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Carson City, Nevada – Ein Tag mit Arches, Kuchen und Tuffsteinen

Mittwoch, Februar 9th, 2011

Der Weg nach Westen aus Death Valley heraus besteht aus endlosen Steigungen und Gefällen und ist ein schöner Abschluss (oder auch Beginn) des Parkbesuchs. Allerdings verbieten die meisten Wohnmobilvermieter ihren Kunden während der Sommermonate diese Strecke, da die oft untermotorisierten und überladenen Fahrzeuge zum Überhitzen neigen. Im nächsten Ort Lone Pine steht ein gutes Besucherzentrum, wo man sich mit Informationen zum östlichen Kalifornien oder auch zu Death Valley eindecken kann. Wichtig ist es z.B. zu wissen, wo es die günstigsten Tankstellen gibt – Kalifornien ist teuer. Mit einer Anfahrtsbeschreibung ausgestattet begeben wir uns in die Alabama Hills gleich hinter der Stadt. Die weich gezeichneten runden Hügel aus graubeigem Granit liegen am Fuße der eiskalten massiven schneebedeckten Sierra Nevada. Wasser, Eis und Wind haben in vielen Steinen Höhlen oder Felsbögen entstehen lassen. Der bekannteste heißt Whitney Portal Arch, weil man durch seine Öffnung Mt. Whitney, den höchsten Berg der zusammenhängenden Vereinigten Staaten, sehen und fotografieren kann. Die meisten Arches sind in relativ kurzen Wanderungen von der Movie Road aus zu erreichen, die so heißt, weil zahlreiche Westernfilme dort gedreht wurden. Für Interessierte gibt es im Ort ein Filmmuseum dazu.

In Bishop kehren wir bei einer bekannten holländischen Bäckerei ein, Erik Schat’s Bakkery, die im Stile der 30er Jahre eingerichtet ist. Dort gibt es Kuchen und naturbelassenes Brot, und das zu günstigeren Preisen als im Supermarkt. Am Mono Lake östlich des Yosemite National Parks halten wir zum Sonnenuntergang, wenn sich die schneebedeckte Sierra, die eigentümlichen Tuffsteingebilde und der roséfarbene Sonnenuntergangshimmel im ruhigen Seewasser spiegeln. Der Mono Lake ist eines der wenigen Überbleibsel des riesigen Sees, der Ostkalifornien einst bedeckt hat. Sein Wasser ist zweieinhalb Mal so salzig wie Meerwasser. Fische gibt es keine, nur andere seltsame Kreaturen wie Salzfliegen und eine hier endemische winzige Salzkrebschenart. Wasservögel scheinen Schwierigkeiten zu haben, ihre Schwimmfüße beim Paddeln unten zu halten, soviel Auftrieb haben sie. Die Kalktufftürmchen sind frühere unterseeische Quellen, deren stark mineralienhaltiges Wasser auskristallisiert ist und sich abgelagert hat. Erst nach dem Absinken des Wasserstands sind sie zutage getreten.

Eigentlich hatten wir für die Strecke von Death Valley nach Reno drei bis vier Tage eingeplant, denn auf diesem Teilabschnitt gibt es viel zu sehen. Leider sind fast alle Ausflugsziele unzugänglich, die Nebenstraßen des Hwy # 395 sind während des Winter gesperrt. Einmal verzichten wir sogar freiwillig. Die Hot Creeks befinden sich in der Nähe der Mammoth Lakes, nur östlich des Highways. Nicht immer sind alle der zahlreichen heißen Quellen dieses Gebiets geöffnet. In den letzten Jahren mussten immer wieder einige der naturbelassenen Pools gesperrt werden. Grund war angestiegene vulkanische Aktivität, die die Quellen zu heiß werden und giftige Gase ausströmen ließ. Man sollte sich unbedingt in einem Visitor Center befragen, welche Hot Springs wie zugänglich sind. Es war nachmittags um drei und es hatte bereits -4° C. Vielleicht wäre es ganz lustig gewesen, aber uns war nicht nach Baden im Freien und anschließendem Spaziergang zurück zum Auto. Stattdessen nehmen wir die Beine in die Hand, rattern über die Staatsgrenze zurück nach Nevada bis nach Carson City unweit Renos.

Death Valley, Kalifornien – Von Braunschweigern, Wienern und Hamburgern

Dienstag, Februar 8th, 2011

Die letzten drei Tage waren wir dermaßen aktiv, vom frühen Morgen bis zum Abend, dass wir einen Tag brauchen, die Erlebnisse in Wort und Bild aufzuarbeiten. Wir bleiben auf dem Wildrose Campground. Etliche Amerikaner schwärmen von deutscher Wurst, vor allem von „Braunschweiger“. Also haben wir uns fürs Mittagessen eine gekauft. Es ist eine erfreulich wenig fette Leberwurst. Wir haben ein paar Jahre in Braunschweig gewohnt, aber ich kann mich nicht erinnern, dass man dort Leberwurst so genannt hat. Dort ist die Braunschweiger eine Art Mettwurst. Was vielleicht nicht verwundert. Nennt man doch die berühmten Würstchen in Frankfurt Wiener und in Wien Frankfurter. Und Hamburger isst man eigentlich nur im Ausland oder bei ausländischen Fast-Food-Ketten, in Hamburg dagegen bestellt man Frikadellen – oder?

Death Valley NP, Kalifornien – Das Geheimnis der wandernden Steine

Montag, Februar 7th, 2011

6:30 Uhr, 0° C: Sobald die Sonne hochsteigt, wärmt sich die Luft rasch auf, aber die Racetrack Playa lässt sich am besten bei tief stehender Sonne fotografieren. Dies ist wohl der seltsamste und geheimnisträchtigste Ort in ganz Death Valley. Hier bewegen sich Steine auf mysteriöse Weise, angetrieben von einer unbekannten Kraft, und niemand hat es je beobachtet. Und doch weiß man, dass es so ist. Die Spuren sind eindeutig, und es gibt Messungen.

Die Racetrack Playa ist der Boden eines ausgetrockneten Sees zwischen zwei Bergketten. Am Südende der perfekten Ebene bröckeln Steine von den Cottonwood Mountains ab und bewegen sich dann Schleifspuren hinterlassend über das Bett. Die bis zu 50 kg schweren Brocken rollen jedoch nicht, sondern rutschen oder gleiten aufgrund ihrer kantigen Form. Es scheint eine Hauptbewegungsrichtung zu geben, der jedoch nicht alle Steine nicht immer folgen. Manche legen sich in Kurven, schlagen Haken, bewegen sich im Zick-Zack, im Kreis oder kehren einfach um. Dass Wind eine entscheidende Rolle als treibende Kraft spielt, scheint unter Wissenschaftlern unumstritten zu sein. Allerdings vermutlich in Sturmstärke und nicht als alleiniger Faktor. Viele Forscher glauben, dass Regen den Boden in eine schmierseifenartige Rutschbahn verwandelt. Widerlegt dagegen scheint die Theorie, dass Eis und Schnee als Schmiermittel eine Rolle spielen. Völlig ungeklärt ist, warum sich, falls die Windthese zutrifft, manche Steine bewegen und andere nicht bzw. wie sie in unterschiedliche Richtungen wandern können.

Die Spuren im meist hexagonal geborstenen Seeboden sind deutlich zu sehen. Die größte Anzahl wandernder Steine findet man, wenn man vom zweiten, südlichen Parkplatz aus zu den Bergen auf der gegenüberliegenden Seite der Ebene läuft. Die klare Luft der Wüste täuscht gewaltig: Es sieht aus wie ein paar Schritte, dann sind es aber doch zwei bis drei Kilometer.

Zum Glück entdecke ich ihn, bevor mich der der Überschallknall erschreckt: Ein militärischer Deltaflieger saust im Tiefflug über die Ebene, dreht um, und rast im Tal auf halber Höhe der Berge wieder raus. Die ganze Gegend wird militärisch genutzt. Bei Las Vegas steht die Nellis Air Force Base, daneben befindet sich die Nevada Test and Training Range und Death Valley National Park grenzt in weiten Bereichen an das China Lake Naval Weapons Center, wo reichlich Waffentests und -übungen stattfinden. Ob das Überschallflugzeug in den Nationalpark darf, ist dahingestellt, aber ein schöner Ausflug für den Piloten.

Auf dem Rückweg halten wir noch einmal an der Teakettle Junction. Humorvolle Reisende haben über die Jahre hin die unterschiedlichsten Teekessel am Kreuzungsschild aufgehängt – ein echter Hingucker. Nicht lange nachdem wir die Wellblechpiste verlassen haben, zeigt unser Tachometer nichts mehr an. Später werden wir feststellen, dass die Tachowelle gebrochen ist. Die berüchtigte Strecke hat zwar unseren Reifen nichts angehabt, aber einer 24 Jahre alten Welle den Rest gegeben.

Kurz vor Stovepipe Wells, der einzigen Ansiedlung im Park mit Supermarkt, Tankstelle (der höchste Preis, denn wir je sahen!), Hotels und Campingplatz, sieht man 30 m hohe gelbe Sanddünen (Mesquite Flat Sand Dunes), auf die man hochklettern darf. Ein paar Meilen westlich befindet sich der Mosaic Canyon. Hier hat sich Wasser eine gewundene Schlucht durch Marmorgestein gebahnt und es glatt poliert. Der Marmor ist größtenteils gelb, beige, weiß und grau gemustert, an manchen Stellen auch hell- oder dunkelgrau mit den typischen weißen streifen- oder karoförmigen Einschlüssen. Die schönsten Wände befinden sich im unteren Teil, aber man kann etwa drei Kilometer bis zum Ende laufen.

Einen weniger populären, aber weit besseren Ausblick ins Death Valley als Dantes View bietet Aguereberry Point auf fast 2000 m Höhe. Die Schotterpiste dahin ist eng, einspurig und kurvig, aber problemlos. Von oben kann man die Sanddünen, die Oase Furnace Creek sowie das Badwater Basin überblicken (Fotos am Nachmittag!). Für die Nacht fahren wir auf den Wildrose Campground, der sogar Trinkwasser und Plumpsklos bietet und trotzdem nichts kostet.

Death Valley NP, Kalifornien – Kleiner Unfall

Sonntag, Februar 6th, 2011

6. Februar, 9:00 Uhr, 26° C: Wir packen die kurzen Hosen aus, um in den Golden Canyon zu wandern. Die gelblich-beige Schlucht wird zum Ende hin immer bunter und man sollte sich keinesfalls den Blick auf die gelb-braun gestreiften Hügel und das Red Cathedral genannte rote Kliff entgehen lassen. Dazu nimmt man am Ende des Canyons einen der Trampelpfade, die nach rechts auf einen der Aussichtshügel führen. Macht zusammen hin und zurück vier Kilometer. Wenig nördlich des Besucherzentrums, das sich zurzeit im Umbau befindet, kann man kurz an den Harmony Borax Works herumlaufen, sich über den Boraxabbau Ende des 19. Jhdts. informieren und ein paar Fotos alter Gerätschaften machen.

12:00 Uhr, 30° C: Brauchen wir Sonnenschutzmittel? Eine weitere Kurzwanderung (1 km) lohnt sich am Salt Creek, einem ausgesprochen salzigen Wasserlauf. Besonderheit sind die dort lebenden winzigen Zahnkärpflinge, über die man sehr wenig weiß. Die Süßwasserfischart aus dem einst riesigen See wurde durch Austrocknung nach und nach isoliert und in winzige Reservate zurückgedrängt, wo sie sich an den zunehmenden Salzgehalt und extreme Temperaturunterschiede gewöhnen mussten. Die hier maximal fünf Zentimeter langen Kiementiere flitzen hektisch durchs Flachwasser und werden vermutlich weniger als ein Jahr alt. Frühere Theorien, die Fische würden sich während des Sommers im Sand eingraben, stellten sich als Unsinn heraus. Richtig dagegen ist, dass sie ihr Umgebungswasser trinken müssen, um nicht zu verdursten, da das Salzwasser ihren Körpern pausenlos Flüssigkeit entzieht.

Mit einem Allradfahrzeug kann man den Titus Canyon im Einbahnverkehr befahren, muss dafür aber einen weiten Umweg in Kauf nehmen. Man kann auch einfach von unten hineinlaufen, das ist sportlicher. Weit oben im Norden des Parks liegt der Ubehebe Crater, der vor ca. 1000 bis 3000 Jahren in einer Dampfexplosion Wasser und Geröll herausschleuderte und heute einen 720 m durchmessenden, hübsch gestreiften Kratertrichter bildet, in den man sogar hinunterklettern kann.

Eine berüchtigte, Reifen fressende Waschbrettpiste führt anschließend 45 km weit wieder nach Süden zu unserem morgigen Ausflugsziel. Auf der engen Piste kommen uns in den Abendstunden immer wieder Jeeps entgegen. Ausweichen ist nicht ganz einfach, da der Grader beim wiederholten Planieren der Schotterstraße zu beiden Seiten einen hohen Rand geschoben hat. Kein Problem für einen Unimog, also krabbeln wir am Hang hoch um für einen Pick-up mit Wohnkabine, wie sie hier typisch sind, Platz zu machen. Der Pick-up-Fahrer seinerseits fährt ebenfalls mit seinen rechten Rädern die Schräge hoch, gibt dann unvermittelt sportlich Gas und lenkt früh – zu früh – wieder auf die Straße ein. Seine Kabine beginnt sich nach links zu neigen. „Der muss aber aufpassen mit seiner kippenden Ka-“ -bine wollte ich sagen, aber da geht schon ein Ruck durch Arminius. Der andere Fahrer bleibt stehen, wir springen heraus. Er hat uns mit seiner Kabineoberkante gestreift, zum Glück aber erst ab der Mitte unserer Kabine. Somit hat er das erste Fenster verpasst, und das Küchenfenster liegt tiefer. Ein ordentlicher Kratzer zieht sich längsseits. Die hintere linke Kantenverstärkung hat einen Gfk-Schaden und muss repariert werden, damit die Oberfläche wieder abgedichtet ist. Alles in allem noch einmal glimpflich ausgegangen, trotzdem unschön. Am Pick-up ist natürlich nichts zu sehen. Der Fahrer entschuldigt sich, er hat ganz vergessen, dass er die Kabine mithat (die sind abnehmbar). Er gibt uns seine Versicherungsdaten, wir werden sehen, wie sich amerikanische Versicherungen verhalten. Wie auch immer, jede Menge Ärger und Zeitaufwand für nichts.

Am Ende der Schotterpiste befindet sich das Homestake Dry Camp, ein winziger Primitiv-Campground ohne Wasser oder sonstige Ausstattung, lediglich mit einer kaum benutzbaren Chemietoilette. Im Gegensatz zu anderen kostenlosen Campingplätzen ist dieser weder in der Parkkarte noch im Campingverzeichnis aufgeführt. Er erscheint ausschließlich in der Off-Road-Karte und nur auf Nachfrage erfährt man, welche Camps geöffnet und welche (während des Winters) geschlossen sind. Das gibt auch für die 4-Rad-Pisten, von denen einige in höheren Lagen wegen Schnee und Eis unpassierbar sind. Auch das ist Death Valley.

Death Valley NP, Kalifornien – Das Tal des Todes

Samstag, Februar 5th, 2011

Eigentlich hat Death Valley seinen Namen nur einem einzigen Toten zu verdanken. Es war dennoch ein Desaster, das sich 1849 während des kalifornischen Goldrauschs hier ereignete. Einige Pioniere glaubten, eine Abkürzung nach Kalifornien nehmen zu können, wenn sie dieses Tal durchquerten. Entgegen dem Rat ihres Wagenmeisters begaben sie sich ohne es zu ahnen an einen der heißesten Orte der Erde, mussten Ausrüstung und Wagen zurücklassen und ihre Ochsen schlachten, um zu überleben. Als sie nach drei Monaten endlich auf dem Bergkamm an der Westseite des Tals angekommen waren und nur ein Gruppenmitglied verloren hatten, schaute einer der Männer zurück und sagte: „Lebwohl Todestal“.

Auch heute noch fordert Death Valley seinen Tribut. Erst 2009 waren die Skelette einer seit 13 Jahren vermissten vierköpfigen Familie aus Dresden gefunden worden. Gewalteinwirkung wurde nicht festgestellt, sie hatten sich vom Fahrzeug entfernt, das drei platte Reifen hatte und waren vermutlich verdurstet. Im Sommer 1913 war hier die zweithöchste je auf der Erde gemessene Temperatur mit 56,7° C im Schatten festgestellt worden, nur übertroffen einige Jahre später von der libyschen Sahara. Einmal wurde sogar eine Bodentemperatur von 94° C gemessen.

Wer sich Death Valley als flache sandige Wüste vorstellt, irrt völlig. Das 180 km lange Tal wird im Westen und Osten von hohen Bergen begrenzt und von fantastisch buntem Gestein durchzogen. Nach einer Orientierung im Besucherzentrum in der Oase Furnace Creek machen wir uns auf zum Zabriskie Point, wo man nach einem kurzen Bergauflauf einen spektakulären Blick auf die umgebenden Hügel mit Streifen und Verläufen von gelb bis braun mit versteckten Flecken von rosa und grün werfen kann. Die Fahrt durch den kurzen Twenty Mule Team Canyon führt vorbei an einer stillgelegten Boraxmine, von wo aus einst Ladungen mit zum Teil zehn Paaren von Maultieren starteten, die schwere Salzfuhre 265 km durch die Wüste nach Süden zu bringen. Die meisten Minenaktivitäten der Vergangenheit waren aufgrund der erschwerten Bedingungen und hohen Kosten nach wenigen Jahren gescheitert.

42 km weiter südlich bietet Dantes View, mehr als 1500 m über dem tiefsten Punkt im Park einen einmaligen Blick über fast die ganze Länge des Tals mit seiner flachen, trockenen Wüstenlandschaft, den Salzmarschen, den tümpelartigen Überbleibseln eines einst riesigen Sees und den langgestreckten Bergketten. Von hier aus überblickt man den tiefsten Punkt des nordamerikanischen Kontinents mit 85,5 m unter Meeresniveau wie auch den höchsten Punkt der Vereinigten Staaten ohne Alaska, Mount Whitney mit 4.418 m – schneebedeckt selbst im Sommer.

Die gute Schotterpiste Greenwater Valley Road Süd bringt uns auf Hwy # 190 erst in Richtung Westen, dann nach Norden zum Badwater Basin, dem tiefsten Punkt nicht nur Nordamerikas, sondern der gesamten westlichen Hemisphäre. Vor 2000 bis 4000 Jahren noch bedeckte ein See die Fläche, der nach seinem Verdunsten eine 30 bis 150 cm dicke Salzschicht hinterließ und einen flachen Teich, der im Winter etwas umfangreicher, im Sommer nur eine Lache und viermal so salzig wie Meerwasser ist. Ein Schild weit oben im Berg weist darauf hin, wo sich das Meeresniveau befindet. Man kann nur hoffen, dass sich nicht plötzlich eine Verbindung zum Pazifik auftut. Ein Stück weiter wachsen aus dem trocken-verkrusteten Seeboden Salzkristalle zu kleinen korallenartigen Gebilden. Man darf auf Devils Golf Course herumlaufen, doch der Grund ist uneben und die Kristalle extrem hart und scharfkantig. Die 15 km lange Einbahnstraße Artists Drive ist eine Achterbahnfahrt durch die buntesten geologischen Formationen von Death Valley. Den Höhepunkt bildet Artists Palette, ein paar Hügel mit hin geklecksten Farben in rosa, grün, violett, braun, grau, gelb und schwarz wie auf einer Malerpalette.

Noch schnell ein paar Bilder des sich im Salzwasser spiegelnden pinkfarbenen Sonnenuntergangs gemacht, dann müssen wir einen Übernachtungsplatz finden. Death Valley National Park bietet so ziemlich alles: komfortable Hotels, Campingplätze mit allem Drum und Dran und kostenlose einfache Campgrounds. Leider ist keiner in der Nähe, aber freundlicherweise darf man im größten amerikanischen Park außerhalb Alaskas auch wild campen. Dispersed Camping ist erlaubt mindestens zwei Meilen bzw. drei Kilometer von meisten asphaltierten und geschotterten Straßen und Aussichtspunkten entfernt, jedoch nur eine Wagenbreite neben den Weg, um die Wildnis nicht zu beschädigen. Eine spezielle Karte für Off-Roadfahrten und Backcountry Camping erhält man kostenlos im Visitor Center.

Red Rock Canyon NCA, Nevada – Bunte Steine für Flachländler

Freitag, Februar 4th, 2011

Die Revolution in Ägypten treibt die Kraftstoffpreise in die Höhe. Die günstigste Tankstelle, die wir finden, bietet Diesel für 3,32 $ die Gallone an. Normalerweise ist tanken ganz einfach. Kreditkarte reinstecken, Kraftstoffart wählen, zapfen. An manchen Tankstellen aber fragt die Zapfsäule nach dem ZIP Code, der Postleitzahl. Früher tippte man zu statistischen Zwecken einfach irgendeine ein. Heute jedoch wird aus Sicherheitsgründen, um Kartenmissbrauch einzudämmen, die Postleitzahl mit der auf der Karte gespeicherten Adresse verglichen. Das funktioniert bei ausländischen Kreditkarten meist nicht. Kein Problem eigentlich, man hinterlegt die Karte beim Kassierer in der Hoffnung, dass in der Zwischenzeit kein Missbrauch damit getrieben wird, tankt, zahlt. In seltenen Fällen ist es den Angestellten nicht möglich, die Zapfsäule frei zu schalten und man muss im Voraus bezahlen. Dazu muss man allerdings wissen, wie viele Liter bzw. Gallonen man tanken will. Ich frage diesmal gar nicht erst, ob man ggf. Überzahlung zurückbuchen kann, was zwar theoretisch möglich ist, diese Angestellte aber definitiv überfordern würde. Zum Glück stimmt unsere Schätzung und wir verlassen Las Vegas gen Westen.

Im Red Rock Canyon gibt es versteinerte Sanddünen in hellrot, dunkelrot und gelb. Die National Conservation Area wird aus Las Vegas und von Kalifornien her stark frequentiert, von Ausflüglern wie von Kletterern. Der Park ist kein Aufreger, wenn man von Utah kommt, scheint aber Menschen aus dem Flachland in Entzücken zu versetzen. Es ist kein Umweg, der Scenic Drive ist hübsch, das Panorama durchaus einen Besuch wert und mit Jahreskarte ist der Eintritt frei.

Las Vegas, Nevada – Der Sündenpfuhl

Donnerstag, Februar 3rd, 2011

Bei Tageslicht betrachtet sieht die Stadt des Glücksspiels weit weniger edel und glamourös aus als bei Nacht. Vor ein paar Jahren waren wir schon einmal in Las Vegas gewesen, allerdings nur in der Dunkelheit und nur im Hotelbereich. Heute Vormittag gehen wir zum ersten Mal einkaufen. Der Costco ist der kleinste, den wir bisher gesehen haben, mit äußerst begrenzter Auswahl. Die Wal-Marts wirken schmuddelig, wie weite Teile der Stadt, die anderen Märkte sind nicht wesentlich besser.

Der Parkplatz hinter dem Bally’s Hotel ist ein Geheimtipp unter Campern. Auf dem weitläufigen Gelände, die Zufahrt erfolgt von der Flamingo Road, akzeptiert man Wohnmobile in der Hoffnung auf weitere Glücksspieler und man ist nur einem Block vom Las Vegas Boulevard, dem sogenannten Strip, entfernt. Wir laufen eine Runde zwischen den Hotels. Am Bellagio wurden beeindruckende Wasserspiele zu Musik komponiert, im New York – New York sind Freiheitsstatue und die Straßen von Manhattan nachgebildet und im Paris gibt es sowohl einen Eiffelturm in halber Größe wie einen Triumphbogen. Andere der Gigantenhotels erübrigen den Besuch von Venedig oder gar Ägypten.

Neu dagegen und bei unserem letzten Aufenthalt noch nicht fertig gestellt ist das CityCenter. Das 8,5 Mrd. Dollar schwere und damit teuerste privat finanzierte Bauprojekt aller Zeiten in den USA umfasst insgesamt sechs riesige Gebäude, neben Hotelcasinos auch Luxusappartements und eine Edel-Shoppingmall. Da die Immobilienkrise von 2008 noch vor der Fertigstellung des Komplexes dazwischen funkte, musste der Inhaber MGM eines seiner anderen Hotels veräußern. Am Ende aber haben sie es geschafft, die erste ökologische Anlage in Las Vegas fertig zu stellen. Es gibt ein eigenes energieeffizientes Kraftwerk, überschüssige Hitze wird zur Warmwassergewinnung genutzt und die hoteleigene Limousinenflotte fährt mit Erdgas. 80 % des Schutts des an dieser Stelle abgerissenen Boardwalk Hotels wurden für den Neubau wiederverwendet und die alten Badezimmereinrichtungen wurden in nicht mehr gebrauchte Vorhänge und Teppiche gepackt und in Entwicklungsländer geschickt. Es bleibt zu hoffen, dass einer der „grünsten“ Hotelkomplexe der Welt Maßstäbe setzt in einer Stadt der Verschwendung, wo man sich nicht zu schade ist, Außenterrassen im Winter zu beheizen und im Sommer zu klimatisieren. Vorerst aber senkt sich gnädige Dunkelheit über die bei Tageslicht teils ein wenig abgetakelten älteren Gebäude.

Zur Dinnertime hat man in Las Vegas ernorme Auswahl, aber nicht immer ist es günstig. Ein echter Insidertipp ist das Ellis Island Casino, das gleich hinter dem Bally’s und dem Camperparkplatz steht und das sogar eine eigene kleine Brauerei, Micro Brewery heißt das hier, besitzt. Sechs verschiedene Biersorten werden offeriert, der knappe halbe Liter für 1,75 $ inkl. Steuer. Das Essen ist genauso günstig, der Kracher aber ist das magere 300 g Rinderlendensteak mit Gemüse und Kartoffelbeilage nach Wahl, Vorspeisensalat oder Suppe und einem Glas Bier für 7,99 $. Die halbe Stunde Wartezeit bis man dran ist kann man sich ja schon mal mit einem Bierchen vertreiben. Nur wer anschließend noch richtig hungrig ist, sollte sich an den Desserts versuchen. Der Cheesecake mit Fruchtsoße für 3,99 $ ersetzt eine Hauptmahlzeit und deckt den Zuckerbedarf für eine ganze Woche.

Mesquite, Nevada – Aufregung im Wasseramt

Mittwoch, Februar 2nd, 2011

Am Morgen durchkämmen wir ein weiteres Mal das erodierte Sandsteinplateau Little Finland auf der Suche nach immer neuen Motiven. Wir treffen Gonzo mit der langen Hängenase aus der Muppet Show. Es ist kalt. Ein Sturm schiebt aus Norden kommend eine Kaltfront vor sich her. Die Suche nach Trinkwasser für unseren Tank lässt uns kurz im Dorf Bunkerville Halt machen. Hier hat sich auf der Wasseroberfläche der öffentlichen Toiletten im Stadtpark eine dicke Eisschicht gebildet. Das habe ich überhaupt noch nicht gesehen. Zum Glück sind die Kloschüsseln aus Metall und frieren nicht kaputt.

In Overton hatten wir keine Lust, dem Campingplatz zehn Dollar für eine Wassertankfüllung zu bezahlen. In der Bücherei von Bunkerville rät man uns, es im Wasseramt in Mesquite, dem nächsten Ort zu versuchen. Die Damen des dortigen Büros brechen in Kreischen aus, als sie Arminius’ ansichtig werden. Sie weisen einen Arbeiter an, uns mit dem Wasser behilflich zu sein. Der ist nicht weniger aufgeregt. Naja, vielleicht passiert in Mesquite nicht allzu viel. Jedenfalls werden wir uns merken, dass man in den Wasserämtern möglicherweise Trinkwasser erhalten kann. Wenn nicht da, wo sonst? Auf der Interstate 15 legen wir den 16. Gang ein und brettern durch bis Las Vegas.

Little Finland, Nevada – Die versteinerte Vorhölle

Dienstag, Februar 1st, 2011

Schwaden von Sand fegen übers Gelände, runde vertrocknete Büsche rollen über die Straße. Sie heißen Tumble Weed, zu Deutsch Schleudergras. Einen besseren Namen hätte ich mir nicht ausdenken können. Die Wüsten der Welt sind nicht nur wegen mangelnden Niederschlags so trocken. Oft ist es der nicht enden wollende Wind, der in den subtropischen Breiten so typisch ist, der das Land austrocknet. Und der heute wütet und klar macht, dass auch in Nevada noch Winter herrscht.

Im Internet kann man sich Wegbeschreibungen nach Little Finland herunterladen. Allerdings hat sich in letzter Zeit einiges geändert, so hat das BLM die Zufahrt in den Wash, das trockene Flussbett, gesperrt, durch das man lange fährt. Es gibt eine andere Zufahrt, nur muss man die erst einmal finden. Auf den Weg zu den Gold Buttes, so heißt das Gebiet, passiert man die 2400 m hohen Virgin Mountains, dann die Whitney Pocket, rote und weiße Sandsteinhügel, die aus der grünen Ebene herauszuwachsen scheinen, und schließlich Devils Throat, den Teufelsrachen, eine etwa 30 m tiefe Senkgrube, die mit einem Zaun gesichert und deren Ursprung unbekannt ist. Das ganze Gebiet wird begrünt von kleinen Sträuchern, Joshua Trees und riesigen Kakteen. Immer wieder passiert man glatte Sandsteinwände mit präkolumbischen Petroglyphen.

Neu ist auch, dass man wieder direkt bis an die Mesa heranfahren kann, auf der die eigentümlichen Sandsteinformationen angesiedelt sind, frei campen kann man hier auch. Für einige Jahre war die direkte Zufahrt vom BLM mittels eines Zauns blockiert worden und man musste ein Stück weiter zu Fuß laufen. Vielleicht hat das alles mit den Gerüchten zu tun, die wild kursieren. Das Gelände soll für Publikumsverkehr komplett gesperrt werden oder auch das Gebiet soll als National Monument geschützt werden. Der alte und neue Parkplatz befindet sich am Fuße eines flachen Berges, an dessen Wand sich einige große kalifornische Fächerpalmen vor dem Wind Schutz suchend anschmiegen. Werden die vertrockneten Blätter nicht abgeschnitten, legen sie sich wie ein dicker Pelz um den Stamm. Über einen Weg an der Seite klettert man auf die obere Ebene der Mesa und ist mitten in Little Finland oder dem Hobgoblins Playground, dem Spielplatz der Kobolde, wie er auch genannt wird, einem stark verwitterten Steinplateau mit einer Vielzahl von Steinrudimenten.

Ich denke eher, ich bin im Fegefeuer gelandet. Ich erkenne Monster, Fratzen, Drachen und schreiende Gesichter. Meine Fantasie läuft Amok. Sogar Pinocchio erkenne ich, aber der soll ja so viel gelogen haben, dass er sicher noch eine Weile in der Vorhölle schmoren muss. Hoffnung dagegen verheißt ein Arch, der die Form eines Herzens hat. Eine unendliche Anzahl von Formen und Skulpturen ist hier von der Natur in roten Sandstein gebannt, man könnte stundelang in dem kleinen Areal herumstromern und seine Vorstellungskraft spielen lassen. Wenn da nicht der grausig kalte Wind wäre, der mir durch die Rippen pfeift. Und etwas macht nachdenklich: Die vielen Bruchstücke und zerstörten Formen, die auf den Boden gebröckelt sind. Das meiste davon ist wohl nicht durch menschliches Zutun kaputt gegangen, sondern durch Regen und Wind. Genau so, wie es entstanden ist. Aber an der einen oder anderen Stelle liegt schon eine abgebrochene Platte, die vielleicht durch einen unachtsamen Fußtritt Schaden genommen hat in der Annahme, der Stein wäre tragfähig. Wieder so ein Gebiet, durch das ich mich hindurchbewege wie durch ein Kristallgeschäft. In dem vollen Bewusstsein, dass Generationen nach mir dieses Vergnügen vielleicht nicht mehr haben können. Sollte also der Zutritt verwehrt werden, damit niemand mehr die Kobolde sehen kann?

Valley of Fire State Park, Nevada – Die verschwiegene Steinwelle

Montag, Januar 31st, 2011

Als Gott die Welt erschaffen hatte, hatte er am Ende des sechsten Tages noch Farbe übrig. Die brauchte er jedoch nicht mehr. Daher kippte er sie über der Wüste Nevadas aus. Als die Menschen den Ort später fanden, nannten sie ihn Valley of Fire – Tal des Feuers. Mitten in der unscheinbaren Wüste Nevadas fährt man in ein Gebirge aus aufgefaltetem und stark erodiertem Sandstein. Zunächst sind die wilden Formationen, die aussehen wie Elefanten, Enten oder Bienenkörbe, tiefrot. Es gibt hunderte, ja tausende von kleinen Arches. Erst wenn man weiter in den State Park hinein fährt, zeigen die Steine ihre unübertroffene Vielfalt: Streifen in weiß und rot, orange und violett, gelb und rosa, rost und braun liegen ordentlich gestapelt, wenn auch abenteuerlich bunt übereinander, oder mischen sich wie im Falle der Fire Wave, der Feuerwelle, wie die zwei Teige eines Marmorkuchens, den Mutter mit dem Quirl durchgerührt hat. Der Fels hat selbst eine elegant geschwungene, sich verjüngende Form, die sich in dem dynamischen weißen und roten Streifenmuster fortsetzt.

Entlang des Scenic Drive gibt es immer wieder Punkte zum Anhalten, Fotografieren und Erkunden. Besonders schön ist der kurze, gut zwei Kilometer lange White Dome Trail am Ende der Sackgassenstraße. Der Rundweg führt in ein sandiges, pastellfarbenes Tal und sogar durch einen kleinen Slot Canyon hindurch.

Im Visitor Center gibt es reichlich Informationen zur Entstehung und den unterschiedlichen Formationen des Parks. Niemand weiß jedoch über das mysteriöse, Little Finland genannte Gebiet bescheid, das wir besuchen möchten. Die Karte des Polizeioffiziers deckt nur einen Teil der Region ab, ich brauche noch eine Anschlusskarte. Aber das Valley of Fire ist ein Staatspark, was etwas anderes ist als ein vom National Park Service bestelltes Areal, das sich wiederum von BLM-Land unterscheidet. Und alle scheinen nicht ausgesprochen viel zu kommunizieren oder sich gegenseitig mit Material zu versorgen. Was ebenfalls fehlt sind Informationen zur Fire Wave, nicht einmal ein einziges Foto gibt es im Gebäude. Nachdem wir den Park und die Steinwelle besucht haben, wird schnell klar warum. Selbst an einem Montag herrscht reger Verkehr und Touristen werden busweise aus Las Vegas herangekarrt. Wenn die alle auf der nur 15 min von der Straße entfernten Steinwelle herumtrampeln würden, würde sich diese bestimmt bald in ihre Bestandteile auflösen. Und so bleibt die Fire Wave, wie auch andere Attraktionen wie die White Hoodoos of Wahweap Creek oder Toroweap Point, denjenigen Reisenden vorbehalten, die bereit sind, Zeit in die Recherche zu investieren. Oder auch Ziele wie Little Finland. Aber das ist ein Thema für morgen.

Overton, Nevada – Auf dem Armutshügel

Sonntag, Januar 30th, 2011

Am Morgen sehen wir uns das ganze Areal erst mal bei Tageslicht an. Die Poverty Flats sind ein großes Plateau mit grobkiesigem, relativ ebenem Grund. Verstreut stehen Campingmobile oder Anhänger. Manche haben es sich gemütlich eingerichtet mit Boot oder Motorrad, Generator und Satellitenschüssel. Wohlmeinende Pflanzenfreunde haben aus Steinen Schutzwälle um die vereinzelt wachsenden Büsche gebaut.

Es scheinen drei Sorten vom Campern hier zu stehen: Solche wie wir, die nur mal ein, zwei Nächte auf der Durchreise bleiben. Die andere sind Snowbirds, Bewohner nördlicherer Staaten oder gar Kanada, die für eine Weile dem Winter entfliehen wollen. Die dritte Gruppe besteht aus Dauerbewohnern. Das sind Rentner, denen das Geld für eine Wohnung fehlt oder die es lieber anders anlegen und auf dem kostenlosen Campingareal wohnen; Menschen ohne festen Wohnsitz oder Empfänger staatlicher Wohlfahrt, wie sie oft auch auf Wal-Mart -Parkplätzen herumlungern. Seit der Immobilienkrise 2008 gibt es verstärkt Leute, die ihr Haus verloren haben und aus Kostengründen in einem Camper oder Wohnwagen leben. Allen gemeinsam ist, dass sie im Warmen sein wollen, zumindest während des Winters, und kein Geld für einen Campingplatz investieren wollen. Es gibt auch andere solcher Plätze, z.B. in Arizona. Geduldet wird das vielleicht, weil es dem Einzelhandel der Gemeinden dennoch Umsatz bringt.

Der Himmel bewölkt sich mehr und mehr, es sieht nach Regen aus. Wir beschließen, einen Bürotag einzulegen. Von den anderen Bewohnern ist den ganzen Tag nichts zu sehen. Was machen die nur? Fernsehen? Nur frühmorgens und spätabends führen sie ihre Pinscher Gassi. Nur wenige trauen sich im Laufe des Tages, den „Neuling“ mit dem martialischen Aussehen näher unter die Lupe zu nehmen.

Overton, Nevada – Polizeiliche Unterstützung

Samstag, Januar 29th, 2011

Zum Frühstück sind wir in einem Restaurant mit Harold und seiner Frau verabredet. Harold ist ein anderer Freund von Malcolm, mit dem wir schon Thanksgiving zusammen verbracht haben. Harold hat sich in der Zwischenzeit frühpensionieren lassen und ist seiner Frau nach Cedar City gefolgt, wo sie an der Universität Kunst unterrichtet. Sie hoffen, ihr neues Haus in wenigen Tagen fertig zu stellen und einziehen zu können.

Wir hingegen machen uns auf Hwy # 319 auf nach Panaca in Nevada und kehren damit Utah und seiner roten Steinwunderwelt endgültig den Rücken. Bei Panaca ist der Cathedral Gorge State Park einen Besuch wert (7 $ Eintritt pro Fahrzeug, Jahrespass nicht anerkannt). Regen hat den extrem weichen graubraunen Sandstein des Kliffs zu unzähligen Spitzen und Türmchen ausgewaschen. Mit ein wenig Fantasie kann man sich die Formationen als Kathedralen vorstellen, woher der Park seinen Namen hat. Mit jedem Regen ändert er sein aussehen, wenn ein Teil des Gesteins weggespült wird. Zwischen den Türmen gibt es enge höhlenartige Auswaschungen mit meterhohen Wänden.

Nur ein paar Meilen weiter, aber etliche Meter höher und damit kühler liegt das historische Silberminenstädtchen Pioche. Für Fotografen gibt es vielfältige Fotomotive vergangener Minenaktivitäten und -gerätschaften, darunter eine gut erhaltene Drahtseilbahn. Die mit Silbererz gefüllten Loren bewegten sich zwischen 1920 und 1930 größtenteils durch Schwerkraft bergab und beförderten Gegenzug die leeren Loren hangaufwärts.

Da das Eintrittsgeld am heutigen Tag für alle State Parks der Umgebung gilt, statten wir dem Echo Canyon einen Besuch ab. Der kleine Stausee wird vor allem von Anglern genutzt. Hübsch ist seine Lage zwischen den Canyonwänden, wo auch die Straße lang führt. Genau am Fuß des nur aus Erde und Steinen bestehenden Damms steht ein Wohnhaus. Die Bewohner müssen außerordentlich gute Nerven oder Gottvertrauen besitzen.

Hwy # 93 bringt uns nach Süden. Nachdem wir bei Caliente die sanften, immerhin noch knapp 2000 m hohen Delamar Mountains überquert haben, fahren wir mal wieder in eine andere Welt. Zwischen diesem Höhenzug und der gegenüberliegenden Pahroc Range öffnet sich ein riesiges, weitläufiges Tal: das Delamar Valley zur Linken und das Dry Lake Valley zur Rechten. Außer dem endlosen Buschwerk wachsen hier einen Meter hohe Kakteen und übermannsgroße Joshua Trees, auf Deutsch Josuabaum oder Josua Palmlilie, dazwischen liegt Sand. Definitiv Schlangenland – ob die noch Winterschlaf halten? Wir fahren in endlos gerader Linie nur noch bergab. Schon bald befinden wir uns unterhalb von 1000 m Höhe, so tief waren wir seit Monaten (!) nicht mehr. Schließlich landen wir in einem Nest namens Overton am Hwy # 168 in der Nähe von Las Vegas auf nur noch 460 m. Kann man einen Sauerstoffschock erleiden?

An einer Tankstelle kommt der stattliche, der Las Vegas Police angehörende Dorfpolizist mit einem ebenso stattlichen Pick-up gefahren. Er stellt einem Fahrer einen Strafzettel aus, der sich daraufhin mehrfach bedankt. Ja, die Sitten sind schon eigen hier. Anschließend erregen wir seine Aufmerksamkeit – aber nur zum Quatschen. Während seiner Armeezeit war er eine Weile in Deutschland stationiert gewesen. Ich denke, der Mann muss sich ja in der Gegend auskennen und frage ihn nach Little Finland. Er kennt es und schenkt mir schließlich seine topografische Detailkarte des Areals. Wenn mein Freund und Helfer schon so vor mir steht, frage ich ihn auch noch nach den Poverty Flats oder Poverty Hills, den Armutshügeln. Die sind nur ein paar Meilen südlich, erfahren wir, und Camper dürfen auf dem gesamten Areal kostenlos parken. Ein paar sind schon da, aber man kann problemlos 100 m Abstand zum Nachbarn und seinem ratternden Generator halten.

Cedar City, Utah – Hilfestellung für Ausgeschlossene

Freitag, Januar 28th, 2011

Im BLM Office in Kanab versuchen wir, Informationen und ggf. Karten für unsere nächsten abgelegenen Ziele zu erhalten. Der Erfolg ist mäßig, niemand kennt die Gegend oder hat davon gehört. Immerhin druckt man uns ein paar Internetseiten aus und wir erhalten einige Telefonnummern anderer Stationen. Da die staatlichen BLM-Behörden freitags nur schwach besetzt sind, ist die Recherche nicht ganz einfach. Am Ende weiß ich, dass einige Schotterstraßen wegen Unterspülungen nicht befahrbar sind, dass aber Little Finland, unser nächstes Ziel, noch zugänglich ist. Eine Karte finde ich dennoch nicht.

Auf dem bergigen Hwy # 14 überqueren wir bei 3016 m den Midway Summit, wo eine eineinhalb Meter hohe geschlossene Schneedecke liegt. In der Nähe des Passes winkt uns ein Mann aufgeregt auf den Seitenstreifen. Wie viel liest man immer wieder man soll in solchen Situationen nicht anhalten und stattdessen die Polizei verständigen? Leichter gesagt als getan, wo es in den Bergen keinen Handyempfang gibt. Es stellt sich heraus, dass der harmlose Mann sich aus seinem Auto ausgeschlossen hat, der Schlüssel befindet sich im Wagen. Es ist ein Rätsel, wie moderne Fahrzeuge mit Zentralverriegelung und Fernbedienung das so hinbekommen. Es sind noch zwei Jungs dabei, sie wollten wandern und campen gehen. Leider haben auch wir keinen Handyempfang, daher biete ich ihm an, Hilfe aus Cedar City zu organisieren.

Die Zufahrt zum Cedar Breaks State Park ist während des gesamten Winters gesperrt. Dort gäbe es rote Sandsteintürmchen, -spitzen und -zinnen ähnlich wie im Bryce Canyon National Park zu bewundern. Wir fahren bis Cedar City, das seinen Namen einem Irrtum verdankt: Die hier vorherrschende Baumart ist Wacholder, aber zur Zeit der Stadtgründung kannte man den Unterschied zur Zeder wohl nicht so genau. Unter der Telefonnummer des Rangers, die ich von dem hilfesuchenden Mann bekommen habe, antwortet niemand. Es ist schließlich Freitagnachmittag. Wir durchfahren die Straßen auf der Suche nach einem BLM, Forestry Service oder Polizeibüro. Da taucht neben uns ein typischer weißer Pick-up mit grün gekleideten Männern darin auf. Wir verfolgen sie bis zur nächsten roten Ampel, wo ich herausspringe und die Männer frage, ob sie Ranger sind. Sind sie, und wir vereinbaren, nach der Ampel anzuhalten. Ich erkläre ihnen das Problem und sie versprechen, sich der Sache anzunehmen. Hoffen wir, der Vater mit den beiden Jungs da oben hat bald Hilfe erhalten.

Zion National Park, Utah – Arminius und die Tunnelmaße

Donnerstag, Januar 27th, 2011

Der Moment ist spannend: Lässt uns die Parkverwaltung problemlos durch den Tunnel oder brauchen wir eine Eskorte? Nachdem wir uns von Jaye verabschiedet haben, fahren wir zum Südeingang des Zion National Park, um auf Hwy # 9 im Osten wieder raus zu fahren. Dazwischen liegen zwei Tunnel, der erste ist einen Kilometer lang und etwas eng und niedrig; der zweit ist kürzer aber weiter. Vor Jahren gab es immer wieder zahlreiche Unfälle im Tunnel. Eine vom Parkmanagement in Auftrag gegebene Studie ergab, dass aus Furcht vor den engen Tunnelmaßen größere Fahrzeuge, die die Mittellinie überfuhren, zu den Hauptverursachern der Unfälle gehörten. Konsequenz ist, dass keine kommerziellen Lkw den Hwy # 9 durch den Park passieren dürfen und dass Fahrzeuge über 2,40 m Breite und 3,40 m Höhe den Tunnel nur zwischen 8 und 20 Uhr gegen eine Gebühr von 15 $ (gilt auch für eine Rückfahrt innerhalb von sieben Tagen) im Konvoi und Einbahnverkehr passieren können, was in der Hochsaison zu Wartezeiten führen kann.

Der Ranger am Parkeingang misst Arminius dreimal, viermal. Er kann es nicht glauben. Der Truck sieht sooo groß aus und scheint doch durch den Tunnel zu passen. Der Ranger nimmt es sehr exakt, zentimetergenau, aber andererseits bemüht er sich redlich, uns ohne Gebühren durchfahren zu lassen. Die Höhe stellt sich als unproblematisch heraus, die Dachluke kann der Ranger ja nicht sehen. Nachdem wir die Spiegel eingeklappt haben, ragen nur noch die Positionsleuchten über die zulässigen Maße hinaus. Da die Halterungen aus Gummi sind, dürfen wir sie weg biegen und mit Klebeband oder Gummistrippen fixieren. Kurz vor dem Tunnel gibt es eine Kontrollstation, deren Ranger ggf. den Verkehr anhalten, um größere Fahrzeuge in der Tunnelmitte einspurig durchfahren zu lassen. Sie raten uns, uns mehr an der Mittellinie als an der Wand zu halten. Ein Blick aus dem Fenster zeigt, dass das eigentlich nicht nötig ist: zwischen 30 und 50 cm ist Platz von der Oberkante unserer Kabine bis zur Tunnelrundung, die Sicherheitsmarge ist ausreichend.

Bevor wir wieder nach Kanab fahren, gilt ein kurzer Abstecher den Coral Pink Sand Dunes vom Hwy # 89. Dieser State Park ist ein Eldorado für Offroadfans. Auch für ein paar Fotos und einen Spaziergang kann sich der Ausflug lohnen. Roter Sandstein, wie es ihn hier überall gibt und der erodiert ist, sammelt sich dank besonderer geologischer und Windkonstellationen genau hier. Die aufgetürmten Dünen haben eine lachsrosa Farbe und bieten selektierten Pflanzen und Tieren eine Heimat, darunter auch dem endemischen Coral Pink Tiger Beetle, einem Insekt mit dem hübschen Namen korallenrosa Tigerkäfer.

Zion National Park, Utah – Grandiose Aussichten und gekochter Gabelbock

Mittwoch, Januar 26th, 2011

Eine sachkundigere Reiseleiterin können wir uns kaum vorstellen. Jaye lebt seit ihrer Kindheit, seit fast 60 Jahren mit nur wenigen Unterbrechungen hier. Zunächst bringt sie uns nach Grafton, einer verlassenen Mormonensiedlung in der Nähe des Dorfes Rockville, die 1859 gegründet worden war. Die Kirche, wenige alte Holzhäuser und der Friedhof stehen noch, nachdem der Ort 1945 endgültig zur Geisterstadt verkommen ist.

Der Zion National Park indessen hat noch zwei weitere Bereiche zu bieten, die nicht dem Hauptteil angeschlossen sind. Die Kolob Terrace Road, zu erreichen über Hwy # 9 west, startet ab Virgin. Immer wieder eröffnen sich neue Blicke auf die vielfältigen Berge des Parks. Noch weiter muss man fahren, nämlich bis zur Ausfahrt # 40 von der I 15 zur Kolob Canyon Road. Dort gibt es einen weiteren Scenic Drive, von wo aus die bis zu 2.660 m hohen Massive des Zion Parks am mächtigsten scheinen.

Zurück in Springdale kocht uns Jaye Gabelbock oder Pronghorn, wie das hier genannt wird, den man definitiv nicht käuflich erwerben kann – wunderbares mageres Fleisch, ganz ohne Hormone und Konservierungsmittel.

Zion National Park, Utah – Eingeschränkte Wanderungen

Dienstag, Januar 25th, 2011

Anstelle einer langen Wanderung entschließen wir uns wegen der winterlichen Bedingungen zu mehreren kürzeren Trips. Zusammen mit Jaye starten wir mit dem Emerald Pools Trail, der zu einigen Wasserfällen und grünlichen Becken führt. Allerdings kommen wir nicht weit. Am ersten Wasserfall ist der Weg wegen Steinschlags gesperrt und wir müssen nach einem Kilometer umkehren. Am kurzen, aber steilen Weeping Rock Trail (Rundkurs 600 m) haben wir noch weniger Glück, er ist so vereist, dass wir ohne Krampen an den Schuhen nicht einmal auf allen Vieren die Steigung hoch kriechen können. Der „weinende Fels“ wird deshalb so genannt, weil Wasser, das von oben hineinsickert, nach 900 Jahren unten aus dem Gestein tropft, so haben Wissenschaftler festgestellt. Der Riverside Walk ist ebenfalls eisig-glatt, aber relativ eben, und so können wir wenigstens noch diese dreieinhalb Kilometer (hin und zurück) absolvieren. Hält der Fluss nicht übermäßig viel Wasser, kann man ihm noch ein Stück weiter folgen, bis die Steilwände so weit zusammenrücken, dass man ohne nass zu werden nicht weiter kommt.

Kurz vor Weihnachten 2010 hatte eine der stärksten Fluten der letzten Jahre den an sich friedlichen Virgin River so stark anschwellen lassen, dass er nicht nur im Park verheerende Schäden anrichtete. Die Straßenschäden sind mittlerweile größtenteils behoben, die Wanderwege sind noch nicht vollständig wieder instand gesetzt. Zu dem  Zeitpunkt waren wir bereits einmal kurz vor Zion gestanden, wegen starken Schneefalls im Bryce Canyon National Park aber glücklicherweise umgekehrt.

Der immer noch hohe Wasserstand des Virgin River, gespeist durch reichlich Schnee eines außergewöhnlich kalten Winters, vergällt und jedoch eine weitere Wanderung, die ebenfalls charakteristisch für Zion ist: die zu den Zion Narrows. Allerdings wird sie im Winter generell nicht empfohlen. Vom Endpunkt des Riverside Walk läuft man neben oder im Fluss weiter bis zu einer Stelle, wo 600 m hohe Sandsteinwände bis auf wenige Meter zusammenrücken. Selbst im Sommer ist ein Trocken-“tauch“-anzug in der kühlen schattigen Schlucht angeraten. (Anzug, Füßlinge und langer Wanderstock aus schwimmfähigem Holz, zu mieten für ca. 45 $ pro Person in Springdale.) Im fließenden Wasser muss man sein Gleichgewicht auf Flusssteinen balancieren halten. Für die 15 km (hin und zurück) sollte man sechs bis acht Stunden kalkulieren. Wir treffen einen jungen Mann, der gerade von der Wanderung kommt. Er berichtet uns, das Wasser ist stellenweise gut schulterhoch, aber man kann auch durchschwimmen. Die hohen Leihgebühren zusammen mit dem ungewöhnlichen Wasserstand, der klitschnasse Rucksäcke, im Camper schwer zu trocknen, und das Risiko nasser Kameras birgt, scheinen uns dann doch irgendwie unpraktikabel. Im Sommer allerdings hat der Park den Großteil seiner zwei bis drei Millionen Besucher zu verkraften. Ob das die bessere Zeit ist, vermag ich nicht zu sagen.

Mehr über den Park und seine zahlreichen Freizeitmöglichkeiten erfahren wir von Catrin und Jonathan. Das junge schweizerisch-amerikanische Ehepaar hat uns zum Abendessen eingeladen. Sie sind Mitinhaber der größten Outdoorfirma in Springdale. Dort kann man alle Sorten von Canyon-, Kletter- und sonstigen Touren oder Abholservices buchen bzw. Ausrüstung leihen. Mit ihren zwei kleinen Unimogs älteren Typs veranstalten sie auch Offroadfahrten durchs Gelände.

Zion National Park, Utah – Der himmlische Ort

Montag, Januar 24th, 2011

Zum Mittagessen sind wir mit Jaye verabredet, einer Freundin von Malcolm. Sie wohnt in Springdale, dem Dorf am Südeingang des Zion Nationalparks. Wir schließen spontan Freundschaft und sie lädt uns alle in ihr Auto ein. Zwischen November und März darf man mit eigenem Fahrzeug in den Zion National Park einfahren, in den übrigen Monaten ist man auf den kostenlosen Shuttlebusservice angewiesen. Zion ist, wie viele andere Parks auch, ein Canyon bzw. mehrere Seitenschluchten, die ein kleiner Fluss und seine Nebenarme im Sandstein und Lavabasalt geschaffen haben. Mit dem Unterschied, dass die meisten Besucher von Westen kommend erst einmal unten im Canyon stehen. Will man den Park aus anderen Perspektiven sehen, fährt man beispielsweise den Hwy # 9 in Richtung Osteingang die Canyonwände hoch und durch zwei Tunnel hindurch auf die obere Ebene. Auf dem Weg nach oben kann man z.B. Bridge Mountain sehen, einen roten Berg, aus dem große Platten bogenförmig herausgebrochen sind. Kurz vor dem Parkausgang steht die Checkerboard Mesa, eine helle abgeflachte versteinerte Sanddüne, die über 2000 m hoch ist und ein schachbrettartiges Erosionsmuster aufweist.

Überhaupt ist das Hauptkriterium, das Zion National Park auszeichnet und ihn von anderen Parks unterscheidet, seine Vielfalt. Wanderwege gibt es reichlich, und viele von ihnen führen erfreulicherweise von unten nach oben und wieder runter, im Gegensatz zu den anderen Canyonparks. Die berühmteste Route geht zu Angels Landing, einem Aussichtspunkt auf einer natürlichen Plattform, zu erreichen nur für Schwindelfreie über einen sehr schmalen Grat, mit Ketten gesichert und mit mehrere hundert Meter tiefen Steilwänden zu beiden Seiten. Mit ebenfalls schöner Aussicht und herausforderndem, aber nicht ganz so spektakulärem Aufstieg punktet Observation Point. Beide Wanderungen sind mehrstündig, anstrengend und erfordern Trittsicherheit. Und beide, vor allem letzterer, sind so eisbedeckt, dass die Wanderung derzeit nicht ungefährlich wäre.

Für heute gehen wir es langsam an und fahren auf dem Scenic Drive in den Hauptcanyon. Petroglyphen und andere Relikte wie die Graneries genannten Getreidespeicher weisen auf frühe Besiedelung durch Anasazi und Paiute-Indianer hin. 1847 flüchteten sich Mormonen vor religiöser Verfolgung in den Vereinigten Staaten in das damals mexikanische Tal und nannten es Zion, ihre Bezeichnung für Gott bzw. den himmlischen Ort. Bereits 1909 wurde ein Teil des Canyons, nun auf US-Territorium, zum Mukuntuweap National Monument ernannt, einer alten indianischen Bezeichnung folgend, aber nur Jahre später auf Proteste der Mormonen hin wieder in Zion umbenannt.

St. George, Utah – Die Geschichte der Mormonen

Sonntag, Januar 23rd, 2011

St. George bietet gute Einkaufsmöglichkeiten, bevor man in die teuren Vororte des Zion National Parks fährt. So bleiben wir noch einen Tag für Besorgungen. Die Bevölkerung hier gehört mehrheitlich, wie im restlichen Utah auch, der Mormonenkirche an, oder der mormonischen Sekte, wie wir sie eher nennen würden. Wo zwischen 50 und 80 % der Einwohner dem mormonischen Glauben folgen, beherrscht die Kirche natürlich, trotz offizieller Trennung vom Staat, das politische und wirtschaftliche Leben völlig. Sie besitzt ein Wirtschaftsimperium, das weit über die Staatsgrenzen hinausreicht. Anders- oder Nichtgläubige haben nur wenig Einfluss. Die meisten Mormonen sind äußerlich nicht vom Rest der Bevölkerung zu unterscheiden, folgen aber zum größten Teil deren strengen Richtlinien. Das sind beispielsweise die Ablehnung von Alkohol, Kaffee und Empfängnisverhütung sowie die Einhaltung einer familiär streng patriarchalischen Hierarchie. Fünf Kinder werden mindestens benötigt, um ins Paradies einzugehen. Vieles ist natürlich Augenwischerei: Die Mormonentee genannte und zu diesem Zweck verwendete Pflanze enthält natürliches Ephedrin, ein weit stärkeres Aufputschmittel als Koffein.

Gegründet wurde die Sekte 1830 von Joseph Smith der das Book Mormon als Grundlage des Glaubens verfasste. Damals allerdings herrschten noch andere Regeln, denen nach wie vor etliche Traditionalisten mehr oder weniger heimlich nachgehen: Dazu gehören der Konsum von Tabak und Alkohol, aber auch Polygamie. Smith selbst hatte 27 Ehefrauen und 56 Kinder. Um 1896 als Staat in den Verbund der USA aufgenommen zu werden, mussten die Mormonen offiziell die Vielweiberei aufgeben. Offiziell.

St. George, Utah – Hilfe für einen einsamen Cowboy

Samstag, Januar 22nd, 2011

Die kurze, 100 km lange Strecke waren wir von Fredonia aus zum Toroweap Point gefahren. Für die Rückfahrt wählen wir die 150 km lange Route nach St. George. Sie soll nach Aussagen des National Forest Office in Fredonia trocken und schneefrei und nach der Mount Trumbull Wilderness in sehr gutem Zustand sein. In einem hatte die Mitarbeiterin zumindest recht: Die Straße wird nach rund 50 km etwas besser. In der Bergwildnis auf 2000 m Höhe gibt es eine fast geschlossene Schneedecke und wo der Schnee bereits geschmolzen ist, hat sich der Waldweg in eine zentimeterdicke Schlammschicht verwandelt. Der Dreck wiederum möchte auch gerne reisen und heftet sich an Arminius. Dass es sich um „Dannicht-Stein“ handelt, werden wir erst später merken. Der stark lehmhaltige Schlamm wird in der Sonne backen und unlösbar wie Zement am Wagenboden haften.

Erst weiter unten im Tal wird es wärmer und trockener. Am Straßenrand steht ein originalgetreuer Cowboy: breitkrempiger Hut, Lederstiefel, Sporen und eine Aussprache, als ob das Frühstücksbrötchen noch zwischen den Zähnen klemmt. Sein Pferd hat er am nächsten Baum angebunden, sein Truck steht am Rand und blockiert halb die Straße. Er sucht jemanden, der seinem Truck ein paar Meilen folgt, wo er ihn abstellen will und der ihn dann zu seinem Pferd zurückbringt. Er muss seine Rinder ein Stück weiter treiben. Wir lassen uns nicht lange bitten, wer weiß wann der nächste hier vorbei kommt. Er hat ein schlechtes Gewissen, da wir nur zwei Sitze haben und ich so lange zurückbleibe. Er schenkt mir eine Flasche Dr. Pepper aus seiner Eisbox und meint, ich kann mich ja solange mit seinem Pferd Kelli mit „i“ unterhalten. Das meint er ernst. Kelli ist freundlich, lässt sich kurz streicheln, bevor sie sich wieder dem Fressen widmet. Als die Männer zurückkommen, bin ich mit Kelli in eine ernsthafte, wenn auch etwas einseitige Diskussion verwickelt.

Des Cowboys Sporen klappern, als er aus Arminius aussteigt. Nein, das sei in all den Jahren noch nicht vorgekommen. Dass sich jemand in diese abgelegene Gegend, den Arizona Strip (so nennt er es) verirrt. Vermutlich hat er recht, uns in die Gattung der völlig bekloppten Reisenden einzuordnen, aber wo sonst gibt es heute noch das große Abenteuer?

St. George ist so ziemlich die einzige Stadt in Utah außer dem nördlichen Zentrum um Salt Lake City und den Dörfern im Süden. Das Ambiente ist ganz erstaunlich: St. George liegt malerisch zu Füßen der unterschiedlichsten Berge drum herum: rote Sandsteinklippen, grüne abgeflachte Mesas, graue, schneebedeckte Spitzen. Es hat mittlerweile 16° C und Palmen wachsen. Auf einem Hügel thront eine große weiß gekalkte Kirche im mexikanischen Stil. Nichts passt zusammen und trotzdem hat es Charme. Eine Stunde später bin ich stolze Besitzerin eines neuen Paares Wanderschuhe aus handschuhweichem Leder. Die alten wandern in den nächsten Mülleimer, so zerfleddert kann man sie nicht einmal mehr verschenken.

Toroweap, Grand Canyon National Park, Arizona – Das andere Ende des Grand Canyon

Freitag, Januar 21st, 2011

Knapp 900 m unter uns sieht der mächtige Colorado River fast wie ein Rinnsal aus. Die schieren Wände der Nordseite fallen steil zum Fluss hinunter. Die Südseite ist nur ein paar Vogelschwingen weit entfernt. Die Felsmassen im Osten bestehen aus rotem Sandstein. Wendet man seinen Blick nach Westen, sieht man schwarze Lava. Der Toroweap Point liegt im äußersten Westen des North Rim des Grand Canyon National Park, weit stromabwärts selbst von sommerlichen Touristenmassen. Die Schlucht bietet hier einen oft fotografierten, dramatischen Ausblick und ist doch selten besucht und wenig bekannt. Das mag an der Abgeschiedenheit des Toroweap Point liegen. Je nachdem von wo aus man anreist, ob aus Richtung Fredonia oder von St. George, Utah, muss man nach Verlassen des Hwy # 389 100 bis 150 km (nur Hinweg) Schotterstraße fahren, um zum Ziel zu gelangen. Die Piste ab Fredonia ist gut und bei Trockenheit problemlos befahrbar, nur die letzten Kilometer nach Einfahrt in den Nationalpark (es gibt eine Rangerstation mit Informationen) führen zum Teil über gewachsenen Stein und erfordern ausreichend Bodenfreiheit.

Die wahre Herausforderung lauert am Campingplatz. Wer die Zufahrt gemeistert hat, wendet sich erleichtert nach rechts, wo es nur drei Stellplätze gibt. Die anderen sechs Plätze plus ein Gruppenplatz befinden sich links – ohne Vierradantrieb eine echte Aufgabe. Der Eintritt in diesen Teil des Nationalparks sowie die Benutzung des Campgrounds (mit Plumpsklo, ohne Komfort und Wasser) sind kostenfrei, der Campingplatz kann nicht reserviert werden (first come – first serve). Am Aussichtspunkt gibt es einen Parkplatz und zwei Picknicktische, die Toilette wurde hier leider – wörtlich zu nehmen – vom Blitz erschlagen. Während der Sommermonate Juli bis September kommt es häufig zu heftigen Gewittern. Man sollte dann unbedingt den Schutz seines Fahrzeugs aufsuchen. Ein Problem der Abgeschiedenheit ist, dass es kein Wasser, Essen, Kraftstoff oder sonstige Hilfe gibt – auch keinen Telefonempfang. Mindestens ein funktionstüchtiges Ersatzrad muss man dabei haben – und es wechseln können.

Beim Herumgehen sollte man stets auf etablierten Trampelpfaden, auf Steinen oder in trockenen Bachbetten, den Washes, laufen, um nicht die sensible kryptobiologische Erde zu zerstören. Das gilt nicht nur für diesen Platz, sondern in überall in den Wüsten des Südwestens. Die komplexe Gemeinschaft aus Flechten, Algen und Bakterien benötigt Jahrzehnte, um zu wachsen. Erst dann wird sie als schwärzliche Kruste sichtbar. Ein einziger Fußtritt kann jahrelanges Wachstum zerstören. Die biologische Erdkruste verfestigt den Oberflächensand und schützt ihn so vor Erosion.

Der Grand Canyon ist natürlich immer ein besonderes Erlebnis. Aber er ist so breit und mächtig (im Durchschnitt 16 km), dass man ihn oft gar nicht als Schlucht wahrnimmt. Da die Wände meist terrassenförmig abfallen, kann man den Colorado River von oben nicht sehen. Man muss sich den Grand Canyon schon mühsam erwandern, um ihn wirklich erfahren zu können. An der Engstelle des Toroweap Point bekommt man einen guten Eindruck dieses Weltwunders. Die Steilwände fallen im 90°-Winkel ab, sodass man problemlos hinuntersehen kann. Lavageröll, das in das Flussbett gespült wurde, verursachte die größten und herausforderndsten Stromschnellen des Colorado und können vom Aussichtspunkt gesehen und gehört werden. Das Ganze gibt es sogar ohne körperliche Verausgabung. Obwohl man auch hier ein paar Wanderungen machen kann. Erwähnenswert ist vielleicht die Lava Falls Route für suizidbereite Kletterer. Die unmarkierte Route führt auf 2,4 km Länge 760 m tief zum Colorado River hinunter. Sie ist extrem steil, führt an gefährlichen Kanten entlang, über loses Lavageröll, das sich mitsamt Wanderer in die Tiefe aufmachen kann und ist im Sommer dank des schwarzen Gesteins, der Öffnung zur Südseite und der Abwesenheit von Wasser der ideale Platz, einen Hitzschlag zu erleiden. Im Sommer ist dieser Platz lebensgefährlich, sagt der Parkprospekt. Wahrscheinlich nicht nur dann. Ich bin vielleicht manchmal etwas verrückt, aber nee, nee, so verrückt nun doch nicht.

Lees Ferry, Arizona – Am Beginn des Grand Canyon

Donnerstag, Januar 20th, 2011

Lees Ferry war einmal auf 800 km der einzige Punkt, den Colorado River zu überqueren. Es war und ist auf lange Sicht hin die einzige Stelle, wo die endlosen hohen Canyonwände einmal durchbrochen sind, sodass man an den Fluss gelangt. Von 1873 bis 1928 nutzte man eine Fähre, den Fluss zu überqueren. Aber auch heute noch gibt es dort beim Ort Marble Canyon die einzige Brücke über den Colorado zwischen Glen Canyon bei Page und dem Hoover Dam bei Las Vegas. In Lees Ferry gibt es heute nicht mehr viel zu sehen: ein paar alte Häuser; Dampfkessel, die vom gescheiterten Versuch zeugen, Gold aus dem umgebenden Stein zu waschen. Von einer im Flachwasser gesunkenen Fähre ist heute ebenfalls nur noch der Dampfkessel zu entdecken, von nur ein, zwei Meter tiefem klarem Wasser bedeckt. Die Holzteile wurden bereits fortgespült.

Der Glen Canyon Dam hat mehr verändert als nur den Bootsverkehr nach Norden hin zu blockieren. Das Wasser des Colorado River war vor dem Dammbau saisonal temperiert und schlammig-rot. Anwohner sagten früher über den Fluss, er sei zu dick zum Trinken und zu dünn zum Pflügen. Das Wasser, das heute von menschlicher Hand geregelt dem Damm entweicht ist klargrün und mit 8° C gleichmäßig kühl. Viele Pflanzen- und Tierarten sind verschwunden oder bedroht, andere neue, wie z.B. Forellen, haben sich angesiedelt.

Heute ist Lees Ferry vor allem bekannt für die Raftingtouren durch den Grand Canyon, die durchweg dort starten. Selbst heute legen einige Boote ab. Privatpersonen müssen bis zu zehn Jahre auf eine Genehmigung warten, den Colorado durch den Grand Canyon zu fahren. Wählt man einen der etablierten Veranstalter, muss man horrendes Geld bezahlen und ebenfalls lange im Voraus buchen. Dennoch befahren jährlich rund 22.000 Passagiere den Fluss durch die berühmte Schlucht.

Wir wandern noch ein wenig durch die Gegend des Marble Canyon, wie er hier heißt, und der den Beginn des Grand Canyon markiert. Wer sich nicht scheut, einige Kilometer schlechten Feldweg zu fahren (hohe Bodenfreiheit reicht aus), kann einige Kilometer flussabwärts noch einmal in den Marble Canyon hineinschauen. Der Ten Mile Rock, ein kantiger Felsmonolith, steht mitten im Colorado Fluss. Die Rafter von heute Mittag sind mittlerweile hier angekommen und bestaunen das große Stück Stein. Wir schauen ihnen von ein paar hundert Meter weiter oben zu. Dann schlagen wir uns weiter nach Westen in eine sich prärieartig öffnende Ebene. Die Berge links verschwinden zusammen mit dem Colorado nach Süden. Rechts begleiten uns die roten Vermillion Cliffs noch eine Weile.

Seit einigen Jahren versucht der US Fish and Wildlife Service hier eine zweite freilebende Population des California Condors aufzubauen. Die einzige andere befindet sich in Südkalifornien. In den 80er Jahren waren die Vögel bis auf zwei Dutzend Exemplare fast ausgerottet. Kalifornische Kondore gehören zur Familie der Neuweltgeier, sind demzufolge Aasfresser, haben eine Flügelspannweite von bis zu drei Meter und ein Gesicht, das nur eine Mutter lieben kann. Manchmal kann man die imposanten Gleiter hier kreisen sehen, doch heute scheint kein Flugbetrieb zu herrschen.

Dann taucht vor uns plötzlich ein Massiv auf und die Straße führt höher und höher bis auf 2.500 m hinauf auf das Kaibab Plateau. Auf einmal gibt es Bäume. Zunächst die klassische Wüstenkombination Wacholder-Steinkiefer, dann sogar Tannen und Fichten, die bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im Schnee stehen. Bei Jacob Lake zweigt der Hwy # 67 nach Süden ab und führt zum wenig besuchten North Rim des Grand Canyon. Eigentlich wollten wir von der Nordseite her in den Grand Canyon hinunter und wieder hinauswandern, nachdem wir das vor ein paar Jahren auf der massiv touristischen Südseite bereits getan haben. Doch der North Rim schließt im Winter konsequent nach dem ersten Schnee und öffnet erst im Frühsommer wieder. Wir haben für morgen eine Alternative gefunden, die uns über das entgangene Erlebnis hinwegtrösten soll. Zunächst aber fahren wir aus den kalten Schneebergen ins Tal hinab, wo auf der rechten Seite Utah und die westlichen Bergausläufer des Grand Staircase – Escalante National Monument auftauchen.

Page, Arizona – Die Dicke der Eisschicht am Polarkreis

Mittwoch, Januar 19th, 2011

Wir bleiben heute am Horseshoe Bend des Colorado River, um einen Bürotag einzulegen. Zu viel muss aufgearbeitet werden. Jörg wird im Laufe des Tages und der Nacht mehrfach zum Flussknie laufen, um Fotos bei allen möglichen verschiedenen Sonnen- und Mondeinstrahlungen zu machen. Die ersten Touristen treffen ein, und auch der erste „fahrende Kühlschrank“ – so nennt man spaßeshalber die weißen Leihwohnmobile aus Plastik; mit Klimaanlage natürlich. Ein Deutscher, der in China lebt, und ein holländisches Pärchen. Und Amerikaner.

Wir Deutschen sind ja der Meinung, der Durchschnittsamerikaner ist dumm und ungebildet. Was ist schöner, als Vorurteile bestätigt zu sehen, obwohl wir natürlich alle wissen, dass sie nicht – oder nicht immer – der Wahrheit entsprechen. Eine junge Frau, die engagiert die Aufkleber studiert hat, die Arminius mittlerweile zieren, will wissen: „Ihr habt wirklich den Polarkreis überquert? Wie dick ist die Eisschicht dort?“ Wer sich nicht erinnern kann: Sucht im Reiselog auf der Homepage beim Kapitel Alaska im August 2010 das Bild von der Polarkreisüberquerung, wo wir in Shorts und Sonnentop stehen…

Page, Arizona – Die Antelope Canyons

Dienstag, Januar 18th, 2011

Bei optimalem Fotografierlicht finden wir uns am Vormittag an den Lower Antelope Canyons ein. Wir bezahlen pro Person 6 $ für die Tagesgenehmigung und 20 $ für den Führer. Die Tour durch den einen halben Kilometer langen Slot Canyon dauert eine bis eineinhalb Stunden, wird uns gesagt. Mit einer Spiegelreflexkamera und Stativ bekommt man hier ohne Aufpreis einen Fotografenpass für vier Stunden Aufenthaltsdauer und die Erlaubnis, ohne Guide zu gehen. Bezahlen muss man den Führer aber trotzdem. Die rot-orange Schlitzschlucht ist sehr schön, eng, verschlungen, gewunden, verwinkelt. Sie ist im Gegensatz zu früheren Jahren auch für unsportliche gut zu begehen. Diverse Leitern und Treppen wurden installiert, um anstrengende und schwierige Klettereien zu umgehen. Am Ende des Canyons gibt es sogar eine Notfallleiter aus dem Canyon hinaus. Zurückzuführen ist das leider auf ein trauriges Ereignis. 1997 ertanken elf überwiegend europäische Touristen im Canyon, als ein entferntes Gewitter eine Springflut verursachte. Zu allem Unglück war der damalige Guide aus Nevada, der das Wetter falsch eingeschätzt hatte, der einzige Überlebende.

Die Upper Antelope Canyons sind nur wenige Kilometer weiter. Der obere Canyon ist breiter, kürzer und gerade. Besucht man an einem Tag beide Canyons, zahlt man die Genehmigung nur einmal. Für die Upper Canyons werden noch einmal 25 $ fällig für den Transport vom Parkplatz zu den Schluchten (Privatfahrzeuge sind nicht zugelassen) und den Führer. Maximale Aufenthaltsdauer ist eine Stunde, das Licht ist am Mittag oder frühen Nachmittag gut. Für die Fotogenehmigung ohne Führer zahlt man nochmals Aufpreis. Wir bekommen zwar den Tipp, dass die Familie, die direkt in der Zufahrt zu den Upper Canyons steht, die Aktion für 20 statt 25 $ anbietet (zumindest jetzt im Winter) und dass diese mit geschlossenen SUV fährt. Die anderen Unternehmer transportieren ihre Gäste auf Bänken auf der Ladefläche von überdachten Pick-ups. In Page gibt es zahlreiche Agenturen, die Ausflüge zu den Antelope Canyons anbieten, aber das wird normalerweise noch teurer und man ist auf deren Abfahrtzeiten angewiesen.

Wir verzichten dennoch auf den Upper Canyon, da wir uns nicht sicher sind, ob er wirklich sein Eintrittsgeld wert ist (keine Frage, wenn man sonst keine anderen Canyons besucht). Wir haben schon einige der wundervollen Schlitzschluchten gesehen. Stattdessen gehen wir lieber noch einmal zum Horseshoe Bend des Colorado, um Fotos bei anderem Lichteinfall zu machen.

Grand Staircase – Escalante National Monument, Utah – Die weißen Geister

Montag, Januar 17th, 2011

Die weißen Steinsäulen sind so fragil, dass sie jahrelang versteckt wurden. Ihre Position wurde geheim gehalten, Fotografen gaben im Internet und in ihren Büchern nicht einmal den Namen preis, um nicht auf ihre Lage schließen zu lassen: die White Hoodoos of Wahweap Creek. Das führt dazu, dass findige Führer für unverschämte Gebühren Interessierte dorthin brachten. Das jedoch konnte nicht im Sinne des Bureau for Land Management sein. Die Hoodoos befinden sich auf Public Land, öffentlichem Land im Besitz aller Amerikaner. Damit ist es nicht in Ordnung, wenn sich Einzelne daran bereichern. Seit ein paar Jahren gibt das BLM die Position der Wahweap Hoodoos heraus zusammen mit einem Merkblatt über Verhaltensregeln an den zerbrechlichen Steinsäulen. Allerdings nicht freiwillig, sondern nur auf Anfrage.

Die Anfahrt ist dennoch nicht ganz einfach, da Hinweisschilder fehlen. Lediglich am Startpunkt des Fußmarsches steht ein schlichtes Schild. Dann folgen 16 Kilometer Wanderung (Hin- und Rückweg) durch ein Flussbett: Man läuft durch Sand, über Flusssteine und durchquert ein dutzend Mal einen der Flussarme, die sich durch das breite Bett ziehen. Die Belohnung ist überwältigend. Die strahlend weißen Hoodoos sind imposant, einige davon viele Meter riesig. Die Säulen, die das Glück haben, noch im Besitz ihres dunklen Deckels zu sein, werden noch einige Zeit überleben. Andere hatten weniger Fortune und schmelzen vor sich hin wie Eis in der Sonne. Die ganze Umgebung ist mit weißem Gipssand überdeckt. Eine der Säulen hat das Aussehen eines Elfekönigs, der seine Krone stolz auf dem hocherhobenen Kopf trägt und seine Robe um sich schlingt. Doch für alle hat der Verfall bereits begonnen, manche stehen so nahe an der Abbruchkante des Flussbetts, dass schon der nächste Regenfall sie wegspülen kann. Selbst bei noch so vorsichtiger Verhaltensweise lässt jeder Fußtritt, jede Handberührung ein paar Krümel herunterrieseln. So paradox es auch klingen mag: Jeder, der nicht hierher kommt, trägt zu deren Erhalt bei. Es regt sich ein schlechtes Gewissen in mir, und doch: an der weißen Wand dahinter entstehen bereits neue Hoodoos. Die Natur baut auf, die Natur zerstört.

Ein wenig verwirrend ist, dass es drei Gruppen von Hoodoos gibt: Von Süden kommend stehen in der ersten Ansammlung die größten Säulen. Die mittlere Gruppe besteht aus vielen kleineren Gnomen und die nördlichste birgt die elegantesten und anmutigsten Formen. In der Broschüre der Ranger ist nur von zwei Gruppen die Rede, der mittleren und der letzten. Die erste wird ignoriert, vielleicht weil sie so unübersehbar am Flussbett liegt, die anderen sind ein wenig hinter der Ecke versteckt.

Zu all diesen Wanderungen sei angemerkt, dass viele von ihnen einiges an körperlicher Fitness erfordern, z.B. die Fähigkeiten zu klettern und Kondition. Man läuft durch weichen Sand, über Berge, an ungesicherten Absätzen und Kanten entlang, durch Schlamm und Wasser. Gute Navigationsfähigkeiten und Orientierung sind auch manchmal gefragt. Es lauern Gefahren wie Klapperschlangen und in den Schlitzschluchten kann ein entfernter unerwarteter Regenguss (vor allem im Sommer) zu einer Springflut führen, in der man ertrinken kann, wenn man nicht schnell genug wieder aus dem Canyon herauskommt. Was bei den engen Schluchten mit mancher Kletterei zum echten Problem werden kann, vor allem wenn der Sandstein nass und glitschig wird. Sorgfältige Einschätzung des Wetterberichts ist vonnöten. Und nicht zu vergessen das Fahrzeug mit 4-Rad-Antrieb und Bodenfreiheit, ohne dass man meist nicht weiterkommt. Wer nicht das passende Vehikel hat oder seinen Navigations- oder Englischkenntnissen nicht traut, der kann in den umliegenden Orten geführte Touren buchen – für entsprechende Gebühr natürlich.

Vermillion Cliffs National Monument, Utah – Die längste Schlitzschlucht der Welt?

Sonntag, Januar 16th, 2011

Die andere große Attraktion dieser Gegend sind, neben den Coyote Buttes, die Paria River Canyons. Man kann diesem Wash fast 70 km bis nach Lees Ferry folgen, wo der Paria River in den Glen Canyon des Colorado mündet. Weite Teiles dieses Canyons sind Schlitzschluchten. Diese Mehrtageswanderung ist natürlich nur etwas für erfahrene Backpacker, und die tägliche Personenzahl ist ebenfalls begrenzt. Aufgrund der ungewöhnlich starken Regenfälle dieses Sommers führt der Paria River immer noch einen hohen Wasserstand und so sind die Canyons nicht begehbar. Der Ranger aus Kanab schlug uns eine Alternative vor. Vom gleichen Startpunkt wie zur Wave können wir durch die Slot Canyons des Wire Pass und anschließend des Buckskin Gulch laufen. Zwar kann man den Buckskin Gulch von einem anderen Parkplatz direkt erreichen, dann verpasst man den kurzen, aber charmanten Wire Pass.

Der Wash ist etwa 2,7 km lang, wovon nur der letzte Kilometer Slot Canyon ist, davor ist es einfach ein sandiges Flussbett. Die Schlucht hat mehrer Meter hohe Wände, hübsche Formen, birgt ein wenig Kletterei und ist stellenweise eng. Als Jörg einen gefrorenen Wasserfall fotografiert, ziehe ich mich hinter eine Ecke zurück, um meinen Morgenkaffee wegzubringen. Bevor ich mich in die Ecke hocke, sondiere ich gewohnheitsgemäß das Terrain und – oh Schreck – da liegt eine Klapperschlange, zusammengerollt, den Kopf auf den Körper gelegt. Zugegeben – es ist ein eher kleines Exemplar, fast noch ein Baby. Und das Beste daran: sie schläft. Sie ist mit offenen Augen auf kaltem Boden zum Winterschlaf erstarrt. (Was machen die eigentlich bei Springflut – können die schwimmen?) Aber sie ist dennoch eine Warnung. Immer wieder bekommen wir zu lesen, dass man sich in Slot Canyons vor Klapperschlangen in Acht nehmen soll. Wobei es natürlich mehr darum geht, die armen Kreaturen vor dem Menschen zu schützen. „Bitte stört keine Schlangen!“ Nee, würde mir im Traum nicht einfallen. Ich gehe hinter eine andere Ecke.

Der Wire Pass stößt dann auf den Buckskin Gulch. Dieser Slot Canyon ist insofern bemerkenswert, als dass er möglicherweise die längste Schlitzschlucht der Welt ist. Möglicherweise deshalb, weil es niemand so genau weiß – die Ranger nicht und auch nicht National Geographic, die eine Expedition hierhin ausgestattet hatten. Wie auch immer, 12 Meilen / 19 km sind eine beeindruckende Länge. Eine Meile liegt links, der Rest nach rechts, und so wenden wir uns zunächst dahin. Der Boden ist nass, überall stehen Tümpel, die zwar zugefroren sind, aber die Eisdecke trägt nicht mehr. Wir wursteln uns irgendwie außen rum, bis uns nach einigen Kilometern ein großer tiefer eisfreier Teich den Weg versperrt. Im Sommer watet man durch, aber im Winter ist das weniger lustig. Wir kehren um, um auch den oberen Teil, kürzeren Teil der Schlucht zu erkunden und wandern schließlich an der immer noch bewegungslosen Klapperschlange vorbei durch den Wire Pass zurück zum Auto.

Da wir heute Morgen wieder frühzeitig losgelaufen sind, ist es erst später Vormittag und es treffen weitere Tageswanderer ein. Ein junger Mann hat sich, ich traue meinen Augen kaum, eine Art kurzes kompaktes Surfbrett auf seinen Rucksack geschnallt. Welch pfiffige Idee. Er schwimmt auf seinem Brett einfach über die Tümpel. Wenn ich nicht schon wieder gute zehn Kilometer hinter mir hätte, würde ich ihn fragen ob er mich noch mal mitnimmt.

Kurz vor der Abfahrt kommt unser auskunftsfreudiger Ranger aus Kanab gefahren, um nach dem Rechten zu sehen, die Geldeinwurfbox zu leeren und zu kontrollieren, ob alle anwesenden Fahrzeuge die erforderlichen Genehmigungen besitzen. Für den Buckskin Gulch genügt es, sich zu registrieren und die Gebühren – 6 $ pro Teilnehmer – in einem dafür vorgesehenen Umschlag in die Kassette zu werfen. Wir plaudern noch ein wenig über unsere Wandererlebnisse, er erkundigt sich vorsichtshalber, ob wir den Weg zur Wave problemlos gefunden hätten, dann versichert er uns, dass wir heute Abend schon an unserem morgigen Wanderziel übernachten könnten.

Vorher aber fahren wir nach Old Paria, das nördlich des Hwy # 89 und damit wieder im Grand Staircase – Escalante National Monument liegt. Das BLM hat ein Warnschild aufgestellt, das 4-Rad-Antrieb und hohe Bodenfreiheit nahelegt, was wegen der momentanen Straßenschäden ernst zu nehmen ist. Von der historischen Stadt selbst ist nicht mehr übrig außer dem Friedhof. Paria war 1865 gegründet worden, musste aber schon fünf Jahre später wegen Querelen mit den Indianern am Paria Fluss stromaufwärts verlegt werden. Die veränderte Lage brachte dem Ort auch kein Glück. Noch bevor das neue Jahrhundert angebrochen war, zwang eine Springflut die Rancher und Farmer zur Aufgabe der Siedlung. Im letzten Jahrhundert diente der Platz als Filmkulisse für verherrlichende Westernfilme, u.a. mit Dean Martin. Der Clou aber sind zwei Picknicktische, die das BLM dort vor attraktiver Kulisse aufgestellt hat. Im Hintergrund bröckelt eine dunkelrote Deckschicht vor sich hin und gibt langsam die darunter vergrabenen, hunderte Meter hohen, versteinerten Sanddünen frei. Man hat das Gefühl, mit einem Riesenhandkehrbesen ein wenig nachhelfen zu müssen und die Bröckchen dazwischen zu entfernen. Die freigelegten Hügel haben das völlig verrückte Aussehen eines Streifenpullovers, den Oma aus Wollresten in sämtlichen Farben, die sie finden konnte, gestrickt hat.

Vermillion Cliffs National Monument, Utah + Arizona – Die Dauerwelle in Stein

Samstag, Januar 15th, 2011

Wir marschieren früh los, dem Rat eines netten erfahrenen Polizisten folgend, den wir im BLM Office in Kanab getroffen haben. Der Weg zu den mittlerweile berühmten North Coyote Buttes ist nicht etwa ein gekennzeichneter, gepflegter Wanderweg. Er ist nichts davon. Die Ranger haben ausdrücklich davor gewarnt, irgendwelchen Steinmännchen zu folgen, die manchmal auch von Wanderern aufgestellt werden, die sich verlaufen. Die Wegbeschreibung, die wir erhalten haben, enthält eine Karte, eine Textanleitung, Fotos von Landmarken, GPS-Daten und Kompasskurse. Das funktioniert recht gut, auch wenn nicht immer alle erwähnten Schilder und Kennzeichnungen vorhanden sind.

Das Wandern im Winter hat den Vorteil, dass es keine von den eher ungeliebten Tieren ganz ohne oder mit sehr vielen Beinen gibt: Klapperschlangen, Taranteln oder Skorpione sind typische Wüstenbewohner dieser Region. Obwohl sie natürlich nicht aggressiv sind, sondern wir sie mit unserer Unachtsamkeit provozieren, sollten alle, die zu wärmeren Jahreszeiten wandern, trotzdem lieber die Augen und Ohren offenhalten. Die kleinen, äußerst stachelbewehrten Kakteen, die überall in Utahs Wüstensand wachsen, wirken im Schnee so seltsam deplatziert. Eis und Schnee auf steilem Sandstein erfordern Aufmerksamkeit und gutes Schuhwerk. Meine Wanderschuhe „made in Germany“ haben noch lange keine 1000 km auf dem Tachometer und lösen sich gerade in ihre Bestandteile auf. Na toll – der nächste Schuhladen ist vermutlich Tage entfernt.

Die Zehn-Kilometer-Wanderung ist beschwerlich. Man läuft entweder durch weichen Sand oder klettert bergauf oder bergab über die Ausläufer eines Sandsteinhöhenzuges. Die reine Laufzeit ist mit drei bis vier Stunden angegeben, das kommt locker hin. Obwohl wir insgesamt über sechs Stunden hier verbringen werden. Wir können uns nicht satt sehen, und hunderte von Fotos entstehen. Aber eigentlich sollte man 100 Kilometer laufen müssen, um es sich verdient zu haben, das zu sehen: Die North Coyote Buttes sind bizarr geformte Sandsteinkuppeln und -dome, die von dünnen, parallel verlaufenden Streifen in Weiß, Rot, Gelb, Rosa, Purpur und Kastanienbraun überzogen sind. Zu Zeiten, als Dinosaurier diese Gegend unsicher machten, waren dies Sanddünen. Sie wurden im Laufe der Geschichte von einer weiteren Lage Sediment bedeckt und versteinerten unter diesem Gewicht. Als sich das Colorado Plateau zu heben begann, wurde die jüngere Gesteinsschicht wieder abgetragen und die steinernen Dünen freigelegt. Erosion tat ihr Übriges und Mineralien sind für die grellbunten Streifen verantwortlich.

Der Höhepunkt der Wanderung ist ein künstlerisches Meisterwerk, das die Natur an dieser Stelle geschaffen hat. In wildesten und doch ganz weichen Formen hat sich ein Tal zwischen einigen Domen gebildet, mal breiter, mal enger, und die Streifen im Stein wirbeln und winden sich von einer Kuppe durch die Vertiefung den nächsten Hügel meterweit wieder hoch. Dieser einmaligen Formation wurde der Name The Wave, die Welle, verliehen. Hier wird auch schnell deutlich, warum die tägliche Personenzahl begrenzt wurde. Alle Wanderer laufen natürlich in der Wave herum. Sandstein ist weich, und schon zeichnen sich menschliche Trampelpfade ab. Außerdem würde fotografieren zur Herausforderung. Wir sind heute Morgen als erste da und haben nicht nur den Vorteil der leuchtenden Farben, die im Laufe des Tages verblassen. Als später noch rund 14 weitere Wanderer eintreffen, werden Bilder ohne Menschen nahezu unmöglich.

Wir warten einfach, bis alle wieder gegangen sind, bevor wir uns auf den Rückweg machen. Nach einem Viertel der Strecke überqueren wir wieder die imaginäre Linie zwischen Arizona und Utah. Wenig später kommt aus einem Seitental ein japanisches Pärchen gekrochen, Schweißperlen auf der Stirn und völlig ausgelaugt. Sie haben sich verlaufen und finden den Weg nicht. Zugegeben, es gibt eine kritische Stelle. Und anscheinend hat das Straßennavigationsgerät, das der Mann in der Hand hält, nichts zur Verbesserung der Lage beigetragen. Die Dinger sind prima zum Autofahren, aber zum Wandern unpraktisch. Man stelle sich nur vor, Lissy würde andauernd drängen: „Drehen Sie wenn möglich um!“

Ein paar Mal schon ist mir aufgefallen, dass Japaner beim Wandern eher wie bei einem Sonntagsausflug aussehen. Funktionsbekleidung ist selten, und vor allem die Frauen machen sich fein: schickes Mäntelchen, hübscher Pullover, unpraktische Schuhe. Das Beste, das ich zu Gesicht bekommen habe, sind Turnschuhe. Auf steilem, mit Eis überzogenem Sandstein nicht gerade erste Wahl.

Für die Fahrt vom Highway #89 auf der House Rock Valley Road bis zum Wanderparkplatz Wire Pass Trailhead empfiehlt das BLM 4-Rad-Antrieb.

 

Grand Staircase – Escalante National Monument, Utah – Garten der Giftpilze

Freitag, Januar 14th, 2011

Pünktlich um 8:45 Uhr stehen wir wie gefordert im BLM Field Office in Kanab. Wir füllen ein Antragsformular aus, und um Punkt 9 Uhr findet die Verlosung der Wildnis-Permits statt. Die Paria Wilderness ist ein schmales hufeisenförmiges Gebiet, das einen Teil des Paria Flusses und den Marble Canyon schützt, der den Beginn des Grand Canyon markiert. Die Paria Wilderness liegt auf der Grenze von Utah und Arizona, umschließt das Vermillion Cliffs National Monument in seiner Mitte und grenzt an den Südrand von Grand Staircase – Escalante National Monument. Wie dieses werden Paria und Vermillion Cliffs vom Bureau for Land Management bewirtschaftet. Diese Naturschutzgebiete sind erst in den letzten zehn Jahren bekannt geworden, aber doch schon so populär, dass es strenge Zugangsregeln gibt. Zu den North Coyote Buttes und den South Coyote Buttes werden täglich nur maximal je 20 Personen zugelassen. Die Hälfte der Genehmigungen werden vier Monate im Voraus per Internet verlost; die Chancen für den attraktiveren Nordbereich liegen in der Saison bei zehn Prozent. Die anderen zehn Plätze werden um 9 Uhr des Vortages unter allen persönlich anwesenden Bewerbern verlost, freitags für Samstag, Sonntag und Montag. Im Sommer ist das Aufgabe der jetzt geschlossenen Paria Contact Station direkt am Schutzgebiet, im Winter des Büros in Kanab. Deshalb sind wir hier.

Wir sind ein wenig unruhig, da mehr Wanderer da sind als erwartet. Die meisten von Ihnen hatten für 5 $ Einsatz an der Internetlotterie teilgenommen und holen sich ihre Ausweise ab. Am Ende bleiben nur sechs Interessenten für drei Tage. Jeder bezahlt, wie auch die Internetgewinner, seine 7 $ Gebühr pro Person, erhält die Permit für das Wunschdatum und eine recht genaue Wegbeschreibung. Die Antragsprozeduren und Gebühren variieren immer wieder, daher sollte man sich rechtzeitig erkundigen.

Der zweite Grund, warum wir hierher gekommen sind, ist, Informationen zu sammeln. Es gibt weitere, eher unbekannte Naturschönheiten in der Gegend, aber wir benötigen genauere Angaben. Die aus dem Ranger zu locken dauert eine geschlagene Stunde. Erst wird ein wenig gescherzt, dann müssen wir die Ernsthaftigkeit unseres Ansinnens glaubhaft machen und mit unserem recherchierten Wissen in Vorlage treten, bevor der Ranger uns erzählt, was wir wissen wollen und noch viel mehr. Das Problem ist, man muss genau wissen, wonach man fragt, sonst spuckt die Informationsmaschine nichts aus. Die meisten Reisenden haben kaum Zeit. Amerikaner mit ihrem begrenzten Jahresurlaub (meist nur zwei Wochen) nicht, die Zwei- oder Drei-Wochen-Touristen aus Europa auch nicht. Es ist also vergebene Mühe, die Wanderer mit überflüssigen Informationen zu füttern. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in einem Nationalpark beträgt 20 min. Im Durchschnitt! Da es ja durchaus ein paar ernsthafte Wanderer gibt, die Stunden oder Tage zubringen, muss der Großteil der Touristen den Parkbesuch in maximal fünf Minuten abarbeiten. Rein, zum ersten Aussichtspunkt, Foto machen, abhaken: dagewesen. Viele ältere Ranger sind aber ein wahrer Wissensquell. Und so marschieren wir mit mindestens einem Wochenprogramm aus dem Büro. Wir haben sogar die Erlaubnis erhalten, auf den Wanderparkplätzen zu übernachten, was offiziell nicht gestattet ist.

Wir machen uns sofort an die Arbeit und fahren zu den Toadstools, die auf dem Gebiet von Grand Staircase – Escalante liegen. Hoodoos gibt es in verschiedenen Formen, wobei immer eine weichere Steinsäule von einer härteren Deckschicht vor Erosion geschützt wird. In diesem Fall wird der fragile Sandstein von einer dunklen schroffen Platte bedeckt. Mit etwas Glück bleibt die Deckscheibe auf der dahinschrumpfenden Säule liegen, was ihnen den treffenden Namen Toadstools – Giftpilze, eingebracht hat. Leider klappt das mit dem Liegenbleiben nicht immer und der Deckel fällt ab und zerschellt – es liegen ganze Trümmerfelder zwischen geschmolzenen Sandhaufen. Zu meinem Entzücken gibt es die Schwammerl erst in rot und dann in weiß, auch wenn letztere nicht einfach zu finden sind. Die Infobroschüre enthält in diesem Fall keine Wegbeschreibung, die Karte ist grob, und andere menschliche Fußabdrücke (die Katzenpfoten der hier anscheinend zahlreichen Luchse helfen nicht) führen suchend in alle Richtungen. Aus diesem Grund, aber auch um genügend Zeit für Fotos und Staunen zu haben, sollte man zwei Stunden für die nur fünf Kilometer lange Wanderung einplanen.

Page, Arizona – Beamtenneugier

Donnerstag, Januar 13th, 2011

Nach dem Passieren des uns bereits bekannten Cortez und dem Four Corners Monument betreten wir wieder Neuland. Auf Hwy # 160 fahren wir erstmalig richtig nach Arizona hinein in das ausgedehnte Reservat der Navajo und Hopi Indianer. Bei jedem „Grenzübertritt“ von einem US-Staat in den anderen müssen kommerzielle Trucks eine Wiegestation anfahren. Zu unserer Überraschung winkt uns der Beamte heraus. Ob er denkt wir seien ein Liefer-Lkw oder ob es sich um reine Neugier handelt, weiß nur der große Manitu. „Was habt ihr da für ein Fahrzeug?“, will er wissen. „Einen Camper.“ Er möchte hineinsehen, also schließt Jörg die Kabinentür auf. “Wow, ist das schön. Was macht Ihr so? Studien?“ „Wir reisen und schreiben darüber.“ „Über Natur? Über Tiere?“, fragt der Navajo. „Ja, auch.“ Einem Geistesblitz folgend meint er: „Und über Leute in Arizona, die Euch anhalten?“ „Genau.“

Wir fahren weiter, ohne dass Fahrzeugpapiere, Pässe oder die Waage zum Einsatz gekommen wären. Es war wohl doch mehr Neugier. Die Quecksilbersäule nähert sich von unten dem Nullpunkt und klettert schließlich darüber hinaus. Die Dicke der Schneedecke verhält sich umgekehrt proportional zum Temperaturanstieg. Ein Schild weist nach Süden zum Canyon de Chelly. Der sehr lohnenswerte Abstecher führt zu einem bis zu 300 m tiefen Canyon mit ebenem, grün bewachsenem Boden, der seit Urzeiten landwirtschaftlich genutzt wird. Es gibt eine schöne Panoramastraße und eine Wanderung in die Nähe von Cliff Dwellings, einer Klippensiedlung. Später fahren wir am Navajo National Monument vorbei, wo es Steinformationen und weitere Felsenwohnungen zu bewundern gibt. Wir überspringen beide Ziele, da wir sie schon auf einer früheren Reise besucht haben.

In Page, Arizona, hat es 10° plus und der Schnee ist rotem Sand gewichen. Fünf Kilometer östlich der Stadt befinden sich zwei bekannte Schlitzschluchten, die wir besuchen möchten. Dafür ist es heute zu spät, das Licht ist am Morgen besser, aber aus einem Instinkt heraus wollen wir uns lieber vorab erkundigen. An den Upper Antelope Canyons ist schon mal niemand, dafür findet sich an den Lower Antelope Canyons auskunftsfähiges Personal. Die Indianer halten die Schluchten für eine einträgliche Einnahmequelle, ohne Führer und saftigem Eintrittsgeld kommt keiner hinein. Die Jungs wollen halt auch leben. Was wirklich stört ist das hässliche Kraftwerk mit ungesund gelb rauchenden Schloten, das genau an den Zugängen zu den Canyons steht. Angesichts des Glen Canyon Staudamms nur wenige Kilometer entfernt, der massenhaft Strom produziert, ist die Existenzberechtigung der Smogschleuder fraglich. Der Damm jedoch befindet sich bereits, wie die Stadt Page auch, auf Staatsland außerhalb des Reservats.

Völlig kostenfrei ist der Besuch des Horseshoe Bend des Colorado River unmittelbar südlich von Page auf Reservatsgebiet. Dieses vielleicht schönste Flussknie des grünen Colorado ist auf einem nur 800 m langen Weg (Einweg) zu erreichen. Fürs Foto muss man dann aber doch auf dem Bauch an die Felskante kriechen. Ein Stück nördlich kann man von einem Aussichtspunkt den Glen Canyon Dam, einen der großen Staudämme des Lake Powell, eingekeilt in die Schlucht des Colorado River, in voller Größe bestaunen und fotografieren. Am Ende des Tages werden wir dann doch wieder – ungeplant – in Utah, und zwar in der Stadt Kanab landen. Im Anschluss and den Staudammaussichtspunkt sind wir noch in das Besucherzentrum des Damms gefahren, das man unter dem Namen Carl Hayden Visitor Center findet. Es liegt unmittelbar hinter der Brücke über den Glen Canyon, die neben dem Damm verläuft. Damit entfallen aufwändige Polizeikontrollen wegen der Dammsicherheit. In der Touristeninformation gibt es reichlich Anschauungsmaterial über Lake Powell und die Funktionsweise der Staudämme. Auch Touren in den Glen Canyon Damm kann man hier buchen, aber leider ist es schon kurz vor Feierabend. Dafür bestätigt eine Rangerin, was ich schon befürchtet habe: Die einzige Möglichkeit, eine der wenigen begehrten Zugangsgenehmigungen für die Paria Wilderness zu erhalten, ist, persönlich ins BLM Field Office nach Kanab zu fahren. Da dieses am Wochenende geschlossen ist, müssen wir gleich losfahren, um am morgigen Freitag Früh dort zu sein. Ich ärgere mich zwar über die zusätzlichen 120 km (Hinweg), dafür ist es die Strecke auf dem Hwy #89 wert. Zunächst fahren wir an den schlängelnden canyonartigen Ausläufern des Lake Powell vorbei. Die Südseite des Grand Staircase – Escalante National Monument bezirzt uns wieder mir ihrer Vielseitigkeit. Diesmal sind es weiß und dunkelrot gestreifte Klippen, im Hinterland lugen hohe schneebedeckte Berge.

Aus unerfindlichen Gründen sind die Abendstunden hier dramatisch schön und unendlich lang, die Lichtstimmung macht sprachlos. Der Sonnenuntergang taucht Wolken, Felswände und Asphaltdecke in signaloranges Licht. Später entzündet sich am Horizont eine große tiefrote Ellipse genau da, wo die Sonne eine Stunde zuvor verschwunden ist. Das sind Momente, in denen ich weiß, warum ich reise.

Cortez, Colorado – Der kopflose Hahn namens Mike

Mittwoch, Januar 12th, 2011

Ein kopfloses Huhn hat die Stadt Fruita in Colorado bekannt gemacht. Das Federvieh überlebte seine eigene Köpfung um 18 Monate. Makaber auf jeden Fall, grausam vielleicht, aber beileibe kein Scherz. Der Hahn wurde sogar berühmt und reiste im ganzen Land umher. Die Schlachtung des Abendessens an einem Herbsttag 1945 war wohl nicht ganz so exakt gelaufen wie geplant. Bei der Enthauptung war der Großteil des Stammhirns erhalten geblieben um die wichtigsten Körperfunktionen wie Herzschlag, Atmung und Verdauung sicherzustellen. Der Hahn namens Mike lief sogar herum, er wusste ja nicht, dass er keinen Kopf mehr hat. Gefüttert wurde er mit einer Pipette. Nach seinem Tod führte die Universität von Utah in Salt Lake City eine Autopsie des Hahns durch und bestätigte seine Echtheit.

Ein Denkmal für Mike the headless chicken steht schräg gegenüber von Joshuas neuem Projekt. Zusammen mit einem Freund baut er ein „Theater“. Die Veranstaltungsbühne soll lokalen Künstlern aller Art ein Forum bieten – ob Musik, Lesung oder Performance. Damit wollen die Freunde Leben und Umsatz in die veraltete und verwaiste Innenstadt bringen. Ein ehrgeiziges, idealistisches und schönes Vorhaben. Dann wird es Zeit, auch Josh auf Wiedersehen zu sagen, der uns heroisch zwei Wochen lang vor seinem Haus und in seiner Werkstatt ertragen hat. Dafür wird ein Teil seiner Arbeit uns auf unserer Reise begleiten. Vor dem Postamt, wo ich einen Brief aufgebe, ruft ein Mann begeistert: „Leute, ich sehe Euch schon seit einem Monat in der Stadt. Was macht Ihr hier?“ Wie wahr, wie wahr. Er arbeite beim Landesverkehrsamt und könne uns in sämtliche Tunnel der Umgebung führen. Schöne Idee, aber danke. Wir drücken auf den Startknopf.

Da wir die Gegend schon in- und auswendig kennen, ist es gar nicht so einfach, eine Strecke zu finden, die wir noch nicht gefahren sind. Doch es gibt sie, jedenfalls in Teilen. Hwy #50 und #550 führen uns über Montrose nach Ridgway, und #62 über die 2.735 m hohe Dallas Divide. Noch einmal überqueren wir die San Juan Mountains Teil der Rocky Mountains. Highway #145 läuft fast parallel zum Million-Dollar-Highway, den wir vor Wochen begeistert befahren haben. Der Lizard Head Pass, 3.116 m hoch, fasziniert uns ähnlich. Eine dicke wattige Schneeschicht, die im Sonnenschein in sämtlichen Spektralfarben glitzert, bedeckt das Alpenpanorama. Die Straße ist trocken, und der an den Rand geschobene Schnee hat fast noch die gleiche Farbe wie die, in der er vom Himmel gefallen ist. Ein paar Schneemobilfahrer düsen fröhlich durchs Winterweiß. Bei -3° C streift ein schon fast frühlingshaft mildes Lüftchen unsere Gesichter. Habe ich neulich von Strand und Palmen geschrieben? Vergesst das. Die Tropen sind in ein paar Monaten auch noch da. Dieser Wintertag aber bleibt im Gedächtnis.

Zu Abend finden wir uns auf dem Rastplatz kurz vor Mesa Verde Nationalpark ein, wo vor exakt zwei Monaten, am 12. November, ein Officer der Highway Patrol uns das Übernachten gestattet hat. Warum sollte das für heute nicht auch gelten?

Fruita, Colorado – Fertig zur Abfahrt

Dienstag, Januar 11th, 2011

Die perfekt zugeschnittene, verschweißte und mittlerweile lackierte Montageplatte wird samt der Seilwinde endgültig angebaut. Auch alle anderen Verbesserungs- und Verschönerungsarbeiten bringen wir zum Abschluss. (Ich bekomme einen Kaffeetassenhalter an die Wand neben meinem Bett, damit ich morgens meinen ersten Kaffee im Bett trinken kann. Ich weiß das ist Luxus.) Wir bereiten uns ein schönes deutsches Sonntagsessen zu – Wiener Schnitzel (Kalb, natürlich) mit Kartoffelsalat, damit wir morgen gut gerüstet und gestärkt neue Abenteuer angehen können.