um den Fuhrpark des Kinderdorfes kümmern. In einer Besprechung werden die Eckdaten abgeklärt, dann machen wir uns auf den Weg: An einem Tag besuchen wir die Autohäuser Cuscos zum Preis- und Leistungsvergleich neuer Pick-ups, am nächsten Tag besuchen wir den Gebrauchtwagenmarkt. Wie in wohl allen Entwicklungs- (oder fast noch Entwicklungs-) Ländern mit starken Importbeschränkungen sind Gebrauchtwagen begehrt und für europäisches Verständnis unverhältnismäßig teuer, dabei meist von Minengesellschaften abgewirtschaftet. Tachometer werden rechtzeitig zwischen 40.000 und 70.000 km abgeklemmt, damit niemand die genaue Kilometerlaufleistung ersehen kann.

Am Sonntag schließlich – ein Wochenende haben wir nicht immer – erhält der Fahrer des Kinderdorfes noch eine Fahrstunde. Fahren kann er sehr wohl, aber er weiß z.B. nicht, wozu die Untersetzung des Allradgetriebes da ist. Dabei ist diese doch ideal auf den steilen Bergstrecken in diesen sauerstoffarmen Höhenlagen, und bergab schont sie die Bremsen. Jörg erstellt einen Wartungsplan der Fahrzeuge für den Fahrer, das muss auch noch durchgesprochen und erklärt werden. Schon wieder ist eine Woche wie im Fluge vorüber, und wir müssen uns Gedanken machen, wie und wann wir Peru verlassen, da die drei Monate maximale Aufenthaltserlaubnis für unseren Unimog bald ablaufen.

Munaychay, Peru – Der peruanische Gulag

Sonntag, März 11th, 2012

Schrill tönt die Pfeife. Nicht schon wieder. Cusco ist übervoll mit Polizeibeamten, die den Touristen Sicherheit vermitteln sollen. Sie pfeifen und winken völlig sinnlos bei grünen Verkehrsampeln und heben die stoppend die Hand bei Rot. Reicht die Ampel nicht oder hätte man sich die stattdessen sparen können? Manchmal aber pfeifen die Polizisten auch Fahrern hinterher, die etwas falsch gemacht haben, und dann gibt es einen Strafzettel. So wie jetzt. Wir wendeten in einer ruhigen Seitenstraße. Der Beamte kommt angelaufen und rügt uns sofort: Das ist verboten! Wir gefährdeten oder behinderten niemand, lächerlich ist es dazu, Wenden zu verbieten, aber das ist egal, ein peruanischer Polizist hat immer Recht. Ich steige aus dem Auto: Blonde Frau, Dackelblick. „Oh, das tut uns Leid, das wussten wir nicht. Wir sind Volontäre und müssen in diesem Geschäft Lebensmittel abholen für die armen Kinder Perus im Kinderdorf Munaychay.“ „Von welcher Organisation seid Ihr?“ „Corazones para Perú.“ „Na, ist schon gut.“

Puh, das ging schneller als erwartet. Schneller auch als gestern, als wir auf einer vierspurigen Straße mit Fahrbahnteiler an einer grünen Ampel wendeten. Gleiches Problem: Das ist verboten. Das kann doch kein Mensch wissen! Da hatten wir noch einen Peruaner im Auto, den Zahnarzt der Organisation, der mit dem Polizisten fünf Minuten diskutieren und buckeln musste, bis der Beamte auf einen Strafzettel verzichtete. Wir mussten sogar sämtliche Wagenpapiere und den Internationalen Führerschein rausholen. Nun, dem Peruaner fehlten die blonden Haare, Dackelblick und … lassen wir das.

Schon am vergangenen Wochenende fuhren wir zwei Mal einen der regelmäßigen Personentransporte von Munaychay nach Urubamba und zurück, und Montag und Dienstag nach Cusco, um Lebensmittel und Computer für Computerschulungen im Dorf Huilloc in einem anderen Tal bei Ollantaytambo zu holen. Und um mal wieder ein Paket auf der Post abzuholen mit kleinen Ersatzteilen, neuen Reiseführern und Wörterbüchern, und natürlich sehnlichst vermisster deutscher Schokolade. Am Montag erhielt ich das Paket nach zwei Stunden Wartezeit nicht, da mir eine notwendige Vollmacht fehlte. „Wir sind ein geordnetes Postamt, auf dem es geordnet zugeht“, erhielt ich als Antwort auf meine Frage, ob ich denn gar nichts tun könne. Nein, bestechlich sind die Peruaner eher nicht.

Dafür wurde mein Paket am Dienstag nur zur Hälfte ausgepackt und die angegebenen Warenbeträge nicht so genau unter die Lupe genommen. Der Zollbeamte hatte wenigstens ein geringfügig schlechtes Gewissen, da er mir zusätzliche 120 Fahrkilometer auferlegt hat. In Peru muss man Pakete, die Geschenke bis zu einem Wert von 100 US$ enthalten, nicht verzollen, wohl aber bei höheren Beträgen bzw. wenn es sich nicht um Geschenke handelt. Und dienstags ist der Andrang auf dem Postamt geringer.

Am Mittwoch können wir uns dann nicht länger vor der gefürchtete Aufgabe drücken: Die matschige Zufahrt zu den Carports muss entschlammt werden. Zweiradgetriebene Fahrzeuge kommen nur noch mit Anlauf durch. Straßenbau von Hand mit einem Vier-Mann/Frau-Team auf dreieinhalbtausend Meter ist Schwerstarbeit. Wir fühlen uns ein wenig wie versetzt in den russischen Gulag, nur in Peru. Trotzdem ist Handarbeit wesentlich schneller als erwartet, nicht unbedingt langsamer als mit Maschinen, wenn man genügend Personal hat, wir sind es nur nicht mehr gewohnt.

Der kräftige Nachtwächter pickt mit der Spitzhacke Rasen, Schlamm, die obere Erdschicht und kleinere Steine lose, bis er auf festeres, steiniges Erdreich trifft. Ich steche eine saubere Rasenkante, was auch nicht so einfach ist wie zu Hause im Garten. Das Gras hat dutzende Zentimeter lange, bis zu einem halben Zentimeter dicke Wurzelgeflechte, die sich nicht so einfach durchtrennen lassen, die Erde ist nasser schwerer Lehm, durchsetzt mit Steinen und Flusskieseln, was unserem Spaten auch nicht so gut tut. Am Abend sind meine Hände geschwollen vom Hämmern auf den Spaten und voller Blasen. Jörg schaufelt die schwere Ladung auf den Pick-up. Der Vierte im Bunde schnippelt derweil mit einer Gartenschere das Gras kurz. Wie gesagt, in Peru stört sich kaum einer an schwer arbeitenden Frauen. Ich will jedoch nicht ungerecht sein, der Rasenschneider und der Nachtwächter schippen den Schlamm, der in der landwirtschaftlichen Basis Santa Rosa nebenan benötigt wird, anschließend von der Ladefläche des Pick-ups.

Am nächsten Tag füllen wir die Zufahrt mit grobem Kies auf, den wir mit einer Schubkarre heranholen und breit rechen. Ein paar Entwässerungskanäle müssen an den tiefsten Stellen gegraben werden, dann walzt Jörg mit einem der Busse den Schotter ein wenig platt. Die feinere Schotterschicht muss bis nächste Woche warten, wenn sich das Grobgestein gesetzt hat. Am Freitag schottert Jörg noch den Werkstattboden, ich erstelle ein paar Problemanalysen bezüglich des Fahrzeugparks und recherchiere im Internet, dann ist auch schon Wochenende, das wir uns – zumindest gefühlt – verdient haben.

Munaychay, Peru – Woche zwei im Kindercamp

Sonntag, März 4th, 2012

Die restlichen der 70 Kinder sind eingetroffen, denn am morgigen Montag beginnt die Schule. 70 Schulkinder zwischen sechs und 17 Jahren leben hier im Kinderdorf Munaychay, je zehn Kinder und Jugendliche in sieben Häusern, mit je einer „Mutter“ oder Tia, Tante, wie sie hier genannt werden, und ein paar Ersatztanten. Die Kinder sind Waisen, Halbwaisen oder aus anderen Gründen vom Sozialamt oder Gericht zugewiesene Fälle. Die Kinder erhalten hier ein Heim, Essen, Kleidung, Erziehung, Bildung und alles, was für eine Zukunft nötig ist. Manche der Kinder fahren während der Schulferien zu Verwandten nach Hause, andere haben kein zu Hause mehr oder keines, wo sie hin könnten oder sollten. Es gibt ein weiteres separates Heim für Kleinkinder und eines für über 18jährige, die noch in Ausbildung sind. Die öffentlichen Schulen, die die Kinder besuchen, werden durch den deutschen Projektträger Herzen für eine neue Welt e.V. finanziell für Essen, materiell z.B. mit Möbeln und personell mit Lehrern und Psychologen unterstützt.

Die Hälfte der Tanten sind Krankenschwestern, die andere Lehrerinnen. Kein einfacher Job, denn sie müssen drei Wochen lang 24 Stunden täglich mit den Kindern zubringen, und haben dann eine Woche frei. Die meisten von ihnen haben eigene Kinder, die schon groß genug sind oder auf die der Mann oder vielleicht die Oma aufpasst. Und natürlich sind die Heimkinder nicht automatisch artig, schon gar nicht, wenn sie aus teils schwierigen sozialen Verhältnissen kommen. Da wird hier mal das Zähneputzen ausgelassen oder da mal das Nägelschneiden umgangen. Der Fernsehraum wird nur samstags geöffnet; aber wenn man doch gerne auch mal zwischendurch in die Glotze schauen möchte, tut man nicht alles dafür, da ran zu kommen? Die Kids sind extrem neugierig und wenn etwas herumliegt, können sie es vielleicht selbst brauchen. Auch wir sollen immer alles absperren. Kinder eben, ganz normal. Aber zehn davon, fremde dazu, und das 24 Stunden am Tag. Respekt, und ganz ehrlich, Tia sein wäre nicht gerade mein Traumberuf. Unterstützt werden die Tias von deutschen Volontären, jungen Menschen meist zwischen Abitur und Studium oder Wehrersatzdienstleistenden und einigen fest angestellten deutschen und peruanischen Mitarbeitern.

Die Werkstatt haben wir inzwischen fertig gestellt, auch wenn in Südamerika eben alles einen Gang langsamer geht als in Mitteleuropa. Fast fertig jedenfalls, denn der Schotter für den Fußboden fehlte. Der ist gestern eingetroffen, und es ist genug, die gesamte verschlammte Zufahrt zu den Garagen zu schottern. Nun müssen wir uns noch um die Ausstattung der Werkstatt mit Werkzeugen und Ersatzteilen kümmern. In der Zwischenzeit haben wir auch begonnen, den Fahrzeugpark des Kinderdorfes unter die Lupe zu nehmen, hie und da mal eine Wartung oder kleine Reparatur selbst durchzuführen, eine Mängelliste zu erstellen und zu evaluieren, ob das Fahrzeug gehalten oder verkauft werden soll. Und so geht es weiter, wir könnten hier sicher Wochen und Monate zubringen – Arbeit gäbe es genug.

Munaychay, Peru – Meerschwein-Nachtrag

Donnerstag, März 1st, 2012

Meine Freundin Patricia aus Ecuador hat zwei Schwächen: Eine Leidenschaft für Meerschweinchen und eine panische Angst vor Mäusen und Ratten. Eines Jahres im Dezember besuchte sie die Familie ihres deutschen Mannes in Berlin. Weihnachten ohne Cuy-Braten war schlicht undenkbar für sie. Doch wie groß muss die Enttäuschung gewesen sein, als sie erfuhr, dass man in Deutschland keine Meerschweine isst und diese nicht mal kaufen kann. Patricia, wild entschlossen und kreativ, ging in eine Zoohandlung. Den Rest der Geschichte erspare ich Euch. Sie hatte auf jeden Fall ein schönes, adäquates Weihnachten. Die Reaktionen der Berliner Familie sind uns unbekannt.

Zu Hause hört man Patricia manchmal entsetzt kreischen und sieht sie in Panikstarre verfallen. Man nimmt es gelassen, ihr ist dann nur eine Maus oder eine Ratte über den Weg gelaufen. Eines Tages erzählte Patricias deutscher Mann ihr, dass Meerschweine, Ratten und Mäuse derselben Familie angehören (das ist natürlich nicht ganz wahr, aber unwahr eben auch nicht). Heute isst Patricia keine Meerschweinchen mehr.

Munaychay, Peru – Sonntagsbraten aus dem Kinderzimmer

Mittwoch, Februar 29th, 2012

Das Thema verfolgt mich schon lange, bereits seit Monaten, doch wollte ich es Euch, meiner zartbesaiteten Leserschaft nicht zumuten, solange es sich vermeiden lässt. Jetzt ist es nicht länger zu verhindern. Denn wir essen Meerschweinchen: die kleinen putzigen Säugetiere, einsame Gesellschafter noch einsamerer Menschen, Spielgefährten von Einzelkindern, fiepende Wollschweinchen. Fast jeder hat wohl schon von der exotischen peruanischen Gepflogenheit gehört, unsere lebendigen Spielzeuge zu verspeisen. Wie weit verbreitet diese Sitte wirklich ist, dringt kaum nach Europa vor. Und wie barbarisch das ist, wie hinterwäldlerisch, wie rückständig, wie grausam!

Ich muss Euch enttäuschen: Wir alle aßen Meerschweinchen. Vielleicht nicht wir persönlich, aber möglicherweise unsere Großeltern. Meerschweinchen wurden im 16. Jh. von Südamerika nach Europa gebracht und bis zum Zweiten Weltkrieg durchaus zu kulinarischen Zwecken gehalten und gezüchtet. Es konnte sich jedoch nie gegenüber traditionellen Schlachttieren durchsetzen und verlor daher an Bedeutung. In einigen Ländern ist der Konsum von Meerschweinchen mittlerweile gänzlich verpönt. In Südamerika dagegen (in Afrika übrigens auch) werden sie in Peru und den angrenzenden Ländern, darunter vor allem in Ecuador und im südlichen Kolumbien, gerne gegessen.

Waren sie früher billiger und oft einziger Proteinlieferant der armen andinen Bevölkerung, haben sich Cuys, so der spanische Name, unter dem sie zum Teil auch in Deutschland bekannt sind, inzwischen zur Delikatesse entwickelt. Am Spieß gebraten sieht man sie oft an Straßenimbissständen, Restaurants bieten sie auch aus dem Ofen an. Das Speisetier ist mittlerweile so teuer geworden (um die 15 US$ für eines in Ecuador und Kolumbien, etwas günstiger in Peru), dass die Bergbevölkerung, die die Meerschweinchen züchtet, sie mittlerweile eher als gute Einnahmequelle ansieht.

Die Tiere werden meist, wie Hühner auch, auf dem Lehmboden in der Küche gehalten. Da dem Hausmeerschwein im Gegensatz zur Wildform das Sprungverhalten abhanden gekommen ist, genügt eine niedrige Barriere, um sie an der Flucht zu hindern. Praktisch ist es zudem. Kommt Besuch, hat man das Frischfleisch gleich parat – auch ohne Kühlschrank. Niedlich sind die Tiere mitnichten: Wie sie in Massenhaltung stinkend in ihren Ställen am Boden hocken, erweckt das kaum mehr Mitleid als ein Huhn oder Schwein im Stall. Und essen wir nicht auch eigentlich putzige Kaninchen? Was ist mit süßen Lämmern? Und überhaupt, hat ein glupschäugiger Fisch weniger Lebensrecht, nur weil er nicht so ganz in unser Kindchenschema passt?

Das Hilfsprojekt Corazones para Perú, Herzen für eine neue Welt, hat eine Hühner- und Meerschweinchenzucht in der landwirtschaftlichen Anlage Santa Rosa gleich neben dem Kinderdorf Munaychay zum Teil für Eigenbedarf und vor allem zum Verkauf. Mitarbeiter können sich ein Meerschwein für 30 Nuevo Soles (ca. 8,25 Euro) mit Beilagen zubereiten lassen. Wir haben uns zwei für heute Abend bestellt und teilen schon bald die enttäuschte Ansicht der meisten anderen europäischen Cuy-Esser: Es ist nichts Besonderes. Es schmeckt nicht nach Huhn, wie manche behaupten, das Fleisch ist dunkler und etwas intensiver, eher wie Fasan oder Wildhase, allerdings ohne den feinen Wildgeschmack.

Die Haut ist dick und zäh wie Leder, eigentlich nicht essbar. Fleisch ist an dem pummeligen Nager kaum dran. Das Tier besteht wohl mehr aus Pelz und Innereien, um das viele Gras verdauen zu können. Daher werden die Innereien stets mitserviert, damit man satt wird. Die Zubereitung ist wohl auch ein wenig Schuld an unserer mangelnden Begeisterung: Der Braten war zu lange im Ofen, sodass das Fleisch vertrocknet ist, und außerdem ist es versalzen. Nun gut, wir haben es probiert, für essbar, aber nicht erstrebenswert befunden. Der Haus- und Hofhund Meilo, der mehr als der Rest des Kinderdorfes unter Proteinmangel leidet, wird sich morgen an den Resten erfreuen. Und zum Glück haben wir stets einen Jägermeister im Kühlschrank.

Munaychay, Peru – Die erste Woche im Kinderdorf

Sonntag, Februar 26th, 2012

Am siebten Tage sollst Du ruhen, sprach der Herr. Das haben wir auch nötig. Schwere körperliche Arbeit ist auf dreieinhalbtausend Meter Höhe noch mal so schwer. Mein Post-Inka schleppt Steine und schaufelt, was das Zeug hält, schläft dafür aber schon um sechs. Unser erstes Projekt ist eine Werkstatt für den Fuhrpark des Kinderdorfes. Mauern und Dach stehen bereits, aber der Erdboden und die Mauern sind feucht von einlaufendem Wasser. Zunächst schachten wir den Boden aus, um den Wasserabfluss zu finden. Wir bauen eine Form aus Holz, um einen Kanalschacht herzustellen, mischen Beton mit der Hand in einer Schubkarre, schleppen ihn in Eimern eine Treppe hinab, und gießen den Kanal.

Am nächsten Tag mischen wir erneut Beton, legen ein Abwasserrohr, gießen mehr Beton, um den Eingangsbereich wasserdicht zu bekommen und einen Deckel für den Abwasserschacht zu formen. Mit einem Zwei-Mann/Frau-Team, bestehend aus Jörg und mir, ist man dabei gut und gerne ein paar Tage beschäftigt. Zumal wir für jedes Werkzeug herumrennen, den Verantwortlichen suchen müssen, der meist gerade nicht in Sicht ist, und sich das Werkzeug dann sowieso an einer völlig anderen Stelle befindet als gedacht. Wie die Maurerkelle, die im Fenster des Hühnerstalls liegt, weil sie zum Abkratzen des Hühnerkots benutzt wird. Wir bauen nächste Woche weiter.

Die Kinder indessen können immer noch nicht genug bekommen von unserer Kabine. Bett-Küche-Bad-Dusche, das sind die Prioritäten. Wobei wir zugeben müssen, dass die Kinder sehr gut erzogen sind, immer höflich fragen, ein Nein zur Besichtigung widerspruchslos akzeptieren und selbst bei einem Ja nur ein paar Minuten bleiben, obwohl sie bereits auf der Treppe noch mindestens zweimal kehrt machen, der Abschied fällt so schwer. Vor allem die größeren Mädchen übernehmen Verantwortung und ordern die Jüngeren: „Wir gehen jetzt!“ Überhaupt sind das Verantwortungsbewusstsein und die Verantwortungsbereiche der Kinder erstaunlich: Sie putzen, kochen, waschen ihre Wäsche selbst. Mit der Hand, und mit kaltem Wasser, versteht sich. (Etwas Ermunterung werden sie vielleicht schon brauchen.) Es gibt auch Vorschüler und Erstklässler hier.

Mit riesigen Heckenscheren schneiden die Kleinsten das Gras kurz. Jede deutsche Mutter würde vor Entsetzen aufschreien. Mit Bestimmtheit hat auch hier jemand die Kinder auf die Gefahren einer großen Schwere hingewiesen, aber sie schneiden sich nicht. Sie springen zwei Meter hohe Mauern hinunter und klettern sie wieder hoch. Trotz Schule und Haushaltspflichten bleibt ihnen genügend Zeit für Spaß und Spiel. An einem sonnigen Tag – schließlich ist Karneval – begeben sie sich mit Eimern bewaffnet in den Springbrunnen und spritzen oder vielmehr schütten sich voll. Immer mehr Kinder kommen mit noch mehr Eimern zum Mitmachen. Sie sind klitschnass und kreischen vor Freude. Niemand maßregelt sie. Aller Wahrscheinlichkeit nach ziehen sie sich anschließend selbstständig trockene Kleidung an und waschen die nasse womöglich gleich.

Mit Kinderarbeit hat das Ganze nichts zu tun, nur mit Vorbereitung auf das wahre Leben. Bei uns werden Kleinkinder bis zum Alter von 31 in Watte gepackt, im Hotel Mama versorgt, von wo aus sie sich einen weiblichen oder männlichen Mamaersatz suchen, heiraten, enttäuscht feststellen, dass es eben doch nicht Mama ist, und sich wieder scheiden lassen.

Wir bitten um Verständnis, dass es aus dem Kinderdorf vielleicht nicht so viele Fotos gibt wie erhofft. Fotografieren ist hier eingeschränkt, da unter den Kinderdorfbewohnern auch Gewaltopfer sind, deren Identität geschützt werden soll.

Munaychay, Peru – Steine schleppen und Kartoffelnudeln

Dienstag, Februar 21st, 2012

Jörg pickt, hackt, stemmt. Ich schaufle, schleppe kleine Steine und rolle die großen, soweit es meine Kräfte zulassen. Aus ausgegrabenen Steinen und Grasteppichen bauen wir eine Rampe für Arminius. Das ist unsere erste Aufgabe im Kinderdorf Munaychay. Als wir gestern Nachmittag ankamen, erhielten wir einen Stellplatz unter einem Dach bei den Bussen. Gut gemeint, aber hier ist es schlammig, dunkel, und das Solarpaneel funktioniert natürlich nicht. Auf einem ungenutzten Wiesenstück haben wir die perfekte Aussicht: auf die schneebedeckten Gipfel der Cordillera Urubamba auf der einen und die grüne Cordillera Vilcabamba auf der anderen Seite.

Leider versperrt uns eine Mauer nach dörflicher Inkabauart mit teils zentnerschweren Blöcken den Weg. Niemand hat etwas dagegen, dass wir ein Stück des Walls entfernen, um eine Zufahrt zu schaffen. Nur haben wir während der Arbeiten verdächtig wenige Zuschauer. Zum Glück stört es in Peru niemanden, wenn Frauen Steine schleppen. Erst als wir nach wenigen Stunden fertig sind, kommen sie nickend hinter den Ecken hervor: „Gute Arbeit!“ Als wir dann in gemeinschaftlicher Arbeit den Unimog rückwärts durch das enge Zaunloch und über die Rampe bugsieren – in unserem bewährten System, ich am Steuer, Jörg weist ein – hat sich das gesamte Dorf zum Zuschauen versammelt. Als ich hinterher aussteige, wissen die Jungs überhaupt nicht, wo sie hinsehen sollen. Das ist irgendwie zuviel Neues auf einmal.

Wir haben uns verpflichtet, im Kinderdorf Munaychay für ein paar Wochen ehrenamtlich mitzuarbeiten. Das Dorf befindet sich in der Nähe von Cusco, in einem Seitental bei Urubamba und gehört zum privaten Hilfsprojekt www.herzenhelfen.de. Es widmet sich in erster Linie der Bildung und Ausbildung von Kindern, der Schaffung von Arbeitsplätzen zur Eindämmung der Landflucht und der Selbstversorgung. Im Freien und in Gewächshäusern werden Kartoffeln und Gemüse gezüchtet, Hühner und Eier werden sogar auf dem Markt verkauft.

Im Laufe der Reise stellten wir fest, dass wir extrem privilegiert sind. Damit meine ich nicht ausschließlich uns Weltreisende, sondern alle Menschen in Deutschland, in Mitteleuropa. Was uns betrifft wollen wir einen Teil unserer Reisezeit und unsere Arbeitskraft guten Zwecken widmen und wählten dieses kleine, unbürokratische Projekt. Wie stets werden wir auch hier mit einem amüsierten und einem kritischen Auge hinter die Kulissen blicken. Natürlich sind wir nicht böse, die Regenzeit in den Bergen auf diese Weise überstehen zu können und die Wartezeit für unsere neuen Reifen zu überbrücken, die noch nicht einmal unterwegs sind, da wir die bürokratischen Importhürden Perus noch nicht überwunden haben.

Als es endlich ein Uhr ist und uns von der schweren körperlichen Arbeit auf 3.400 m Höhe der Magen knurrt, suche ich mit meinem Topf die Küche auf. Das scheinen hier viele so zu machen, obwohl wir auch in den Kinderhäusern essen könnten. Ich halte der Köchin den Pott hin und sage: „Für zwei Personen bitte.“ Wieder dieser Blick. Mondkalb. „Essen???“ fragt sie schließlich. Nein, Klopapier, Haarshampoo, Flohpuder. „Ja, essen für zwei Personen bitte.“ Sie zweifelt immer noch, hebt den Deckel. „Wir haben aber nur das.“ Sie deutet auf Bandnudeln, gemischt mit im Ganzen gekochten Salzkartoffeln. Sehe ich mit meinen wirren, hochgesteckten Haaren, den schlammigen Schuhen und den von der Arbeit dreckigen Jeans aus, als ob ich etwas Besseres wäre? „Das ist prima“, versichere ich, woraufhin ich eine Portion für eine vierköpfige Familie erhalte. Recht so, wir sind hungrig. Die Nudel-Kartoffel-Mischung ist geschmacklich nicht einmal schlecht, sie enthält sogar Spurenelemente von Zwiebeln, Möhren, Erbsen und Fleisch, und reichlich Öl, damit es rutscht und sättigt.

Später schneide ich Jörg die Haare mit dem Haarschneidegerät. Schon ist das minderjährige Publikum wieder da. „Whow, die haben einfach alles.“ Ein paar von den Jungs nutzen die Gelegenheit, um Fragen zu stellen, vor allem zum Auto. Aber da sind auch die anderen. 150 cm Abstand und penetrantes, stummes Starren. Zum Glück wird auch Haare schneiden irgendwann uninteressant.

Am Abend halten es die Kinder nicht mehr aus, vor allem die Mädchen. Allzu viele Kinder sind momentan nicht da, in Peru herrschen im Januar und Februar Schulferien. Die Horde vor dem Fenster hat eine Sprecherin auserkoren, die höflich fragt, ob sie bei uns rein dürfen. Wird wohl auf Dauer nicht zu verhindern sein, also ja. Die Kinder brechen in Entzückensschreie aus. Es gibt ganz klare Prioritäten: Wo ist das Bett? Küche? Herd, klar, Backofen, super, und schau, ein Kühlschrank! Der muss auf und untersucht werden. Ein Waschbecken – kuck da kommt sogar Wasser raus. Toilette? Hier. Dusche auch? Whow. Und wo sind die Klamotten? Schon befindet sich der Kleiderschrank unter Investigation. Wo sind die Schuhe? An der Tür. Alles ist zufriedenstellend, die Kinder hüpfen dreimal raus und wieder rein, alles muss erneut untersucht werden.

Die Kinder sind invasiv, aber ich würde sagen, es ist ungebremste kindliche Neugier. So wie alle Kinder wären, wenn sie nicht wie bei uns umerzogen würden: Schau da nicht so hin! Nicht anfassen! Das tut man nicht! Frag nicht so viel! Die Fragen dieser Kinder sind erstaunlich intelligent, sie machen sich Gedanken über Dinge, über die die meisten Erwachsenen nicht einmal nachdenken. „Habt ihr auch Strom? Wo kommt das Wasser her? Ist es nur kalt oder auch warm? Und wo geht das Wasser aus der Dusche hin? Respekt, Mädels. Ein Junge will wissen: „Habt ihr auch einen Fernseher?“ „Nein, wir haben Bücher. Zum Lesen.“ „Oh…“

Cusco, Peru – Unfreiwilliger Kartoffelbrei und Gefrierbeutelproblematik

Sonntag, Februar 19th, 2012

„Welche Kartoffelsorte eignet sich am besten für Kartoffelsalat?“ Dieser Blick. Also ob ich ein Mondkalb wäre. In solchen Momenten komme ich mir unendlich dumm vor. Ich denke, irgendetwas Falsches, etwas völlig Unverständliches gesagt zu haben. Doch nein, die Frage war richtig, verständlich formuliert. Ich versuche es noch einmal, erklärend, ausschweifend. Die beiden Verkäuferinnen an der Gemüsewaage lassen erneut Sekunden verstreichen, bis schlussendlich eine antwortet: „Das weiß ich nicht.“ Gütiger Himmel, wer soll es denn sonst wissen? Aber wer soll sich bei 3000 Kartoffelsorten auch noch auskennen.

In jedem Supermarkt Perus ist eine Ganze Reihe des Gemüseregals den verschiedenen Kartoffelsorten gewidmet. Leider verhalten sich die meisten Sorten ausgesprochen eigenwillig beim Kochen. Die Salzkartoffeln sind fast gar, man gibt noch zwei, drei Minuten dazu, sie sehen perfekt aus, die Messerstichprobe ergibt: perfekte Konsistenz. Ich gieße das Wasser ab, sehe in den Topf, und habe Kartoffelbrei. Die meisten Sorten hier sind nicht nur mehlig kochend, sondern mehlig zerfallend. Die gibt es in Deutschland gar nicht. Entsprechend viele Rezepte für derartige Anwendungsgebiete weist die peruanische Küche auf: Aufläufe mit Kartoffenpüree oder Kartoffencremesuppen. Ich greife mir die Kartoffeln, die denen am ähnlichsten sehen, mit denen ich bereits gute Erfahrungen machte.

Als nächstes brauche ich Gefrierbeutel. Die finde ich in einem deutschen Supermarkt schon nicht. Mal sind sie hinterm Geschenkpapier, mal in einem Eck der Gemüseabteilung, mal bei der Schuhcreme. Ich frage einen Verkäufer nach Alu- und Frischhaltefolie (das klappt besser, und da sind auch stets die Beutel), da niemand in diesem Land weiß, was Gefrierbeutel sind – obwohl so gut wie jeder Supermarkt sie führt. Der Verkäufer wiegt den Kopf. „Nein, so etwas führen wir nicht…glaube ich.“ Danke fürs Gespräch, ich versuche es beim nächsten. „Bitte fragen Sie die Damen da drüben.“ Mach ich, aber die beiden Verkäuferinnen, deren Unterhaltung ich gerade störe, antworten: „Der Herr da vorne, der weiß das“, und deuten zurück. Als direkt hilfsbereit, engagiert und gut ausgebildet kann man das Personal – vor allem in den Bergregionen – nicht bezeichnen. Nicht einmal als besonders freundlich.

Aber wer will’s ihnen verdenken: Über Jahrhunderte wurden sie unterdrückt und misshandelt: von den Inka, von den Spaniern, von Sendero Luminoso und wer weiß wem sonst noch. Besondere Fremdenfreundlichkeit zu erwarten wäre wohl schlicht zuviel. Ich begebe mich selbst auf die Suche, durchkämme die Regale nochmals sorgfältig, finde meine Beutel. Soll ich damit nochmals zu den Verkäufern zurückgehen? Verschwendete Energie. Ich gehe zur Kasse.

Wer in Cusco aufstocken muss: Es gibt zwei Mega Supermärkte, die nichts Besonderes haben, aber man verhungert nicht. Der in der Avenida Centenario (zwischen C. Quera und C. Ayacucho) ist stadtnäher, der größere in der Avenida de la Cultura hat geringfügig mehr Auswahl und etwas weniger schlaffes braunes Gemüse, das man grundsätzlich auf dem Mercado Central (San Pedro) frischer kauft.

Moray + Salinas, Peru – Inkaterrassen, Salinen und Karneval

Samstag, Februar 18th, 2012

Versuchsanstalt, Open-Air-Laboratorium oder schlicht Acker? In Moray befinden sich einige der berühmten Inka-Terrassierungen, allerdings in einer ganz besonderen Form. Wie in einem Amphitheater sind perfekte konzentrische Kreise (ein paar nicht weiniger perfekte Ellipsen gibt es auch) in einer Art natürlicher „Schüssel“ angeordnet. Die einzelnen Terrassen sind mit Mauern abgestützt und verjüngen sich nach unten hin. Um von einer Ebene in die nächste zu gelangen, wurden in die Mauern versetzt ein paar herausragende Steine eingelassen, die als Treppe dienen. Eine Be- und Entwässerung haben die Terrassen auch.

Mein Agraringenieur widerspricht der Theorie, dass es sich um ein Versuchslabor handelte, wo die Inka herausfinden wollten, auf welcher Höhe welche Frucht am besten wächst. Die Höhenunterschiede in den Pflanzkesseln wären zu gering. Allerdings muss man zugeben, dass in den Senken ein besonders mildes Mikroklima herrscht. Für eine Höhe von knapp 3.600 m ist es hier extrem mild. Wir gehen schon eher mit der Theorie konform, dass hier Wildpflanzen domestiziert, Hybride gezüchtet oder Pflanzen aus wärmeren Klimazonen akklimatisiert wurden. Oder es wurden gar Pflanzen angebaut, die sonst in diesen Höhenlagen nicht gedeihen würden.

Die Rundterrassen von Moray sind mit dem kompletten Boleto turistico, dem Teilboleto fürs Heilige Tal oder für 10 PEN Einzeleintritt zugänglich. So viele Touristen hat Moray sicher schon lange nicht mehr gesehen. Viele enttäuschte Pauschalreisende werden heute hierher gebracht, als Alternativprogramm für das unzugängliche Machu Picchu. Zum Glück können wir mit der Besichtigung vor dem Ansturm starten, da wir hier übernachtet haben.

Von Moray erreicht man über das Dorf Maras die sogenannten Salinas – alles auf guten Erdstraßen. An einem Hang wurden von den Inkas tausende von Salinen zur Salzgewinnung angelegt. Eine heiße, ausgesprochen salzhaltige Quelle entspringt einem Berg, wird in die flachen Becken geleitet und verdunstet. Das Salz wurde ursprünglich für Tierlecken verwendet, man kann es heute aber abgepackt kaufen, 350 g für 2 Nuevo Soles –teurer als im Supermarkt, dafür ohne rieselverbessernde Chemikalien. Eintritt zu den Salinen, die heute ebenfalls gut besucht sind, beträgt 5 PEN (S 13°18’14.9’’W 72°09’14.4’’). Die sorgfältig gemauerten Becken mit den schmalen Stegen zum Balancieren und den engen Kanälen für das Thermalwasser gehören zu den schönsten Anblicken im Heiligen Tal.

Auf dem Rückweg nach Cusco biegen wir an der Laguna Piuray ab zum Dorf Umaspampa. Hier soll es Webvorführungen geben und (Wand-) Teppiche und Wollwaren zu kaufen sein. Heute allerdings hat die Dorfbevölkerung anderes zu tun. An allen Februarwochenenden wird Karneval gefeiert, fast überall im Land, und hier auf dem Kirchhof. Die Kirche ist so ziemlich das heruntergekommenste Gebäude, das wir seit langem gesehen haben, aber das tut der Begeisterung der Dorfbewohner und er betrunkenen Akteure keinen Abbruch. Meist wird ein Baum aufgestellt, behängt mit Plastikdekoration und -waren. Ist er schließlich gefällt, reißen sich vor allem die Kinder um den Tand.

Eine Kapelle mit Schlag-, Blasinstrumenten und Flötisten spielt auf, soweit sie noch in der Lage ist. Dazu tanzen zwei Männer in Frauenkleidern. Sie legen tanzend einen Rock nach dem anderen ab (die Frauen hier tragen ja recht viele Röcke übereinander), dann den Hut, und schließlich müssen sie alles wieder anziehen. Niemanden kümmern die beiden Touristen, die zusehen, außer dem spanisch sprechenden Mann, der bemüht ist, mir ihre Karnevalstraditionen zu erläutern. Die Qualität der Vorstellung mag etwas unter dem Alkoholkonsum der Akteure leiden, steigert aber deren Begeisterung. In größeren Städten wirft man gerne „Bomben“ auf unachtsame Passanten, mit Wasser oder Mehl gefüllte Luftballons – besonders gerne natürlich auf „Weißhäutige“.

Nach beendeter Rundfahrt zurück in Cusco begeben wir uns zum geschlossenen Quinta Lala Campingplatz, wo Verwalterin Milagros uns schon erwartet. Nach der Bergungsaktion von neulich haben wir ungehinderten Zugang auf den Platz.

Ollantaytambo + Moray, Peru – Kein Weg nach Machu Picchu und Wasserfahrt

Freitag, Februar 17th, 2012

Heute Morgen heißt es Abschied nehmen von Ray und Jo, zumindest für einige Monate. Sie fahren weiter Richtung Süden, werden den Sommer in Deutschland verbringen und erst im Herbst nach Südamerika zurückkehren, während wir noch einige Wochen in der Nähe Cuscos bleiben.

Der Rio Urubamba, der Fluss, der uns durchs Heilige Tal begleitet, ist bedenklich angeschwollen. Es gibt zwar keinen Dauerregen, nur stundeweise, aber die Berge sammeln das Wasser und leiten es ins Tal. Die Ruine Ollantaytambo steht auf zwei Hügeln mit Speichern auf der einen und Terrassen auf der anderen Seite. Spannender finde ich das Dorf, das seit 1300 bewohnt wird und aus der Inkazeit stammt: mit Flusskieseln gepflasterte Straßen, Entwässerungskanäle in der Mitte des Weges oder an den Seiten – es muss damals schon so viel geregnet haben. Die Mauerarbeiten fürs gemeine Volk im Dorf – Bauern, Handwerker, Arbeiter – fielen nicht so fein aus wie für Tempelanlagen und hohe Herren: ein paar grobe Steine, mit Lehm zusammengeschmiert, Strohdächer drauf, fertig.

Es ist ein hübsches interessantes Dorf, aus dem heute die Camper fliehen und die Rucksacktouristen kopflos umherlaufen. Was ist los? Alle Wege nach Machu Picchu sind gesperrt. Die wohl meistbesuchte Ruine der Welt, Aushängestück der Inkakultur, ist unzugänglich. Die Autopiste nach Santa Teresa, von wo aus man zu Fuß / mit dem Bus nach Machu Picchu gelangt, ist schon seit Tagen von einem massiven Erdrutsch versperrt. Nun fährt auch der Zug nicht mehr, meistbenutztes Verkehrsmittel für Touristen auf dem Weg ins Heiligtum, dessen letzte Zusteigestation Ollantaytambo ist, und bald werden wir am eigenen Leib erfahren, warum. Der Inka-Trail, indiskutabel teurer mehrtägiger Fußmarsch zur Festung ist wegen Rutschgefahr und für Wartungsarbeiten im Februar stets gesperrt. Kein Weg führt also mehr zum peruanischen Touristenziel Nummer eins. Wie ruhig muss es jetzt dort sein, wo sonst die Besucherzahl auf stattliche 2500 pro Tag beschränkt ist.

Wir wollten unseren Besuch sowieso auf später verschieben und fahren stattdessen nach Moray weiter. Natürlich können wir nicht auf der normalen Straße fahren, sondern müssen wieder auf so einer Piste durch die Berge schleichen – wenn wir nur schon in den Bergen wären. Vier Kilometer östlich von Ollantaytambo führt eine orangefarbene 15-Tonnen-Brücke über den Rio Urubamba, Danach hält man sich links, überquert die Schienen und fährt sofort wieder die kleine Erdstraße links über die Schienen, sodass man jetzt den Fluss links und die Schienen rechts hat. Es dauert nicht lang, bis wir unsere Befürchtungen übertroffen sehen: Der Fluss rast überfüllt in seinem Bett hangabwärts, gezähmt nur von aufgeschütteten Dämmen. Trotzdem ist er teils über die Ufer getreten bzw. drückt von unten übers Grundwasser hoch. Der Schotterweg existiert nicht mehr, er hat sich ebenfalls in einen Fluss verwandelt. Das Gleisbett ist total unterspült – wann wird wohl wieder ein Zug nach Machu Picchu fahren können?

Zunächst durchqueren wir Unter-Wasser-Strecken von einigen Dutzend Metern mit trockenen Inseln zwischendurch. Dann kommen wir an eine Stelle, wo wir kein Ende des Straßen-Flusses mehr ausmachen können. Nun, wozu hat man einen Unimog, Jörg fährt einfach los. Dumm ist nur, dass man nicht weiß und in der roten Schlammbrühe nicht sehen kann, wie es unter der Oberfläche aussieht. Nur einmal sacken wir in einem großen Loch in der Straße bis zu den Einstiegen ein (65 cm), schlimmer wird es nicht. Nach mehreren Kilometern Wasserfahrt stoßen wir auf eine weitere Flussbrücke, eine schmale Hängebrücke, geeignet für kleine Fahrzeuge, dann überqueren wir die Bahn erneut und schon geht’s in Serpentinen hoch in die Berge, von 2.800 auf 3.600 m. Es beginnt erneut zu regnen und wir sind froh, den Fluss und die teils unter Flussniveau befindliche Straße verlassen zu können. Allerdings wird jetzt auch die an sich gute Bergpiste glitschig. Andenfahrer wissen: Das rote Zeug ist am schlimmsten, das ist wie Schmierseife.

In den flachen Hochtälern wird seit Inkazeiten Ackerbau betrieben. Ein ungewöhnlich mildes Mikroklima gestattet hier Weizen- und Rapsanbau. Nur 20 km nach Ollantaytambo erreichen wir Moray, eine weitere Inkaattraktion. Wir fragen die Wächter, ob wir auf dem Parkplatz übernachten können – kein Problem. Inkastätte Moray: S 13°19’48.2’’ W 72°11’39.2’’, kostenlos, kein Service.

Cusco + Pisac, Peru – Der Unimog, das Bergefahrzeug

Donnerstag, Februar 16th, 2012

Die deutschsprachige Kolonie löst sich auf. Sie versucht es jedenfalls, und die Schwierigkeiten, die das bereitet, sind eingeplant. Die sieben Fahrzeuge mit drei Schweizern, drei in Deutschland lebenden Holländern, vier Österreichern und vier Deutschen stimmen ihren Abfahrtstermin aufeinander ab, sprich, sie fahren ab, wenn Arminius abfährt, und das ist heute. Es sind erstaunlich viele Fahrzeuge für Nebensaison auf diesem Campingplatz, auf dem mittlerweise Land unter herrscht. Die einzige andere nennenswerte Gruppe Welt- und Amerikareisender sind Franzosen, aber da die bevorzugt mit Straßenwohnmobilen (möglichst groß) unterwegs sind, stehen sie draußen auf der Straße vor der Tür. Sie wären nicht einmal mehr auf den Platz gekommen.

Es handelt sich um eine sechsköpfige Familie (in Frankreich ist Heimschulung erlaubt, mit guten Programmen unterstützt und von reisenden Familien gerne genutzt), und ein älteres Paar, das außer Französisch nichts spricht. Wir hatten sie bereits in Nasca getroffen. Obwohl ich die bei unseren westlichen Nachbarn häufiger gesehene Verhaltensweise, nicht ein Wort Englisch, Spanisch, oder eine andere Sprache zu sprechen oder zu lernen, nicht gerade als weltoffen gutheißen kann, bewundere ich doch den Mut, derart unbedarft durch fremde Länder zu reisen.

Den schweizerischen Landrover bekamen wir schon gestern mit Sandbrettern und Schieben heraus, genau wie heute das österreichische Wohnmobil, das auf halbwegs festem Grund steht. Mit unseren sechs und zwei weiteren Glasfibersandboards, die wir immer wieder vorlegen, geht das hervorragend. Sie sind flach, leicht, damit gut zu stauen, extrem biegsam, unzerstörbar und springen stets wieder in die ursprüngliche horizontale Form zurück (unsere sind von sandbleche.de). Leider klappt das System bei den beiden Campern, die ganz hinten in der Ecke im weichen Matsch stehen, nicht mehr. Wir müssen sie heraus winschen. Dazu aber muss erst Arminius seinen Platz verlassen und sich in Position bringen. Ob wir wohl durch den Schlamm kommen?

Wir reduzieren den Reifendruck, der Unimog setzt sich in Bewegung und schwebt geradezu über die nasse Wiese. Mit Winschseil und Bergegurt ziehen wir die anderen beiden aus 50 m Entfernung, ohne den Campingplatz komplett umzupflügen. Die Verwalterin ist erleichtert. Der Mercedes-Bus mit Vierradantrieb steht günstig und schafft es mit den Sandblechen alleine. Zurück bleibt nur ein weiterer Landrover, aber der befindet sich auf trockenem Grund. Geschafft! Nicht nur die Bergeaktion, sondern auch wir. In über 3.600 m Höhe immer wieder Seil abrollen, aufrollen, Bretter vorlegen ist kein Pappenstiel – danke an unsere aktiven Helfer. Die kritischen Stimmen der letzten Tage über Unimogs sind restlos verstummt, daher trifft sich das Bergungsteam einträchtig zu einem Abschiedsfoto.

Nach unserer gemeinschaftlichen Abreise schließt der Campingplatz Quinta Lala. Eine einfache Drainage in den Rasen zu legen würde helfen, auch bei Regen operieren zu können, aber das ist eben Südamerika. Danke auch an Ray und Jo für das Beisteuern einiger Bilder, wir selbst waren teils zu beschäftigt gewesen. Zusammen mit den beiden starten wir eine Rundfahrt um Cusco durchs sogenannte Heilige Tal, das die Inka bewohnten und wo es zahlreiche Ruinen gibt – leider alle geschleift von den Spaniern, sodass nicht allzu viel davon übrig blieb.

Ein weiteres Problem kommt hinzu: Peru versucht – zu Recht oder nicht – möglichst viel Geld mit den hochstilisierten Ruinen zu verdienen. Es ist nicht möglich, sich eine oder einige davon auszusuchen und zu besichtigen. Das Zauberwort heißt Boleto turistico. Für 130 Nuevo Soles (36 €) pro Person erkauft man sich das Recht, innerhalb von zehn Tagen die wichtigen und unwichtigen Sehenswürdigkeiten der Umgebung zu besuchen, Cuscos Museen sowie eine folkloristische Tanzveranstaltung. Wem das zu viel ist, der kann zwischen drei verschiedenen Teil-Boletos für je 70 PEN (gut 19 €) wählen: eines für die Museen, eines für die archäologischen Stätten im Heiligen Tal (Pisac, Ollantaytambo, Chinchero und Moray) und ein anderes für die Ruinen direkt an der Stadt (Sacsaywamán, Q’enqo, Pukapukara, Tambomachay). Teil-Boletos sind zwei Tage gültig.

Mit Überredungskunst gelingt es manchmal, eine einzelne Ruine für 35 bis 40 PEN (10 – 11 €) zu besuchen, das ist jedoch inoffiziell. Um es vorweg zu nehmen: Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist hier aus den Fugen geraten. Ich hasse dieses (Un-)Wort, dennoch schleicht es sich in mein Hirn: Abzocke? Leider gibt es nur die Wahl: Boleto oder keine Ruine. Gerüchte gehen, dass man zeitig vor 7:00 Uhr (wenn die Wächter eintreffen) kostenlos rein kann.

Auf unserer Rundfahrt entgegen dem Uhrzeigersinn passieren wir zunächst Sacsaywamán. Man kommt zwar ohne Boleto nicht in die Anlage hinein, aber ein paar aus erstaunlich großen Blöcken zusammengesetzte Mauern kann man von außen sehen und mit einem Teleobjektiv fotografieren. Das gleiche gilt für die Zick-Zack-Mauern der kleinen Ruine Q’enqo. Die nächsten beiden sind relativ unspektakulär. Dazwischen kann man, vor allem in Yuncaypata, Häuser mit tierischen Stuckdekorationen und Keramikkühen auf den Strohdächern sehen. Pisac gehört wieder zu den interessanteren Inkastätten, die Größe und die Lage auf einem Berg machen es aus.

Die Sicht ist heute nicht gut, daher begeben wir und schnurstracks zum Club Royal Inka. Das ist ein Hotel mit riesiger Anlage, wo man im Garten für 20 PEN pP campen kann. Im Preis inbegriffen ist die Nutzung sämtlicher Einrichtungen: olympisches 50-m-Hallenbad (schließt um 16:00 Uhr), Teiche, Sport-, Picknick- und Grillplätze. Die grütze-graue Kühle lotst uns ins Schwimmbad, eine nette Abwechslung, obwohl Bahnenschwimmen auf 3.000 m Höhe recht Atmung anregend ist. Toiletten und warme Außenduschen sind weit weg vom Campingplatz, mit einem langen Kabel ergattert man Strom. Die Anlage ist mit den Jahren lateinamerikanisch heruntergekommen und wird ihrem hervorragenden Ruf nicht mehr gerecht, ist aber trotzdem besser als das meiste, was dieses Land zum Campen bietet. Club Royal Inka, Pisac, S 13°25’21.6’’ W 71°50’29.6’’

Cusco, Peru – Stadtrundgang: „Leute bin ich denn ein Kiosk…“

Dienstag, Februar 14th, 2012

„…oder bin ich etwa ’ne Bank, oder seh’ ich aus wie ein Hotel, oder wie ein Kassenschrank?“ Was der einzige schwyzerdütsche Hit ist, der je die eidgenössischen Grenzen übersprang (soweit ich es erinnere), könnte als perfekte Beschreibung eines Gangs über die Plaza de Armas in Cusco gelten. Hier will jeder nur unser Bestes: unser Geld. Indígenas verkaufen Souvenirs und Cucso-Drucke, Restaurants winken mit ihren Speisekarten und an jeder Ecke will man mich massieren. Fliegende Händler offerieren Regenschirme oder Regenponchos, nicht dumm in dieser Jahreszeit. Falls man sich je sein Schicksal aus Cocablättern lesen lassen wollte, ist man hier richtig. Jeder Schuhputzer Cuscos bietet mir heute mindestens einmal an, meine schlammverkrusteten Wanderstiefel zu reinigen, was völlig sinnlos ist, wenn ich nach unserm Stadtrundgang auf dem mittlerweile unter Wasser stehenden Campingplatz durch zentimetertiefen Matsch zum Camper waten muss. Am dreistesten finde ich die anhänglichen Bettler, die unser Geld ohne Gegenleistung wollen, einfach aufgrund der Tatsache, dass wir mehr davon haben als sie. Was korrekt ist, und so wie sie aussehen, könnten sie es wohl wirklich brauchen.

Die Plaza de Armas, der zentrale Platz Cuscos, ist ein Spießrutenlauf für die Weichherzigen, aber ein pulsierend lebendiges Stück Jahrtausende alter Geschichte. Die unvermeidliche Kathedrale steht hier, deren kunstvolles Innere man für 25 PEN pro Person, satte 7 €, besichtigen kann. Es hätte mich interessiert, aber nachdem die katholische Kirche die Reichtümer der Inkas geraubt hat, braucht sie mein Geld nicht auch noch. An der angrenzenden Plazaseite steht La Iglesia de la Compañía de Jesús. Die Kirche von 1572 sollte nach dem Erdbeben von 1650 auf Wunsch der Jesuiten zur prunkvollsten Kirche der Stadt werden. Zwar beschwerte sich der Bischof beim Papst, dass doch die Kathedrale das glorioseste sakrale Bauwerk bleiben müsse. Bis jedoch die Entscheidung des Papstes zugunsten der Kathedrale Cusco erreichte, war es bereits zu spät. La Compañía de Jesús war fast fertig, und so stiehlt ihre barocke Fassade auch heute noch der Kathedrale die Schau.

Säulenarkaden und weitere Kirchen säumen die Plaza de Armas, und es gibt noch weitere Plazas mit weiteren Kirchen und weiteren Arkaden. Dazwischen wuseln Menschen und drängen sich zu viele Autos durch die engen Gassen, hie und da klebt eine Markthalle dazwischen, wo von harmlosen gewebten Armbändern und Schlüsselanhängern über Ziegenhufe bis Stierhoden so ziemlich alles feilgeboten wird. Cusco ist eine durchaus schöne und vor allem interessante Stadt, auch wenn man wohl an wenigen Plätzen auf diesem Kontinent Tourismus so in seiner Reinform erleben kann. Trotz Nebensaison scheint mancherorts die Anzahl der Besucher die der Einheimischen zu übersteigen.

Das Besondere an einem Cusco-Rundgang sind die alten Inkamauern, die überall, vor allem in den engen Fußgängergassen meterhoch reichen, bis sie weiter oben von Kolonialmauerwerk abgelöst werden. Ein sehr schönes Beispiel ist die Calle Hatunrumiyoc, wo man sogar einen zwölfeckigen Stein bewundern kann, der perfekt zwischen die umgebenden Steine eingepasst wurde. Biegt man am Ende dieser Gasse rechts ab findet man nach wenigen Häusern auf der rechten Seite das winzige gemütliche Familienrestaurant Manaq Pacha – ein Tipp von anderen Reisenden, abseits der Reiseführerempfehlungen, den wir gerne weitergeben. Hier kann man ein Almuerzo – Mittagsmenü – für nur 10 PEN bekommen, dazu in sehr guter Qualität und mit reichlich Auswahl bei Vor- und Hauptspeise.

In einer Stadt mit derart ausgeprägtem Tourismus ist auch Anbetung nicht kostenlos. Die meisten Kirchen verlangen Eintritt um die 10 PEN, nur die Kathedrale ist teurer, was sich schnell summiert. Alternativ kann man das Boleto Religioso für 50 PEN (14 €) erstehen, das die Tore aller Kirchen öffnet. Zur Messe wird zwar kein Eintritt verlangt, aber dafür verwehrt man Touristen den Zutritt, es sei denn sie mischen sich unauffällig unter die Menge und verzichten auf touristische Verhaltensweisen wie Fotografieren. Würde ich nicht schon seit vielen Jahren keine Kirchensteuer mehr bezahlen, ich müsste mich glatt beim Papst beschweren.

Cusco, Peru – Die fugenlose Steinmetzkunst der Inka

Montag, Februar 13th, 2012

700 Platten massiven Golds zu je zwei Kilogramm sollen die Wände bedeckt haben. Im Garten standen lebensgroße Maispflanzen, Lamas mit Hirten, Babys, Altäre, eine Sonne, Bäume und Sträucher, Vögel, Schlangen und Schmetterlinge – alles aus purem, massivem Gold und Silber, verziert mit Edelsteinen. Qorikancha mit all seinen Kunstschätzen war der reichste Tempel im ganzen Inkaimperium gewesen. Dann kamen die Spanier, raubten die Schätze, schmolzen sie ein und schleiften die Mauern, soweit es ihnen gelang. Den Steinbruch benutzten sie, um auf den Tempelmauern Kirche und Kloster Santo Domingo zu bauen und verputzen alles unauffällig. Der Tempel geriet in Vergessenheit und bis 1950 war Santo Domingo eine ganz normale Kirche und Konvent. Dann erschütterte ein gewaltiges Erdbeben Cusco, und Santo Domingo stürzte in sich zusammen. Einige Mauern blieben jedoch stehen, und die beschämende Erkenntnis lautete: Es handelte sich um die Inkamauern, die man damals nicht hatte niederreißen können.

Heute ist Santo Domingo / Qorikancha – auf Quechua „Goldener Hof“ – ein Museum, eine eigenartige Kombination aus Inkabaukunst, Kolonialkirche, sakralem Museum, Kunstausstellung und Blumengarten. Die Inkamauern wurden vom Putz befreit und sind in ihrer ganzen Perfektion zu bestaunen. Die Steinblöcke sind so haargenau gearbeitet, dass sie völlig ohne Mörtel zusammengesetzt werden konnten. Nicht ein Blatt Papier kann man zwischen die Fugen schieben. Sämtliche Linien haben Sturz. Fenster und Türen verjüngen sich nach oben, selbst die Mauern als solches streben aufeinander zu. Zusätzlich sind einzelne Böcke ausgestellt, die die höchst komplizierte Verzahnung der Steine darstellen. Mit der Vernichtung der Inkakultur ist auch das Wissen über derart erdbebensichere Bauweise verloren gegangen. Bei dem Erdbeben von 1950 verschob sich lediglich ein Stein in den Restinkamauren um einige Millimeter.

Zehn absolut lohnenswerte Nuevo Soles bringen uns in diese bizarre Tempel-Kirche. Die ausgestellten kolonialen Ölgemälde und klerikalen Gewänder darf man nicht fotografieren. Aber wen stört das schon angesichts der zum Staunen mit offenem Mund verleitenden präkolumbischen Steinmetzkunst?

Cusco, Peru – Der Nabel der Welt

Sonntag, Februar 12th, 2012

Der Sonnengott Inti sah auf die Erde und beschloss, dass die Menschen etwas Organisation gebrauchen könnten. So schuf er im 12 Jh. den ersten Inka, Manco Cápac, und seine Schwester-Ehefrau Mama Ocllo auf der Isla de Sol im Titicacasee. Manco erhielt einen goldenen Stab mit dem Auftrag, sich dort niederzulassen, wo er sich mit einem Schlag im fruchtbaren Boden versenken ließ. Dies würde der Nabel der Welt werden, auf Quechua qosq’o, oder eben Cusco, wie die Spanier es nannten. Zunächst aber mussten Manco Cápac und Mama Ocllo weit laufen, bis sie den richtigen Platz fanden, unterwarfen gleich mal die Ureinwohner und gründeten nach der Legende das erste Inkareich. Bewohnt ist Cusco, auf 3.400 m Höhe gelegen, schon seit mindestens 2.000 Jahren, nimmt man an. Damit gilt sie als älteste kontinuierlich besiedelte Stadt Amerikas.

Bis zum achten Inka – nur der König durfte sich ursprünglich Inka nennen – beherrschten sie ein eher kleines Areal rund um Cusco und lieferten sich hin und wieder kleine Schlachten mit anderen Hochlandvölkern. 1438 gab es wieder so ein Gefecht, das der König verloren glaubte und die Flucht ergriff. Sein Sohn weigerte sich aufzugeben und mit Hilfe einiger erfahrener Generäle schlug er seine Gegner in einem verzweifelten letzten Vorstoß zurück. Derart Blut geleckt begann Pachacutec, der neunte Inka, gefolgt von seinem Sohn und seinem Enkel, ihr Reich systematisch auszuweiten, Völker kriegerisch zu erobern, zu unterwerfen, ihnen ihre Sprache, Kultur und Götter aufzuzwängen. (Ganz anders als die Spanier, nicht?) Dabei legten sie erstaunliches strategisches Geschick an den Tag, indem sie z.B. ganze Völker zwangsumsiedelten, um die so Entwurzelten gefügig zu machen.

Es bedurfte nur 100 Jahre und das Inkareich erstreckte sich von der heutigen Grenze Kolumbien-Ecuador im Norden bis südlich von Santiago de Chile. Dann war es auch schon wieder vorbei mit der Macht. Wie berichtet teilte der 11. Inka das Reich unter seinen beiden Söhnen auf, die sich bekriegten. Der Sieger Atahualpa wurde von den inzwischen auf dem Kontinent eingetroffenen Spaniern festgenommen und später umgebracht.

Der spanische Eroberer Francisco Pizarro erreichte Cusco im November 1533. Er ernannte Manco, einen weiteren Halbbruder Atahualpas, zum Marionettenkönig. Das ging ein paar Jahre gut, während derer Pizarro in unendlichem Zerstörungswahn die wunderschöne reiche Stadt Cusco – erbaut von den Inka im Grundriss eines Pumas – einreißen und durch koloniale Gebäude ersetzen ließ. Das gelang ihm nur bis zu einem gewissen Grad, da ihn die berühmte fugelose Bauweise der Inka mit ineinander verzahnten Blöcken einen Strich durch die Rechnung machte. So stehen heute noch zahlreiche der Kolonialgebäude und selbst Kirchen auf originalen Inkafundamenten. Sämtliches Gold und Silber ließ Pizarro einschmelzen und größtenteils ins Mutterland schaffen.

1536 rebellierte der Marionettenkönig dann doch, um die Spanier mit einer Armee von rund 100.000 Soldaten aus seinem Reich zu vertreiben. Doch es wurde nur ein verzweifelter letzter Ausbruch, in einer gewalttätigen Schlacht bei Sacsaywamán von den Spaniern niedergeschlagen. Manco Inka musste fliehen, zunächst nach Ollantaytambo und schließlich in die Dschungelfestung Vilcabamba (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Ort in Ecuador). Nachdem Cusco sicher zurückerobert war, wandten die Spanier ihr Interesse der von ihnen neugegründeten Hauptstadt Lima zu und Cusco verschwand vom Radar des Weltinteresses – bis 1911 Machu Picchu „wiederentdeckt“ wurde und Cusco von der ruhigen Provinzstadt zum Angelpunkt peruanischen Tourismus’ katapultierte.

Cusco, Peru – Heute koche ich…Alpaka

Freitag, Februar 10th, 2012

Jawohl, ich brate kleine süße Lamas. Na, so klein war es wohl nicht mehr, der Größe des Filets nach zu schließen. Der Campingplatz Quinta Lala besorgt feinstes Rind oder Alpakafleisch bei einem Spezialmetzger, allerdings nur kiloweise. Die Filets sind zu fast unglaublichen 29 PEN (8 €) das Rind und 20,90 Pen (5,75 €) das Alpaka pro Kilo zu erhalten. Geliefert wird es auch noch. Wer schon einmal die Freude hatte, Kamel in Arabien zu essen, der weiß vielleicht, dass Dromedarfleisch von Rind kaum zu unterscheiden ist, aber extrem lange Kochzeiten benötigt, sprich so zäh ist wie eben ein Kamel in der Wüste sein muss. Damit hat Alpaka zum Glück nichts zu tun. Es ist zart, schmeckt ebenfalls wie Rind, und hat nur halb soviel Fett.

Cusco, Peru – Campen in Cusco

Donnerstag, Februar 9th, 2012

Über 500 km sind es bis nach Cusco, behauptet Mandy, unser Garmin-GPS mit begrenzter Intelligenz. 500 km hoch auf 4.300 m, runter auf 1.800, hoch auf 4.550, runter auf 1.700, hoch… Dass diese Straße mehr Kurven als Geraden aufweist, kann man sich denken. Wir möchten trotzdem nach Cusco, wo wir heute Morgen doch schon so früh aufstanden, nachdem uns eines der Schwertransport-Begleitfahrzeuge um 4:45 Uhr freundlicherweise weckte, indem es seine Musik per offenem Fenster mit uns teilte. Auch später wollen wir immer noch nach Cusco, trotz des Fünf-Minuten-Kraftstoffvorfilterwechsels und Ina und Karl, zwei entgegenkommenden deutschen Reisenden mit einem VW-Bus, mit denen wir uns eine Stunde verquatschen.

Zumindest nehmen wir die Warnung mit, uns auf der Suche nach dem einzigen Campingplatz in Cusco (oder Cuzco) nicht vom GPS irreleiten zu lassen. Das gelingt uns nicht ganz, wir fahren trotzdem komisch, doch da wartet schon ein Motorradpolizist. Er bietet sich an, ein Stück vorweg zu fahren. Er kann nicht fahren, strauchelt immer wieder, biegt links ab, wo es verboten ist, fährt über rote Ampeln und schafft es schließlich, uns abzuhängen, bevor es richtig kompliziert wird. Nicht schlimm, wir fragen uns durch, und bevor wir uns vom Navi noch einmal fehlleiten lassen, wartet unser Freund und Helfer bei Kollegen am Straßenrand und bedeutet uns, dass es jetzt nur noch geradeaus geht. Na ja, fast. Den Campingplatz Quinta Lala zu finden ist nochmals ein Akt für sich. Er befindet sich draußen bei den Ruinen Sacsaywamán, ist nicht beschildert, und das GPS will mal wieder einen Feldweg nehmen. Da es seit Cusco Zentrum schon stockfinster ist, finden wir auch die Einfahrt zum Campground nicht, ein unscheinbares Holztor. Doch da deuten schon helfende Hände, rufen helfende Münder, rennt eine helfende Mutter, und schon stehen wir auf dem etwas schiefen Rasenplatz.

Auch wenn hier einiges etwas rustikal wirkt, es stellt sich als einer der bestorganisierten Campingplätze – nicht nur Perus – heraus. Eine vierseitige Anleitung in Englisch informiert nicht nur über Preise des Campings (pro Nacht 10 PEN je Person und Auto = 30 PEN, Strom 3, Internet 5), sondern auch Services: z.B. zwei Bioeier von den frei herumlaufenden Hühnern für 1 Sol, 1 große Flasche Bier 6, eine Waschmaschine 5-6 kg 10 PEN etc. Wo finde ich in der Stadt den Supermarkt, die besten Restaurants, dunkles Brot oder holländischen Käse? Wo kann man seinen Overland-Truck oder Fahrzeuge diverser Marken reparieren und seinen Gastank füllen lassen? Wie finde ich deutsch oder englisch sprechende Ärzte? Und auf welchen Wegen erreicht man Machu Picchu? All das und mehr beantwortet das Manual.

Der Campingplatz Hotel Quinta Lala hat normalerweise während der Nebensaison (Regenzeit) geschlossen, da der Rasen dann unbefahrbar ist. In diesem Jahr regnet es viel weniger als sonst, aber zweiradgetriebene Mobile pflügen die Wiese trotzdem um. Niemand in Cusco kennt Quinta Lala. Man fragt nach den Ruinen Sacsaywamán und biegt noch vor denselben in einer Rechtskurve nach links ab, dem Schild Hotel Inca Tambo folgend – falls Euer GPS auch spinnt (S 13°30’20.8’’ W 71°59’06.3’’, 3.619 m).Die Strecke Nasca – Cusco wird von den meisten Reisenden in drei Tagen gefahren, auch wenn man es offensichtlich in eineinhalb langen Fahrtagen und mit einem auch in größeren Höhen flotten Fahrzeug schafft.

Nasca + Puquio, Peru – Rastamumien in Chauchilla und kamelhafte Fortpflanzung

Mittwoch, Februar 8th, 2012

Da hocken sie in ihren Löchern, die paar Fetzen, einst edle Stoffe, um sich gescharrt, die Augen hohl, die Zähne gebleckt, die verfilzten Zöpfe müssen bis zu den Knien gereicht haben. Die Mumien sitzen in ihren offenen Gräbern im archäologischen Friedhof von Chauchilla, ebenfalls Teil der Nasca-Kultur. Entdeckt wurde der Platz von Grabräubern, die menschliche Überreste, Kleidung, Bruchkeramik, alles, was sie nicht brauchen konnten, in der Wüste verteilten. Archäologen mussten alles wieder mühsam zusammensetzen.

Jetzt sitzen die schaurig behaarten Mumien wieder in ihren gemauerten, heute offenen Gräbern, zusammen mit nicht mumifizierten Schädeln, Knochen und Knochenbündeln sowie wenigen verbliebenen Grabbeigaben. Ein paar Kinder sind ebenfalls dazwischen. Von Dächern beschattet werden nicht nur die antiken Ruhestätten, sondern auch einige Parkplätze. Der Besuch des Cementorio Arqueológico de Chauchilla schlägt mit 5 PEN zu Buche, Zeitbedarf ca. eine halbe Stunde. Beschilderter Abzweig von PanAm 25 km südlich von Nasca: S 14°58’55.5’’ W 74°59’31.8’’; Parkplatz nach 7 km guter Piste: S 14°58’59.2’’ W 74°55’41.3’’; Übernachten am Eingang oder in der Nähe sollte möglich sein.

Bevor wir die Panamericana bei Nasca Richtung Cusco verlassen, geraten wir seit langem mal wieder in eine Polizeikontrolle. Außer Fahrzeugzollbescheinigung und Reisepass will der Beamte sogar unsere SOAT Versicherung sehen. „Licht!?“ meint er. „Ist an.“ „Ach so.“ In Peru ist auch tagsüber Fahren mit Licht vorgeschrieben, auch wenn sich rund 99 % der Peruaner nicht daran halten und auch bei Nebel oder anderen die Sicht behindernden Umständen gerne inkognito fahren. Wir haben immer die Tagfahrlichter an und damit keine Probleme.

Nach rund 120 km auf der PE 26 durchfährt man das Reserva Nacionál Pampa Galeras, ein Naturschutzgebiet, das vor allem den gefährdeten Vikunjas eine Heimat bietet. Eine gesunde Population scheint sich hier herumzutreiben, es gibt Herden überall wo man hinsieht. Auf der anschließenden Hochebene züchten Indígenas Lamas und Alpakas. Eine Lamamutter muss gerade eben ein Junges zur Welt gebracht haben. Die Straße scheint dafür ein geeigneter Ort. Das Baby steht ganz zittrig auf den Beinen und trägt noch Plazenta auf dem Rücken. Wir warten, bis die beiden eingesehen haben, dass die Straße doch kein so guter Platz ist. Das Kleine schafft es breitbeinig bis ins Gras, ohne hinzufallen. Ein Stück weiter produzieren zwei Kleinkamele gerade Nachwuchs. Auf der Straße – wo sonst. Wir warten.

Zum Sonnenuntergang fahren wir in der Stadt Puquio in einer Senke auf 3.200 m ein, bevor es wieder hinaufgeht in die Berge. Etwas mehr Sauerstoff beim Schlafen kann nicht schaden. Lediglich eine der Tankstellen bietet etwas Platz zum Campen (S 14°40’55.4’’ W 74°06’57.2’’). Auf einem schlammigen Parkplatz (S 14°41’17.2’’ W 74°07’06.6’’) entdecken wir einen Schwertransport aus fünf Sattelzügen mit Begleitfahrzeugen. Wir dürfen uns dazustellen, erst an die Seite, aber nein, dann doch lieber mitten rein. Wir werden eingewiesen, bis wir genau in einer Linie mit den anderen Fahrzeugen stehen. Ordnung muss schließlich sein, in Peru.

Nasca, Peru – Mit der Cessna über die Geoglyphen

Dienstag, Februar 7th, 2012

Die Maschine könnte ein paar mehr PS vertragen. Unendlich langsam beschleunigt sie, doch plötzlich, schneller als erwartet, heben wir ab. Die Cessna C 172 – meistgebauter Flugzeugtyp der Welt – scheint in der Luft zu stehen, so langsam fliegt sie, aber fürs Fotografieren ist das gut. Die Piloten wollen nur die kurze Tour fliegen. Ein kurzer Hinweis genügt, sie zucken mit den Achseln, und fliegen eben die lange Tour. Bei jeder Figur der Nasca-Linien wird der Flügel einmal nach rechts und einmal nach links geklappt, damit jeder Passagier jede einzelne Zeichnung gut sehen und fotografieren kann. Aus dem Grund wurde uns geraten, vor dem Flug nicht zu frühstücken, aber unsere Mägen sind resistent.

Die Nasca scharrten einen Affen mit geringeltem Schwanz in den Sand, einen Kondor, einen Kolibri, einen Hund, eine Spinne und einen Papagei. Andere Figuren schließen einen Baum, Hände, eine Blume und einen Wal ein. Ein Männchen mit Goldfischglaskopf wird gerne als Astronaut bezeichnet, andere behaupten, es handle sich um einen Schamanen mit Eulenmaske. Einige der Geoglyphen sind gut zu erkennen, andere nur bei genauem Hinsehen. Noch mehr Fragen als die Figuren werfen allerdings die Flächen und vor allem die zahllosen kilometerlangen Linien auf, die sich berühren, kreuzen, schneiden oder in gleichmäßigen Winkeln von einem Mittelpunkt wie Strahlen ausgehen. Warum nur hat man sich all diese Arbeit gemacht?

Die unterirdischen Aquädukte von Cantallo, von den Nasca erbaut und auch heute noch essentiell für die Bewässerung der Felder, dürfen von Touristen nur noch von außen besichtigt werden. Die wendelförmigen Einstiege, die von Einheimischen auch heute noch zur Reinigung der Kanäle genutzt werden, können aus der Luft gut gesehen werden. Als wir nach 40 Minuten wieder über der Landebahn einschweben, vergessen die Piloten, uns darauf hinzuweisen, dass wir uns wieder anschnallen sollen. Macht nichts, das Landen geht genauso sanft wie das Starten.

Ocucaje + Nasca, Peru – Präsidiale Spenden und das Geheimnis der Nasca-Linien

Montag, Februar 6th, 2012

Oktober 2011: Eine Serie von 16 Erdbeben innerhalb von zwei Tagen erschüttert die Region Ica.
30. Januar 2012, 12:11 Uhr: Ein weiteres Beben der Stärke 6,3 auf der Richterskala hat sein Epizentrum in Ocucaje, 39 km unter der Erdoberfläche. 145 Menschen werden verletzt, über 1700 obdachlos, 1000 Häuser werden beschädigt oder unbewohnbar.
6. Februar 2012, 4:30 Uhr: Der Verkehr eines Dorfes erwacht, wo nicht ein Auspuffrohr einen funktionierenden Schalldämpfer besitzt.
7:20 Uhr: In aller Ruhe wird begonnen, Tribünen aufzubauen.
9:00 Uhr: Ohne Soundcheck dröhnt pünktlich die Nationalhymne aus den Boxen, Interviews werden begonnen.
10:00 Uhr: Die Veranstaltung erlahmt etwas, aber keiner geht.
11:00 Uhr: Ein Konvoi von 17 Autos kommt ins Dorf gerauscht, keines davon groß genug, dem Präsidenten angemessen zu sein. Der Bürgermeister begrüßt die peruanische First Lady, praktischerweise gleichzeitig Frauenministerin, sowie den Produktionsminister. Das sportstudiogestählte Persönchen schwingt feurige Reden und strahlt mit seinen Jeans, dem roten Peru-T-Shirt und dem grünen Kopftuch mit dem Strohhut darauf Hemdsärmeligkeit aus. Der Produktionsminister darf auch etwas sagen.
12:00 Uhr: Endlich, die in der Sonne schmorende Menge ist erleichtert, begibt sich die Jeanshose zum Lkw und kommt zum wichtigsten Tagesordnungspunkt: der Spendenverteilung. Wir können nicht erkennen, was die großen schwarzen Plastiksäcke enthalten. Ende der Vorstellung.

20 km nördlich von Nasca, (oder auch Nazca), dort, wo sich die geheimnisvollen Linien befinden, hat Maria Reiche einen Aussichtsturm erbaut (S 14°41’37.1’’ W 75°06’49.6’’). Für zwei Nuevo Soles kann man ihn erklimmen und zwei der Figuren, den Baum und die Hände, betrachten. Allerdings bekommt man nur einen skizzenhaften Eindruck von den Linien.

Vor über 1500 Jahren kratzte ein präkolumbisches Volk, das wir heute Nasca nennen, in einem 700 qkm großen Wüstengebiet über 800 gerade Linien, 300 geometrische Figuren (Trapeze, rechteckige Flächen, Spiralen) und etwa 70 pflanzen-, tier- und menschenähnliche (Biomorphe) Zeichnungen in den Sand. Diese bis zu 300 m langen Figuren bzw. kilometerlange Linien nennt man Geoglyphen. Die meisten Linien sind nur rund 20 cm breit und daumentief, doch das genügte, die durch Feuchtigkeit gedunkelte Sandschicht zu entfernen und den darunterliegenden hellen Grund zu entblößen. Die Figuren sind klar nur aus der Luft erkennbar. Warum die Nasca für sie nicht sichtbare Bodenzeichnungen fertigten und welchem Zweck sie dienten, ist bis heute unklar.

Obwohl einige der Linien schon früher bekannt waren, machte erst die deutsche Mathematikerin und Geographin Maria Reiche (1903 – 1998) ab 1946 die Erforschung der mysteriösen Zeichnungen zu ihrem Lebenswerk. Sie fand kalendarisch nutzbare Linien, aber eine endgültige Lösung ergaben ihre Theorien nicht. Neben etwas eigenwilligen Ansätzen wie die Linien seien Prozessionspfade oder gar ein Weltraumbahnhof (Erich von Däniken) scheint sich zumindest eine Teilwahrheit herauszukristallisieren: Die Geoglyphen standen in Zusammenhang mit der Verehrung von Wasser, denn einige der Linien zeigen den Verlauf von unterirdischen Wasserläufen an. Ironischerweise geht man heute davon aus, dass nicht die gnadenlose Trockenheit der Region (durchschnittlich 20 Minuten Regen pro Jahr), sondern vom Klimaphänomen El Niño hervorgerufene Fluten die Nasca-Kultur zu Fall brachten. Auch heute noch ist Wasser Nascas Feind. Die mit dem Klimawandel verstärkt auftretenden Regenfälle drohen die Linien zu verwischen. Während unserer zwei Tage Aufenthalt wird es zwei Mal, wenn auch nicht stark, regnen.

Südlich des Ortes Nasca gegenüber dem Maria-Reiche-Flugplatz, von wo aus die Rundflüge starten, bietet das Hotel Maison Suisse Camping im Innenhof an. Der stolze Preis von 20 PEN pro Person erklärt sich dadurch, dass es die einzige Option ist (außer Tankstelle). Es gibt Toiletten, Duschen, Wasser und Wi-Fi, und wenn man auf einem von zwei Plätzen weiter unten am Garten Platz bekommt auch Strom, ruhiger ist es zudem. Die zusätzlichen 20 PEN pro Person für Swimmingpoolbenutzung empfinden wir als unverschämt, aber Chef und Personal sind ausgesprochen nett und hilfsbereit (S 14°51’02.3’’ W 74°57’30.7’’).

Hotelcamping bei Nido del Condor ist nicht mehr möglich, da die Anlage geschlossen ist. Das Hotel Majoro etwas südlich benimmt sich wie Fort Knox und will mit Campern sowieso nichts zu tun haben. Unseren Flug über die Nasca-Linien buchen wir nicht über das Hotel Maison Suisse, obwohl ich den Chef von 120 auf 110 US$ herunterhandle. Die kostenlose Campingnacht wie in früheren Jahren gibt es auch nicht mehr dazu. Stattdessen fahren wir auf den Flugplatz, wo man bei den sieben verschiedenen Fluglinien direkt buchen kann. Angebot und Preise sind bei allen gleich: 30-Minuten-Flug über 12 Figuren von Nasca kostet hier nur 95 US$. Die gleiche Tour im Privatflugzeug (2 Piloten/ 2 Passagiere) kostet 100 US$, ein 35-Minuten-Ausflug in der gleichen Maschine mit 14 Figuren und zusätzlich den Aquädukten von Cantallo 110 $.

Wir entscheiden uns für letzteres bei Aero Moche. Zwar fliegen auch die Flugzeuge für vier bis sechs Passagiere je eine rechte und linke Schleife, sodass jeder Passagier alle Figuren zu sehen bekommt, aber die kleineren Maschinen können in geringeren Höhen fliegen und sind damit besser fürs Fotografieren. Der Flug sollte möglichst früh am Vormittag stattfinden. Bei tief stehender Sonne sind die Linien am besten zu sehen. Wir buchen den ersten Flug um 7 Uhr. Pro Person kommen 25 PEN Flughafensteuer (bar) dazu. Die Fluglinien verlangen 10 % Aufschlag bei Kreditkartenzahlung.

Exkurs: Der leuchtende Pfad, der niemanden erleuchtete

Sonntag, Februar 5th, 2012

Der leuchtende Pfad – was so klingt wie eine neue chinesische Ausgabe der Zeugen Jehovas hat doch mehr mit beiden zu tun, als das auf Anhieb zu vermuten wäre. Und dabei kennzeichnet er doch das dunkelste Kapitel der jüngeren Geschichte Perus. Die Guerillaorganisation Sendero Luminoso wurde 1980 vom Philosophieprofessor Abimael Guzman in Ayacucho gegründet, einer der ärmsten Regionen Perus, von der schon Jahre zuvor immer wieder soziale Unruhen ausgegangen waren. 12 Jahre lang terrorisierte die radikale maoistisch ausgerichtete Truppe mit den eigenwillig-konservativen Moralvorstellungen Regierung, Polizei, Militär und Bevölkerung.

Mit Waffengewalt sollte der totale politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenbruch des Landes herbeigeführt werden. Polizeistationen und Kraftwerke wurden bombardiert, Brandanschläge auf Industriegebiete verübt, Hochspannungsmasten gesprengt, Aufstände und Generalstreiks angezettelt. Regierungs- und kirchenfinanzierte Hilfsprojekte wurden zerstört, touristische Einrichtungen und Universitäten sabotiert, Bürgermeister, Polizisten und andere Regierungsbeamte ermordet und unkooperative Bewohner massakriert. Nur wenig gesprochen wird über die Gräueltaten, die Sendero Luminoso an der andinen Bevölkerung verübte, für deren Selbstbestimmung sie doch angeblich kämpfte. Regelmäßig wurden Dörfer überfallen, den Bewohnern Essen, Kleidung, Geld, kurz das wenige, das sie besaßen, weggenommen für Eigenbedarf. Exekutionen und Strafgerichte wurden durchgeführt, bei denen Ehebrecher oder profitorientierte Geschäftsleute ausgepeitscht bzw. mit weniger Glück umgebracht wurden – erschossen oder um Kugeln zu sparen schlicht mit Steinen erschlagen. Neue Mitglieder wurden angeworben und bei ungenügender Anzahl zwangsrekrutiert – Männer wie Kinder.

Die peruanische Regierung schlug zurück und versuchte mithilfe neu erlassener Anti-Terror-Gesetze den Leuchtenden Pfad zum Erlöschen zu bringen. Polizei und Militär ging dabei mit ähnlicher Grausamkeit vor, folterten, bombardierten willkürlich Dörfer und durchsuchten Häuser. Landbewohner wurden aufgefordert, Fremde zu töten. In dem daraus entbrennenden Bürgerkrieg kamen fast 70.000 Menschen ums Leben bzw. verschwanden, 300.000 Campesinos (Landarbeiter) verließen das Hochland und bereicherten fortan Limas Armenviertel. Doch half alles nichts.

Erst 1992 konnte Präsident Fujimori die Festnahme Guzmans und kurz darauf der wichtigsten Führungsgeneräle für sich verbuchen. Guzman rief zum Frieden auf und die Aktivitäten von Sendero Luminoso kamen weitgehend zum Erliegen. Erst in den vergangenen Jahren flammten wieder Unruhen auf, 2009 wurden in der Nähe von Ayacucho 13 Armeeoffiziere getötet. Ansonsten aber ist Idealismus dem Pragmatismus gewichen und wie die meisten Guerillaorganisationen wandeln auch die Senderos heute auf den wenig leuchtenden Pfaden des Drogenhandels.

Huayraccasa + Ocucaje (Ica), Peru – Der höchste Pass der Welt?

Sonntag, Februar 5th, 2012

Von 5.000 auf 0. In ein paar wenigen Stunden. Umgekehrt ist das nicht empfehlenswert. Genauer fahren wir heute von 3.150 m auf den 5.059 m hohen Huayraccasa Pass und sausen dann zurück zur PanAm. Ob der Abra Huayraccasa tatsächlich 5.059 m hoch ist und ob er wirklich der höchste befahrbare Pass der Welt ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Fehlerfreie Höhenbestimmung ist auch im heutigen Zeitalter ein Problem. Höhenmesser müssen an einem bekannten Punkt (z.B. Meeresniveau) kalibriert werden. Während der Auffahrt bzw. des Aufstiegs darf sich dann das Wetter nicht ändern, da analoge und digitale Höhenmesser über den Luftdruck gesteuert werden. Auch modernste GPS-Geräte liefern nicht unbedingt exakte Messungen. Abhängig von der Anzahl der empfangenen Satelliten kann die Höhenangabe um Dutzende Meter abweichen, selbst wenn eine genaue Koordinatenbestimmung auch mit wenigen Satelliten möglich ist. Um die 5.000 m ist der Pass jedenfalls hoch, und für den Fall, dass er tatsächlich der höchste ist, überfahren wir ihn vorsichtshalber.

Wir folgen der schmalen an den Berg geklebten Straße bis Santa Inés, deren Asphaltierung einzig das Gefühl erzeugt, etwas zivilisierter in die Tiefe stürzen zu können. Bei den hübschen Bergseen Lago Orcochocha und Laguna Choclococha biegen wir Richtung Huancavélica ab (ärmste Stadt Perus, ab hier guter breiter Schotter), bevor uns ein Schild den Weg nach Huachocolpa weist. Ab hier wird’s wieder eng, nass und schlammig, aber ein vorausfahrender Sattelschlepper und ein weiterer entgegenkommender in einigen Hundert Meter Entfernung stimmen uns positiv. Die beiden Sattelzüge bewegen sich kontinuierlich aufeinander zu, Ausweichstellen ignorierend, bis sie voreinander stehen – sinnlos, hirnlos. Der eine Trucker rangiert seinen Sattelzug nun verzweifelt in den schlammigen Graben, rutscht dabei fast ab, und kommt wie durch ein Wunder anschließend wieder heraus.

Die Besatzung des entgegenkommenden Lasters gestikuliert, wir sollen umkehren. Nach ein paar Kilometern erreichen wir die Passhöhe, wo eine Minengesellschaft freundlicherweise ein Schild aufgestellt hat (S 13°04’34.7’’ W 75°01’38.0’’). Wir haben unsere Fotos noch nicht alle geschossen, als der vor uns gefahrene Sattelschlepper in umgekehrter Richtung zurückkommt und uns zuruft, die Straße ist gesperrt. Wir wollten sowieso nur auf die Passhöhe. Wir treten den Rückweg an, nehmen aber ab Santa Inés die östlichere Route über Pilpichaca (Asphalt, breit) zurück bis zur Hauptstraße Pisco-Ayacucho. Den 250-km-Abstecher nach Ayacucho sparen wir uns. Nicht wegen Sicherheitsbedenken, die Stadt gilt trotz wieder aufgeflammter Aktivitäten von Sendero Luminoso (siehe Exkurs) für Touristen als sicher. 36 Kolonialkirchen und diverse Privatpaläste schaffen es nach einem intensivst kolonialen Mexiko nicht, die Spritkosten aufzuwiegen.

Wir fahren zurück zur Panamericana bei Pisco. Diese Route ist nicht ganz so spektakulär wie der Hinweg, doch kurzweilig. Wie überall in den Bergen teilt man die Straße mit den teils bunt gemischten Viehherden aus Kühen, Pferden, Eseln, Ziegen, Schafen und Schweinen. Manche gehen ganz alleine spazieren, bei anderen hält sich der Treiber auf der anderen Fahrbahnseite in sicherer Entfernung von der Herde auf und wartet, bis der Autofahrer die Situation irgendwie gelöst hat.

Manchmal fragt man sich: Was ist Zivilisation? Man kommt in ein Dorf mit einfachsten Lehmziegelhütten, die Asphaltstraße geht vorübergehend in schlaggelöcherten Dreck über, ungekämmte Kinder popeln in der Nase, Wäsche liegt zum Trocknen über Zäunen, auf Büschen oder einfach im Schmutz auf dem Boden, und Strommasten und Straßenlaternen künden von Fortschritt. Und dann kommt man um die Ecke und sieht sich mit einer Plaza konfrontiert, die wie ein fremd-implantiertes Organ erscheint: in akkuraten geometrischen Formen betoniert, gepflastert, mit Blumenbeeten und Sitzbänken versehen und von völlig überirdischen Kugellaternen beleuchtet.

Können wir diesem Fortschrittsgedanken im Sinne des Gemeinwesens noch etwas abgewinnen, möchten wir der Regierung an anderer Stelle dringendst zu Einsparungen im Staatshaushalt verhelfen: bei den Verkehrszeichen. Ihre schiere Anzahl nähert sich deutschem Niveau, nur dass auf diesen Dreckpisten nur alle paar Stunden mal einer vorbeikommt. Manche Schilder grenzen an Eulenspiegeleien. Auf einer kurvigen Bergroute, wo wir mit Mühe und Not 40 km/h erreichen (im Pkw geringfügig mehr), steht: Mindestgeschwindigkeit 55 km/h, Höchstgeschwindigkeit 80 km/h. Selbst Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 35 km/h wirken putzig, wenn man in engsten Serpentinen nicht schneller als 20 km/h fahren kann. Oder man zittert auf einer einspurigen Erdpiste, ob die hangseitigen Räder noch auf der Straße bleiben, da höhnt ein Schild: nicht überholen. Entweder die Peruaner haben zu viel Geld in ihrem Verkehrshaushalt oder sie besitzen eine Art zynischen Humor, den ich noch nicht ganz verstanden habe.

In Höhen zwischen 5.000 und 4.000 m grasen Kleinkamele. Wilde Vikunjas sausen flink umher, aber auch die domestizierten langbeinigen Lamas und die stummelfüßigen Wolle liefernden Alpakas können erstaunlich schnell laufen, wenn sie die wulstigen Lippen schürzen und ihren Kopf an dem seltsam langen Hals weit nach vorne strecken. Sie tragen bunte Schleifchen an den Ohren zur Kennzeichnung, in wessen Besitz sie gehören. In den gleichen Höhen rennen auf steinigen Gründen Bergviscachas Schutz suchend in ihre Bauten. Die munteren Säugetiere, die auch Hasenmäuse genannt werden, gehören zur Familie der Chinchillas, werden bis zu 40 cm groß mit 20 cm buschigem eingerolltem Schwanz und sind äußerst niedlich. Sie sehen aus wir Murmeltiere mit Hasengesicht und überlangem Schwanz. Ihr weiches Fell ist sehr begehrt.

Zurück auf der PanAm an der Pazifikküste passieren wir die wenig einladende Stadt Ica, die einen Tottus und einen Plaza Vea (S 14°04’18.5’’ W 75°44’16.3’’) Supermarkt hat. Fast schon Vorstadt geworden ist die Oase Huacachina. Umgeben von hohen Sanddünen tritt hier ein unterirdischer Fluss aus den Anden ans Tageslicht und speist einen See, der eine grüne Palmenoase wie in der Sahara nährt. Doch der Kulturschock lässt nicht auf sich warten. Menschenmassen pilgern auf die Sanddünen, 20sitzige Dünenbuggys rasen mit einheimischen wie ausländischen Touristen beladen die Hänge hoch und runter, laute Musik dröhnt von überallher, und auf dem Parkplatz drängen sich panikartig die Autos. Kaum dass wir eine Stelle zum Wenden finden, treten wir die Flucht an.

Die Sonne geht schon unter, wir hoffen, den dringendst benötigten Schlafplatz im Weinort Ocucaje 30 panamerikanische Kilometer südlich zu finden. Truck-Stop-Camping an der PanAm ist nur etwas für Taube. Ocucaje macht einen seltsam heruntergekommenen Eindruck auf uns. Ein Polizist bietet an, vor der Polizeistation zu nächtigen. Wir entscheiden uns, hinter dem Gebäude zu parken, wo es ebener ist (S 14°20’46.3’’ W 75°40’16.9’’), und ich gebe einem anderen Beamten Bescheid. Trotzdem klopft es 15 Minuten später an die Türe, der Capitano persönlich. Er bittet uns, in sein Büro zu kommen, Pässe und Fahrzeugpapiere mitzubringen. Es gibt kein Problem versichert er, wir können campen, und kontrolliert die Ausweise nur oberflächlich. Notiert oder kopiert wird nichts, ich mutiere zu Ingrid Deutsch und auch Jörg erfährt einen Namenswechsel. Sollten wir dem peruanischen Präsidenten etwas antun wollen, sucht man sowieso nach den falschen Menschen. Der Präsident soll nämlich morgen um 9 Uhr nach Ocucaje kommen, um Spenden zu verteilen. Der Ort wurde von mehreren Erdbeben heimgesucht, das letzte vor sechs Tagen. Das erklärt den desolaten Zustand des Dorfes.

Islas Ballestas + Llacas, Peru – Galapagos für Arme

Samstag, Februar 4th, 2012

Fünf Millionen Guano produzierende Vögel, oder weniger nett ausgedrückt, fünf Millionen stinkenden Kot ausscheidende Federviecher thronen dicht an dicht auf den wenigen unterhöhlten Inseln und Felsen, die Kiesstände werden von nicht weniger müffelnden Seelöwen belegt, und unter der Wasseroberfläche tummeln sich Delphine und Milliarden von Anchovis oder zumindest so viele, wie die Fangflotten der Fischmehlfabriken den Tieren übrig lassen. Einst waren es noch viel mehr Vögel, die sich hier drängten, aber der Fischmehlhunger der Welt, der das billige Tierprodukt zur perversen, aber schnellen und effektiven Aufzucht von Pflanzenfressern wie Rindern nutzt ist ungebrochen.

Die Inseln dürfen nicht betreten und können nur mit einer Bootstour besucht werden, doch kommen die Schnellboote bis auf wenige Meter an die Tiere heran. Zu den gefiederten Bewohnern gehören der peruanische Pelikan, Guanotölpel, Guanokormoran und Humboldt-Pinguin. Um die Mitte des 19. Jh. bescherten die Islas Ballestas in unmittelbarer Nachbarschaft des Reserva Nacionál de Paracas Peru beträchtliche Einnahmen. Der mineralienreiche Vogelmist galt als wertvollster Dünger der Welt. Heute ist Guano bis auf einen geringen Prozentsatz von Kunstdünger verdrängt.

„Galapagos für Arme“ werden die Ballestas-Inseln scherzhaft genannt. Ob sie einem Vergleich mit den ecuadorianischen Inseln tatsächlich standhalten, entzieht sich unserer Kenntnis, da wir Galapagos nicht besuchten. In jedem Fall geben sie einen lohnenswerten Ausflug ab. Touren starten täglich um 8 und 13 Uhr, die Vormittagstour ist wegen ruhigerer See und klarerer Sicht besser. Vor allem die Frühtour sollte am Vortag gebucht werden, das kann man in Paracas direkt besser als in Pisco. Die verschiedenen Agenturen an, die sich entlang der Straße aufreihen, bieten eine vierstündige Tour mit einem Holzboot für 30 Nuevo Soles pro Person an, doch der schaukelnde Verdränger fährt langsam und kann nicht so nah an die Küste heran. Die schnellen zweimotorigen Glasfiberboote benötigen nur je 30 Minuten Fahrzeit mit einer Stunde Aufenthalt an den Inseln. Die dafür genannten Preise variieren von 30 bis 50 PEN bei gleicher Leistung. Also buchen wir bei dem netten jungen Mann von der Paracas Dream Destinations Agentur zwischen Botica Alessandra und Restaurant Lluvia del Arena zum günstigsten Preis.

Auf der Bootsfahrt legen wir zunächst einen Stopp an der Kandelaber-Geoglyphe an der Nordseite der Paracas-Halbinsel ein. In einen Sandhang wurde eine über 170 m hohe, 45 m breite und bis zu 50 cm tiefe Figur in den Sand gekratzt. Niemand kennt Alter, Ursprung und Urheber des Kunstwerks, das erst 1902 entdeckt wurde. Es erinnert an einen dreiarmigen Kandelaber, andere Theorien sprechen von Ähnlichkeiten mit dem halluzinogenen San Pedro Kaktus oder einer Navigationshilfe für antike Segler, zumal die Bodenzeichnung nur vom Wasser aus gesehen werden kann. Früher hielt man die Nasca-Linien für einmalig, doch mittlerweile wurden noch andere Geoglyphen entdeckt. Für die Bootsfahrt braucht man eine wärmere Regenjacke und einen Kameraschutz wegen des Spritzwassers, eine windunempfindliche Kopfbedeckung gegen Vogeldung und Sonnenschutz. Fototipp: links sitzen, auch wenn die Bootskapitäne bemüht sind, allen Gästen gerecht zu werden.

Ein weiterer Abstecher in die peruanische Bergwelt am Nationalfeiertag des Pisco Sour führt uns zurück nach Pisco und San Clemente und von da Richtung Osten in die Anden. Die Inkaruine Tambo Colorado wirkt wenig interessant. Bei Pámpano verlassen wir die Hauptstraße Richtung Ayacucho und nehmen eine ebenfalls asphaltierte, wenn auch sehr enge Nebenroute nach Nordost gen Santa Inés. Um Höhenkrankheit vorzubeugen – wir kommen vom Meer – suchen wir uns im Weiler Llactas auf 3.150 m den Sportplatz als frühe Übernachtungsoption aus.

Der Mann mit einer Art Reifenwerkstatt nebenan schließt ganz schnell die Türe hinter sich, als ich ihn anspreche, doch der Schock über die ärmste Behausung, die ich je sah, war schon eingetreten. Eine Teekanne, ein Topf, eine Essschüssel, alles aus Blech; mehr war in dem schwarzen Loch nicht zu entdecken – weder Einrichtungsgegenstände noch Wechselkleidung. Der Mann und ich verstehen uns nicht, aber diesmal bin ich vorbereitet, dass wir unterschiedliche Sprachen sprechen. Auch bei einem alten Paar wenige Meter weiter habe ich kein Glück. Ein weiterer Greis mit den schwieligsten und vernarbtesten Händen, die ich je berührte, wird aufgetan. Er spricht neben Quechua auch Spanisch und meint verschmitzt, sonst wäre er ja kein Peruaner. Ob das seine Nachbarn auch so sehen? Sportplatz Llactas (ruhig, sicher, mit Plumpsklo): S 13°23’19.9’’ W 75°21’57.0’’

Pisco + Paracas, Peru – Von Pisco, Straßenblockaden und Wüstenparks

Freitag, Februar 3rd, 2012

Der Wein ist grauenhaft süß, untrinkbar geradezu, die Piscos jedoch nicht mal übel und für einen Preis von 20 bis 40 PEN pro Flasche zudem günstig. Es ist neun Uhr morgens, und wir machen Wein- und Schnapsprobe bei Viño Los Reyes in Lunahuaná (km 41,5, S 12°56’47.0’’ W 76°08’07.8’’, kein Camping möglich), einem der größeren und bekannteren Winzer der Gegend. Gestern Abend war schon zu. Der Weinkeller wirkt ein wenig rustikaler als die nordamerikanischen Pendants, aber nicht unprofessionell. Die Probe ist kostenlos, und so fahren wir um zwei Flaschen Pisco, einige wenige Promille und jede Menge gute Laune reicher zurück zur PanAm und dann weiter nach Süden.

In der Stadt San Clemente gab es eine Straßenblockade. Große Steine waren auf die Fahrbahn gelegt worden, weiter unten hatte ein Bagger die Straße versperrt. Peru ist berüchtigt für seine Streiks und Straßenblockaden, probates Mittel zum Ausdruck von Protest und zur Durchsetzung von Forderungen, aber heute ist auch die Polizei besser ausgebildet. Steine und Bagger wurden beiseite geräumt, die Einsatzkräfte drängen die Protestierenden mit Kampfausrüstung wie bei Berliner Demos zurück. Wir haben freie Fahrt und erfahren nicht mal, um was es geht.

Ein Stück weiter passieren wir Pisco, berühmte Namen gebende Schnapsstadt, in der doch niemand freiwillig eine Nacht verbringt. Zwielichtige subversive Gestalten schwanken zwischen düsterem Markt und dreckigen Fischmehlfabriken umher, es herrscht die Atmosphäre einer übelsten Hafenstadt, und doch ist Pisco kaum mehr als ein Hafendorf. Es gibt freundlichere Orte auf dieser Welt wie Reserva Nacional de Paracas. Für 5 Nuevo Soles Eintritt kann man hier nach Herzenslust durch die Wüstenlandschaft brettern, Strände besuchen und sogar kostenlos campen. In Anbetracht der Windstärke und Wassertemperaturen erscheint unsere deutsche Ostsee gar nicht mehr so schlecht. En Aussichtspunkt auf eine Seelöwenkolonie ist bei einem Erdbeben der Stärke 8.0 auf der Richterskala 2007 buchstäblich ins Wasser gefallen, genau wie der natürliche Bogen beim Mirador Catedral, doch kann man hier wenigstens weiterhin Seevögel beobachten (Achtung, evtl. veraltete Reiseführerinformationen).

Die Strände des Parks hatten und haben dank der Nähe zu Pisco Sicherheitsprobleme bei Nacht. Wegen gewaltsamer Überfälle wird von einsamem Campen abgeraten. Diese Gefahr besteht am Wochenende an den schönen aber populären Stränden La Mina und Yumaque nicht, da sich ganze Zeltstädte nach der Manier von Wagenburgen aufgebaut haben. Wir folgen dem Ratschlag der Ranger gerne, neben ihrer Station an der Playa Roja zu parken. Nicht mal so sehr wegen der Sicherheit als wegen der Ruhe. Hier sind wir alleine, weit weg von dem Party suchenden Volk aus Lima: S 13°53’32.1’’ W 76°18’26.4’’.

Lima + Lunahuaná, Peru – Prima Klima in Lima?

Donnerstag, Februar 2nd, 2012

„Tina, ist das nicht prima … hab’n wir hier schlechtes Klima, fahr’n wir sofort nach Lima.” Erinnert Ihr Euch? 80er Jahre, Neue Deutsche Welle? Ich weiß nicht mehr genau, unter welchen Drogen wir damals standen und ob überhaupt, aber irgendetwas muss unseren Geist verwirrt haben. Denn das Klima in Lima ist alles andere als prima. Schon Dutzende Kilometer nördlich weht eine dunkle Smogwolke heran, die sich beim Näherkommen zu gelblich-grauem stinkenden Dunst verdichtet, der die Sicht bodennebelartig trübt. Am Abend werde ich eine Dusche nehmen, um den schmierig-dunklen Belag von der Haut abzukratzen.

Die PanAm führt auf direktem Wege ohne einmal abzubiegen durch die 8,5-Mio-Metropole (mit Umland), Hauptstadt und Zentrum Perus, seit Francisco Pizarro sie vor fast 500 Jahren eines schönen Januartages gründete und zum Mittelpunkt seines Reiches erkor. Auch der Spanier war einem Irrglauben bezüglich des Klimas aufgesessen, denn außerhalb der Sommermonate legt sich die Küstennebelglocke zusätzlich zur heutigen Smoghaube über die Stadt. Hier schlägt der Puls eines zentralistischen Landes, aber das tut er auch ohne mich. Ein paar Kolonialgebäude, die die zahlreichen Erdbeben überlebt haben, schön, ein paar Museen, wie toll, wir fahren erst mal weiter, nur unterbrochen vom Supermarktbesuch. Malls gibt es entlang der Panamericana reichlich, auch wenn sie alle östlich und damit für uns auf der falschen Straßenseite liegen. Eine davon befindet sich bei S 11°59’39.2’ W 77°03’49.2’’, doch es gibt nördlich und südlich weitere.

Den berüchtigten Verkehr empfinden wir nicht als schlimmer als in anderen Millionenstädten dieser Welt, dicht, Aufmerksamkeit fordernd, schnell, eben großstädtisch. Schon eher nerven die Mautstationen, die alle paar Kilometer auftauchen, und wo wir jedes Mal die gleiche Diskussion führen müssen: Wir sind ein Wohnmobil, kein Lkw, wir führen keine kommerzielle Ladung mit uns, es handelt sich um ein Privatfahrzeug. Lkw zahlen durchschnittlich das Doppelte von Pkw und bei Kleinwagentarifen von 2 € und mehr summieren sich Mehrzahlungen. Bis auf einmal sind wir erfolgreich mit kürzeren oder auch längeren Überredungsgesprächen. Die meisten Straßen sind in Richtung Lima kostenfrei und kostenpflichtig davon wegführend, doch im größeren Stadtbereich zahlt man immer.

Weitere 100 km südlich setzen wir zu einem Ausflug in eines von Perus Weingebieten an: Lunahuaná. Die Reben und Apfelbäume des nicht übermäßig heißen Tals werden von einem Fluss bewässert, der unglücklicherweise auch eine ungesunde Population kleiner schwarzer Beißfliegen fördert (die den gesamten amerikanischen Kontinent terrorisieren). Alexandra und Markus, zwei deutsche Radfahrer auf Ein-Jahres-Amerika-Trip sind froh, in unserer Kabine für ein paar Stündchen den Beißattacken zu entfliehen. Wir treffen die beiden bei Camping San Jeronimo bei km 33 kurz vor Lunahuaná. Zelten kann man blutend gebissen romantisch am Fluss mit (erträglich) kalten Duschen und mäßig sauberen Toiletten, Fahrzeuge stehen mit o.k. WC und Wasser, aber duschenlos weiter oben, jeweils für 10 Nuevo Soles pro Person: S 13°00’09.8’’ W 76°09’35.1’’.

Carál + Lachay, Peru – Alt, älter, am ältesten

Mittwoch, Februar 1st, 2012

Während die mesopotamische Kultur blühte, Ägypten seine Pyramiden baute und Indien fleißig Handel trieb, entstand auch in Peru die älteste bislang bekannte Kultur auf dem amerikanischen Kontinent. Vor etwa 5.000 Jahren wurde ein Konglomerat von 20 Städten im Supe-Tal von einer Hauptstadt regiert, die wir heute Carál nennen, genau wie die Kultur. Namensgeber war das Dorf, bei dem der sensationelle Fund gemacht wurde. Die Ausgrabungen begannen 1994, bis dahin hielt man Chavín de Huántar für die älteste Zivilisation. Heute gehört Carál zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Viel weiß man noch nicht, denn Schrift gab es bis der Ankunft der Spanier keine, und was der Regen nicht fortspülte, der Wind nicht wegtrug und die Sonne nicht zersetzte, begrub der Sand unter sich. Bislang buddelten Archäologen sechs Pyramiden, ein Amphitheater, Zeremonialstätten, mehrere runde Plätze, Lagerstätten und Unterkünfte aus. Architektur, Funde und Ascheanalysen legen nahe, dass es sich um eine hierarchisch gegliederte, nicht kriegerische Gesellschaft handelte, die im fruchtbaren Flusstal intensiven Ackerbau betrieb, sowohl mit der 25 km entfernten Küste als auch mit den Andenstädten handelte und Menschenopfer darbrachte. Für Musik und Tanz wurden Flöten aus Bambusrohr und Tierknochen benutzt.

Die Lehmziegelstadt ist kein Vergleich mit Ägyptens Pyramiden und Tempeln, doch durchaus sehenswert. Die Anlage ist bereits jetzt für Massentourismus ausgelegt, doch nur wenige Menschen wissen bislang von Carál und noch weniger besuchen es. Eintritt kostet 11 PEN, ein ausschließlich spanischsprachiger Pflichtguide 20 PEN pro Gruppe. Da bei uns keine Gruppe in Sicht ist, müssen wir ihn alleine bezahlen. Die 25 km lange Nordzufahrt südlich von Supe bei Barranca ist (von Süden kommend) beschildert. Die versiegelte Staubpiste befindet sich in gutem Zustand. Ab Parkplatz (S 10°53’38.7’’ W 77°30’31.5’’) muss man noch 1,5 km im weichen Sand laufen. (Reiseführerinformationen größtenteils nicht mehr aktuell!)

Man kann Carál von Süden kommend über eine andere Straße anfahren bzw. einen Rundweg daraus machen. Die südliche Zufahrt startet nördlich von Huacho bei S 11°01’14.2’’ W 77°35’53.5’’, der dortige Parkplatz befindet sich direkt an der Ausgrabung. Das Verbindungsstück zwischen Nord- und Südanfahrt zwischen den Feldern kann wegen einer Flussdurchquerung nur von Vierradfahrzeugen gemeistert werden, je nach Wasserstand des Flusses ist entsprechende Bodenfreiheit gefordert. Das Personal an den Ruinen kann Auskunft geben. Camping evtl. möglich nach Absprache mit den Wächtern.

Wir fahren noch ein Stück weiter nach Süden bis zum Naturpark Lachay, wo ständig herein ziehender Küstennebel eines der besagten 108 Mikroklimata geschaffen hat. Dank der Feuchtigkeit ist ein Biotop mit Gräsern, Stauden und Miniwald mitten in der trockenen Wüste entstanden. Das zauberhafte Reservat ist Heimat zahlreicher Vögel und Kleinsäuger und ein äußerst friedlicher Ort vor den Toren Limas. Eintritt kostet 5 PEN, möchte man campen, ersteht man ein Drei-Tages-Ticket für 10 PEN. Der Park hat richtige Campingplätze mit Grill, Steinbänken und Plumpsklos.

Ab PanAm (S 11°24’40.3’’ W 77°23’22.2’’) bis zur Zahlstation Reserva Natural de Lachay sind es 3,5 km unbefestigte Straße, dann weitere 3 km dem linken Zweig folgend an zwei Parkzonen und Campingzone 2 vorbei bis zum Camping 3 (S 11°21’25.6’’ W 77°22’03.4’’), wo man herrlich einsam (auch am Wochenende?) und mit bester Aussicht seht. Ein paar Wanderwege gibt es ebenfalls. (Campingbereich 1 am Besucherzentrum, rechter Zweig, ist kleineren Fahrzeugen vorbehalten.) Wir können in der Entfernung sogar die PanAm im Tal ausmachen, der langsam vom Küstennebel verschluckt wird.

Playa Gramadal, Peru – Frischfisch

Dienstag, Januar 31st, 2012

Ganz einsam ist der Strand wirklich nicht. Ein Pick-up kommt mit vielen leeren Plastikkisten, die Fischer abzuholen, die heute Morgen mit dem großen Ruderboot ausgefahren sind. Natürlich schafft der Zweiradantrieb es nicht über die Dünen, aber er ist ausgerüstet: mit Schaufeln, Brettern und Männern. Trotzdem sinkt er immer tiefer. Um der unvermeidlichen Frage nach Herausziehen vorzubeugen, (es nervt, jedes Mal wieder alles Verstauen zu müssen), trabt Jörg mit unseren Sandbrettern los. Der Pick-up kommt frei, der Fisch ist schnell versprochen, aber da ist ja noch der Rückweg, von diesem Strand führen alle Wege durch die pausenlos verändernden Wanderdünnen. Noch tiefer sinkt er, jetzt beladen, doch Jörg ist schon auf dem Weg. Zwei Fische gibt’s als Lohn, Makrelen, fast zu groß für den Teller, wenigstens sind sie schon tot. Entschuppen und ausnehmen müssen wir sie schon selbst. Dafür sind sie köstlich, im Ganzen gebraten, frischer geht’s nicht.

Carpa Pastoruri + Gramadal, Peru – Blühende Riesenananas und der ultimative Campingstrand

Montag, Januar 30th, 2012

Sie darf sich nicht nur die weltgrößte Blütenpflanze nennen, sondern wohl auch die ungewöhnlichste: Puya raimondii ist ein Mitglied der Ananasfamilie, das in 3.000 bis über 4.000 m tropischer Höhe wächst. Die bis zu 15 m große Pflanze wird 40 bis 100 Jahre alt. Erst dann bringt die kugelartige Staude mit den spitzen langen Blättern den hohen zigarrenartigen Blütenstand hervor, aus dem durchschnittlich 8.000 weiße lilienartige Blüten mit 8 bis 12 Mio. Samen entspringen. Diese Leistung erbringt die seltene und gefährdete Blume nur einmal im Leben, danach stirbt sie ab. Puya raimondii ist in den peruanischen Anden zu finden, in der Nähe von Huaráz gibt es mehrere Bestände.

Sieben Kilometer südlich von Cátac biegt man nach Osten in einen Schotterweg zum Nationalpark Huascarán Sector Carpa Pastoruri ein (beschildert). Man folgt einem typischen u-förmigen ehemaligen Gletschertal stromaufwärts und erreicht nach 13 km die Zahlstation (5 PEN / Person). Aber hier passiert man nach 2 km eine gashaltige Quelle, die nur so vor sich hinblubbert, deren Wasser aber ungenießbar ist. Nach weiteren 2 km wachsen die seltsamen Puya raimondii direkt neben der Straße, eine Aussichtsplattform erlaubt einen Blick in einen tiefen klaren Quelltopf. Neben jungen und schon abgestorbenen Stauden kämpfen kleine Blümchen und winzige Kakteen ums Überleben – in 4.500 m Höhe. Bei km 22 könnte man noch einen Gletscher auf 4.900 m ansehen (500 m Reiten, 500 m Laufen, Betreten des Gletschers nicht erlaubt), doch kommen aus der Richtung tiefdunkle Wolken gezogen.

Die Flucht gelingt uns zunächst nicht, eiskalter Starkregen und 7° C Lufttemperatur holen uns ein. Wir rauschen aus 4.500 m der Küste entgegen Richtung Barranca, den Regen im Schlepptau. 4.500 m immer bergab, dem Rio Fortaleza folgend. (Wird man in umgekehrter Richtung nicht höhenkrank?) In den Dörfern, die wir passieren, wird hektisch die Wäsche abgenommen. Irgendwo verfängt sich der Regen, wir ereichen die Wüste, nur unterbrochen von dem schmalen bewässerten Streifen entlang des Flusses, der Wassermelonen, Avocados und gelbe Pflaumen hervorbringt. Menschen laufen in Sonnentops und Shorts umher statt in dicken Wollpullovern und Ponchos. Doch als wir die PanAm erreichen, spüren wir den Einfluss des kalten südlichen Pazifiks. Wir biegen für 40 km nach Norden ab, um genau diesen einen Strand zu sehen: Playa Gramadal.

Er erscheint in keinem Reiseführer, er ist völlig unbekannt, daher hier die verrückte Geschichte: Vor dem Schreibwarenregal in Trujillos Supermarkt stehend sieht Jörg auf der Verpackung des Druckerpapiers das Foto geheimnisvoller kleiner Wanderdünen und dazu das Zauberwort: Playa Gramadal. In den Kopf gesetzt, genau diesen Strand zu sehen, wurden wir schließlich bei Google Earth fündig und entdeckten den Ort Gramadal schließlich auf unseren Karten. Gesagt, getan, das „Dorf“ besteht aus je zwei Häusern rechts und links der Straße, aber den Weg zum Strand kann man uns weisen. Hier kommt das Beste: Die Zufahrt ist bretthart, nicht lang, und am Ende steht in sicherer Entfernung vor der Flut ein planes Betonfundament, wie gemacht zum Campen: Der optimale Strand für Wohnmobile aller Art, die auch mal gerne einsam stehen wollen.

Völlig einsam ist es hingegen nicht: Ein paar Fischerleute gehen ihrem Beruf nach und ein 30 Jahre alter Toyota Landcruiser kämpft sich durch die Dünen direkt an den Strand. Drin befindet sich eine gar lustige Dreiergruppe auf Männerausflug, einer davon spricht etwas Englisch, einer anderer sogar Deutsch: Er ist Missionar und arbeitete acht Jahre in Nürnberg. Der Männerverein zieht weiter, wir machen die Pazifikwasser-Fußprobe, die weiteres Eintauchen anderer Körperteile vereitelt. Playa Gramadal: S 10°23’53.6’’ W 78°00’03.3’’.

Chavín de Huántar + Cátac, Peru – Labyrinth unter der Erde

Sonntag, Januar 29th, 2012

Noch einmal klettern wir auf ein sanftes Hochplateau mit unangenehm feuchtkaltem Klima auf 4.360 m, wo kaum noch Menschen wohnen. Kein Wunder: Hier wächst nichts mehr, und da die meisten Landbewohner auf Eigenanbau von Lebensmitteln angewiesen sind, ist das Leben hier oben besonders hart und arm. Alle, die es trotzdem wagen, betteln die Vorbeifahrenden an. Das kleine Mädchen, das seinen Hut ab- und die Mitleidsmine aufsetzt und hofft, Passanten werfen in den hingehaltenen Hut etwas hinein, genau wie die jungen Männer, die die Löcher in der Straße voll schütten und dafür auf ein Trinkgeld hoffen.

Die Trachten in Peru ähneln sich etwas, auch wenn wie überall vor allem Frauen die Traditionsbewahrer sind. Der große Hut darf nirgends fehlen, in manchen Gegenden schlicht und aus Stroh, in anderen aus Filz und verziert. Strickjacken oder Ponchos helfen gegen die Kälte. Diverse Lagen knielanger Röcke und Unterröcke übereinander getragen (der oberste kann wertvoll bestickt sein) betonen die ohnehin ausladenden Hüften der Indígenas fast wie ein Petticoat. Statt Knie- oder Seidenstrümpfe wie in Ecuador trägt man hier eine dicke fußlose Wollstrumpfhose drunter, wohl der Vorläufer der jetzt so beliebten Leggings.

Kurz vor Huari gibt es plötzlich Autos, Taxen und Privatfahrzeuge, untrügliches Zeichen für eine nahe Asphaltstraße. Richtig, ab Stadteinfahrt Huari verlässt uns der Asphalt nicht mehr so ganz, auch wenn sich die Straßendecke langsam auflöst und die nächsten 120 km von unendlich vielen Schlaglöchern zerbombt sind, die das Fahren unangenehmer und langsamer machen als auf einer ordentlichen Schotterpiste. Sensible Naturen sollten Huari nicht im Oktober besuchen. Dann wird Fiesta de los Gatos gefeiert, eine Fiesta, bei dem die ganze Stadt in Aufregung gerät wegen des Festbratens, der dann serviert wird: Katzen. Niemand weiß, woher die Tradition kommt, aber sicher hat einst eine Notlage oder Missernte die Bewohner gezwungen, ihren Proteinbedarf auf diese ungewöhnliche Weise zu stillen. Schnell wurde aus der Not eine Tugend gemacht, und in einem Jahr musste der Braten sogar ausfallen: Exzessiver Katzengenuss des Vorjahres hatte das Überleben der städtischen Stubentigerpopulation nicht gestattet.

Nach 40 km folgt Chavín de Huántar, ein Dorf mit einer archäologischen Ausgrabung, die zu den ältesten Kulturen Perus zählt. Aus Norden kommend erreicht man zuerst das Museum, das gemeinsam von der peruanischen und japanischen Regierung erbaut wurde. Genau so wirkt es auch: schlicht, elegant, unterkühlt und irgendwie perfekt. Die sparsame Beleuchtung dient dem Schutz der Exponate: fein gemeißelte Stelen und Steinreliefs, äußerst kunstvoll gearbeitete Keramik und mit geometrischen Formen verzierte Muschelschalen, die als Blasinstrumente dienten. Auch einige der skurrilen behauenen Steinköpfe, die einst die Außenmauern des Heiligtums zierten, sind hier ausgestellt. Immer wiederkehrendes Motiv sind kombinierte Mensch-Tiergestalten, oft Menschengesichter mit Schlangenhaaren und Jaguarzähnen. Der Eintritt zum Museum ist frei (S 09°34’35.0’’ W 77°10’38.1’’).

Die Ausgrabung selbst liegt am südlichen Ortsende (S 09°35’33.8’’ W 77°10’43.2’’) und kostet 10 PEN Eintritt. Die Anlage besteht aus mehreren Tempeln, erbaut zwischen 1200 und 800 v.Ch. mit einem ausgeklügelten Drainagesystem, das Regenwasser in den Fluss ableitete und groß genug war, als Geheimgang zu dienen. Zwar hat der überirdische Teil des Heiligtums durch Baumaßnahmen, Entwenden der Steine und einen Erdrutsch infolge eines Erdbebens stark gelitten, doch bekommt man noch einen Eindruck von den Ausmaßen des Geländes. Der interessanteste Teil jedoch sind die unterirdischen Gänge und Labyrinthe mit ihren unzähligen Sackgassen, Fensterchen, Schall- und Belüftungsöffnungen.

Forschungen ergaben, dass möglicherweise Ungläubige mit dem halluzinogenen San Pedro Kaktus betäubt und dann ins Kellerlabyrinth geschickt wurden. Mit den Muscheln erzeugten Priester unheimliche Laute, die sich auf geheimnisvolle Weise durch Gänge und Öffnungen fortpflanzten und von überallher zu kommen schienen. Als Höhepunkt landete der zu Bekehrende vor einer größeren Fensteröffnung und vor ihm stand plötzlich die unheimliche, grausame Mensch-Tier-Gottheit, von flackernden Fackeln zum Leben erweckt. Selbst heute noch ist es ein Moment des Erstaunens, wenn man die große, sorgfältig behauene Steinstele erblickt. Um in die unterirdischen Gänge zu gelangen, muss man über riesige Stufen bei gleichzeitig niedriger Decke krabbeln. Die Anlage ist gut ausgeschildert und kann auch ohne Führer besucht werden, Zeitbedarf ein bis zwei Stunden.

Die restlichen knapp 70 km zurück bis zur Hauptstraße sind ebenso zerfressener Asphalt, von wo aus man schließlich in schnellen 25 km Huaráz im Norden erreichen könnte. 47 km vor Erreichen der Hauptstraße führt die Straße durch einen schnurgeraden Tunnel in über 4.500 m Höhe. Kommt man von Westen, fährt man genau auf eine Christusstatue zu, die auf einem Hügel gegenüber dem Tunnel aufgestellt wurde. Das Heiligtum Chavín de Huántar kann schneller von Huaráz angefahren werden, am günstigsten und Camper schonendsten sogar mit einer organisierten Tour.

Der von den wenigsten Reisenden besuchte Rundweg Carhuaz-Chacas-San Luis-Huari-Chavín de Huántar-Recuay/Cátac ist eine wunderbare Andenrundfahrt durch spektakuläre Landschaften für Allradfahrzeuge. Die Asphaltierung schreitet voran, sodass die Route bald allen Fahrzeugen zugänglich sein dürfte. Die beschriebene Strecke ist 280 km lang und in zwei Tagen zu bewältigen. Die ersten 100 km bis San Luis sind teilweise asphaltiert, teils raue Piste mit einem Pass auf 4.900 m. Die folgenden 60 km sind gut zu befahrender Schotter / Erde, ab Huari bis zum Ende zieht sich die unangenehm aufgelöste Asphaltstraße.

Campen kann man in Chavín de Huántar weder am Museum (nicht erlaubt), noch an den Ruinen (kein Platz). Es bietet sich die Plaza gegenüber der Polizeistation an (S 09°35’02.0’’ W 77°10’39.4’’), oder ruhiger, weil nördlich außerhalb auf einer großen Schotterfläche, dafür unbewacht (S 09°33’48.4’’ W 77°10’29.9’’). Wir fahren durch bis Cátac und schlafen an der Grasplaza gegenüber der Polizei vor der (also solcher kaum erkennbaren) Kirche, was wegen der Straße nicht unbedingt eine ruhige Nacht verspricht (S 09°47’53.3’’ W 77°25’54.6’’).

San Luis, Peru – Traumroute der Cordillera Blanca

Samstag, Januar 28th, 2012

Die Straße ist auf meiner Karte nicht einmal eingezeichnet. Und doch entwickelt sie sich zum Besten, was wir auf dieser Reise bislang gesehen haben. Früh losfahren, lautet der Ratschlag, den wir mehrfach erhalten haben, damit man den Pass mittags überquert. Dann ist der Schnee der letzten Nacht schon weggetaut, der nachmittägliche Regen, der in höheren Lagen als Schnee fällt, hat noch nicht eingesetzt, und die Nebelwolken sind auch noch nicht eingefallen. Dieser Rat gilt für alle hohen Pässe, insbesondere in der Regenzeit, und wir halten uns daran. Unser Plan ist, ein paar Kilometer zurück nach Norden zu fahren, die Cordillera Blanca auf der Straße von Carhuaz nach Chacas zu überqueren, an der Ostseite des Gebirges nach Süden weiterzureisen und die Ruinenstätte Chavín de Huántar von hinten „anzugreifen“ – eine von Touristen äußerst selten benutzte Route.

Allerdings bleiben wir gleich hinter Carhuaz erst mal stecken. Die Straße ist wegen Bauarbeiten gesperrt und wird um 9:30 wieder geöffnet – eine Stunde Warten. Weiter oben soll es eine weitere Sperrung geben, die erst um 12 Uhr aufgelöst wird, wie ein Bauarbeiter und ein Schild verkünden. Da alle warten – Busse, Lkw und Taxen – warten wir auch. Von einer auf Ausflug befindlichen Adventistengemeinde (evangelikaler Glaube direkt importiert aus den USA) – das biedere dunkelblaue Kostüm mit dem Rock in Ladylänge, das sorgfältig gekämmte Haar mit dem biederen Pony, das frömmelnde Gehabe mit devoter Kopfneigung und ständig gefalteten Händen und die irgendwie ätherische Stimme bestätigen dies – bekomme ich ein Büchlein mit den gedruckten Worten Gottes geschenkt. Ich füge es meiner Sammlung hinzu: zwei kleinen neuen Testamenten aus Yellowstone (von der gleichen Clique?), eine Mormonenschrift, zwei Heftchen über Yoga und Reinkarnation der Bhagwan-Sekte aus Kalifornien und einem Blättchen der Zeugen Jehovas aus Mexiko. Um 9:25 Uhr steigen alle in ihre Autos ein, um 9:28 Uhr starten sie optimistisch ihre Motoren und nach meiner Uhr um Punkt 9:30 öffnet die Baustelle zur Durchfahrt – schier unfassbar, wir sind schließlich in Südamerika.

Von Peruanern hatten wir im Vorfeld gehört, dass sie sich selbst als „Schweiz Südamerikas“ bezeichnen. „Bei uns ist alles ordentlich und geregelt“, so das Selbstverständnis. Vielleicht ist da sogar etwas dran. Etwas. Laut Weltbank ist Peru ein Schwellenland, kein Entwicklungsland mehr. Auch das hat sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt. „Wir sind wie Mexiko“, behauptete kürzlich einer unserer Gesprächspartner. Nun, jedes noch so winzige Dorf hat Strom, und fast alle ebenso fließend Wasser. Wichtige Themen sind Kampf gegen Analphabetismus, Gesundheitsversorgung und Arbeitsschutz. Trotzdem: Es gibt jede Menge Ungleichverteilung, Ungerechtigkeit, Armut, und vielleicht sogar Hunger. Immer noch lebt die Hälfte des Volkes unterhalb bzw. am Rand der Armutsgrenze.

Und noch etwas ist verbesserungsfähig: die Führerscheinregeln. Obwohl ein Fahrer uns heute doch Respekt abnötigt. Es ist natürlich ein Busfahrer, einer dieser furchtlosen Desperados, der sich mit seinem Gefährt über die schlechten Straßen kämpft, der im Schlamm schlitternd mutig bergauf fährt und trotz der Reihe entgegenkommender Fahrzeuge nicht den Fuß vom Gast nimmt. Der flotteste – um nicht zu sagen riskanteste – Fahrer in der Kolonne ist aber der Taxifahrer aus der Adventistengemeinde. Aber der fährt ja auch mit Gott, wie der Schriftzug auf seiner hinteren Scheibe verkündet. Da kann nix schiefgehen.

Die landschaftliche Schönheit dieser Route ist vergleichbar mit der bei den Lagunas Llanganuco, nur dass hier die Straße breiter ist. Wir fahren in ein grünes Hochtal mit blauem Fluss zwischen hohen Felswänden. Die Schneegrenze liegt bei rund 4.600 m, nun sind wir auf Höhe der umgebenden Gletscher. Noch ein bisschen weiter oben liegt Schnee auf der Straße, lediglich die Reifenspuren haben sich frei gefahren, dann fahren wir zwischen zwei senkrechten Schneewänden durch. Der Olympic Pass liegt auf 4.900 m, dahinter haben die Gletscher grüne und türkisfarbene Seen mit ihrem Schmelzwasser gefüllt.

Die Regierung ist bemüht, diese wichtige Passüberquerung auszubauen und zu asphaltieren. So erklären sich die unzähligen Baustellen, an denen wir immer wieder warten müssen, obwohl eine weitere vormittägliche Sperrung ausbleibt. Die Straße ist stellenweise schon asphaltiert oder zumindest zweispurig verbreitert und geschottert. Der Pass, wo sich die Piste zwischen den Felsen zweier Berge durchdrängt, ist noch nicht gemacht. Die Fahrbahn ist hier eng mit ein paar Ausweichstellen und in halbkatastrophalem Zustand. Tauwasser von den umliegenden Gletschern, das über die Straße läuft, hat Erde und Schotter weggespült und die großen Grundsteine freigelegt, über die man nun rumpeln muss. Sobald man die Passhöhe überwunden hat, wird die Straße jedoch wieder breiter und besser.

Der kleine Ort Chacas auf der anderen Seite hat alte Häuser mit kunstvoll geschnitzten Holzbalkonen aufzuweisen. Im weiteren Verlauf wird die Straße extrem schlammig und rutschig. Da sämtliche Bergstraßen in Peru mit nur mäßigen Steigungen dem Bus- und Schwerverkehr bzw. dem Leistungsverlust von Verbrennungsmotoren in der Höhe angepasst sind, kommen wir trotzdem voran. Die Spitzkehren sind nichtsdestotrotz sehr eng. Während wir uns noch ernsthaft überlegen, ob die maroden Holzbrücken uns tragen, donnert ein 40-Tonner Baulaster, voll beladen mit großen Steinen, ungeniert über eine davon. Uh – Gänsehaut.

Einige Kilometer hinter San Luis finden wir ein Kirchlein mit großem Platz davor (S 09°06’43.1’’ W 77°18’45.9’’, 3.370 m) und einem einzelnen Haus daneben. Kampiert man irgendwo in der Nähe einer Ansiedlung, ist es nicht nur ein Gebot der Höflichkeit, jemanden über sein Ansinnen zu informieren, es ist auch eine Sicherheitsfrage. Lernt man seine Nachbarn kennen, haben sie durchaus ein Auge auf die Fremden. In dem Haus finde ich zwei Hunde und eine alte Frau. Nur mit der Verständigung klapp es nicht so wie gewohnt. Es dauert ein wenig bis ich es registriere: Die Frau spricht kein Spanisch, jedenfalls deutlich weniger als ich. Sie spricht Quechua.

Etwa 31 % von Perus 29,5 Mio. Einwohnern sind Indigene. Einen derart hohen Anteil an der Bevölkerung haben in Lateinamerika lediglich Bolivien und Guatemala aufzuweisen. (Die anderen wichtigen Bevölkerungsgruppen Mestizen, also Mischlinge, und Kreolen, Spanischstämmige.) Die Sprache der Inka war Quechua. Da diese bei ihren ausgedehnten Feldzügen den eroberten Völkern ihre Kultur, ihre Götter und ihre Sprache aufdrängten, sprechen auch heute noch mindestens 13 Mio. Menschen Quechua als Muttersprache und in den meisten Fällen Spanisch als Zweitsprache. Einige Völker am Titicacasee und im Amazonastiefland haben sich ihre eigenen Sprachen bewahrt.