Archive for the ‘Mittelamerika’ Category

Panajachel, Guatemala – Straßenblockade

Donnerstag, Juli 28th, 2011

Unbeschadet fahren wir den steilen Vulkanberg hinunter durchs Dorf. Die Großstadt Quetzaltenango können wir zum Glück auf einer Periférico umgehen und schaffen es bis Salcajá an den großen Kreisverkehr am Ortsausgang, wo man über die wichtige Kreuzung Cuatros Caminos wieder zur Panamericana gelangt. Doch Pustekuchen: hier herrscht Verkehrschaos. Die Straße ist mit parkenden Fahrzeugen verstopft, dazwischen versuchen Autofahrer zu wenden. Imbissbuden haben sich bereits angesiedelt, um Snacks und Getränke feilzubieten. Um den Kreisverkehr wurden Straßensperren errichtet und Menschen versammeln sich. Was geht hier vor?

Wir fahren auf ein Stück Brachland an der Seite und lassen uns aufklären. Hier wird für höhere Gehälter demonstriert und die Straßenblockade soll noch rund sieben Stunden dauern. Das entspricht nicht exakt unserer Tagesplanung. Frustriert müssen wir einsehen, dass der gesamte Kreuzungsbereich komplett abgeriegelt wurde und es auch kein Schlupfloch zur Seite gibt. Ganze 40 Minuten vergehen, bis Autofahrer von der anderen Seite anscheinend einen Nebenweg entdecken und sich unserem Standort nähern. Wir machen uns sofort auf, ihnen entgegen. Nach wenigen Minuten treffen wir uns auf halbem Wege und fahren kurz darauf über einen holprigen Feldweg auf die Hauptstraße.

Endlich können wir unsere Fahrt fortsetzen auf der CA1 nach Alaska. So nennt sich die kalte zugige Hochebene, die mit 3060 m die höchste Stelle der Panamericana in Guatemala bildet. Schließlich biegen wir ab nach Sololá, einem Bergdorf auf 2100 m, das dennoch einen wichtigen Handelsknotenpunkt zwischen dem Hochland und der pazifischen Tiefebene darstellt. Die Durchfahrt ist für große Fahrzeuge schwierig, selbst wenn man der spärlichen Schwerverkehrsbeschilderung folgt. Kein Problem für unsere beiden Kompaktcamper. Markttage sind Dienstag und Freitag, dann soll ein Durchkommen unmöglich sein, doch man kann den Ort auch weiträumig umfahren. Schon geht es weiter steil bergab mit schönen Aussichtspunkten auf den Lago Atitlán. Der See auf gut 1500 m ist umgeben von Vulkanen und gilt als der schönste Bergsee des Landes. Er bildet das touristische Zentrum Guatemalas mit dem Hauptort Panajachel.

Aus drei Campingoptionen wählen wir die sympathischste am Ende des Ortes, aber nur eineinhalb Kilometer von der Stadtmitte entfernt. Die Zufahrt, eine Schlammpiste, ist völlig zugewachsen und das Tor vergammelt. Mike, der alte amerikanische Besitzer, muss seit langer Zeit keine Campinggäste mehr gehabt haben. Er ist alt und verarmt und würde das Grundstück gerne verkaufen. Er räumt ein, dass wir auf den anderen Campingplätzen besser aufgehoben wären, freut sich aber sehr, dass wir bleiben wollen. Die Campinggebühr beträgt hier seit Jahren 35 GTQ pro Person. Da es auf dem ganzen Gelände keinen Strom und kein fließend Wasser, damit keine Duschen gibt, lässt uns Mike für den halben Preis hier parken. Das ist mehr als fair, der Platz ist abgeschlossen, sicher und ruhig, und von Mike und seinen Hunden ständig bewacht.

Campana Camping, Panajachel, N 14°44’16,6’’ W 91°08’56,9’’

Volcán Chicabal, Guatemala – Der heilige Kratersee

Mittwoch, Juli 27th, 2011

Die Erde bebte schon wieder heute Nacht. Unabhängig voneinander waren wir alle vier aufgewacht, der Parkplatzbesitzer war aus seinem Haus gerannt. Es war nicht so stark wie das letzte in Mexiko, doch deutlich in der Kabine spürbar.

Der sonst völlig harmlose Volcán Chicabal besitzt einen besonders schönen Kratersee, umgeben von dichter Vegetation und mystischer Stimmung dank des immer wieder aufziehenden Nebels. Der Aufstieg auf den 2900 m hohen Gipfel ist einfach, aber wegen der steilen Wege anstrengend. Von unserem Parkplatz aus laufen wir über den immer noch schmierigen Feldweg über einen Bergrücken hinauf und wieder hinunter zum Kassenhäuschen der Parkverwaltung, wo wir als Ausländer 15 Quetzal bezahlen. Dann geht es hoch zum Gipfel, der in dichtem Wald liegt. Ein Hinweisschild bringt uns zu einem Aussichtspunkt, von wo aus Stufen zum 200 m tiefer liegenden Kratersee führen, den wir umrunden. Er misst einen halben Kilometer im Durchmesser und ist ganze 300 m tief.

Zum Baden wäre er etwas kühl, schließlich hatte es heute hier Nachtfrost gegeben, wie uns der Raureif verrät. Doch das ist sowieso verboten, denn der See ist den Maya heilig. Überall gibt es Kultstätten: einfache Kreuze, ein wichtiges Mayasymbol, ein Baumstumpf oder einfach ein besonderer Platz. Zeremonien werden gerade nicht ausgeführt. Vom See aus gibt es einen zweiten Weg ohne Stufen, den man hinauflaufen kann. Auf dem Rückweg rutschen wir immer wieder auf dem steilen Lehmpfad aus und sind froh, die letzten Kilometer bis zur Zahlstation nicht mit den Autos gefahren zu sein, obwohl man hier prima hätte campen können.

Viel war auf dem Vulkan nicht los, aber der eine oder andere Tourist verirrt sich schon hierher. Ein Paar entschied sich für einen Pferderitt, ein anderes nahm sich einen Guide und macht uns schmunzeln. Die beiden Europäer schnaufen in perfekter Funktionskleidung und teuren Wanderschuhen mit hochroten Köpfen, während die Indígenaführerin in traditioneller Tracht mit schickem Rock in ihren billigen Schlappen ganz entspannt dahin gleitet. Für den Vulkan Chicabal benötigt man keinen Führer, um den Weg zu finden. Ein Sicherheitsproblem ist uns auch nicht bekannt, während es auf anderen Vulkanen Guatemalas immer wieder zu Über fällen auf Touristen kommen soll, weswegen oft angeraten wird, in einer organisierten Gruppe mit Guide und Geleitschutz zu gehen. Wir sind vier große Deutsche, denen die Guatemalteken gerade bis zur Schulter reichen. Außerdem stoßen wir auch hier stets auf freundliche Menschen.

Wir hoffen, die positiven Eindrücke dieses Landes bleiben uns bis zum Schluss erhalten. Lediglich eine Fußmatte, die Petra auf die Motorhaube gelegt hat, ist verschwunden. Die hatte sicher jemand brauchen können. Gelegenheitsdiebstahl ist in Mittelamerika normal. Ein paar kleine Jungs müssen ihre Schafe genau neben unseren Campern grasen lassen und werden belohnt. Der Müll, den wir gerade entsorgen, enthält praktische Plastikflaschen und Aludosen, die sich in Bares umsetzen lassen. Des einen Abfall ist des anderen Gold, lautet ein englisches Sprichwort.

San Martín Sacatepéquez, Guatemala – Straßenproblematik

Dienstag, Juli 26th, 2011

Noch einmal stürzen wir uns in die heißen Fluten und unter die eisige Dusche. Eine Viertelstunde Fußweg entfernt gibt es zwei weitere völlig einsame Pools, man muss nur dem Ecotrail folgen. Ökologisch daran ist wohl mehr der rustikale glitschige Weg über viele Stufen denn die Müllhalde für Holz, Wellblech und andere Baumaterialien. Doch die gesamte Anlage mit wuchernden Riesenfarnen, Callas und großblättrigen Pflanzen an den Felshängen in eigentlich kühlem, regnerischem Nebelwaldklima ist schon sehr einnehmend.

Um zum Vulkan Chicabal zu gelangen wollen wir nicht zurückfahren, sondern nehmen den Weg über San Sebastián und die CA2 nach San Martín Sacatepéquez. Von 2400 m fahren wir bis auf unter 300 m ins feuchtheiße pazifische Tiefland und auf 2560 m wieder hinauf. Leider existieren nicht alle in unserer Karte eingezeichneten Straßen und so müssen wir in einer Sackgasse mitten in den Bergen umkehren, um eine andere Route zu nehmen. Doch immer sind die Guatemalteken hilfreich und auskunftsfreudig, selbst wenn der Dorfverkehr vorübergehend zum Erliegen kommt. In San Martín fallen wir von der „falschen“ Seite von Süden ein, wo Hinweisschilder fehlen, aber auch hier hilft es zu fragen. Mehrfach versichern wir uns, auf dem richtigen Weg zum Volcán Chicabal zu sein und mit unseren Fahrzeugen durchzukommen, denn die einspurige Straße mit teils über 20 % Steigung ist respekteinflößend, vor allem, wenn doch einer entgegenkommt. Der Vorteil ist: Wir sind dicker! Mit Vierradantrieb wäre das in Ordnung, versichert man uns, dich unerwartet hört nach wenigen Kilometern die Asphaltstraße auf und ein übler, noch viel steilerer Feldweg beginnt.

Der Himmel schickt einen nicht ganz ebenen Parkplatz am Wegesrand, wo der Besitzer mit seiner Familie manchmal in einem amerikanischen Alutrailer wohnt. Für 10 Quetzal können wir hier über Nacht bleiben, aber auch weiter oben könne man noch parken. Der dicht bewölkte Himmel kündigt Regen an und wir befürchten, mit unserem 7,5-Tonner die Sprungsschanze aus Lehm bei Nässe schneller herunterzurutschen als uns lieb wäre. Wir bleiben lieber und fragen den Besitzer, ob wir ein paar Löcher graben dürfen, da wir mit Keilen alleine den Camper nicht nivellieren können. Ihm ist alles recht, aber über das große Bier als Entschädigung für die Löcher in seinem Platz freut er sich trotzdem. Während Jörg eifrig die Schaufel schwingt, dokumentiert ein junger Mann der Familie mit seinem Fotoapparat, wie die blonde Frau den Lkw hin und herrangiert. Sein Weltbild scheint dabei nicht außerordentlich gestört worden zu sein. Natürlich bekommen auch wir im Gegenzug uns Foto und als es kurz darauf tatsächlich zu regnen beginnt, sind wir froh um unsere Entscheidung.

Parkplatz an Zufahrt zu Volcán Chicabal, N 14°48’29,2’’ W 91°38’53,0’’

Zunil, Guatemala – Gargekocht

Montag, Juli 25th, 2011

Zum Abschied gibt es einen Dankesbrief an die Kirchentür, dann fahren wir durch Chiantla und Huehuetenango, als wären wir hier zu Hause. Wenn man in eine Hauptrichtung unterwegs ist, folgt man am besten der Hauptverkehrsrichtung – egal was das Navi erzählt. Auf einem Zwischenstopp in der modernen Mall stellen wir im Supermarkt fest, dass es auch hier fast alles gibt, aber etwas teurer ist als in Mexiko, obwohl Guatemala zu den günstigsten Reiseländern Mittelamerikas zählen soll. Nach weiteren knapp 80 km verlassen wir die Panamericana schon wieder bei San Cristóbal Totonicapán, um nach San Andres Xequl zu gelangen.

Das unscheinbare Dorf besitzt die bunteste Kirchenfassade Guatemalas, was man allerdings erst sieht, wenn man auf der Plaza steht. Hinweisschilder oder ähnliches fehlen völlig. Am Ortseingang treffen wir aus Kim aus den USA, die hier für zwei Jahre unentgeltlich bemüht ist, Ökotourismus zu entwickeln. Sie führt uns gerne im Ort herum. Die Kirche aus dem 16. Jahrhundert mit dem knallgelben Hintergrund ist mit plastischen Engelsfiguren, Weinranken und anderen bunten Verzierungen versehen, die der Mayakultur entspringen. Auch die Kalvarienkapelle oberhalb ist bunt bemalt. Daneben befinden sich Mayakultstätten, wo zu Zeremoniezwecken Feuerwerkskörper gezündet und Brandopfer dargebracht werden. Der Blick von hier oben ist toll.

Kim bringt uns auch zu Maximón, den wir alleine vielleicht nicht gefunden hätten. Das ist eine Art Heiliger, der aber eher einen bösen Charakter besitzt und mit Gaben besänftigt werden muss. Maximón ist eine lebensgroße Puppe, die jedes Jahr ihren Gastgeber wechselt und in seiner Gastfamilie für ein Jahr einen eigenen Raum zur Verfügung gestellt bekommt. Bevorzugt spendet man ihm Zigarren oder Schnaps. Erhört er die Gebete der Bittsteller und die sehnlichst erhoffte Reise in die USA, um dort für ein paar Jahre Geld zu verdienen, klappt, bringt man dem Heiligen ein Geschenk mit: einen Hut, eine Sonnebrille, eine Jeans oder Cowboystiefel. So sieht Maximón ein wenig aus wie ein amerikanischer Gangster aus den 60ern. In San Andres Xequl gibt es ihn gleich zweifach. Nachts werden die beiden Puppen sogar ins Bett gelegt, tagsüber sitzen sie in Sesseln. Für 5 Quetzal pro Person darf man auf als Tourist den bösen Buben besuchen und fotografieren. Maximón gibt es noch ein paar Mal in anderen Orten der Umgebung, doch dort wird er weit mehr kommerzialisiert und für jedes einzelne Foto Geld verlangt. Hier dürfen wir sogar einer Zeremonie in einem Nebenraum beiwohnen, wo Zigarren, Limonen, duftende Baumrinde und Kerzen verbrannt werden. Wo ist hier die Grenze zwischen Katholizismus und ursprünglicher Mayareligion, fragt man sich? Gar nicht, Hier sind zwei Religionen zu perfekten Synkretismus verschmolzen.

Wir umgehen die Stadt Quetzaltenango, weitgrößte des Landes, und gelangen über eine Nebenstraße nach Cantel, wo 17 Glasbläser die Kooperative COPAVIC gegründet haben. Ohne betriebswirtschaftliche Kenntnisse gelang es den Gründern erst nach Jahrzehnten, Gewinne zu erwirtschaften, doch heute exportiert man fleißig nach Europa. Besonderheit ist, dass als Rohmaterial ausschließlich Altglas verwendet wird. Leider arbeiten die Handwerker nur von 5 bis 13 Uhr, sodass wir die Produktion nicht sehen können, aber ein Souvenir nehmen wir uns trotzdem mit.

Es sind nur ein paar Kilometer nach Zunil, wo eine winzige Straße zu den Fuentes Georginas abzweigt. Die Hänge sind übersät mit dampfenden Gemüsefeldern, deren Früchte mit warmem Wasser bewässert werden. Zwiebeln, Möhren, Radieschen und rote Beete wachsen auf dieser Höhe zu unglaublicher Perfektion. Hoch in den Bergen auf 2400 m liegen an der Flanke des Vulkans Zunil recht bekannte Thermalquellen. Der Eintritt beträgt stattliche 50 GTQ pP und 10 pro Fahrzeug, und wenn wir für zwei Tage bezahlen, können wir über Nacht bleiben. Das heiße Wasser entspringt direkt dem „inaktiven“ Vulkan und fließt in zwei mit Natursteinen gemauerte Becken mit etwas über Körpertemperatur. Ein drittes Becken ist so heiß, dass man den Einstieg nur mit mutiger Geschwindigkeit schafft. Auch dann kann man nur wenige Minuten bleiben, sonst kollabiert der Kreislauf. Schon bald sind wir krebsrot und gargekocht. Anschließend findet man es nicht mehr ganz so schlimm, dass das Wasser nur kalt aus der Dusche rinnt. Mit kalt meine ich eiskalt, sodass der Kopf unter dem Strahl zu schmerzen beginnt, aber wer möchte schon nach Schwefel duftend im Bett liegen.

Fuentes Georginas, N 14°45’01,3’’ W 91°28’48,5’’

Huehuetenango, Guatemala – Zuflucht in der Dorfkirche

Sonntag, Juli 24th, 2011

Die beiden letzten PEMEX-Tankstellen vor dem Grenzübergang Ciudad Cuauhtémoc – La Mesilla sind steuerbefreit in einer Freuhandelszone und bieten den Diesel für 9,41 Peso statt mittlerweile 9,68 den Liter an. Volltanken ist angesagt, in Guatemala ist es teurer. An der mexikanischen Grenzstation lassen wir uns einen Ausreisestempel in den Pass geben und die temporäre Einfuhrerlaubnis fürs Fahrzeug entwerten. Dann fährt man erst durch den Grenzort, der an den beiden Markttagen Donnerstag (neu) und Freitag unpassierbar sein soll.

Auch die guatemaltekischen Formalitäten gestalten sich einfach und freundlich. Die recht oberflächliche Fahrzeugdesinfektion wird nach Größe berechnet. Für den Unimog berechnet man uns 47 guatemaltekische Quetzal (GTQ), für den Toyota Pick-up mit Kabine nur 39 GTQ. Der Einreisestempel für drei Monate kostet je 20 MXN, der temporäre Fahrzeugimport für denselben Zeitraum160 GTQ. Derzeit entsprechen 10 Quetzal etwa 0,90 €. Auf der Straße lungern Devisentauscher herum, die die übriggebliebenen mexikanischen Peso zu einem schlechten Kurs in Quetzal wechseln. Allerdings ist es im Land schwierig zu tauschen, da die meisten Banken keine Pesos akzeptieren. Für unseren Unimog oder dessen Inhalt interessiert sich niemand, eine Kontrolle findet nicht statt.

Auf der Panamericana, die hier CA1 heißt, fahren wir ins dicht besiedelte Land hinein. Fröhlich winkende Menschen in fröhlich bunten Trachten erwarten uns. In der Stadt Huehuetenango verlassen wir die Straße und begeben uns nach Chiantla. Bekommen wir das Durchfahren der ersteren noch ganz gut hin, sind wir in der letzteren ziemlich verloren. Schilder fehlen fast völlig und das Navigationssystem erweist sich als nutzlos. Fragen ist nur von begrenztem Erfolg gekrönt, da klare Angaben wie „rechts“ und „links“ eine Rarität darstellen. Häufig hört man die Anweisung: „Es ist ganz einfach. Immer der Straße nach.“ Was nicht zwangsläufig geradeaus meint oder dem Straßenverlauf zu folgen, sondern mehrfaches unbeschildertes Abbiegen erfordern kann und bestimmt ganz einfach ist, wenn man die Strecke kennt. Ansonsten muss man sich mit Hinweisen wie „bergauf“ oder „hinunter“ begnügen. Nach diversen Fehlversuchen in dem unglaublich engen Dorf mit dem entnervten Fahrer eines 7,5-Tonners versuchen uns schlussendlich mehrere Menschen unabhängig voneinander zu überzeugen, entgegengesetzt der Fahrtrichtung in eine Einbahnstraße zufahren, die nicht mehr Platz als für ein Fahrzeug bietet. Das gestaltet sich als schwierig, doch schließlich finden sich einige Chiantler, die die Straße für uns sperren, was völlig normal scheint, und wir finden den Ausweg aus dem Labyrinth.

Nach einigen Kilometern und vielen sehr steilen Serpentinen gelangen wir an den Mirador Cuchumatanes, der auch Mirador Juan Diéguez Olaverri heißt. Dieser Aussichtspunkt auf 3100 m Höhe bietet spektakuläre Blicke ins Tal, auf Huehuetenango, Chiantla und die umliegenden Vulkane. Der Ausblick ist dem guatemaltekischen Dichter J.D. Olaverri gewidmet, der 1864 nach einer gescheiterten Verschwörung gegen den damaligen Präsidenten nach Mexiko verbannt wurde. Im Exil schrieb er die Ode an seine geliebten Berge, die Cuchumatanes. Die neun Strophen des Gedichts sind auf kleinen Steinpyramiden verewigt.

Auf dem Weg nach unten fragen wir uns, wo wir unsere erste Nacht in Guatemala verbringen wollen. Offizielle Campingplätze gibt es so gut wie keine, und vor freiem Stehen wird in Mittelamerika abgeraten, da Armut Gewalt und Kriminalität fördert. In einem winzigen, an einen Hang gedrängten Bergdorf fragen wir nach Erlaubnis zum Campen. Ein Privatmann bietet sich an, doch sein Grundstück ist so schief, dass wir es nicht nutzen können. Der Platz um die Kirche scheint die einzige ebene Fläche im ganzen Ort zu sein. Wir warten, bis die Messe zu Ende ist, die anscheinend von einem Laienprediger gelesen wird. Ich frage ihn nach einem sicheren Platz zum Übernachten und ob wir nicht das Kirchengelände nutzen könnten. Er wägt ab, überlegt hin und her.

Man stelle sich die Situation vor: Vier Deutsche, erfüllt von Gerüchten über Raub und Überfälle in Guatemala und entsprechend verunsichert stehen vor einer Gemeinde, die noch weit mehr Angst hat vor den unbekannten Eindringlingen, den Fremden, die auch noch ein seltsam anmutendes Fahrzeug mitgebracht haben. Der Mann muss sich beraten und bittet um etwas Zeit. Er läuft zur einen Seite der Kirche und diskutiert, dann zu anderen. Nach Minuten kehrt er zurück und teilt mir würdevoll mit, dass wir die Erlaubnis zum Bleiben hätten. Ich bedanke mich überschwänglich, ein paar Leute beginnen zu klatschen, und plötzlich applaudiert die ganze Gemeinde.

Wir rangieren unsere Camper in einen schmalen Weg zwischen Kirche und Nebengebäude und sind kurz darauf umringt von Neugierigen. Gleich bündelweise hüpfen sie unsere steile Leiter empor und wieder hinunter, um unsere Kabine zu besichtigen; die 80jähige Oma genauso anmutig wie die Mutter, die mal eben noch ihr Baby auf dem Arm trägt. Wichtigstes Diskussionsthema ist der Gasherd, denn darauf könne man prima Tortillas backen – was sonst. Vor allem die älteren Frauen herzen und küssen mich und jeder benötigt ein Foto zusammen mit mir in der Kabine. Eine junge Dame mit einem modernen Handy betätigt sich als Fotografin. Gelegentlich liest man von Problemen, die Touristen beim ungefragten Fotografieren von Indígenas bekommen. Gebt ihnen einen Fotoapparat und schon knipsen sie uns! Dafür dürfen auch wir Bilder von ihnen machen. Der Laienprediger bekommt noch einen Stapel unserer Kugelschreiber für die Kinder, dann gehen alle nach Hause. Nur Minuten vergehen, bis einer der Männer mit einem handgeschriebenen Zettel zurückkommt: die „offizielle“ Genehmigung zum campen, ausgestellt von den drei Ratsmitgliedern und der Gemeinde. Da kann nichts mehr schiefgehen!