Archive for the ‘Mexiko’ Category

El Centenario, Baja California Sur – Camping mit Pool

Sonntag, Mai 8th, 2011

Es werden heiße 320 km nach La Paz. Die Städte Ciudad Insurgentes mit 10.000 und Ciudad Constitución mit sogar 37.000 Einwohnern an der MEX 1 haben dem Reisenden außer Versorgungsmöglichkeiten wenig zu bieten. Constitución ist verschrien wegen seiner korrupten Polizei, die fast immer versucht, Geld aus durchfahrenden Reisenden zu pressen. Niemand macht auch nur den Versuch, uns anzuhalten. Wir entschlossen uns trotz allem, bei 40° C den direkten Weg in die Hauptstadt der südlichen Baja California zu nehmen statt irgendwelche abenteuerlichen oder nicht vorhandenen Pisten über Berge an die Küste zu nehmen. Kurz vor La Paz treffen wir uns auf dem einzigen verbliebenen Campingplatz der Stadt mit Nadine, Mike und ihren beiden Jungs. Wir hatten die Schweizer im Joshua Tree National Park in Kalifornien kennengelernt und uns hier verabredet.

Das Campestre Marantha liegt östlich von El Centenario 11 km vor La Paz an der MEX 1. Es beherbergt in erster Linie kirchliche Gruppen – Kinder, Jugendliche oder Erwachsene – und bietet entsprechende Schlafsäle mit Küche, Duschen, Waschmaschine im Non-Profit-Betrieb. Die 13 Campingstellplätze dienen der Finanzierung des Projekts. Man steht hier für 15 $ pro Nacht oder 20 $ mit Hook-up. Den Swimmingpool kann man benutzen, wenn er nicht von den Gruppen belegt wird. Der Campingplatz ist zwar nicht ausgesprochen gemütlich, aber sehr sauber und die Besitzer sind freundlich.

Loreto, Baja California Sur – Winschwunsch

Samstag, Mai 7th, 2011

Als wir San Javier am Morgen verlassen wollen, ist die Straße gesperrt. Eine Rallye kommt durchs Städtchen, eine Art Veteranenrennen von Mexicali nach La Paz. Niemand einschließlich des Dorfpolizisten weiß, wie lange das Ganze dauert und woran man das Ende der Rallye erkennen kann. Nach eineinhalb Stunden Dünenbuggys, Geländemotorräder, getunte VW Käfer und Jeeps beobachten beschließen alle Wartenden einhellig, die Straßensperrung aufzuheben und fahren los. Der Dorfpolizist sieht teilnahmslos zu. Wir begegnen lediglich noch zwei versprengten Rennteilnehmern und einem Liegengebliebenen.

Nur 40 km sind es nach Loreto an der Cortessee, einer Stadt, die komplett auf Tourismus eingestellt ist. Das zeigt sich in den guten Versorgungs- und Übernachtungsmöglichkeiten, aber auch in den hohen Preisen der Souvenirshops. Loreto hat eine hübsche mit Palmen bepflanzte Strandpromenade, die man in Mexiko Malecón nennt, und sogar einen kleinen Strand mit Sonnenschirmen. Außerdem besitzt die Stadt die älteste Mission ganz Kaliforniens. Musste die Statue der Jungfrau von Loreto im Oktober 1697 noch in einem provisorischen Zelt stehen, wurde ihr zwischen 1699 und 1704 eine Steinkirche erbaut, die mehrfach erweitert und restauriert wurde. Die Originalstatue der Nuestra Señora de Loreto de Conchó steht auch heute noch in einem Nebenraum der Kirche und wird jedes Jahr in eine neue Robe gekleidet. Dafür beschützt die Heilige ihre Kirche: Sie überstand sowohl den Hurrikan von 1829 als auch das verheerende Erdbeben 1877. Das restaurierte vergoldete Altarbild stammt ebenfalls original aus der Missionszeit.

Diesmal erhalten wir Wasser kostenlos an der PEMEX-Tankstelle. Da es sich zwar um Trinkwasser handeln soll, das aber aus einem Vorratsspeicher auf dem Dach des Gebäudes stammt, sind wir wieder einmal froh um unsere Wasserdesinfektions- und Filteranlagen. 20 km südlich der Stadt kann man am Strand von Juncalito kostenlos campen. Eine Limousine hat sich im Sand festgefahren, der Fahrer bittet uns um Hilfe. Kein Problem, wir bringen unsere Winsch zum Einsatz und innerhalb von Sekunden steht das Auto auf festem Grund. Leider hilft das nicht viel, der Mann hat sich das Auto beschädigt und kann nicht weiterfahren. Er lässt seinen Wagen stehen und steigt mit seiner Familie in einen Pick-up ein, der gerade den Strand verlässt.

San Javier, Baja California Sur – Die längsten 50 km unseres Lebens

Freitag, Mai 6th, 2011

Eigentlich fing der Tag gar nicht so schlecht an. Einige der Fischer fuhren in den frühen Morgenstunden noch bei tiefer Dunkelheit hinaus und kehren am frühen Vormittag zurück. Da kommt auch schon der Lieferwagen, für den der Strand stundenlang bewässert worden ist, damit die Fahrspuren hart sind. Die Männer wiegen den Fang, notieren alles und beladen den Lkw. Flunder, Gitarrenrochen, Ammenhaie, Bonitos und große Makrelen sind darunter. Ich sehe meinen Colamann von gestern nicht, also frage ich den Verantwortlichen, das scheint mir der Mann mit Buch und Stift zu sein, ob ich einen Fisch kaufen kann. Er antwortet: „Ja.“ Ende der Durchsage. Ich übe mich in Geduld, doch nach ein paar Minuten deute ich auf einen Flunder, den ich haben möchte. Der Mensch schafft es, mich völlig zu ignorieren, was angesichts meiner 1,77 m gar nicht so einfach ist. So leicht aber wird man mich nicht los. Ich warte eine Viertelstunde, bis aller Fisch gewogen, notiert und verladen ist.

Der Fischer schaut noch ein paar Minuten ins Leere, aber da sich seine Hoffnungen nicht erfüllen und ich mich bis dahin nicht in Luft aufgelöst habe, wendet er mir doch seine Aufmerksamkeit zu und fragt etwas, das ich nicht verstehe. Mein Spanisch sei nicht so gut, teile ich ihm mit, worauf er einen blöden Witz reißt. Na gut. Dann fragt er mich verständlicher, wie viel Fisch ich möchte. Er klettert auf den Lkw und hält zwei große Makrelen hoch. Da ich Diskussionen mit dem Schweiger für sinnlos erachte, nicke ich pflichtschuldigst und will wissen, was das kostet. „Nichts.“ Großartig. Da ich intelligenterweise keine Tüte mitbrachte, dackle ich glücklich mit meinen beiden Fischen ab, in jeder Hand einen. Vermutlich bin ich der Lacher für den Rest des Tages. Ist mir egal, ich zerlege, filetiere und enthäute die Beute gleich und friere den Großteil ein bis auf das, was es am Freitagabend im katholischen Mexiko geben soll.

Dann fahren wir die größtenteils asphaltierten 40 km nach Comondú, das eigentlich aus zwei Orten, San José de Comondú und San Miguel de Comondú, besteht. In den beiden hübschen Oasendörfern werden Datteln, Feigen, Mangos, Bananen, Zitrusfrüchte, Mais, Trauben und Zuckerrohr angepflanzt, wiederum gespeist von einem Fluss mit Wasser aus den Vulkanbergen. Der zweite Ort hatte eine der größten Missionen ganz Kaliforniens aufzuweisen, die in den Jahren 1751 bis 62 erbaut wurde. In den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts jedoch riss man aus praktischen Gründen den Großteil des Gebäudes nieder, um mit den Steinen eine Schule und Privathäuser zu bauen. Was noch übrig ist, war vermutlich die Unterkunft für Missionare gewesen und wird heute von den Gemeinden als Kirche genutzt.

Wir folgen der Beschilderung nach San Javier. In meiner Beschreibung steht, dass die ersten 30 km in relativ schlechtem Zustand sind, sich die letzten 20 aber erheblich verbessern. Das ist die Untertreibung des Jahres. Wobei ich zugeben muss, dass die Angabe zum Zeitpunkt der Drucklegung vielleicht stimmte, sich die Situation nach den letzten heftigen Regenfällen dann dramatisch änderte. Die Schotterpiste ist eigentlich gar nicht mehr befahrbar mit ihren ernstzunehmenden Auswaschungen. Es sei denn, man ist unverbesserlicher Offroadfan, hat das entsprechende Fahrzeug sowie die Erfahrung, liebt den Nervenkitzel, in das Hunderte Meter tiefer gelegene Tal abstürzen zu drohen, weil der Pfad einfach nicht mehr breit genug ist und ist bereit, für die 50 km eine Fahrzeit von vier dreiviertel Stunden zu investieren, wobei knappe vier Stunden auf die ersten 30 km entfallen. Bin ich eigentlich nicht, aber das weiß ich vorher nicht.

Als uns klar wird, dass mit der Straße etwas nicht stimmt, ist es zu spät zum Umkehren. Es gibt schlicht keine Wendemöglichkeit, und als sich die erste nur ansatzweise ungefährliche anbietet, sind wir schon so weit gefahren, dass wir gar nicht mehr zurück wollen. Man denkt ja immer, schlimmer kann es nicht kommen. Es kann immer schlimmer kommen, daher geht der Tag in meine Annalen ein. Die Auswaschungen laufen quer oder längs, meist ist der Schotter bis auf die großen Fundamentsteine weggespült. Besonders problematisch ist die Situation an den zahlreichen Steigungen und Gefällen und in den Spitzkehren, wo das Wasser besonders schnell lief und fast alles mit sich riss, was nicht schwer genug war liegenzubleiben. Einziger Lichtblick ist, dass vor uns irgendwann einmal ein Fahrzeug gefahren sein muss, dessen Spur erkennbar ist, wenn auch mit schmälerem Radstand und vermutlich niedrigerem Schwerpunkt. Jörg wird heute Abend zu mir sagen, dass er mich zum ersten Mal im Leben etwas gestresst gesehen hat. Das will wohl etwas heißen.

In einem Tal liegen Dutzende von Kuh- und Ziegenkadavern, über deren fast vertrockneten Resten noch die allgegenwärtigen Geier kreisen. Es scheint als ob die Tiere ertrunken sind und hier angespült wurden. Ertrunken in der Wüste – das sind die realen Gefahren des Lebens. Am Ende des Tages erreichen wir dann doch San Javier, ein hübsches Städtchen mit gepflasterten Straßen und einer der besterhaltenen Missionen auf Baja California. Während die erste Kirche 1699 wegen einer Indiorevolte aufgegeben worden war und verfiel, wurde die heute zu sehende Mission von 1744 bis 58 erbaut und zeigt im Inneren drei wertvolle barocke Altarbilder, geschnitzt und vergoldet. Erleichtert stellen wir fest, dass man hinter der Mission kostenlos campen kann, neben den landwirtschaftlich genutzten Flächen mit Zwiebeln, Guaven, Papayas, Zitrusfrüchten, Mais, Trauben, Chilis, Datteln und brüllenden Kühen.

La Purisima, Baja California Sur – Oase in der Wüste

Donnerstag, Mai 5th, 2011

Während die MEX 1 nach Loreto weiterführt, fahren wir einen Rundkurs durch die Sierra de la Giganta. Eine steinige Piste, die bei den letzten Regenfällen einigen Schaden genommen hat, der zum Teil noch auf seine Reparatur wartet, führt durch die Berge mit ihrem endlosen Kakteenbewuchs. Das Thermometer klettert auf 40° C. Dann kommen ein paar erloschene Vulkane in Sicht, und plötzlich, man will seinem Auge nicht trauen, Grün: Im Tal glitzert Wasser, Palmen wachsen in der Oase. In den beiden Dörfern San Isidro und La Purisima werden auch heute noch in Kleinbauernwirtschaft Datteln, Zitrusfrüchte und Mangos angebaut. La Purisima war von 1720 bis 1822 sogar Missionsstation, dann allerdings für fast 80 Jahre verlassen, bis mexikanische Farmer den Ort wiederbelebten. Von der ursprünglichen Mission sind heute nur noch Ruinen auf Privatgelände nördlich des Dorfes zu finden.

Kaum haben wir die Oase verlassen, befinden wir uns wieder in der heißen Wüste. Zu heiß zum Schlafen, beschließen wir, und fahren bei La Poza Grande an der BCS 53 an den stets kühlen Pazifik. Der weiche dunkle Sandstrand bei Puerto San Andresito gehört zu einer Fischkooperative. Die Männer lassen uns gerne kostenlos hier stehen, nachdem wir höfliche gefragt haben. Der einzigen Bitte eines Fischers nach einem Soda kommen wir gerne nach, auch wenn wir nur Cola light anzubieten haben. Ihn stört’s nicht und er verspricht, uns morgen Fisch zu bringen, wenn er morgen mit seinem Fang heimkommt und wir noch da sind.

Playa Santispak @ Bahía Concepción, Baja California Sur – Traumstrände

Mittwoch, Mai 4th, 2011

Die Bahía Concepción genannte Bucht an der Cortessee südlich von Mulegé bietet rund ein Dutzend geschützte romantische Strände mit weißem Sand und reichlich Möglichkeiten zum Wassersport. Wir entschieden uns gestern Abend, an der Playa Santispak einen Strandtag einzulegen. Hier standen früher die Strandhäuschen der amerikanischen und kanadischen Snowbirds, bis die Gebäude entfernt werden mussten. Nur noch ein paar Grundmauern erinnern an die frühere Feriensiedlung. Heute gibt es hier nur ein Restaurant mit Kajakverleih und ein paar Sonnendächer. Wie an den anderen Stränden auch zahlt man einen kleinen Eintritt, der die Campingübernachtung einschließt. In Playa Santispak sind das beispielsweise 80 MXN pro Fahrzeug. Die Bucht ist windgeschützt, fällt flach ab, hat angenehmes Badewasser, aber auch eine Menge lästige Sandfliegen.

Santa Rosalía + Mulegé, Baja California Sur – Die Eiffelkirche

Dienstag, Mai 3rd, 2011

Die Gegend rund um Santa Rosalía zählt nicht zum attraktivsten, das Baja California zu bieten hat, denn Kupfer-, Kobalt- und Zinkabbau hinterlassen ihre deutlichen Spuren. Anderseits hat das hübsche und äußerst sympathische Städtchen selbst seine Existenz der französischen Minengesellschaft El Boleo zu verdanken, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann, Kupfer abzubauen. Ihr französisches Erbe ist Santa Rosalía auch heute noch anzusehen. Es ist der einzige Ort auf der Halbinsel, der statt spanischer französische Kolonialarchitektur aufweist.

Die Kirche des Ortes ist eine schlicht-schöne Konstruktion nahezu komplett aus vernietetem, weiß lackiertem Metall, die eine spannende Geschichte aufzuweisen hat: Sie soll vom berühmten Turmarchitekten Gustave Eiffel für die afrikanischen Überseekolonien Frankreichs entworfen, bei der Weltausstellung 1889 in Paris ausgestellt und dann in einem Lagerhaus in Brüssel vergessen worden sein. Ein El Boleo Manager entdeckte die Kirche wieder und verschiffte sie nach Mexiko. Allerdings kamen in den 1990er Jahren Zweifel an der Herkunft der Iglesia Santa Bárbara de Santa Rosalía auf, die nie endgültig ausgeräumt werden konnten.

Und ein weiteres koloniales Relikt überlebte: Die Bäckerei Panadería El Boleo stellt seit 1901 Baguette, Brot, sowie mexikanisches und französisches Gebäck her. Alte Schmelztiegel und Minengerätschaften dem Hafen gegenüber geben ein paar schöne Fotomotive ab. 60 km südlich liegt Mulegé, wieder ganz spanisch, mit einer der ältesten Missionen Bajas. Ihre Bauweise ist schlicht und massiv, mit ihrem unverputzten Stein vielleicht nicht so elegant wie die in San Ignacio, aber nicht weniger eindrucksvoll. Von dem Hügel aus, auf dem die Kirche steht, hat man hervorragenden Blick auf den grünen Mulegé Fluss und den Ort. Der Fluss mündet in der Stadt ins Meer, an der Playa El Sombrerito kann man sehr gut Seevögel beobachten.

San Ignacio, Baja California Sur – Batman greift an

Montag, Mai 2nd, 2011

Der seit Tagen andauernde Wind vertreibt uns aus der Wüste Vizcaíno, wo uns Sand und Dreck nur so um die Ohren fliegen. Selbst Strandspaziergänge machen keinen Spaß mehr. Über Punta Abreojos, wo eine neue Asphaltstraße beginnt, fahren wir zur MEX 1 und weiter nach San Ignacio. Das kleine Städtchen nimmt zu Recht eine Sonderstellung auf der Baja California ein. Es liegt inmitten einer üppig-grünen Palmenoase, gespeist von einer ergiebigen Quelle. Das Potenzial dieses Ortes hatte 1716 bereits Jesuitenpater Piccolo erkannt und eine Hütte errichtet, die als provisorische Kapelle diente. 1728 begannen Missionare, eine Kirche zu erbauen, die 40 Jahre später endgültig fertig gestellt wurde.

Die zentrale Plaza der Stadt ist umstanden von Kolonialbauten. An einem Ende thront die alte Missionsstation Nuestra Señor San Ignacio de Kadakaamán, die 1976 restauriert wurde und der Gemeinde heute als Kirche dient. Es ist eine eindrucksvolle Mission mit ihren über einen Meter dicken Wänden aus lokalem Vulkangestein, den massiven Holzbalken und den sechs Meter hohen Eingangstoren aus geschnitztem Holz vom mexikanischen Festland. Der Altar besteht ebenfalls aus geschnitztem, mit Blattgold verziertem Holz. Die hohen Wände sorgen für angenehme Kühle.

Gerade als wir die Kirche verlassen wollen, stockt mir der Atem. Anstatt zu Kreischen, was meine erste Idee war, sage ich gefasst: „Jörg, etwas kriecht an meinem linken Fuß hoch. Würdest du es bitte fotografieren!“ Ich erschauere. Welche Kreatur sucht eine nähere Beziehung mit mir einzugehen? Zunächst halte ich es für eine Maus, die sich bei näherem Hinsehen als kleine Fledermaus entpuppt. Sie hakt sich unter den Riemen meiner Sandalen ein. Doch sie mag das Blitzlicht nicht, versucht zu fliehen und an meinem glatten Bein hochzuklettern, was nicht gut klappt. Die Klauen krabbeln fürchterlich. Schließlich lässt Batman enttäuscht von mir ab, eine nähere Verbindung scheint doch nicht so erfolgversprechend zu sein.

Am Vulkan Las Tres Virgenes vorbei fahren wir durch die Berge wieder an die Cortes-See, wo wir bei Santa Rosalía auf einem einsamen Campingplatz Unterschlupf finden.

Bahía de Tortugas, Baja California Sur – Strandgut

Sonntag, Mai 1st, 2011

Der Nordstrand von El Vizcaíno um Malarrimo herum ist berühmt für sein Treibgut. Wind, Wellen und Strömungen spülen alles, was sich an der nordamerikanischen Westküste im Wasser befindet, von Alaska an südwärts, hier an. Darunter finden sich häufiger auch Drogenpakete, die beim Transport mit dem Schiff oder Flugzeug abgeworfen oder verloren wurden. Polizei und Anwohner liefern sich so manches Rennen um die verbotene, doch kostbare Fracht. Wir begeben uns auf die Suche nach interessantem legalem Strandgut, finden aber fast nur Müll und ein paar unidentifizierbare Knochen. Im Fischercamp Malarrimo liegt ein angeschwemmter großer Walkieferknochen, ein Stück westlich rottet ein Grauwal vor sich hin, allerdings ist das meiste bis auf den Kopf und ein paar Wirbelknochen bereits verschwunden. Die Haut ist schon fast versteinert, alles andere haben die Aasfresser erledigt, sodass sich das Geruchserlebnis in Grenzen hält.

Die Strandstraße von Malarrimo nach Nordwesten endet an einem Leuchtturm und ist nur für Allradfahrzeuge geeignet. Von hier aus kann man wieder eine recht gute Staubpiste zurück in Richtung Bahía de Tortugas nehmen, der mit 3000 Einwohnern größten Stadt, und dann weiter in das kleine Fischerörtchen Punta Eugenia an der Nordwestspitze der Halbinsel. Überall in der Gegend stehen Verbotsschilder, die das Fischen verbieten und regelmäßig patrouillieren so etwas wie Ranger, um sicherzustellen, dass niemand die Exklusivrechte der vier Kooperativen Bahía de Tortugas verletzt. Vor allem die Langusten und Abaloneschnecken, die zum Großteil für gutes Geld nach Taiwan exportiert werden, bringen den Fischern relativen Wohlstand.

Dann schlagen wir den Weg nach Süden ein und fahren wieder über eine Wüstenstraße nach Punta Asunción und weiter Richtung Punta Prieta, wo es wieder einsame Strände zum Campen gibt, Delfine springen, Kojoten heulen und Pelikane fischen. Der Strand besteht an der Wasserlinie aus Sand, weiter oben aber wurden Milliarden von Muscheln abgelagert, die schon fußfreundlich rund geschliffen sind.

Malarrimo, Baja California Sur – Im größten Naturschutzgebiet Lateinamerikas

Samstag, April 30th, 2011

In Mexiko Leitungswasser zu trinken ist nicht empfehlenswert. Auch das Wasser, das man auf Campingplätzen erhält, ist meist höchstens zur Körperreinigung geeignet, sofern man keine Filter- und Desinfektionssysteme besitzt. Doch selbst dann kann brackiges Wasser zu viel Salz enthalten als für den Menschen gesund ist. Selbst Leitungswasser steht oft in Tanks, die unseren Hygieneansprüchen nicht genügen und in denen als harmloseste Variante Algen sprießen. Oft wird vergessen, die Deckel zu schließen, und die unterschiedlichsten Tiere fallen auf der Suche nach Süßwasser in die Tanks und ertrinken dort. Besser ist, sich Wasser frisch aus einem Brunnen füllen zu lassen, wenn man sich sicher ist, dass es weder zu salzhaltig ist, noch landwirtschaftlicher Ackerbau in der näheren Umgebung betrieben wird. Eine noch sicherere Alternative ist, Wasser in großen Behältern bei einer Wasserreinigungsanlage zu kaufen, die es in jeder Stadt gibt. Beim ersten Mal zahlt man Pfand für das Fass, später tauscht man leer gegen voll. Viele dieser Anlagen haben einen Schlauch mit Wasserzähler, sodass man sich seinen Tank befüllen lassen kann. Das kostet etwa 15 Eurocent die Gallone.

Nach dem Auffüllen sämtlicher Vorräte begeben wir uns wieder ins Abseits: Erst ein Stück auf der MEX 1 Richtung Süden, dann nach Westen auf die Halbinsel El Vizcaíno. Die Landzunge ist eine einsame Gegend mit einer interessanten Mischung aus Wüste, Bergen und Küstenlandschaft. El Vizcaíno ist extrem trocken mit durchschnittlich 70 mm Regen pro Jahr, in manchen Jahren fällt nicht ein Tropfen. Pflanzen und Tiere beziehen Feuchtigkeit oft nur aus den für den Pazifik typischen Küstennebeln. Die Straße nach Bahía de Tortugas ist schon größtenteils asphaltiert, wenn auch nicht immer gut. Wir fahren in das Vizcaíno Biosphärenreservat, ein  Wüstengebiet, das südlich des 28. Breitengrades 2,5 Mio. ha von der Westküste Bajas bis zur Ostküste umfasst, darunter auch das Walschutzgebiet Laguna Ojo de Liebre. Es gilt als das größte Naturschutzgebiet Lateinamerikas.

Die äußerst raren Berrendos leben hier, Wüstenspringböcke, die Sukkulenten fressen um ihren Wasserhaushalt auszugleichen, und von denen es auf der ganzen Erde nur noch hier 200 Exemplare gibt. Die seltsamen Elephant Trees mit den überdicken Stämmen beginnen bereits purpurrot zu blühen. Kurz vor Bahía de Tortugas biegen wir zur Nordküste der Landzunge ab nach Malarrimo und dann weiter am Strand entlang, wo wir uns auf einem Kliff über dem im kühlen Wind tosenden gar nicht Stillen Ozean ein lauschiges Plätzchen für die Nacht suchen.

Guerrero Negro, Baja California Sur – Hundetheorien

Freitag, April 29th, 2011

Das Verhältnis von Mensch und Haustier ist immer auch ein Ausdruck von Kultur. Schließlich domestiziert sich der Mensch schon seit Tausenden von Jahren meist vierbeinige Gesellen. Interessant ist es, die verschiedenen Verhaltensweisen zu beobachten. In Kanada zum Beispiel halten viele Menschen Hunde. Das Verhältnis scheint mir geradezu ideal: Die Tiere werden gut und freundlich behandelt, sind aber fast immer gut erzogen und respektieren Herrchen oder Frauchen als Leithund.

In den USA nimmt die Beziehung zwischen Hund oder Katz und Besitzer eine leider allzu oft fast krankhafte Ausprägung an. Die Anzahl von Hundesalons überschreitet die von Autowerkstätten, und das arme Tier muss dort nicht nur sein Haar lassen, sondern oft genug Schönheits- und Spa-Behandlungen über sich ergehen lassen, auf die es sicher getrost verzichten könnte. Hündchen trägt Pulloverchen oder Westchen, Kettchen oder Schleifchen und sitzt beim Autofahren auf der Fahrerseite völlig fehl am Platze hinterm Lenkrad auf dem Schößchen von Frauchen. Und wenn’s dann mal ein Unfällchen gibt, fliegt Wuffi durchs Fensterchen und ist dann vielleicht tötchen.

Auch viele Mexikaner halten sich Hunde. Sie sind selten an der Leine oder Kette und laufen frei herum, ihrer Aufgabe als Wachhund nachkommend. Auffällig ist aber, dass Hund den Mensch nicht nur respektiert, sondern zu fürchten scheint. Die Behandlung muss nicht so schlecht sein, dass das Tier wegläuft, aber die Disziplinierungsmaßnahmen scheinen doch so weit zu gehen, dass der Hund bei einem Fremden zwar anschlägt, aber gleichzeitig furchtvoll den Schwanz einzieht. Insgesamt scheinen die Vierbeiner eher ignoriert zu werden und nicht mit, sondern neben dem Menschen her zu leben.

Guerrero Negro, Baja California Sur – Wale zum Anfassen

Donnerstag, April 28th, 2011

In drei Buchten entlang der Baja California sammeln sich alljährlich die Grauwale, um ihre Kälber zur Welt zu bringen oder sich zu paaren. Die nördlichste und größte Bucht, in der gleichzeitig die größte Anzahl Grauwale zu finden ist, heißt Laguna Ojo de Liebre und liegt vor den Toren Guerrero Negros. Man kann die Wale mit einem Fernglas vom Strand aus beobachten, aber das wahre Erlebnis gibt es nur mit einem Boot.

Wir entscheiden uns für einen der renommierten Veranstalter mit zweisprachigem Personal, Mario’s Tours, der auch einen Campingplatz führt. Der Ausflug beginnt pünktlich um 8 Uhr und führt uns zunächst mit einem Kleinbus auf das Salinengelände, das einen Großteil des hiesigen Küstenareals belegt. Die Salzgewinnungsanlage fördert 7 Mio. Tonnen pro Jahr und gehört gemeinschaftlich dem Staat und der Firma Mitsubishi. Die Saline kann gesondert besichtigt werden, aber schon während der Fahrt über das Areal sieht man riesige Arbeitsmaschinen zur Salzgewinnung oder Lkw, die bis zu 120 t Salz laden.

Mit einem kleinen Speedboot fahren wir in die flache Bucht hinaus. Das Wetter ist perfekt am oft so ungemütlichen Pazifik, denn es ist windstill und die Sonne hat den Nebel aufgelöst. Es sind nur noch wenige Grauwale hier, die meisten sind bereits auf dem Weg zu ihren Jagdgründen im hohen Norden. Aber entscheidend ist nicht die Anzahl, sondern das intensive Erlebnis. Der geschulte Bootskapitän nähert sich den Meeressäugern äußerst langsam und stoppt das Boot mindestens 100 m vorher. Den Rest erledigen die Wale, wenn sie Lust haben. Heute haben sie, es ist unglaublich. Sie umschwimmen das Boot, drehen sich zur Seite, um uns mit einem Auge betrachten zu können, recken ihren Kopf aus dem Wasser und ja, sie lassen sich anfassen und streicheln. Ihre Haut ist dick, aber ganz weich und mit vielen harten Verkrustungen übersät, wo Seepocken wachsen. Die Delfine, die in der Bugwelle surfen, wetteifern um unsere Aufmerksamkeit. Wenn die Wale an der Wasseroberfläche ausatmen, spritzen sie uns alle und unsere Kameras mit ihrem Blas voll. Wenigstens sind sie so rücksichtsvoll, gebührenden Abstand zu halten, wenn sie weit aus dem Wasser springen, um sich mit einem lauten Platschen wieder hineinfallen zu lassen.

Es handelt sich durchgehend um einige späte Mütter mit ihren Kälbern, die sich noch in der Laguna Ojo de Liebre aufhalten. Die meisten andern, die Männchen und die Jungtiere sind bereits auf ihrer zwei- bis dreimonatigen Reise in die Beringsee, wo sie sich während des Sommers mit Krill eine dicke Fettschicht anfressen, um im nächsten Winter wiederzukommen. Ein Weibchen bringt alle zwei Jahre ein Junges in der Lagune zur Welt, die ihnen Schutz vor Orcas und Haien bietet, eine für Wale kuschelige Wassertemperatur und – so zumindest die Theorie – einen höheren Salzgehalt, der den Babys das Schwimmen erleichtern soll. Die Mutter zeigt dem Kalb einmal den Weg in die Beringsee und zurück, danach trennt sie sich von ihm. Anschließend paart sie sich erneut und gebärt nach einer Tragezeit von elf bis 12 Monaten ein weiteres Kalb. Grauwale werden bis zu 50 Jahre alt, in seltenen Fällen bis zu 60 Jahre. Sie ziehen jährlich 16.000 bis 19.000 km, das ist die längste bekannte Migration eines Säugetiers.

In den letzten Jahren verschob sich die Walsaison meist etwas nach hinten, sodass sie jetzt von Anfang Dezember bis Ende April dauert, mit ihrem Höhepunkt im Februar und März. Die Touren starten morgens und dauern etwa drei Stunden zuzüglich An- und Abfahrt. Eine weitere Möglichkeit der Walbeobachtung ist, südlich von Guerrero Negro auf das Salinengelände zu fahren (kleine Eintrittsgebühr) und sich vor Ort ein Boot zu mieten. Das kann etwas günstiger sein, eventuell aber weniger professionell als bei den etablierten Veranstaltern.

Guerrero Negro, Baja California Sur – Temperatursturz

Mittwoch, April 27th, 2011

120 km Piste sind es noch einmal von San Francisquito über El Arco zur MEX 1. An einer der Ranchs füllen wir unseren Wassertank voll. Sie werfen extra ihre Wasserpumpe an, der Großteil läuft wegen des zu dicken Schlauchs und des hohen Pumpendrucks daneben und wir müssen wieder nichts bezahlen. Ich frage mich, von was die Rancher leben. Von den paar Gästen im Jahr, die sich möglicherweise hierher verirren und etwas essen oder ein paar Nächste bleiben, sicher nicht. Überall gibt es ziemlich magere Kühe, die frei herumlaufen und an den Kakteen nagen. Sollte die Hamburgerindustrie so einträglich sein? Oder gibt es doch irgendwo das versteckte Kokainfeld?

Noch einmal durchqueren wir den langgestreckten Parque Natural del Desierto Central, wo Millionen von Saguaros in voller Blüte stehen. Immer wieder huscht ein Kojote oder Roadrunner über die Straße. In der Wüste messen wir bei Starkwind 40° im Schatten, als wir am Nachmittag in Guerrero Negro am Pazifik angelangen, hat es gerade noch 23°. Damit sind wir in Baja California Sur angelangt, einem weiteren von 31 Staaten der Vereinigten Mexikanischen Staaten, wie der offizielle Name lautet. Wir haben eine Zeitzone in Richtung Osten überschritten und dank unserer Wüstenfahrt den landwirtschaftlichen Kontrollposten an der MEX 1 umgangen, wo man uns möglicherweise einige Obst- und Gemüsesorten abgenommen hätte, die man in den Südteil der Halbinsel nicht einführen darf. Bei einem der örtlichen Veranstalter buchen wir für morgen Früh eine Walbeobachtungstour.

Bahia San Francisquito, Baja California Norte – Bierbüchsen und Zahnstummel am Schildkrötenstrand

Dienstag, April 26th, 2011

Meine Hoffnung auf frischen Fisch erfüllt sich nicht. Die Fischer fuhren erst im Morgengrauen los und kehren bis zu unserer Abfahrt nicht zurück. Als ich Pancho meine Enttäuschung kundtue, deutet er aufs Meer hinaus und sagt: „Da gibt’s jede Menge Fisch. Kannst dir einen fangen.“ Stattdessen schnappen sich die Kormorane, die sich aus Dutzenden von Metern Höhe ins Wasser stürzen, die Fische. Oder auch die Pelikane, die im Formationsflug zentimeterdicht ohne einen Flügelschlag über die Wasseroberfläche gleiten und der Szenerie ein wenig tropisch-exotisches Flair verleihen.

Die restlichen 56 km bis San Francisquito rattern wir bis Mittag ab. Wir landen zunächst im „Hafen“, einer kleinen flachen Seitenbucht und treffen Jim aus San Diego, der die Hälfte des Jahres hier unten verbringt. Unsere Wasservorräte gehen zur Neige, daher schickt er uns einige Meter weiter zu Alfredo. Der füllt uns großzügig und kostenlos ein paar Gallonen Wasser ab, obwohl er es selbst von einer mehrere Kilometer entfernten Ranch, die einen Brunnen hat, holen muss.

Die attraktive Bucht von San Francisquito an der Cortes-See hat einen knapp vier Kilometer breiten, von Felsen eingerahmten Sandstrand, der steil abfällt und beliebtes Schildkrötenbrutrevier ist. Bis vor ein paar Jahren war hier ein Urlaubsresort in Betrieb. Es war in den 60er Jahren erbaut worden und hatte so illustre Gäste wie John Wayne und Kirk Douglas beherbergt. Wie so oft in Entwicklungsländern wurde nicht nachinvestiert und die Anlage dem Verfall anheim gegeben. Nachdem es geschlossen worden war, kaufte 2008 ein mexikanischer Investor das Land mit dem Vorhaben, ein Luxusresort zu errichten. Eines Tages. Vielleicht.

Bis dahin kann man hier campen oder sich eine der gammeligen Hütten mieten. Die Campinggebühren betragen 5 US$ pro Person, in Anbetracht des Services ein recht amerikanischer Preis: Es gibt ein paar verfallene Sonneschirme, Toiletten und Duschen in adäquatem Zustand. Als wir ankommen, liegen trotz ausreichend großer Müllbehälter Dutzende von Bierdosen von der vergangenen Osterparty herum, genau wie mit Nägeln bestückte Palmwedel, die von irgendeinem Dach abgefallen sind, und die man sich prima in Fußsohle oder Reifen stechen kann. Man hatte wohl nicht mit Besuchern gerechnet, und nach unserem Strandspaziergang ist zumindest aufgeräumt. Mamacita Rosa kocht täglich für Familie und Gäste, die Mahlzeiten werden gemeinsam eingenommen. So viel Familienanschluss hat seinen Preis: 9 US$ fürs Frühstück, 10 $ das Mittag- und 12 $ das Abendessen. Auch wenn der nächste Supermarkt weit und die Versorgung daher nicht einfach ist: die Preise sollen wohl ein wenig an die mondäne Vergangenheit erinnern.

Beim Lagerfeuer sitzen wir mit zwei amerikanischen Privatpiloten aus Sacramento zusammen, die mit ihren Frauen für ein paar Tage hier herunter gekommen sind. Ihre beiden winzigen Propellermaschinen stehen am Rande des Flugfelds. Der echte und der Hühnerfarmer gehören dem Rotary Club an. Deren lokale Vereinigung hat zum Ziel, die Bewohner der abgelegenen Region von San Francisquito zu unterstützen. Die Piloten fliegen gewöhnlich Ärzte und Zahnärzte hierher. „Wir können den Mexikanern das Trinken von Coca-Cola nicht verbieten“, meint der Hühnerbaron, „aber wir können behandeln, was sie von den Zähnen übrig lässt“.

Bahia de San Rafael, Baja California Norte – Panchos Gastfreundschaft

Sonntag, April 24th, 2011

Vor genau einem Jahr sind wir zu unserer Reise aufgebrochen und nach London geflogen. Heute bleiben wir nur kurz auf der MEX 1, aber wenigstens gibt es bis Bahia de los Angeles an der Cortes-See Asphalt. Der Ort in der gleichnamigen Bucht hat schon bessere Tage gesehen, aber immerhin gibt es eine Tankstelle mit Diesel, ein paar Minimärkte und einen Supermarkt, wo sich vor dem umfangreichen Schnapsregal die Mehrheit der ortsansässigen amerikanischen Gringos versammelt hat. Wir kaufen ein paar teure Kleinigkeiten, doch wenigstens Kraftstoff hat einen staatlich festgelegten Einheitspreis, und alle Tankstellen gehören der staatlichen PEMEX-Kette an. Das Highlight in Bahia de los Angeles soll die Meeresschildkrötenforschungsstation sein. Sie wurde 1979 aus einer umgewandelten Schildkrötenfischerei entwickelt. Heute liegt sie verlassen da, die Tanks sind trocken, die Wasserleitungen nicht mehr angeschlossen.

Da wir Näheres nicht herausfinden können, begeben wir uns wieder auf die Spuren der Rallye Baja 1000 und folgen der Rumpelpiste in langsamem Tempo Richtung Bahia San Francisquito für 130 km. Etwa auf halbem Weg berührt der Track das Ufer bei Bahia de San Rafael. Am hübschen Sandstrand leben ein paar Heilbuttfischer, darunter auch Pancho, der seit 26 Jahren hier lebt. Der frühere Haifischer hat meist ein Bier kalt, das er für einen in Anbetracht der einsamen Lage fairen Preis abgibt. Sofern er gerade den Schlüssel für die Tür findet und zwischenzeitlich nicht vergisst, dass er eigentlich ein Bier holen wollte. Pancho als exzentrisch zu bezeichnen ist geringfügig untertrieben. Sein Englisch ist genauso schwer zu verstehen wie sein Spanisch. Was möglicherweise am dauerhaften Konsum von Corona, Pacifico und Tequila liegt, der ihn nicht nur den Großteil seiner unteren Zahnreihe gekostet hat, sondern möglicherweise ein paar völlig unbedeutende Areale von Hirnzellen.

Das urige Original wühlt noch einmal in seiner solarbetriebenen Eisbox und bringt etwas zu Essen zutage, von dessen Verzehr alle amerikanischen Reiseführer einhellig warnen: Ceviche. Der Grund liegt auf der Hand: Ceviche besteht gewöhnlich aus rohem Fisch oder Jacobsmuscheln. Die mariniert man in Limonensaft mit Chilis, Zwiebeln, Knoblauch, Paprikaschoten, Tomaten, Avocados, Korianderkraut, Salz, Pfeffer und braunem Zucker. Panchos Version ist etwas improvisiert, aber die Grundzutaten Jakobsmuscheln, Zwiebeln, Limone und Chilis sind da. Pancho bringt eine Schüssel und einen Löffel. Er versichert, dass letzterer gewaschen ist, aber vielleicht sollten wir diesem unwichtigen Detail keine besondere Bedeutung beimessen. Wir essen alle aus derselben Schüssel mit demselben Löffel. Ich hätte es aber als hochgradig unhöflich empfunden abzulehnen. Bis zum Abend stellen sich keine Anzeichen einer Lebensmittelvergiftung ein.

Pancho bietet uns an, bei ihm am Strand kostenlos zu übernachten. Auf der Baja ist es durchaus üblich, dass Einheimische ein kleines Entgelt fürs Campen am Strand verlangen, auch wenn es nicht deren Privatbesitz ist. Als Gegenleistung halten sie den Strand sauber. Wir nehmen das Angebot an, denn der Sand und das klare, kühle Wasser laden uns zum Schwimmen ein.

Coco’s Corner, Baja California Norte – Boxenstopp mit kalten Bier

Samstag, April 23rd, 2011

Die Straße ab Puertecitos nach Süden bis zur MEX 1 war berüchtigt. So berüchtigt, dass nur wenige Unentwegte die Mühen auf sich nahmen, die katastrophale Piste im Schneckentempo entlang zu rumpeln. Heute arbeitet die mexikanische Regierung mit Hochdruck an vielen Straßenprojekten, unter anderem auch daran, diesen Schandfleck mangelnder Zivilisation in die Neuzeit einzuführen. Bis kurz hinter Campo Cinqo Islas ist die MEX 5 mittlerweile asphaltiert. Was danach kommt, stellt höchste Ansprüche an Reifen, Federung und Dämpfung, sowie an die Geduld des Fahrers. Nur wenige Stellen sind „gutes“ Waschbrett und so breit, dass man mit ausreichender Geschwindigkeit über die Wellen „fliegen“ kann. Der Rest wiederum ist so schlecht, dass man im Schneckentempo mit kaum mehr als 15 km/h entlang kriecht. Und das über 92 km.

Da kommt eine Erholungspause recht, zum Beispiel an der Bahia San Luis Gonzaga. Die weitläufige Bucht hat Sandstrand, ein paar winzige Siedlungen, eine PEMEX-Tankstelle mit Benzin, aber ohne Diesel, einen Minimarkt, wo man alles Mögliche, vor allem aber Bier kaufen kann, ein Restaurant und einen einfachen Campingplatz am Strand. Außerdem gibt es eine Buschlandepiste, wo die Besitzer der rustikalen Strandhäuschen mit ihren eigenen Propellerflugzeugen einfliegen können. Wir quälen uns weiter über den Track, der zum Teil von der Rallye Baja 1000 mitbenutzt wird. Manche klagen, dass das Rennen die Piste zerstört. Andere sagen, dass die Rennfahrzeuge Spuren ausfahren, die andere dann benutzen können. Die Offroad-Rallye findet alle zwei Jahre statt, die letzte im November 2010.

Wie die Rennteilnehmer legen wir einen Boxenstopp ein an Coco’s Corner, das sogar auf den meisten Landkarten verzeichnet ist. Das Café ist eine Institution, der Besitzer eine Legende. Seit Coco 1990 als Folge eines Arbeitsunfalls ein Bein verlor, zog er sich in die Wüste zurück und bietet seitdem abgeschlagenen Reisenden kaltes Bier, Erfrischungsgetränke, manchmal ein paar Burritos und einen Platz zum Übernachten. Schon von Weitem glitzern und klappern tausende von Bierdosen, die Coco an den Zäunen entlang seiner Grundstückgrenzen aufgehängt hat. Vor kurzem musste auch sein zweites Bein amputiert werden und gerade unterzog er sich einer erneuten Operation, von der er sich zurzeit in Ensenada erholt. Ein Freund kümmert sich um das Café, der auch dafür sorgt, dass sich Besucher in das umfangreiche Gästebuch eintragen. Wir finden jedoch nur wenige Einträge von Weltreisenden.

Dafür überschlage ich, dass mindestens die Hälfte aller Vorbeikommenden anhält, um sich ein Bier oder gar ein Sixpack zu schnappen. Bier ist das mexikanische Nationalgetränk. Wegen seines meist nur geringen Alkoholgehalts kann man bedenkenlos anscheinend auch während der Fahrt eines schlürfen. Die letzten 12 km Piste bis zur MEX 1 und entlang der Straße liegt der Parque Natural del Desierto Central. Das Naturschutzgebiet läuft auch unter dem Namen Valle de Cirios. Neben abertausenden von Saguaros wachsen hier Orgelpfeifenkakteen, Josuabäume, Agaven, Cylindropuntien, Mesquitebüsche, die speziellen Elephant Trees und vor allem Cirios, meterhohe Stängel, die aussehen, als wären sie mit Barthaaren bewachsen. Die ganze Pracht kostet keine Pfennig Eintritt.

Puertecitos, Baja California Norte – Rommel und die Kakteen

Freitag, April 22nd, 2011

Das Valle des los Gigantes ist ein privates Naturschutzgebiet. Hier findet man Saguaros oder Cardón, wie sie in Mexiko heißen, die größten Kakteen der Erde. Diese Exemplare sind noch weit größer als in Arizona. Das größte steht gleich am Anfang des Kakteenfeldes: 18 m hoch, 12 t schwer und mehrere hundert Jahre alt. Ab hier geht es im stellenweise weichen Sand nur noch mit Vierradantrieb oder per pedes weiter. Einen anderen, fast ebenso großen Kaktus, hatte die mexikanische Regierung 1992 aus diesem Park zur Expo ins spanische Sevilla anlässlich des 500. Jahrestages der Entdeckung Amerikas schaffen lassen. Die Pflanze lebt in ihrer neuen Heimat als Symbol für Mexiko weiter.

Zur weiteren Flora des Parks gehören Ocotillos, Parkinsonien, Mesquitebüsche und Cylindropuntien. Die Einfahrt zum Valle des los Gigantes befindet sich bei km 14 südlich von San Felipe auf der Westseite der Straße. Pro Fahrzeug werden 10 US$ Eintritt erhoben. Das ist nicht wenig, aber die Baja ist bekannt für ihre amerikanisierten Preise. Wer nicht weiter in den Süden fährt, sollte den Park besuchen. Für alle anderen gibt es weiter südlich noch genügend Gelegenheit, Kakteen – kostenlos – zu bewundern. Der Park befindet sich auf dem Gelände der Rancho Punto Estrella, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite Campingmöglichkeiten am Strand bietet.

Kurz vor der Ausfahrt, als wir ein letztes Foto schießen wollen, treffen wir doch noch Rommel. Das ist kein Scherz, der Mann heißt wirklich so, sein Vater war ein Fan des deutschen Kriegsgenerals, der im Ausland erstaunlich viele Anhänger besitzt. Er hat ein schweres Erbe zu tragen, klagt der Mexikaner, sein erster Vorname lautet David, sein zweiter Rommel. Dabei wirkt er nicht allzu niedergeschlagen. Rommel wohnt eigentlich in Tecate und ist sowohl ein Freund von Fritz als auch von Werner und Gabi, die wir ebenfalls in Tecate kennenlernten, aber Ostern verbringt er auf dem Besitz seiner Familie, der Rancho Punto Estrella. Was für ein Zufall, dass wir uns hier treffen, meine ich. Rommel freut sich auch, „aber nein“, meint er gedankenschwer, „Zufälle gibt es im Leben keine“.

Und noch etwas finden wir heute: den einsamen Strand bei Cinqo Islas, wo wir frei campen und im erstaunlich temperierten Wasser des Golfs von Kalifornien schwimmen gehen. Seit Beginn unserer Reise ist es das erste Mal, dass wir im Meer baden.

San Felipe, Baja California Norte – Die Baja – heute Halb-, morgen Insel?

Donnerstag, April 21st, 2011

Von Punta Banda und Ensenada an der Westküste fahren wir über MEX 3 und 5 nach San Felipe and der Ostküste der Baja California. Die Halbinsel ist 1300 km lang, misst an ihrer breitesten Stelle im Norden zwischen Tijuana und Mexicali 193 km und an ihrer schmälsten im Süden zwischen La Paz und dem pazifischen Ozean 45 km. Niederkalifornien, wie sie auf Deutsch heißt, ist Teil der pazifischen Platte und driftet nördlich vom mexikanischen Festland weg, das selbst Teil der nordamerikanischen Platte ist. Erst vor etwa 5 Mio. Jahren war der Spalt so groß geworden, dass sich eine Meeresstraße öffnete. Anfangs nannte man sie zu Ehren des legendären spanischen Eroberers des 16. Jahrhunderts Mar de Cortés (Cortes-See). Da der Spanier in Mexiko keinen uneingeschränkt guten Ruf besitzt, benannte die Regierung das Gewässer Anfang des 20. Jahrhunderts in Golfo de California (Golf von Kalifornien) um. Beide Namen sind aber in Landkarten gebräuchlich. Im Norden fließt der Colorado River hinein, 669 km südlich grenzt der Golf knapp unterhalb des Wendekreises des Krebses an den Pazifik. Die Baja ist maximal 250 km vom Festland entfernt, wird aber eines Tages eine Insel sein. Sie ist zu 65 % von Wüste bedeckt, und insgesamt 23 Bergketten erheben sich bis über 3000 m über den Meeresspiegel.

Wir passieren zwei Militärkontrollen auf unserem Weg, die zweite an der Einmündung MEX 3 / 5 ist sehr gründlich und wir müssen eine halbe Stunde warten. Der Soldat interessiert sich für unsere Mehlbüchse. Ob da nicht doch Drogen drin wären? Er kann ja mal eine Linie schnüffeln, wenn er möchte. In San Felipe ist dank des bevorstehenden Osterfestes der Bär los. Wir haben keine Lust auf eine schlaflose Campingnacht und schlagen uns im Süden der Stadt in die einsame Wüste, wo mangels landwirtschaftlicher Nutzbarkeit endlich einmal keine Zäune stehen.

Punta Banda, Baja California Norte – Die Boilerreparatur

Mittwoch, April 20th, 2011

Unsere Heizung leckt. Aus einem kleinen Loch im Boiler spritzt Wasser, außerdem rinnt es aus einer unsauberen Schweißnaht rund um eine Schraube. So viel zu guter deutscher Qualität. Das Gerät ist ein Jahr alt. Zum Glück bietet sich Alfredo, der freundliche Besitzer des Campingplatzes El Refugio in Punta Banda, auf dem wir gestern eingekehrt sind, sofort an, uns mit seinem Auto zu fahren und nach Hilfe zu suchen. Das stellt sich als schwierig heraus. Der Boiler ist aus Edelstahl, aber so dünn, dass es fast niemand schweißen kann. Wir müssen die 30 km bis nach Ensenada fahren, um eine Werkstatt zu finden, die es sogar innerhalb einer Stunde reparieren will. Alfredo ist so nett, uns während der Wartzeit zum nächsten Supermarkt zu fahren, damit wir einkaufen können. Er erklärt uns nicht nur sämtliche Obst- und Gemüsesorten, die uns noch unbekannt sind, sondern auch den Schärfegrad der einzelnen Chilisorten. Außerdem gibt uns der Hobbykoch gleich noch einen Schnellkurs in mexikanischer Küche.

Heute Mittag noch verstand ich die Welt nicht. Warum spricht ein Campingplatzbesitzer, der ständig mit Touristen zu tun hat, kein Wort englisch? Ein technisches Problem in einer Sprache zu erläutern, die man kaum beherrscht, ist höchster Schwierigkeitsgrad, finde ich. Mein Spanischlehrer würde sich schämen für mich, aber der Kursus ist schon ein Jahr her ohne Praxis. Alfredo besteht bis in die Stadt hinein darauf, unsere Unterhaltung auf Spanisch zu führen. Er ist der gleichen Meinung wie ich: Das Mexiko-Desaster sei politisch motiviert und von Medien gemacht. Gewalt gegen Außenstehende finde nur selten statt und selbst dann meist nur, wenn diese in Gangkämpfe hineingeraten. Und niemand spreche über den hohen Gewaltpegel in Los Angeles oder New York! Im Laufe des Nachmittags sickern langsam ein paar englische Worte aus Alfredo. Gegen Abend dann spricht er ein erstaunlich flüssiges Englisch. Was den Wandel verursacht hat, kann ich nur vermuten.

Der Boiler ist pünktlich fertig, die Spezialreparatur zu einem günstigen Preis erledigt und als wir ihn zurück am Campingplatz ans Wasser anschließen, hält er dicht.

Parque Nacional San Pedro Mártir, Baja California Norte – Das Riesenteleskop

Dienstag, April 19th, 2011

Am Ende der 18 km langen Stichstraße in den Nationalpark liegt das Observatorio Astrónomico Nacional. Das größte Himmelsobservatorium Mexikos zählt zu den besten unseres Planeten. Drei Teleskope mit 84 cm, 1,5 und 2,1 m Durchmesser stehen auf einem 2830 m hohen Berg frei von Licht- und Luftverschmutzung. Die mexikanische Regierung ließ die Teleskope 1975 nicht nur zur Sternenbeobachtung aufstellen, sondern auch zu Messungen der Helligkeit des Himmels, des Status der Atmosphäre und einer langen Liste meteorologischer Daten. Seine Wagen muss man vor dem verschlossenen Tor abstellen und die letzten drei Kilometer Straße den steilen Berg hoch laufen. Dafür sehen wir Kojoten. Einer davon beobachtet uns lange Zeit und lässt sich fotografieren. Als wir seinen Sicherheitsabstand unterscheiten, läuft er in aller Ruhe aus unserem Sichtfeld.

Die Öffnungszeiten des Observatoriums, für das kein zusätzlicher Eintritt erhoben wird, sind begrenzt; momentan 10 bis 13 Uhr. Trotzdem ist am obersten und größten Teleskop niemand. Ob man einfach reingehen kann? Wir warten lieber. Da kommt auch schon ein Wissenschaftler im Mexiko-Käfer angebraust. Auf Nachfrage ist er bereit, uns die Räumlichkeiten zu zeigen. Er spricht sogar einigermaßen englisch – die erste Person, die wir treffen. Ein deutscher Astronom arbeitet ebenfalls hier, aber der schläft wohl gerade. Das Teleskop ist keines zum Hindurchsehen, sondern eine Kamera empfängt über zwei Spiegel die Himmelsbilder und leitet die Daten an Computer weiter, die so alt aussehen wie das Teleskop ist. Die Hochleistungs-Infrarotkamera kann sogar tagsüber Bilder aufnehmen und muss mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden. Das Dach über der Riesenlinse wird elektrisch geöffnet und gedreht. Von der Gangway rund um das Dach hat man eine fantastische Sicht bis zu Pazifik im Westen und der Sea of Cortez im Osten.

Auf dem Rückweg tauchen sie dann doch noch auf: die Kondore. Einzeln oder in kleinen Gruppen schweben sie majestätisch am Himmel, geschickt die Thermik nutzend. Sie sind gut zu identifizieren anhand ihrer weitgespreizten Schwungfedern und natürlich ihrer Spannweite bis zu 2,70 m. Charakteristisch ist auch ihr Flügelschlag, wenn sie überhaupt einen tun, wobei sich die Flügelspitzen fast unter der Brust berühren. Damit sind sie deutlich von den gewöhnlichen Truthahngeiern zu unterscheiden.

Unser Plan, über Mike’s Sky Ranch nach Osten zurück auf die MEX 3 zu fahren, scheitet. Die Piste wurde bei den letzten Regenfällen einfach fortgespült. Zwar warnten uns die Parkranger vor, doch wir überzeugen uns persönlich, dass der Weg unpassierbar ist. Mike’s Sky Ranch bietet Zimmer, Campingmöglichkeiten und ein Restaurant und ist vor allem bei Geländemotorradfahrern beliebt. Die Ranch ist seit Jahren Checkpoint der bekannten Baja 500 und Baja 1000 Rallyes und hat eine bessere Zufahrtstraße von der MEX 3 aus. Da wir nicht noch einmal die buckelige Staubstraße von gestern fahren wollen und es kaum Ost-West-Verbindungen auf der Baja California gibt, begeben wir uns zurück Richtung Ensenada.

Parque Nacional San Pedro Mártir, Baja California Norte – Schnee in Bajas Bergen

Montag, April 18th, 2011

Es ist einer der einsamsten Parks in ganz Mexiko: Wohl wegen seiner abseitigen Lage wird er so selten besucht. Dabei ist die 78 km lange bergige Straße ab MEX 1 zum Parque Nacional San Pedro Mártir mittlerweile asphaltiert. Das Naturschutzgebiet umfasst einen Teil der höchsten Bergkette der Baja California, die Sierra San Pedro Mártir und deren höchsten Gipfel Picacho del Diablo mit 3095 m. Bereits auf der Zufahrtstraße bekommt man Blicke bis zum Pazifik. Der Parkeingang befindet sich auf 2700 m Höhe, selbst Mitte April liegt in schattigen Senken noch Schnee. Es gibt etliche Wandermöglichkeiten, aber nur wenige gekennzeichnete. Ambitionierte Hiker sollten ein GPS, topografische Karten und ein paar Spanischkenntnisse mitbringen, um sich mit den monolingualen Rangern abzustimmen. Der Park ist bekannt für seine endemischen San Pedro Mártir Zypressen, Küsten-Kiefern und Zitterpappeln. Die seltenen Dickhornschafe leben in den Bergen, und seit einigen Jahren versicht man den äußerst gefährdeten Kalifornischen Kondor, der hier vor 60 Jahren ausgestorben war, wieder anzusiedeln. Der Eintritt in den Park kostet 50 MXN pro Person für 24 Stunden, de facto zwei Tage, und schließt eine Übernachtung auf den einfachen Campingplätzen mit ein. Gleich nach der Rangerstation an der Zufahrt wurden mehrere Areale zum Campen freigegeben, ausgestattet mit Toilettenhäuschen, Bänken und Tischen, sowie Grills oder Feuerkuhlen. Die Stellplätze sind großzügig zwischen den riesigen Bäumen angelegt. Wir sind die einzigen Camper hier.

Heute essen wir Jícama. Das ist eine kohlrabiartige Wurzelknolle. Hat man die braune Schale entfernt, kommt weißes, knackig-zartes und sehr saftiges Fruchtfleisch zutage, das ein ganz leicht süßliches Aroma besitzt. Deshalb essen die Mexikaner Jícama als Obst zum Nachtisch. Mit Chili bestreut, versteht sich. Ich aber finde, dass es ein prima Gemüse abgibt und hervorragend in Salate passt.

La Bufadora, Baja California Norte – Thermalquellen und Meeresgeysir

Sonntag, April 17th, 2011

Die Rancho San Carlos schmiegt sich in ein grünes Tal tief in den Bergen. Der Besitzer legte zwei große und drei kleine Pools mit unterschiedlichen Wassertemperaturen an. Die Betonbecken sind keine ausgesprochenen Schönheiten, aber das ständig zufließende Thermalwasser ist angenehm und riecht gesund leicht Schwefel. Touristen sind momentan keine hier, dafür füllt sich der Platz mehr und mehr mit einheimischen Familien. Fast keine der Frauen badet. Und wenn, dann sind sie, genau wie die Mädchen, mit einem Kleid oder T-Shirts und Shorts bekleidet. Interessant dabei ist, dass sie in der gleichen (manchmal zu) knappen Bekleidung in der Stadt ihre Speckröllchen durchaus nicht ohne Selbstbewusstsein präsentieren, beim Baden aber schamhaft sind. Einen Markt für Bikinis und Badeanzüge scheint es hier nicht zu geben. Die Männer und Jungen tragen weite Badeshorts, enge Badehosen kommen ebenfalls nicht zum Einsatz.

Für viele ist es nur ein Sonntagsausflug, doch etliche Familien richten sich für die Semana Santa, die Heilige Woche, häuslich ein. Ostern ist nicht nur der höchste christliche Feiertag, sonder im katholischen Mexiko mindestens so wichtig wie Weihnachten. Während der gesamten Karwoche wird gefeiert, viele Mexikaner nehmen sich Urlaub und kommen in Scharen vom Festland auf die Baja California herüber, um Strandferien zu verbringen.

Zurück auf der MEX 1 biegen wir nur wenig südlich auf die Halbinsel Punta Banda ein. Im Örtchen La Bufadora am Ende der Stichstraße gibt es das zweitgrößte Blowhole bzw. Blasloch der Welt. Die Brandung drückt die Wellen in eine unterirdische Schlucht und durch ein Loch im Fels nach oben. Wasser und Gischt spritzen explosionsartig bis zu 30 m in die Höhe. Man stellt sein Fahrzeug für 20 MXN Parkgebühr am Ortseingang ab und läuft eine Straße lang, die rechts und links gepflastert ist mit Souvenirshops und Essständen. Die Verkäufer sind freundlich, viele bedanken sich, dass man hergekommen ist.

Seit vor ein paar Jahren die Zunahme der Drogengewalt und die Weltwirtschaftskrise den Touristenstrom aus den USA nur noch spärlich fließen lassen, ist es für viele Mexikaner schwierig geworden, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Verstärkt wird das durch die Medien, die – in den Staaten noch mehr als in Europa – die wenigen Ereignisse tatsächlicher Angriffe aus Ausländer maßlos hoch pushen – von welchen Interessensgruppen auch immer finanziert. Gewalt findet in den meisten Fällen in Kämpfen der Drogengangs untereinander statt. Gerät man als Reisender zwischen die Fronten, war man wohl zur falschen Zeit am falschen Ort. Zum Glück trifft das selten zu. Als am meisten gefährdet gilt das Grenzgebiet zu den USA, die Baja soll sicherer sein als das Festland.

Wir unterstützen derweil die Lokalökonomie und laben uns an den von Spanien bekannten Churros. Diese Sünde besteht aus in Fett ausgebackenem Spritzgebäck, in Zucker und Zimt gewälzt. Zugunsten der interessanteren Streckenführung fahren wir im Zickzack über eine Staubpiste durch das Küstengebirge und schlagen irgendwo zwischen den Büschen unser Nachtlager auf, wo wir uns heute Abend Nopales selbst zubereiten. Die Kaktusblätter wurden an einem Stand im Supermarkt frisch entstachelt und für knapp über einem Euro das Kilo als so ziemlich günstigstes Gemüse verkauft.

Ensenada, Baja California Norte – Internet Hurra!

Samstag, April 16th, 2011

Obwohl nicht allzu viele Autos an der Laguna Hanson campten, zählte die vergangene Nacht nicht zu meinen ruhigsten. Eine zum Glück etwas entfernte Partei ließ die Musik bis morgens um 8 Uhr (!) dröhnen, dazu heulte immer mal eine Frauenstimme mit den Coyoten um die Wette. Mexikaner campen und feiern eben etwas anders. Wir verlassen Parque Nacional Constitución de 1857 nach Süden zur MEX 3, was etwas schneller geht als gestern, und begeben uns in die Touristenhochburg Ensenada. Dabei passieren wir eine weitere Militärkontrolle. Diesmal will ein Soldat kurz in das Fahrzeug hinein und öffnet ein, zwei Schränke. Zwar soll es möglich sein, Soldaten und Polizisten vom Begehen des Campers abhalten zu können, wenn wir darauf hinweisen, dass es sich um unser Haus handelt. Dann bräuchten sie einen Durchsuchungsbefehl. Momentan sehen wir keinen Handlungsbedarf, die Kontrollen sind nur kurz, freundlich und nicht störend.

Wir wollen uns in Ensenada nicht aufhalten, sondern lediglich Vorräte aufstocken. Für die nächsten 600 bis 800 km soll es keine ernstzunehmenden Versorgungsmöglichkeiten geben, kleine Supermärkte aber sehr wohl. In der drittgrößten Stadt Baja Californias gibt es sogar einen Costco, der aber mit seinen amerikanischen Preisen mit dem niedrigeren mexikanischen Niveau nicht mithalten kann. Den Wal-Mart – einen von 600 in Mexiko – lasse ich gleich links liegen und stöbere lieber in den lokalen Großmärkten Soriana Super, Calimax oder Comercial Mexicana.

Eine Internetverbindung zu etablieren ist einfacher und unbürokratischer als in den „zivilisieren“ Ländern Kanada und USA. Der Mann hinter dem Schalter, der zu meiner Erleichterung etwas englisch spricht, nickt eifrig: Ich muss nur einen Internetstick kaufen (leider ist keines unserer bisher erstandenen Modelle kompatibel, trotz Entsperren des SIM-Locks), habe dafür 30 Tage oder 3 GB freien Internetzugang über das Mobilfunknetz des größten mexikanischen Anbieters Telcel und kann dann im Prepaidsystem nachladen. Man braucht weder eine mexikanische Adresse, noch eine lokale Kontoverbindung, eine Ausweiskopie genügt. Die Preise sind sogar günstiger bzw. die Leistungen besser als in den nördlichen Nachbarländern.

Der Abend naht, daher fahren wir südlich am Baja Country Club vorbei auf einer 18 km langen Piste zur Rancho San Carlos. Insgesamt sieben Mal durchqueren wir einen ordentlich tiefen Wasserlauf. Gerade als wir uns selbst auf die Schulter klopfen wollen wie prima, wir das mit unserem Unimog hinbekommen haben, donnern ein schneeweißer VW Golf und ein 60er-Jahre Chevy durch den Fluss, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken – mit Zweiradantrieb und geringer Bodenfreiheit. Viel Mitleid kennen die Muchachos mit ihren Autos nicht.

Unterwegs werben viele Ranchs mit mehr oder weniger vertrauenswürdigen Campingmöglichkeiten, wir aber wollen zu den heißen Quellen, Aguacaliente. Der Tageseintritt beträgt 60 MXN pro Person, für 90 MXN pro Besucher darf man campen und bis zum Abend des nächsten Tages bleiben. Man kampiert etwas unprätentiös am Wegesrand der Ranch, immerhin findet kein Durchgangsverkehr statt, und ein paar Grills, Tische und Bänke wurden ebenfalls aufgestellt.

Parque Nacional Constitución de 1857, Baja California Norte – Campen an der Laguna Hanson

Freitag, April 15th, 2011

Heute fahren wir nach Laguna Hanson – das hatten wir eigentlich schon vor vier Tagen geplant. Der See liegt zusammen mit seinem kleineren Schwestersee Laguna Chica im Naturschutzgebiet Parque Nacional Constitución de 1857 im wenig besiedelten Dreieck zwischen den Städten Tecate, Mexicali und Ensenada. Der Nationalpark befindet sich auf 1600 bis 1800 m Höhe in der Sierra de Juárez, die als Fortsetzung der kalifornischen Sierra Nevada gilt. Die Anfahrt erweist sich als langwieriger als gedacht. Von den 145 km über die Straße MEX 2 ab Tecate sind 120 km Staubpiste in unterschiedlichem Zustand. Manchmal recht gut, doch teilweise verursachten die schweren Regenfälle der letzten Wochen starke Auswaschungen. Dafür blühen die Wildblumenwiesen wunderschön. Etliche Wasserläufe müssen durchquert werden, die Piste ist trotzdem für normale Fahrzeuge mit ausreichender Bodenfreiheit geeignet, es dauert nur etwas: Wir brauchen insgesamt sechs Stunden.

Nach etwa 20 km stoßen wir auf eine Militärkontrolle. Der junge Soldat in Tarnuniform mit Maschinengewehr ist freundlich und möchte in die Kabine sehen. Wir öffnen kurz die Tür, das war’s auch schon. Der Weg zum Park ist nicht ganz einfach zu finden – trotz guten Kartenmaterials von National Geographic und anderen. Fragt man vorbeikommende Autofahrer nach dem Weg zur Laguna Hanson, bekommt man stets eine Antwort, die meist sogar stimmt. Wichtige Orientierungspunkte sind die alteingesessenen Ranchs, deren Namen sogar in den Landkarten verzeichnet sind. Die letzten Kilometer in den und im Park sind doch eine kleine Herausforderung. Wasserlöcher bis zu einem halben Meter Tiefe dürften Fahrern kleinerer Fahrzeug ein wenig Kopfzerbrechen bereiten. Die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 40 km/h besitzen angesichts dessen hohen Unterhaltungswert.

Die Laguna Juarez, wie der See auf Spanisch heißt, befindet sich auf einem subalpinen Hochplateau umgeben von Gelkiefern und runden Granitfelsen, die auch als Inseln im See stehen. Insgesamt zehn Campingareale wurden rund um das Gewässer ausgewiesen, ausgestattet mit Plumpsklos, Müllbehältern und hin und wieder gemauerten Grillöfen. Feste Stellplätze gibt es nicht, man bleibt einfach, wo es einem gefällt. Das Schalterhäuschen am Eingang war nicht besetzt. Nach wenigen Minuten schon düst ein Ranger mit seinem Quad heran, um die Gebühren zu kassieren. Tageseintritt kostet 50 Peso (MXN) pro Person bzw. 65 MXN für eine Übernachtung. Gekennzeichnete Wanderwege gibt es im Park keine, stattdessen kann man am See entlang oder einfach durch den Wald laufen.

Der einzige Radiosender, den wir hier empfangen, spielt mexikanische Humtata-Musik. Melodie und Instrumentierung mit Blasinstrumenten und Akkordeon haben viel mit bayerischer Bierzeltunterhaltung gemein. Nur der Gesang will nicht recht dazu passen. Der meist männliche Sänger jammert wie Karel Gott völlig atonal ins Mikrofon, sodass man den Eindruck bekommt, dass der Künstler a.) sowieso nicht singen kann und b.) zur Melodie eines gänzlich anderen Liedes jault. Um das schön zu finden, brauche ich wohl noch ein paar Tequilas.

Tecate, Baja California Norte – Ein Kaktus zum Essen

Donnerstag, April 14th, 2011

Fritz besitzt ein nahezu unerschöpfliches Wissen über die Baja California und Routen, die wir fahren könnten. Während wir uns eifrig Notizen machen, kocht uns Fressia ein typisch mexikanisches Essen: Fleischbällchen in Chipotle-Soße mit Reis. Chipotle ist nur eine von zahlreichen Chilisorten, die es in diesem Land gibt. Sie zählt zu den schärferen Sorten, wird getrocknet oder in Dosen verkauft und erhält durch Rösten ein intensives Raucharoma. Als Beilage gibt es Nopales, das sind Kakteen. Die kann man tatsächlich essen und sind auch noch lecker. Es handelt sich um die scheibenförmigen jungen Triebe, die „Blätter“ des Feigenkaktusses, die – entstachelt natürlich – in Streifen geschnitten und gedünstet werden. Hat so was von grünen Bohnen.

Tecate, Baja California Norte – Duschen und Waschen

Mittwoch, April 13th, 2011

Jörg installiert uns eine Außendusche, da wir die Hoffnung besitzen, dass wir bald in wärmerem Klima reisen. Auch wenn es heute nicht danach aussieht. In den Bergen in Bajas Norden ist der Winter kühl, der Sommer mild. Heute Nacht gab es sogar Frost. Meine Wäsche trocknet trotzdem prima im Wind, anstatt statisch aufgeladen und muffig riechend aus dem Trockner zu kommen. Natürlich erst, nachdem sie in Fresias deutscher Waschmaschine endlich einmal richtig sauber wurde.

Tecate, Baja California Norte – Grenzstadtgefahren

Dienstag, April 12th, 2011

Fritz fährt uns mit seinem alten Mercedes in die Stadt, um uns den Bierhandel, den Gemüseladen und den modernen großen Supermarkt zu zeigen. Hier sieht Käse wie Käse aus und nicht wie Plastik, Obst darf auch mal Flecken haben und die Backwaren wirken, als ob sie durchaus in der Lage wären, innerhalb angemessener Zeit zu verschimmeln. Da man sich nach US-amerikanischen Aussagen aus Sicherheitsgründen nicht in den Grenzstädten aufhalten sollte, machen wir uns gemeinschaftlich auf die Suche nach den gefährlichen Mexikanern. Das gefährlichste, das wir finden können, sind die uniformierten Schulmädchen mit weißen oder schwarzen Kniestümpfen und verboten kurzen Karoröckchen, die den Schulkameraden den Kopf verdrehen müssen.

Wir gehen zusammen ein Eis essen, das gefährliches Suchtpotential birgt: Mango mit Chili, cremig-fruchtig statt fettig-süß. Später kocht Fresia uns ein leckeres Abendessen. Zum Nachtisch gibt es Ananas – mit Chili selbstverständlich. Hier wird einfach alles mit Chili serviert: Wassermelonen, Erdbeeren, Mango. Aus dem selbstgezüchteten Obst kocht Fresia Marmeladen und verkauft sie. Wundert es jemanden, dass sie auch Chilimarmelade herstellt? (Köstlich auf Käse!) Die deutsche Staatsbürgerschaft hat sie von ihrem Vater, die mexikanische von ihrer Mutter, und die amerikanische per Geburt. Sie spricht alle drei Sprachen fließend.

Tecate, Baja California Norte – Illegal in Mexiko?

Montag, April 11th, 2011

Wir dachten, sich den ruhigsten Grenzübergang zur Baja California auszuwählen, wäre eine clevere Idee. Aber es geht schon mal damit los, dass es kein US-Grenzgebäude bei der Ausreise gibt. Ich muss aber die Visumskärtchen aus dem Pass an einen amerikanischen Grenzbeamten abgeben. Der nette Border Patrol Officer, den ich nach dem Weg zum Einreisegebäude frage, nimmt mir die Karten freundlicherweise ab. Dann fahren wir einfach durch die sich öffnende Schranke und sind in Mexiko. Wir stehen sofort mitten in der Stadt. Keine Kontrolle, keine Grenzbeamten, aber auch kein Stempel im Pass, kein Importaufkleber fürs Auto. Hilfe, wir sind Illegale! Die Baja California bietet bei der Einreise ein paar vereinfachende Besonderheiten – momentan zu einfach für uns. Man darf sich hier sieben Tage ohne Touristenkarte aufhalten und die Genehmigung für den vorübergehenden Import eines Fahrzeugs benötigt man gar nicht, wenn man die Baja nicht verlässt.

Ich sehe Handlungsbedarf für uns und bewege Jörg zum Anhalten. Es gibt etwas Chaos, bis der Sicherheitsdienst des Grenzgebäudes ein paar Pylone zur Seite räumt, um einen Platz für Arminius frei zu machen. Aber wo ist das Büro? Ein paar tarn-uniformierte Soldaten sprechen nur spanisch und fuchteln herum, doch schließlich finde ich den Eingang. Der diensthabende Beamte muss erst mal den Fernseher leiser drehen, damit er mich versteht. Immerhin spricht er englisch. Meinem Ansinnen, eine Touristenkarte zu bekommen, begegnet er mit Unverständnis: „Aber die kostet 23 $!“ Schließlich stellt er mir doch zwei Zettel aus und schickt mich zur Bank zum Bezahlen „die Straße runter“. Von einer Genehmigung fürs Auto weiß er nichts, will aber seinen Vorgesetzten fragen, wenn ich wiederkomme. Diese Ausrede kenne ich, also hake ich das Auto ab. Das können wir auch noch in La Paz erledigen, bevor wir aufs Festland verschiffen.

Kaum bin ich einen Kilometer gelaufen, finde ich auch schon die Bank, die rappelvoll ist an einem Montagmorgen. Ich stehe eine geschlagene Stunde an, bis ich meine Gebühren bezahlen kann. Kein Mensch spricht englisch. Zur allgemeinen Unterhaltung läuft auch hier der unverzichtbare Fernseher. Ich fühle mich zurückversetzt nach Ägypten. Eigentlich fühle ich mich hier wie zu Hause. Ein Kind beginnt zu schreien und alle anwesenden Babys brüllen aus Solidarität mit. Die Erwachsenen bleiben entspannt, und nach einer Minute hat sich alles wieder beruhigt. Ob sich Jörg, der beim Auto geblieben ist, Sorgen macht, wo ich bleibe? Der nette Wachmann hat ihn zwischenzeitlich beruhigt und ihm zu verstehen gegeben, dass das montags einfach dauern kann. Bereits zweieinhalb Stunden später haben wir unsere Touristenkarten. Ob das an einem reger frequentierten Grenzübergang vielleicht doch schneller gegangen wäre?

Und noch etwas muss man wissen: Überquert man die Grenze nach Mexiko und zeigt die Ampel grünes Licht, darf man weiterfahren. Zeigt sie rot, was bei jedem zehnten der Fall ist, muss man rechts heranfahren und wird kontrolliert. Nur steht das in Tecate nirgends dran und Beamte sind auch keine zu sehen. Was dazu führt, dass Unwissende ungeachtet der Ampelfarbe einfach weiterfahren, sobald die Schranke sich hebt, nur um sofort von einem Grenzfahrzeug mit Sirenengeheul verfolgt zu werden. Ein lustiges Land. Das ist das organisierte Chaos.

Dann tanken wir noch Diesel auf für 57 Eurocent pro Liter und machen von jetzt an alles falsch, was man im tödlich gefährlichen Mexiko falsch machen kann. Der paranoide Amerikaner, der noch den Mut besitzt, in sein südliches Nachbarland zu reisen, kennt zwei Regeln. Erstens: Lasse keinen Mexikaner wissen, wo du bist und wo genau du hinfährst. Zweitens: Fahre am frühen Morgen über die Grenze und lege mehrere hundert Meilen zurück, um möglichst weit aus dem Grenzgebiet herauszukommen. Wir schaffen gerade mal zehn Kilometer und haben uns den Weg zu Fritz Senior von Fritz Junior ganz genau beschreiben lassen. Jetzt fahren wir auf einer Staubstraße hinter Tecate in einsame Berge. Was, wenn das eine Falle ist? Lächerlich!

Fritz Junior mit dem deutschen Namen und dem südländischen Aussehen sprach uns heute Morgen vor der Bücherei an. Anschließend verabredeten wir uns an der Bank direkt vor dem Grenzübertritt, wo seine Schwester Fresia arbeitet, die uns eine Skizze anfertigt, damit wir das Grundstück, wo sie und ihr Vater wohnen, finden. Da winkt schon Fritz der Ältere und hier steht auch sein Unimog 406. Das Schwäbische kommt dem Heidelberger auch nach Jahrzehnten in den USA und in Mexiko noch fließend über die Lippen. Und so endet unser erster Tag in Mexiko mit einem Rundgang über die 10 ha große Farm, wo es ein paar Kartoffeln und Obstbäume, viele Hunde und noch mehr Wildnis gibt.