Macas, Ecuador – Die Rettung

Dezember 13th, 2011

Galo lockte uns nach Macas, aber nun sind wir etwas verloren. Galo, den wir mit seiner Reisegruppe unterwegs in Ecuador kennenlernten, und seine texanische Frau verspäten sich um einen Tag wegen eines verschobenen Fluges. Die ruhige Schotterstraße vor deren Grundstück, auf der wir stehen, hat sich unversehens in die Ortsumgehungsstraße verwandelt und produziert mehr Staub, als wir unserem Kabineninnern zumuten wollen. Und als der Naturführer und RhoAnn, die Reiseunternehmerin, endlich eintreffen, sind uns die Ausflüge zu teuer. 100 $ für zwei für einen Tagesausflug in ein Naturreservat der hiesigen Shoar-Indianer sind uns einfach zu viel. Dabei hätten wir weder die Kultur der Shoar noch deren Schrumpfkopfherstellung – wofür sie berüchtigt waren – zu sehen bekommen. Touristengerecht aufbereitete Kostümierung und einstudierte Tänze werden nur bei mehrtätigen Aufenthalten präsentiert.

Doch Rettung naht schon, in Form von Peter. Der deutsche Rentner mit der jungen ecuadorianischen Frau und seiner Tochter, einem versteckten Grundstück mitten im Grünen und Swimmingpool adoptiert uns. Und so wird aus nur einer geplanten Übernachtung in Macas mal wieder ein längerer Aufenthalt.

Macas, Ecuador – Ab an den Amazonas

Dezember 12th, 2011

Das Amazonasbecken: riesiges Waldgebiet, grüne Lunge unseres Planten, unzugänglicher Dschungel, eines der wenigen nur ansatzweise erforschten Gebiete der Erde. Auch Ecuador hat seinen Anteil am Amazonas – mit über 100.000 km2 immerhin mehr als ein Drittel der Landesfläche. Wir werden im späteren Verlauf unserer Reise, in Brasilien, noch viel vom Amazonas zu sehen bekommen. Doch wollen wir ihn in Ecuador zumindest „ankratzen“, um alle drei Landschaftsformen – die Küstenregion, den Andengürtel und das Amazonasbecken – abzudecken. Das Innere des Dschungels ist hier wie auch in Kolumbien nur mit Kleinflugzeugen und Booten zu erforschen.

Von Baños aus durchschneidet die tiefe Schlucht des Pastaza-Flusses die Ostkordilliere und führt gemächlich hinunter die die Tiefebene. Ruta de las Cascadas wird die Straße genannt der es an landschaftlicher Dramatik nicht mangelt. Wie der Name schon andeutet, reiht sich hier ein Wasserfall an den anderen. Der gewaltigste ist der El Pailón del Diablo. Eine mächtige Wassermasse ergießt sich in einen engen Topf, bevor die Fluten ihren Ausweg finden um schließlich in den Pastaza-Fluss abzubiegen. Bester Aussichtspunkt ist eine schaukelnde Hängebrücke. Aber ganz ehrlich: Es gibt eine ganze Menge Wasserfälle auf unserer Erde, die höher sind oder mehr Wasser ausspeien. Für 1,50 $ ist der zwei Kilometer lange Wanderweg mit hohen Stufen zumindest eine erbauliche Leibesübung.

Ganz in der Nähe gibt es mehrere Seilbahnen, mit denen man sich in korbförmigen Gondeln über den Rio de Pastaza chauffieren lassen kann. Mit denen verfahren wir genauso wie mit den anderen Touristenspektakeln in Baños, den vielbesuchten Thermalbädern (vorher nach den Reinigungstagen erkundigen!) oder den Bungeejumpern an der dortigen San-Francisco-Brücke: Wie schlagen einen weiten Bogen darum. Derweil sinkt die Straße immer tiefer, bis sie in Puyo das Andenhochland verlassen hat. Wir setzen unseren Weg nach Süden fort bis Macas. Denn diesem touristisch noch etwas verschlafenen Städtchen eilt der Ruf voraus, „sauber“ zu sein. Sauber bedeutet in dem Fall, frei von Erdölbohrungen, Auffangbecken, Pipelines und deren schmutzige, zutiefst umweltschädliche Konsequenzen.

Erdöl ist einer der großen Wirtschaftsfaktoren Ecuadors: Mittlerweile macht es 60 % des gesamten Exportvolumen aus. Der größte Teil der Reserven liegt ausgerechnet im Amazonasgebiet, dem unzugänglichen Dschungel, der geologische Forschungen dieser Art nicht gerade erleichtert. Derzeit wird die tägliche Fördermenge von 500.000 Barrel über eine Pipeline aus dem Urwald über die Gebirge bis in den Pazifikhafen Esmeraldas gepumpt. Die ersten Probebohrungen führte Texaco bereits 1963 durch – damals noch auf Schusters Rappen durch die unwirtliche moskitoverseuchte Gegend. Um Rentabilität zu gewährleisten, verwenden die Ölkonzerne billige, alte Technologie und schränken Wartungsarbeiten auf ein Minimum ein. Undichte Ölleitungen und Rohölbecken verseuchen das Grundwasser. Noch schlimmer sind die Kloaken aus Bohrabfällen: Bohrschlämme, Salze, Säuren und Laugen werden bei Regen überflutet und verteilen sich großzügig in die Natur. Folgen bleiben nicht aus. Weitere Ausbeutung der Ölreserven, die nur auf 20 Jahre Dauer geschätzt werden, ist geplant.

Baños, Ecuador – Asche, Rauch und Wolken

Dezember 11th, 2011

Der Vulkan Tungurahua erhält von uns noch einmal zwei Tage Zeit, Aktivität zu zeigen. Das Wetter ist perfekt, auch wenn zum Sonnenuntergang meist Wolken herein ziehen. Aber so zwischen zwei und fünf Uhr morgens lichtet es sich meist, verrät uns ein Anwohner. Stimmt. Auch tagsüber bleibt es heute klar, doch zeigt der Vulkan nur mäßige Aktivität. Ab und an entweichen giftige gelbe Puffwölkchen, ansonsten produziert er große Mengen weißen Wasserdampfs, der sich mit vorbeiziehenden Wolken vereint und sich bei abnehmender Temperatur in den Abendstunden wie ein weißes Toupet über den Krater legt. Während die Bewohner von Baños noch die Asche von den Straßen fegen, die ihnen der Tungurahua in den vergangenen zwei Wochen auf Hausdächer und in die Bäume gepustet hat, legt der Vulkan eine Feuerpause ein und beschränkt sich auf Qualm.

Wir stehen erneut auf dem Hügel Las Antenas, diesmal beim Restaurant Ojos del Volcan auf dem Grünstreifen in der Kurve. Der Besitzer lud uns vor ein paar Tagen bei unserem letzten Besuch ein, hier zu kampieren. Wir essen bei ihm eine gut Magen füllende Portion gebackener Forelle mit Reis, Kartoffeln und frittierten Kochbananen zum fairen Preis. Das Essen ist bis auf eine Tomatenscheibe mit marinierten Zwiebelchen gemüsefrei, so wie es Ecuadorianer am liebsten haben. Dafür spendieren uns Rogelio und seine Frau („Elisabeth Taylor“ nennt er sie auch nach Jahren der Ehe noch, auch wenn der Vergleich abgesehen von der Haarfarbe geringfügig hinkt) einen heißen Canelazo. Das ist eine Art ecuadorianischer Grog aus Fruchtsaft oder wie hier aus heißem Zuckerrohrsaft mit Schnaps (dessen Gehalt wir freundlicherweise selbst bestimmen dürfen). Sehr wärmend.

Tags reichen sie uns immer wieder selbstgemachten Brombeersaft oder Früchte aus Eigenbau zum Kabinefenster herein. Das Restaurant mit ungehindertem Vulkanblick öffnet nur nach Bedarf, Anmeldung ist daher sinnvoll (Rogelio Bastidas mobil 092977530, Elisabeth 095776781, beide Spanisch, S 01°22’57.4’’ W 78°26’03.1’’). Die Zufahrtstraße ist offiziell nicht für Lkw zugelassen, als wichtiger Evakuierungsweg aber in gutem Zustand und für Fahrzeuge bis 4 m Höhe befahrbar. Die Serpentinenstraße ist eng und steil mit kaum Verkehr, der Stellplatz am Restaurant groß für mehrere Fahrzeuge.

Baños, Ecuador – Gulasch am Wasserfall

Dezember 9th, 2011

So leicht kommt uns der Vulkan nicht davon. Wir entschließen uns, erst einmal für weitere Bilder in Baños zu bleiben. Für heute Nacht wechseln wir allerdings den Standort. Im Nebendorf Ulba besitzen die beiden Deutschen Regine und Dietrich seit vielen Jahren die Hosteria Finca Chamanapamba mit dem Restaurant Regine’s Café Alemán. Idyllisch gelegen in einem subtropischen Garten mit Kolibris und wunderschönem Wasserfall fühlt man sich hier wie in einer andern Welt. Es gibt genügend Platz, ein Campingfahrzeug abzustellen. Das Highlight aber ist das Restaurant. Zu moderaten Preisen gibt es Ungarisches Gulasch, Steaks und Schokoladenkuchen bei traumhafter Aussicht und origineller Architektur: www.chamanapamba.com, Tel. in Ecuador 03-2742671, S 01°24’02.9’’ W 78°23’58.4’’.

Baños, Ecuador – Der Tungurahua rülpst

Dezember 8th, 2011

Eine hunderte Meter hohe Rauchfahne entweicht seinem Schlund. Dicker Qualm steigt in die Atmosphäre auf. Mit gemischten Gefühlen betrachten wir den außerordentlich aktiven Tungurahua, wähnen uns aber relativ sicher auf der anderen Seite der tiefen Pastaza-Schlucht, die uns nicht nur einen hervorragenden Beobachtungsposten sichert, sondern hoffentlich ausreichenden Abstand zwischen uns und den Vulkan bringt. Nur für den Fall, dass… Der 5.016 m hohe Tungurahua gehört zu den aktiven Vulkanen Ecuadors. Sein gewalttätigster Ausbruch erfolgte 1777, doch auch in jüngster Vergangenheit machte er von sich reden: 1999 wurde der Ort Baños für mehrere Monate zwangsevakuiert, und 2006, 2007 und 2008 wurden bei Ausbrüchen einige Dörfer am Fuß des Vulkans von heißen Schlamm- und Gerölllawinen überrollt. Erst seit einigen Tagen macht der Tungurahua wieder von sich reden. Außer Rauch spuckt er gelegentlich Lava und glühendes Geröll in die Luft, was nachts bei wolkenfreiem Himmel zu sehen sein soll.

Auf dem Weg nach Baños passieren wir Pelileo, das Zentrum der ecuadorianischen Jeansproduktion. Für Herren bekommt man perfekt imitierte Markenjeans mit „Original“-Label für konkurrenzlose 10 $. Die Damenkollektion spiegelt leider ausschließlich das wider, was modebewusste südamerikanische Frauen tragen. Wer durch diesen Kontinent reist, wird die Erfindung der Leggings als optische Belästigung verfluchen. Mit Lycra verstärkte fußlose Strumpfhosen umfassen gnadenlos die in den meisten Fällen ausladenden Hinterteile der weiblichen Hälfte des südlichen Kontinents. Mit kurzen T-Shirts und Blusen wird sichergestellt, dass nichts davon unnötig verdeckt wird. Ein Paar Highheels oder Stiefel dazu sind natürlich ein Muss. Nein, ich kaufe keine Hosen.

Das mit der Sicht auf den Vulkan ist auch so eine Sache. Die heiße, mittlerweile schneefreie Spitze ist stets umgeben von Wolken, die sich an ihm verfangen oder Wasserdampf, den er selbst produziert. Nach unserer Wanderung am Chimborazo fahren wir nach Baños, dem Städtchen zu Füßen des Vulkans Tungurahua, dem ecuadorianischen Paradies für Rucksackreisende. Wir kommen weniger wegen des bunten Treibens hierher als wegen der Fotos, die wir zu ergattern hoffen. Die Touristeninformation an der Basilika in der Ortsmitte verteilt Stadtpläne und Informationen zu den Aussichtspunkten. Am nahesten dran ist man an der Casa del Arból mitten auf dem Berg. Irgendwie finden wir es für Fotos zunächst nicht optimal hier und außerdem steckt man schon in den Vulkan-Wolken drin. Auf der anderen Seite des tiefen Flusstals, in der Sicherheitszone, fahren wir stattdessen auf den Berg Las Antenas auf 2.600 m Höhe. Die Straße ist neu gepflastert, hat aber einige sehr steile und enge Serpentinen – mit Fahrzeugen länger als ca. 8 m könnte es schwieriger werden.

Am Mirador Ojos del Volcán gibt es ein Restaurant (nicht täglich geöffnet) und in der Spitzkehre eine Art Parkstreifen auf dem Gras. Das Dorf scheint wie ausgestorben, und erst nach längerer Suche entdecke ich einen Bewohner, der sofort anbietet, dass wir stattdessen auf seinem Grundstück stehen bleiben. Der Mann muss nur das Volleyballnetz auf dem Platz entfernen, damit Arminius hier parken kann (S 01°23’02.1’’ W 78°26’14.1’’). Die Sicht auf das Ungeheuer ist perfekt. Gnädig zeigt er sich uns einmalig kurz für wenige Minuten zwischen umherwabernden Nebelschwaden. Zu sehen bekommen wir ihn in der Nacht nicht wieder, aber zu hören. Mitten in die Dunkelheit entlässt der Vulkan einen lauten Rülpser, eine Drohung, ein Donnern wie von einem mächtigen Feuerwerk, dann kehrt wieder Ruhe ein.

Parque Nacional Chimborazo, Ecuador – Die 5000er-Marke geknackt

Dezember 8th, 2011

Schwer schnaufe ich bei jedem Schritt. Lächerliche 900 m sind zu gehen und dabei 200 Höhenmeter zu überwinden. Ein Klacks – wenn wir uns nicht in 5.000 m Höhe befinden würden. Der Vulkan Chimborazo, der vor etwa 5 Mio. Jahren zum letzten Mal ausgebrochen ist, bietet eine der selten Gelegenheiten für Nicht-Bergsteiger, in diese Höhen zu gelangen. Vom Refugio Hermanos Carrel, der unteres Schutzhütte, steigt man durch tiefen Schnee zum Refugio Edward Whymper auf ziemlich genau 5.000 m auf (S 01°28’21.9’’ W 78°50’18.9’’). Hier bekommt man kleine „Beweis-Aufkleber“ für einen Dollar das Stück. Der einsame Hüttenwart bedankt sich überschwänglich, wenn man ihm etwas von seiner original ecuadorianischen Schokolade oder seinen Keksen zu – in Anbetracht der Lokalität – wohl kaum überhöhten Preisen abkauft.

Die Atmosphäre hier ist ruhiger als am Cotopaxi, noch viel winterlicher und Ehrfurcht gebietend. Nachts sinkt die Temperatur auf unter 0° C. Oberhalb der Hütte kann man noch ein wenig herumlaufen, wir erreichen über 5.100 m Höhe für unser Logbuch. In den Gletscher sollte man als Hobbyandinist nicht einsteigen, zu viele Gedenktafeln an der unteren Hütte erinnern an die zahlreichen tödlich ausgegangenen Versuche, den Gipfel zu bezwingen oder sich ohne ausreichende Erfahrung oder einen Bergführer auch nur zu weit vorzuwagen.

Alexander von Humboldt war übrigens auch auf dem Chimborazo ein Pionier. 1802 war er der erste Mensch, der eine Gipfelbesteigung versuchte. Auch wenn er sein Ziel nicht erreichte und auf – heute geschätzten – 5.900 m umkehren musste, konnte er sich bis zu seinem Tod 1859 rühmen, der einzige Mensch zu sein, der diese Höhe erreicht hatte. 1886 gelang dem Engländer Edward Whymper zusammen mit den italienischen Brüdern Carrel die Erstbesteigung. Erst 1939 konnte die deutsch-italienische Expedition Kühn-Ghilione mithilfe genauer Messgeräte die wahre Höhe des Vulkanriesen bestimmen.

Trotz allen Keuchens ist Laufen noch besser als alles andere. Essen, Trinken und Schlafen gehören neben Schuhe binden zu den dümmsten Tätigkeiten, die man in dieser Höhe durchführen kann. Da man beim Essen und Trinken nicht ungehindert weiteratmen kann, ohne sich zu verschlucken, entsteht unweigerlich Atemnot, die man durch heftiges Luftschnappen wett machen muss. Noch schlechter sind die Nächte. An Schlaf ist kaum zu denken. Konzentriert man sich im Halbwachzustand noch auf eine tiefe und schnelle Atmung, verfällt man beim Einschlafen sofort in die angelernte Flachatmung und man wacht nach Luft ringend sofort wieder auf. Die ganze Nacht fühlt sich an wie ein Stunden anhaltender, leichter Asthmaanfall. Nur Bücken ist schlimmer. Da man dann nicht mehr das Gesamtvolumen der Lunge zur Verfügung hat, ist es unmöglich, seine Schuhe ohne Erstickungsanfall zuzubinden.

Beim Wandern wird die Atmung automatisch schneller und tiefer und an der frischen Luft fühlen wir uns wie befreit. Den Aufstieg im Tiefschnee schaffen wir in einer knappen halben Stunde, abwärts sausen wir in zehn Minuten. Eine entgegenkommende Wanderergruppe, die sich gerade nach oben kämpft, sieht uns verständnislos an, wie wir durch den Schnee sprinten. Als ob wir von einem anderen Planten kämen.

Parque Nacional Chimborazo, Ecuador – Die höchste Erhebung der Welt

Dezember 7th, 2011

Ich höre Euch aufstöhnen. Was behauptet sie denn jetzt wieder? Der höchste Berg der Erde ist doch der Mount Everest! Stimmt. Und doch habe ich Recht. Der Vulkan Chimborazo ist der Punkt auf unserem Planeten, der am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernt ist. Daher wurde er über lange Zeit für den höchsten Berg der Welt gehalten. Was er paradoxerweise nicht ist. Sein Gipfel ist lediglich 6.310 m von der Erdoberfläche entfernt. Wie geht das jetzt zusammen? Greifen wir zurück auf Galileo Galilei. Der hatte nämlich doch nicht Recht mit seiner Behauptung, die Erde sei eine Kugel. Jedenfalls nicht ganz. Isaac Newton statuierte, dass die Erde aufgrund ihrer Drehung und der dadurch wirkenden Zentrifugalkraft am Äquator ausgebeult und an den Polen abgeflacht sei. Erst später wurde diese Theorie bewiesen. Daher ist auch Meeresniveau nicht gleich Meeresniveau. Die Oberfläche der Ozeane ist am Äquator ebenfalls weiter vom Erdmittelpunkt entfernt als in der Nähe der Pole.

Wenn auch der Chimborazo nicht der höchste Berg der Erde ist, er ist Ecuadors einziger Sechstausender. Sein Gletscher vereist wegen mangelnden Neuschnees, Erderwärmung und steigender UV-Strahlung zusehends und wird daher immer schwieriger zu besteigen. Doch so hoch wollen wir ja gar nicht hinaus. Die gut asphaltierte Straße südlich des Vulkans liegt schon auf über 4.000 m, und so ist es nur noch ein Klacks, die acht Kilometer Staubstraße bis zur Hermanos-Carrel-Hütte auf 4.800 m hochzufahren. Hier gibt es einen Parkplatz und unweit davon eine kostenlose Campingzone (S 01°28’21.0’’ W 78°50’56.6’’, 4.845 m).

In der Rangerstation an der Zufahrt (S 01°29’51.0’’ W 78°52’29.9’’) müssen wir auch diesmal nur 2 $ Einheimischen-Eintritt pro Person bezahlen, selbst der zweite Tag ist kostenlos, obwohl wir angeben, übernachten zu wollen. Zwischen 17 und 8 Uhr soll der Posten nicht besetzt sein, aber wir zahlen die 4 $ gerne, schließlich muss sich der Park finanzieren. Im Campingbereich war schon lange niemand mehr, der Schnee ist wohl zu tief. Arminius fühlt sich da richtig wohl, und wir in der verschneiten Einsamkeit unterhalb des Berggipfels natürlich auch. Nachdem der Motor aus ist, trauen sich auch die Vikunjas wieder heran. Vikunjas sind eine von vier Arten der höckerlosen Neuweltkamele. Zwei davon sind ursprüngliche Wildformen – Guanakos und Vikunjas – die anderen beiden, Lamas und Alpakas, sind Jahrtausende alte Züchtungen. Vikunjas sind mit 80 cm Schulterhöhe die zierlichsten und elegantesten, aber auch seltensten und gefährdeten Andenkamele.

Wegen ihres Fells – des feinsten und teuersten, das wir kennen – wurden sie nahezu ausgerottet. Seit fast 50 Jahren ist ihre Jagd verboten, sie werden nur zur Schur eingefangen und anschließend wieder freigelassen. Ein Tier gibt dabei lediglich ein Pfund Wolle, das Kilo kostet bis zu 500 Euro. Ihr seidenzartes Fell ist gelbbraun bis rotbraun, der Bauch ist weiß. Vikunjas haben sich von allen vier Arten am besten an ihre kalte karge Umgebung angepasst. Sie leben nie unter 3.500 m Höhe, aber über 5.000 m werden sie noch gesehen. Genügsam knabbern sie an Moosgeflechten und Gräsern, ihr Kot düngt die Bergwiesen und wirkt damit der ständig drohenden Erosion entgegen. Dank eines Wiederansiedlungsprojekts der Schweizer Regierung erholt sich der Bestand prima, trotz Gefährdung der Tiere durch wiederkehrenden Ascheregen des benachbarten Tungurahua-Vulkans, Fahrzeugen auf den Straßen und Andenfüchsen, die die Kleinkamele anfallen. Die Bauern der Umgebung bekamen Lamas und Alpakas geschenkt, im Gegenzug zogen sie die gefräßigen Schafe ab, die auch den Vikunjas die Nahrung streitig machten.

Parque Nacional Cotopaxi, Ecuador – Der perfekte Riese und die Physik des kalten Kaffees

Dezember 6th, 2011

Der Cotopaxi lässt uns nicht los. Ecuador ist ein faszinierendes Land von teils harscher Schönheit, aber der Cotopaxi Vulkan hat eine ganz besondere Anziehungskraft. Gestern Abend kehrten wir noch einmal in den Park zurück, da wir diesmal auf mehr Wetterglück hofften. Und tatsächlich, in der Nacht klart es auf, und es bleibt erst mal so – zum Sonnenaufgang und bis in den Morgen hinein. Jörg ist die halbe Nacht auf, um Fotos zu schießen. Wir können sogar die Bergsteiger sehen, die ab etwa ein Uhr morgens mit Stirnlämpchen zum Gipfel klettern. Ab halb neun dann produziert der Berg seine eigenen Wolken. Die Sonne taut zunächst das Gelände auf, dann gewinnt sie an Stärke und beginnt die Feuchtigkeit zu verdunsten. In der kalten Luft and den Gletscherhängen allerdings kondensiert der Dunst sofort und schon haben wir Bodennebel. Ein paar Mal noch klart es auf, dann ziehen die Wolken der nachmittäglichen Regenfront herein. Trotzdem, wir sind glücklich, so schön und nackt zeigt sich der Cotopaxi selten.

Mit Wasser und Dampf hat es noch ein weiteres Problem, über das man zu Hause meist nicht nachdenkt: Der Kaffee ist kalt. Obwohl ich ihn mit kochendem Wasser aufgebrüht habe, ist er nach wenigen Minuten nur noch lauwarm. Wir denken einen Moment nach, dann wird es uns klar. Der Siedepunkt von Wasser liegt zwar bei knapp 100° C, aber nur auf Meeresniveau. Je höher man steigt und der Umgebungsdruck sinkt, desto eher erhält das Wasser die Chance zu sprudeln. Es nützt auch nichts, das Wasser länger auf dem Herd zu lassen, da der Siedepunkt ja den Wechsel des Aggregatszustands angibt und bei längerer Temperatureinwirkung das Wasser eben in gasförmigen Zustand übergeht, sprich verdampft. Das Wasser kocht also früher bei niedrigerer Temperatur und damit kommt der Kaffee einfach schon kälter in die Tasse.

Ein ernstzunehmendes Wasserproblem stellt die trockene Luft dar. Die dünnere Höhenluft kann weniger Wasser aufnehmen. Da die Nebenhöhlen die Atemluft befeuchten, verliert man mit jedem Atemzug Feuchtigkeit. Selbst wenn man bei Schneetemperaturen nicht schwitzt, muss man sich zum Trinken zwingen. An durchschlafene Nächte ist nicht zu denken. Mehrere Stunden ohne Wasserzufuhr hält der Körper kaum aus. Durstig oder hustend wachen wir auf, um nach der Wasserflasche zu greifen.

Machachi, Ecuador – Die Quilotoa-Rundfahrt

Dezember 4th, 2011

Die Kraterwände des Quilotoa stehen frei und alleine im Rund. Mittendrin liegt die smaragdgrüne Lagune, windgeschützt Wolken und Kraterwände widerspiegelnd. Entstünde auch nur an einer stelle ein Riss, würde der See einfach auslaufen. Noch liegt er friedlich da, und wer mag kann auf eineinhalb Kilometer die 400 m Höhenunterschied zur Wasserlinie auf einem Sandweg hinuntereilen und entweder zu Fuß oder auf einem Maultier wieder hoch. Alternativ kann man den See – immer am Kraterrand entlang – in sechs Stunden umwandern. Der Eintritt beträgt je Person 2 $, schlafen könnte man am Parkplatz des Kraterrandes auch (S 00°51’59.7’’ W 78°54’58.5’’). Von Süden kommend erreicht man die Laguna de Quilotoa über Asphaltstraßen, ab hier fährt man etwa 50 km auf einer recht guten Sandpiste durch die Berge. Die Gegend ist bekannt für ihre Künstler, die naive Malerei auf Schafshaut bannen, die mittels eines speziellen Verfahrens enthaart und gereinigt wird. Drei Kilometer hinter Tigua gibt es eine Verkaufsausstellung. Auch unsere Kabine ziert schon ein solches farbenfrohes Bild.

Die Quilotoa-Rundfahrt scheint beliebt zu sein unter selbst fahrenden Globetrottern. Auf dem Weg treffen wir auf Frank aus Baden-Württemberg mit seinem BMW-Motorrad, dessen Urteil nach 14 Monaten Südamerika bereits feststeht: „Die Menschen hier sind dumm und nutzlos.“ Na dann weiterhin gute Reise. In einem winzigen Dorf sehen wir das altbekannte Auto eines englischen Pärchens auf Weltreise, das während der Overland Expo in Amado, Arizona, genau hinter uns stand. Mit einem Getriebeschaden an ihrem Landrover hängen sie schon seit zwei Wochen fest, scheinen sich aber gut in die Dorfgemeinschaft integriert zu haben. Ob Machete schwingen oder Kühe hüten – nichts ist schlimmer als die Langeweile des Wartens auf Ersatzteile. Ihnen gilt unsere Bewunderung. Nahezu ohne Spanischkenntnisse reparieren sie sich fröhlich und unbedarft einmal um die Welt.

Die gesamte Quilotoa-Rundfahrt umfasst 200 km, ein Viertel davon Sandpiste, der Rest Pflasterstein-, Asphaltstraßen und Baustellen in unterschiedlichen Zuständen, doch für die meisten Fahrzeuge absolut problemlos. Die Landschaft besteht aus hohen Bergen, tiefen Schluchten und Landwirtschaft an steilen Hängen, die unsereins nicht einmal hinauflaufen möchte. Erdbebegräben mit senkrechten Wänden durchziehen zickzackförmig die Täler, so breit und tief, dass sie problemlos einen Lkw oder ein ganzes Haus verschlucken können. Die Bevölkerung trägt ihre Trachten selbst zum Arbeiten, und nun löst sich auch das Geheimnis der Schuhe und Strümpfe: Die tirolerbehüteten Frauen tragen weiße Kniestrümpfe, wenn Seidenstrumpfhosen nicht angesagt sind. Ihre Pumps allerdings ziehen sie nur selten aus, außer vielleicht zum Melken oder zum Feldbau. Einzig akzeptable Alternative sind dann Gummistiefel.

Am Ende zurück auf der Pan Am wenden wir uns zurück nach Norden in den Ort Machachi. Der Papagayo Bauernhof wird unsere nächtliche Unterkunft (S 00°33’38.5’’ W 78°35’41.6’’, Zufahrt 1,5 km südlich der Machachi Mautstation Richtung EcoRoses): Zwar verlangt man hier unnachgiebig 5 US$ pro Person fürs Campen, dafür gibt es Toiletten, heiße Duschen und schnelles Internet. Der israelische Besitzer ist sehr nett, hilfsbereit und spricht deutsch. Das Papagayo scheint sein Geld mit Cotopaxi-Bergsteigern zu verdienen und diese Touren auch zu organisieren. Auch wenn nicht alle Kraxler glücklich zurückkehren. Erschöpft sind sie alle, aber nicht jeder hat den Gipfel gemeistert. Mangelnde Höhenanpassung, ungenügender Trainingszustand oder einfach Pech mit der Höhenkrankheit sind die Hauptursachen. „Es ist halt schon steil“, trauert ein unglückliches deutsches Mädel, „da läuft man nicht eben mal so hoch wie auf unsere Alpengipfel“.

Parque Nacional Cotopaxi, Ecuador – Wintereinbruch am nullten Breitengrad

Dezember 2nd, 2011

Ich traue meinen Augen kaum: Schnee, überall wo ich hinsehe. Mein Verstand sagt mir, dass selbst am Äquator ab einer gewissen Höhe Niederschlag als Schnee fällt. Trotzdem ist es schwer einzupacken. Die ganze Nacht über regnete es an unserem Schlafplatz, der Gletscher des Cotopaxi dagegen erhielt eine neue Lage Schnee. Auf der Fahrt hinauf zum Parkplatz unterhalb der Schutzhütte José Rivas wird der kohlschwarze Lavasand allmählich überlagert von bläulichem Weiß. Die acht Kilometer lange Piste führt bis auf 4.500 m hoch. Das letzte Stück ist so steil und buckelig, dass die Reisebusse, die sich erstaunlicherweise hier hoch trauen, ein paar Hundert Meter tiefer stehen bleiben müssen. Gestern Abend waren wir schon einmal hier hochgefahren – zum Ausprobieren und Akklimatisieren. Da lag die Schneegrenze noch knapp unterhalb der Schutzhütte.

Vom Parkplatz (S 00°39’23.3’’ W 78°26’19.5’’) aus führt ein einfacher Weg zum Refugium auf 4.810 m. Ober man die kürzere steilere Direktroute oder den längeren Serpentinenweg wählt, bleibt sich in etwa gleich, die Gehzeit beträgt eine Dreiviertelstunde. Allerdings ist das Laufen im weichen Neuschnee schwer; ist er festgetreten wird es dann rutschig. Wir schaffen es gerade vor der ersten von sieben (! Wie mag das erst am Wochenende sein?) Reisebusladungen auf den Berg zu klettern. Die paar wenigen Teens, die uns nahe kommen, reichen uns schon. Laute Musik plärrt aus ihren MP3-Playern (Muss man das beim Bergsteigen wirklich haben? Haben die noch nix von Kopfhörern gehört?) und einige von den Jungs haben dermaßen viel süßliches Parfum aufgelegt, dass mir selbst ohne Höhenkrankheit ganz schwindlig wird. Allerdings muss ich eine junge Dame bewundern, die es in lilafarbenen Lackstiefeln mit sieben Zentimeter hohen Keilabsätzen hier hoch schafft.

Auf der Schutzhütte José Rivas bekommt ein kräftigendes Essen, wer möchte, die „echten“ Bergsteiger übernachten hier vor ihrer Gipfelerstürmung. Der Gletscher oberhalb der Hütte ist nicht anspruchsvoll, dennoch keine Spielwiese für Wanderer. Daher ist hier für uns Schluss. Der Abstieg zurück zum Parkplatz sollte schneller gehen, wenn man nicht wie wir auf eine versprengte deutsche Reisegruppe trifft, mit deren einzelnen Grüppchen wir jeweils ein Schwätzchen halten müssen. Dann fahren wir hinunter in den einsetzenden eiskalten Regen, und hinaus aus dem Cotopaxi Nationalpark zum Südeingang. Unser nächstes Ziel ist die Kraterlagune von Quilotoa. Aus Zeitgründen und weil wir schon einen Übernachtungsplatz im Auge haben, beginnen wir die Quilotoa-Rundfahrt im Uhrzeigersinn statt umgekehrt, was logischer wäre. Im Örtchen Tigua finden wir dann wie erhofft Unterschlupf im hübschen Bauernhof La Posada de Tigua (S 00°56’50.3’’ W 78°51’22.7’’), die Zufahrt ist von der Hauptstraße beschildert. Die Campinggebühr beträgt „normalerweise“ 3,50 $ pro Person, erfahren wir. Da Handeln nahezu erwartet wird, überreiche ich angemessene 5 $.

Parque Nacional Cotopaxi, Ecuador – Die Straße der Vulkane

Dezember 1st, 2011

“Straße der Vulkane” nannte Alexander von Humboldt das Tal, das sich auf 500 km Länge und 20 bis 30 km Breite in Nord-Süd-Richtung zieht. Auf einer Höhe zwischen 1.800 und 3.200 m schmiegt es sich zwischen die beiden Andenkordillieren, die Cordilliera Occidental und Cordilliera Oriental, die ganz Ecuador durchschneiden. Die beiden Gebirgsstränge sind gespickt mit Vulkanen, doch selbst im Längstal stehen einige der mehr oder weniger schlafenden Riesen. Der herausragende Berliner Naturforscher des 18. und 19. Jh., Alexander von Humboldt, begeisterte sich so für die Vulkane, dass er sich selbst ans Klettern machte. Nach seinen Expeditionen nach Venezuela, Kuba und Kolumbien gelangte er 1802 nach Ecuador, wo er bis heute gültige Theorien aufstellte.

Wir folgen heute seinen Spuren und begeben uns wieder einmal auf die alte rumpelige Panamericana, die hier Ruta de los Volcanes heißt. Und die uns von Quito auf direktem Weg in den Cotopaxi Nationalpark bringt. In der Stadt Sangolqui südöstlich von Quito muss man lediglich den Weg nach Rumipamba finden (teils beschildert bzw. fragen). Ist man einmal auf der Pflastersteinstraße, fährt man einfach 32 km geradeaus zum Nordeingang des Parks. Das Pflaster ist zum Teil ausgerissen und hat tiefe Löcher hinterlassen, die ein Fahrzeug mit Bodenfreiheit erfordern. An einer Stelle ist es etwas eng und die Bäume hängen hier tief, doch außer ein paar Kratzern macht die Strecke sonst keine Probleme.

Die Schranke des Wasserwerks EMAAP öffnet ein Wächter oder man legt selbst Hand an. Die Durchfahrt ist trotz anderslautender Schilder erlaubt, da der einzige Weg. Die Vulkanroute führt durch einsame Páramo-Landschaft mit verstreuten winzigen Indianerdörfern. Auf dem Weg nach Süden passieren wir den abgeflachten Vulkan Pasochoa zu unserer Rechten, dann kommt links der 4.898 m hohe zerklüftete Gipfel des Sincholagua in Sicht. Der Berg Rumiñahui liegt wieder rechts mit seinen drei Zacken, die ihm das Aussehen eines liegenden Gesichts verleihen und ihm den Namen des historischen Inka-Generals eingetragen haben. Vor uns liegt jetzt der Vulkan Cotopaxi, der sich heute genau wie die anderen Berge größtenteils in Wolken hüllt.

Am wenig benutzten Nordeingang des Parks müssen wir unseren Eintritt entrichten. Ausländer blechen 10 $, doch aus unbekannten Gründen bezahlen wir nur den Lokaltarif von 2 $ pP, und da wir campen wollen, kommen noch einmal 2 $ dazu. Öffnungszeiten der Eingänge täglich 8 – 15 Uhr. Bald erreichen wir das brettebene fast vegetationslose Plateau auf 3.800 m, aus dem sich der Cotopaxi völlig frei stehend erhebt. Der Vulkan ist mit 5.897 m nicht der höchste Ecuadors, wohl aber der berühmteste. Das hat er seiner Nähe zu Quito zu verdanken, seiner perfekten Kegelform und der Tatsache, dass sein Gletscher technisch relativ einfach zu besteigen ist.

Die Ebene wirkt etwas spukhaft: Sie ist übersät mit Felsbrocken unterschiedlichster Größe, stumme Zeugen der Vulkanausbrüche der vergangenen Jahrtausende. Besonders aktiv war der Cotopaxi im 18. Jh. Im Jahr 1734 kam es sogar während eines Gefechts zwischen Spaniern und Inkas zu einer lautstarken Eruption, sodass die Kämpfer beider Parteien kopflos auseinander stoben. In der Mitte des 19. Jh. erlebte der Vulkan eine weitere aktive Phase. Der letzte Ausbruch fand 1904 statt. Wissenschaftler konnten in den letzten Jahren ein Aufwärmen des Cotopaxi feststellen, Evakuierungsmaßnahmen wurden vorbereitet.

Der Parkwächter am Eingang erklärt uns, dass es zwei ausgewiesene Campingzonen gebe. Wir entscheiden uns für den Parkplatz an der Laguna Limpiopungo, wo es ganz einsam ist. Später erfahren wir, dass das eigentlich nicht erlaubt ist. Auf dem Weg dahin bekommen wir bereits die Highlights des Wildlebens zu sehen: Wildpferde mit ungezähmten Mähnen und Schweifen bis zum Boden, Bussarde, die von ihren Opfervögeln tapfer attackiert werden und den scheuen Andenfuchs oder Andenschakal, der zwar zu den Hunden zählt, aber weder Fuchs noch Schakal ist und fast die Größe eines Kojoten erreicht. Der See liegt auf fast 3.900 m, das sind gute 1.200 m mehr als unsere letzten Nächte. Bei einer optimalen Höhenanpassung sollte ein Schlafplatz nicht mehr als 800 m höher liegen als der letzte. Größere Höhenunterschiede bezahlt man im Ernstfall mit Kopfschmerzen, zumindest aber mit schlechten Schlaf und geringfügiger Atemnot wegen zu flacher Atmung.

Laguna Limpiopungo: S 00°36’53.9’’ W 78° 28’25.8’’
weitere Campingmöglichkeiten im Park: Tambopaxi Hosteria Richtung Nordzugang
Campingzone 1: S 00°37’38.8’’ W 78°28’30.4’’
Campingzone 2: S 00°38’11.6’’ W 78°28’57.0’’
Entlang der Straße der Vulkane bieten sich reichlich Gelegenheiten zum freien Campen, die Gegend erscheint uns sicher. Anbieten würden sich beispielsweise:
S 00°29’37.1’’ W 78°26’22.7’’
S 00°31’38.2’’ W 78°26’52.7’’
S 00°31’52.0’’ W 78°26’59.6’’
S 00°32’28.2’’ W 78°27’09.3’’

Quito, Ecuador – Pure Physik

November 30th, 2011

Eine Frage, die sich Physikinteressierte stellen ist, ob sich Wasserstrudel auf der Südhalbkugel tatsächlich andersherum drehen? Jawohl, sie tun es! Aufgrund der Magnetwirkung der Pole dreht sich zum Beispiel aus einem Waschbecken ablaufendes Wasser auf der Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn. Genau am Äquator dreht sich interessanterweise gar nichts, das Wasser läuft völlig unprätentiös auf direktem Wege in den Abfluss. Bewegt man sich weiter in den Süden, wechselt das Wasser seine Laufrichtung entgegengesetzt der Uhr.

Und es gibt noch mehr Physik: Ich kann unseren Gasherd ab etwa 3.000 m nicht mehr mit dem Handpiezozünder anzünden. Das Gas verflüchtigt sich wegen des mangelnden Umgebungsdrucks zu rasch, um mit einem Funken entzündet zu werden. Ergo verwende ich ein Feuerzeug. Ab rund 3.700 funktionieren die meisten Feuerzeuge nicht mehr, da ja auch deren Gas von einem Zündfunken in Brand gesetzt werden muss. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Petra und Klaus, unsere anfänglichen Reisebegleiter in Guatemala, die uns einen Großteil ihres Streichholzbestands überlassen haben und uns damit Kaffee und heiße Mahlzeiten sichern.

Ein weiterer Dank gilt der Familie Carrera, die wir morgen verlassen werden, für ihre Gastfreundschaft und die zahlreichen Einführungen in die ecuadorianische Küche.

Quito, Ecuador – Die Seilbahn zum Hausberg

November 28th, 2011

Der Hausberg Quitos ist der Rucu Pichincha. Der Weg zum erloschenen 4.698 m hohen Vulkan führt über die Seilbahn. Die Teleférico (Parkplatz bei S 00°11’28.9’’ W 78°31’04.4’’) bringt uns für 8,50 $ (Rückfahrschein) von 3.100 auf 4.000 m mit wunderbarer Aussicht auf Quito. Die wird natürlich von oben noch besser. Zum Gipfel des Rucu oberhalb der Baumgrenze führt ein anfangs breiter, später schmaler und teils recht steiler Pfad. Das letzte Stück auf den Felsen ist mit einer kleinen Kletterei verbunden. „Nur eine 4+, das kriegt ihr hin“, meint locker ein entgegenkommender Bergsteiger, der gerade sein Höhenanpassungstraining absolviert. Wir werden das trotzdem nicht ausprobieren. Da das Wetter heute Morgen nicht so gut aussah, starten wir zu spät. Und während der Wanderung überrascht uns ein Hagelschauer, der die Wege zunächst durch Eis, dann Matsch und schließlich Schlamm rutschig werden lässt. Unter diesen Bedingungen muss man vier Stunden für den Aufstieg (der Twen rannte das mal eben in eineinhalb Stunden) und wegen des steilen Geländes fast genauso viel für den Abstieg rechnen. Wir machen bei 4.600 m kehrt, wo wir bei jedem Schritt keuchen müssen. Außer Sauerstoffmangel scheint uns die Höhe aber nichts anzuhaben.

Quito, Ecuador – Vier Jahreszeiten an einem Tag

November 27th, 2011

Quito gilt schon seit rund 12.000 Jahren als besiedelt, und die Inka machten es ab dem Ende des 15. Jh. zu einem wichtigen Handels- und Machzentrum. Doch zerstörten die Inka die Stadt, bevor die Spanier sie auch nur gesehen hatten. Ende 1532 trafen die Südeuropäer auf ihrem unaufhaltsamen Eroberungszug Südamerikas in der Stadt Cajamarca im heutigen Peru ein und nahmen den regierenden Inkakönig Atahualpa gefangen. Mitte des darauffolgenden Jahres wurde der letzte Herrscher des mächtigen Volkes von den Spaniern heimtückisch hingerichtet, obwohl er die geforderten Lösegeldzahlungen – ein Raum gefüllt mit Gold, zwei mit Silber – herbeigeschafft hatte. So nahm nicht nur das Inkareich ein rasches und unerwartetes Ende. Der Inkageneral Rumiñahui – damals wie heute ein Volksheld – ließ aus Rache für den Tod des Sonnenkönigs und in Voraussicht auf den unabänderlichen Vorstoß der Spanier Quito niederbrennen, doch zuvor sämtliches Gold wegschaffen.

Ein Jahr später erreichte der erste völlig enttäuschte Spanier die zerstörte Stadt. Die Schätze wurden bis heute nicht wiedergefunden und werden in den unzugänglichen Llanganatis-Bergen vermutet. Eine erste provisorische Stadtneugründung erfolgte kurz darauf, und am 6. Dezember 1534 wurde das eigentliche San Francisco de Quito an seiner heutigen Stelle offiziell errichtet. Dieses Jubiläum wird gerade groß gefeiert. Eine Woche lang herrscht in der Altstadt von Quito und an anderen Plätzen Feststimmung. Musiker und Artisten treten auf, Ausstellungen und Feuerwerke finden statt. So ist die Atmosphäre am heutigen Sonntag im kolonialen Quito besonders heiter.

Das historische Zentrum birgt eine Unmenge von katholischen Kirchen, Kapellen, Basiliken und Kathedralen, aber auch Regierungsgebäude und Privatpaläste. Viele Gebäude wurden im Laufe der Zeit von Erdbeben zerstört, das meiste ist aber restauriert und in hervorragendem Zustand. So wie die Calle La Ronda, die älteste Gasse von Quito. Auch die Plaza Grande ist umgeben mit Gebäuden von geschichtlicher Bedeutung. Der Bischofssitz zum Beispiel beheimatet ein kleines Einkaufszentrum mit Andenkenläden und Restaurants im schönen überdachten Innenhof. Hier treffen wir zufällig auf Ray und Jo wieder, mit denen wir die ersten Tage in Kolumbien unterwegs waren. Welch ein Zufall! Von der Plaza Grande aus hat man auch einen guten Blick zum Panecillo-Hügel mit der etwas unförmigen Schutzherrin Virgen de Quito aus Aluminium, der schon immer strategische Bedeutung hatte und der heute beliebter Aussichtspunkt ist.

Quito ist berüchtigt für seine teils mit Rasiermessern bestückten Taschendiebe. Das geht so weit, dass empfohlen wird, Kameras nicht sichtbar mit sich zu führen und Rucksäcke am Bauch statt Rücken zu tragen. Wir bleiben aufmerksam und die einzige zweifelhafte Begegnung beschert uns ein junger Schwarzer, der auf Jörg zustürmt und ihm die Hand reichen möchte. Jörg hält stattdessen lieber seine Kamera fest, da verschwindet der junge Mann auch schon wieder. Nachdem die Spanier die indigene Bevölkerung mit harter Zwangsarbeit und eingeschleppten Seuchen fast ausgerottet hatten, holten sie sich widerstandsfähige Sklaven aus Afrika. Die schwarze Bevölkerung lebt heute in Mittel- und Südamerika bevorzugt an den Küsten, doch in Ecuador haben sich die Ethnien gut durchmischt.

Wir teilen die oft knapp bekleideten dunkelhäutigen Frauen in Gefahrgutklassen ein. Auf einer Skala von eins bis fünf treffen wir heute zwei Fünfen. Eine der jungen Frauen mit geschätzter Kleidergröße 50 trägt eine weiße Hotpants, in die sie ausschließlich mit einem Sprung aus dem dritten Stockwerk hineingeraten sein konnte. Dabei wirken ihr riesiges Hinterteil und die taillendicken Schenkel keineswegs fett und schwabbelig wie das bei uns Weißen der Fall wäre. Sie wirkt einfach nur massig, bullig und schrecklich furchteinflößend. Viel freundlicher dagegen erscheinen die Indígenas, die in Ecuador einen beachtlichen Bevölkerungsanteil bilden und die hier oft noch ihre traditionellen Trachten tragen.

Je nachdem aus welcher Region tragen die Frauen lange dunkle Röcke, eine Art Wickelrock, weiße bestickte Blusen und einen Überwurf, der aus zwei rechteckigen Stück Stoff besteht, einmal über der einen und einmal unter der anderen Schulter geknotet. Noch eigenwilliger wirkt eine Kombination, die schon an Peru erinnert. Ein damenhaft knielanger, schmaler glänzender Taft- oder Samtrock wird stets von Seidenstrümpfen und eleganten Halbschuhen mit Blockabsatz ergänzt. Als Reminiszenz an die Moderne dürfen es auch schon mal Netzstrümpfe und Highheels sein – was haben die nur vor Erfindung der Strumpfhose getragen? Dazu gibt es die unvermeidliche Strickjacke und ein Schultertuch mit oder ohne Fransen. Natürlich geht Frau nie ohne Hut aus dem Haus. Hier handelt es sich um einen astreinen Tirolerhut aus meist dunkelgrünem Filz, selbst die Feder darf nicht fehlen.

Quito steht in dem Ruf, alle vier Jahreszeiten an einem Tag zu bieten. Und tatsächlich, am Morgen ist es meist sonnig und mild, mittags dagegen sommerlich warm mit intensiver Sonneneinstrahlung. Am Nachmittag bricht oft ein Regenschauer oder ein bösartiges herbstliches Gewitter herein. Zum Glück sitzen wir schon im Bus zurück nach Conocoto, als es losbricht. Busfahren ist in Ecuador äußerst günstig, für die gut halbstündige Fahrt zahlen wir 30 US-Cent. Danach wird es so kalt, dass man sich nur noch einkuscheln möchte. Nachts sinkt die Temperatur auf unter 10° C.

Volcán Pululahua, Ecuador – Suppe im Kessel

November 26th, 2011

Noch einmal genießen wir dieses wunderbar fette Frühstück, das Angel Paz jeder Besuchergruppe serviert. Gestern Abend sind wir nochmals zum Reserva de la Paz bei Nanegalito hochgefahren, um hier zu übernachten und Angel noch einmal zu treffen. Das einzige, das hier nervt, sind die täglichen Erdbeben, also mehr die nächtlichen, die mich jedes Mal erschreckt aufwachen lassen. Ich denke, es klettert jemand auf Arminius herum. Nur, da ist niemand, die Kabine wackelt ganz von alleine. Werde ich mich jemals an die Erdbeben gewöhnen?

Auf dem Weg in Richtung Quito kommen wir am erloschenen Vulkan Pululahua vorbei, der nur wenige Kilometer westlich von Mitad del Mundo liegt. Sein Krater ist gut 600 m tief und misst etwa fünf Kilometer im Durchmesser. Das Besondere daran ist, dass man über eine serpentinenreiche, etwa 12 km lange Schotterpiste (keine besonderen Anforderungen) bis auf den Kraterboden fahren kann, wo seit Urzeiten Landwirtschaft betrieben wird. Camping wird angeboten, aber wir machen an der Zufahrtstraße bei N 00°02’42.7’’ W 78°28’40.7’’ Halt, da der von hier schon sichtbare Torbogen zu niedrig für uns ist. Um Punkt 12 Uhr bietet sich ein ganz besonders Schauspiel. Dichte Wolken klettern über den Rand der Steilwände und stürzen sich engagiert in die Tiefe. Innerhalb von einer halben Stunde ist der gesamte Talkessel mit suppigem Nebel angefüllt.

Wir sehen zu, dass wir hier rauskommen und fliehen nach Quito. Der Welt höchste Hauptstadt – noch vor dem bolivianischen Sucre – liegt auf 2800 m Höhe und ist in den letzten Jahrzehnten auf vergleichsweise bescheidene 2,5 Mio. Einwohner gewuchert. Leider ist das Wetter in Quito nicht besser. Der Sonnenschein von vor einer Minute wandelt sich in ein heftiges Gewitter mit senkrechten rosafarbenen Blitzen und einem Hagelschauer, der uns bei jedem Einschlag zusammenzucken lässt. Innerhalb von Minuten können Autos in den steilen eisbedeckten Nebenstraßen nicht mehr anfahren. Aber es kommt noch besser. Quito liegt in einem Hochtal. Die umliegenden Hänge sammeln den Niederschlag und leiten ihn zuverlässig nach unten, wo die Wassermassen die Straßen in reißende Flüsse verwandeln. Trotz eines halben Meters Wassertiefe und aus den Gullys sprudelnden Wasserfontänen kämpfen sich Kleinwagen und Mopeds tapfer weiter.

Zum Glück ist auf der Ostseite von Quito der Spuk ganz schnell vorbei und wir finden im Tal von Conocoto weitere Verwandte von Walt und Lidia, die ein großes Grundstück mit Wohnhäusern für die ganze Familie und eine Fabrik besitzen. In der Fabrik werden Spezialtextilien hergestellt, zum Beispiel Gurtbänder für Rucksäcke und andere Gepäckstücke oder Putzschwämme und -lappen.

Nanegalito, Ecuador – Verbrechen ist real

November 25th, 2011

Langsam nagt die Sonne an Arminius. Der Lack bleicht an exponierten Stellen marginal aus, und die UV-Strahlung zersetzt so langsam die Dichtungsmasse an unseren Kabinenfenstern. Jörg baute zwei der Fenster aus und dichtete sie neu ab. Währenddessen versuchte ich, ein Quinoabrot zu backen. Hätte ich vorab im Internet recherchiert, hätte ich gewusst, dass man aus reinem Quinoamehl kein vernünftiges Ergebnis zustande bringt. Quinoa ist eine uralte Getreidesorte, die schon vor Jahrtausenden in dieser Gegend zum Brotbacken verwendet wurde. Für eine Zeitlang war das eiweißreiche Korn in Vergessenheit geraten, bis es vor einigen Jahren von der Reformkost wiederentdeckt wurde. Mein Brot ging nicht richtig auf und ist brüchig. Wenigstens blieb es dabei weich. Geschmack und Farbe erinnern flüchtig an Gras (Jörg meint Schweineschrot), wenn auch nicht unangenehm.

Bevor wir heute Morgen abfahren, erreicht uns eine E-Mail, die uns wieder einmal vor Augen führt, dass Verbrechen real ist. Unsere Bekannte Margie im mexikanischen San Miguel de Allende, amerikanische Ex-Lehrerin und entzückende ältere Dame, wurde in ihrem eigenen Haus überfallen. Ihre beiden großen respekteinflößenden, aber nicht zu Wachtieren ausgebildeten Hunde wurden erschossen, sie selbst mit vorgehaltener Waffe ausgeraubt. Das ist keine Einzelfall: Das Haus und das Auto unserer Freundin Tessa aus der gleichen Stadt waren während ihrer Jahre in Guatemala immer wieder beraubt worden, vor wenigen Monaten ist ihr das gleiche an ihrem mexikanischen Wohnsitz passiert. Ihre Freundin Patricia, die wir im guatemaltekischen Panajachel besuchten, war in der dortigen Hauptstadt an einer Ampel unter vorgehaltener Waffe gezwungen worden, aus ihrem neuen Pick-up auszusteigen.

Viele andere unserer Freunde, ob in Mexiko, Guatemala, Panama oder anderen Ländern, hatten mehr Glück. Doch auch sie schützen sich mit vergitterten Fenster, abgedunkelten Autoscheiben, Alarmanlagen oder gar Leibwächtern. Julius’ ecuadorianischer Frau wurde das Handy dreimal per Rasierklinge aus der Handtasche herausgeschnitten, seitdem möchte sie keines mehr. Selbst Julius machte schon seine Erfahrungen: Die Polizei versuchte, Schutzgeld von ihm zu erpressen. Er bot ihnen an, gerne von Zeit zu Zeit auf einen Kaffee oder ein Bier vorbeizuschauen, aber Geld gebe er keines. Er bekam mehrfachen Besuch, aber schließlich ließen sich selbst die korrupten Beamten überzeugen, dass es Julius ernst ist, und dass der ehemalige Leibwächter mit seinem umfangreichen Waffenarsenal durchaus in der Lage und vor allem willens ist, sich und seine Familie zu verteidigen. Er hatte bislang keine Probleme.

Es scheint, dass vor allem alleinlebende, scheinbar wehrlose Frauen bevorzugtes Opfer von Gewaltkriminalität werden. Und dass oft schon die Bereitschaft und Fähigkeit zur Verteidigung abschreckende Wirkung zeigen. Auf jeden Fall aber macht Margies schreckliches Erlebnis klar, dass die Welt, vor allem nicht in Lateinamerika, so heil ist wie sie sich – glücklicherweise – dem gemeinen Reisenden meistens präsentiert.

Mompiche, Ecuador – Der Fluch der erfolgreichen Aquakultur

November 22nd, 2011

Angel ist ein Goldstück. Er lädt uns noch einmal zum Bauernfrühstück ein, als er mit seiner 14-köpfigen amerikanischen Besuchergruppe zur Kaffeepause hereinkommt. Dann müssen wir aber wirklich los, der Weg hinunter an die Pazifikküste ist weit. Ecuador ist etwa so groß wie die alte Bundesrepublik, hat aber nur 14,5 Mio. Einwohner, wovon sogar 3 Mio. im Ausland leben. Aufgrund seiner topografischen Gestalt gilt es als eines der variantenreichsten Länder der Erde. Das Höhenprofil bedingt, dass fast sämtliche Klimazonen vertreten sind: Die Tierra Caliente ist das tropische „heiße Land“ der Pazifikküste und des Amazonasbeckens bis etwa 1000 m Höhe. Die Tierra Templada stellt das „lauwarme Land“ mit subtropischem Klima bis 2000 m dar, während die „kalte“ Tierra Fria bis 3000 m gemäßigtes Klima aufweist. Bis ungefähr 4800 m bildet die Tierra Helada das kalte „eisige“ Hochland, und ab da herrscht in der Tierra Nevada der ewige Winter des „Schneelandes“. Im „vertikalen“ Land Ecuador kommt es also fast ausschließlich auf die Höhenlage an, in welcher Klimazone man sich befindet. Heute ist uns nach Tropen.

In Mompiche in der Provinz Esmeraldas bekommen wir heute unseren Privatstrand. Das kam so: Walt und Lidia, ein Paar aus Kalifornien, hatte unsere Website gefunden und uns zu sich eingeladen. Da waren wir leider schon in Mexiko, doch stattdessen boten sie an, ihren Sohn und Schwiegertochter in Ecuador zu besuchen, Geburtsort von Lidia und für sechs Jahre die Heimat der beiden. Sohn Ron ist leider gerade verreist, aber wir suchen dessen Frau Monica im Dorf Mompiche. Nachdem uns eine ganze Reihe der befragten überwiegend schwarzen Einwohner scheel, ja fast bösartig angesehen hat, verrät uns ihre skeptische Mutter, wo wir sie finden. Es herrscht eine seltsame feindselige Stimmung in diesem Ort, aber Monica ist ein Schatz, und nachdem wir sie mehrfach durchs Städtele gefahren haben, ist plötzlich alles anders: Die Leute winken, manche lächeln sogar, wenn auch lange noch nicht alle.

Mompiche soll den schönsten Strand des ecuadorianischen Festlands besitzen, trägt aber sonst den Ruf, nicht der sicherste Ort zu sein. Nachts spazieren zu gehen sei weniger empfehlenswert. Monica besitzt ein einsames Grundstück irgendwo mitten am sieben Kilometer langen grauen Pazifikstrand. Es sei sicher, meint sie, und wenn etwas vorkomme, würde man den Schuldigen schon finden. Wir glauben ihr, was sollen wir auch tun, und genießen die Einsamkeit des Strandes. Der ist bei Flut fast verschwunden und dann unpassierbar, aber bei Ebbe breit und fest, dass nicht nur Autos, sondern auch Mopeds und sogar Fahrräder hier entlang fahren. Das Wasser hat erträgliche, für Südamerikaner aber lauschige 25° und ist einer der wärmsten Spots an der Westküste.

Etliche der Einwohner von Mompiche leben mittlerweile vom Tourismus, wenn auch längst nicht alle. Surfer und Backpacker sind häufig gesehene Gäste. Ein Gutteil der Küstenbewohner ist arbeitslos, was die Kriminalität mal wieder erklärt. Einer der Gründe, wenn auch nicht der einzige, ist die Formel „Viele Shrimps = wenige Fische“. Schon auf der Herfahrt sind uns Unmengen von Aquakulturen in den Buchten aufgefallen. Leider ist die Aufzucht der Schalentiere extrem wenig personalintensiv, sodass der Großteil der Bewohner keine Arbeit erhält. Dazu kommt, dass die zahlreichen wertvollen Mangrovenwälder den Shrimpszuchten weichen mussten. Unglücklicherweise sind diese die Kinderstube von vielen Fischen. Und so gibt es kaum noch Fische, die gefangen werden können. Eine Trendwende hat mittlerweile eingesetzt, der Wert der Mangrovenwälder wurde erkannt und ihre Restbestände geschützt, ja es gibt sogar Wiederaufforstung.

Reserva de la Paz, Ecuador – Der Vogelflüsterer

November 21st, 2011

„Manuela, Pancho, Maria” ruft Angel, und dann mit hoher Stimme erneut „Manuelita, Panchito, Maria”. Was dann passiert, ist eigentlich unglaublich. Zwei der schon als ausgestorben geglaubten Riesenameisenpittas – Maria und Pancho – kommen aus dem Gebüsch gelaufen und lassen sich von Angel mit einer Art Holzwurm füttern. Diese knapp 30 cm großen, braunen, am Boden lebenden Vögel sind extrem selten und so scheu, dass sie sich stets unsichtbar im dichten Unterholz des tropischen Nebelwalds verstecken. Maria ist die Großmutter, Manuela, die sich heute nicht zeigt, die Tochter und Pancho der erst acht Monate alte Enkelsohn, der seinen Baby-Bettelruf noch nicht abgelegt hat.

Angel Paz ist der Mann, der dieses kleine Wunder vollbracht hat. Er ist Mitinhaber des privaten Naturschutzgebiets Reserva de la Paz und unser Führer. Angel hat noch weitere Vögel angefüttert, darunter eine ganze Reihe von verschiedenen, etwas kleineren, ebenfalls Insekten fressenden Ameisenpittas und vegetarischen Schwarzrückenwachteln; alles Vögel, die zwar fliegen können, aber meist verborgen im Dickicht am Boden nach Nahrung suchen. Für Bird Watcher, Vogelbeobachter wie die beiden Amerikanerinnen, die uns begleiten, und Naturliebhaber ist das eine kleine Sensation.

Das Anfüttern scheint den Pittas ungefähr so wenig zu schaden wie Meisenknödel im Winter nach draußen zu hängen. Während ihrer Fortpflanzungsperiode ziehen sich die Vögel für zwei Monate in höhere Lagen zurück und sind nach ihrer Rückkehr bis zum Ende der etwa vier Monate andauernden Regenperiode nur schwer anzulocken, da sie dann selbst leicht genug Futter finden. Außerdem muss man solche Initiativen schlicht begrüßen, denn sie bewahren die letzten Stücke Primärwalds vor dem Abholzen.

Andere Vögel lassen sich schon von Angels reichem Repertoire an Lockrufen (bzw. von dem mit dem iPod aufgenommenen und per Aktivlautsprecher abgespielten) anziehen oder von einem der Unterstände an der passenden Stelle beobachten. So wie die ebenfalls seltenen bis zu 40 cm großen Andenfelshähne mit ihrem auffälligen Federkleid: quietschrote Puschelkopfhaube, die sich bis über den halben Oberkörper zieht, schwarzer Bauch und graue Flügel. Die Weibchen sind eher unscheinbar braun. Auch unzählige Arten von Kolibris und anderen Vögeln erfreuen den Fotofreund. Trotz eines lichtstarken Teleobjektivs ist diese Art Tierfotografie in dem dunklen Wald schwierig. Ganz billig ist das Vergnügen zudem nicht: 20 $ nimmt Angel mittlerweile, besucht man anschließend noch das Grundstück seines Bruders, um zwei weitere seltene Ameisenpittaarten zu sehen, kommen weitere 5 $ hinzu.

Dafür bekommen wir ein siebenstündiges Programm (von 5:30 bis 12:30 Uhr) mit einer Kaffeepause und deftigem Frühstück zwischendurch, das aus einem großen frittierten Kochbananenknödel mit Hühnchenfüllung (ecuadorianische Spezialität) und einer ebenfalls ausgebackenen Empanada, die hier ausnahmsweise aus einem großen, zusammengeklappten Mehlfladen (statt Mais) mit Käsefüllung besteht. Der Kaffee ist stark, aber erstaunlicherweise nicht bitter und einfach köstlich. Außerdem machen wir Bekanntschaft mit Angel Paz und seiner Familie, einem supernetten, Natur liebenden, waschechten Indígena, der beim Suchen und Anlocken der Vögel echte Arbeit leistet, unterstützt von einem Bruder. Bei den vielen Männern, die sich im Laufe des gestrigen Abends und heute als sein Bruder vorstellen, verliere ich ein wenig den Überblick. Als mir Angel erzählt, dass sie insgesamt neun Brüder sind, mache ich mir weiter keine Gedanken. Am Ausgangspunkt der Wanderung gibt es eine Küche, Toiletten und Esstische. Wir dürfen hier kostenlos campen, solange wir wollen, sogar Küchenbenutzung wird uns angeboten.

Eine Anmeldung für den Besuch des Reserva de la Paz ist unabdingbar, da der Reservatsstützpunkt nicht ständig besetzt ist. Das geht entweder über einen Touranbieter oder direkt per Telefon, wenn man Spanisch spricht: +593 (0)87 253674. Auf der Straße # 28 nach Los Bancos biegt man von Quito kommend 10 km hinter Nanegalito kurz nach km 65 (bei N 00°01’59.0’’ W 78°43’14.7’’) nach links in einen Fahrweg ein. Nach 4,5 km erreicht man den kleinen Parkplatz (N 00°01’12.3’’ W 78°42’26.0’’). Wer den steilen Pfad nicht selbst fahren will, kann in Nanegalito bei Angels Finca übernachten. Ein wenig mehr Bodenfreiheit sollte jedoch bei Trockenheit genügen. Wer der Brücke nicht traut, kann direkt durch den seichten Fluss fahren. Im nächsten Jahr sollen auf dem Berg sogar Cabaña-Unterkünfte gebaut werden. Der Übernachtungsplatz verdient fünf Sterne, da er so einsam und ruhig ist, dass man weder Verkehr noch bellende Hund hört.

Mitad del Mundo, Ecuador – Äquatortaufe

November 20th, 2011

Der Äquator liegt nur fünf Kilometer südlich von Cayambe am östlichen Zweig der sich teilenden Panamericana. Achtet man nicht genau auf die Schilder am Straßenrand, fährt man am unspektakulären Moment sogar vorbei. Fotogen ist die nach präkolumbischem Vorbild angefertigte Sonnenuhr mit dem Vulkan Cayambe im Hintergrund allemal. Und witzig dazu, denn man kann über der eingezeichneten Äquatorlinie mit einem Bein auf der Nord-, mit dem anderen auf der Südhalbkugel stehen. Natürlich darf bei diesem Anlass die Äquatortaufe nicht fehlen. Zum Glück haben wir den Sekt bereits aus dem alkoholgünstigeren Kolumbien mitgebracht. Zwar ist es nicht unsere Premiere, den Äquator zu überqueren, doch das erste Mal zu Fuß bzw. mit dem Auto und für Arminius schon gleich, also kriegt er auch etwas ab. Der Besuch des Monuments ist kostenlos, allerdings wird man um eine „Spende“ von 1 $ pro Person gebeten, wenn man den Ausführungen des dortigen Guides lauscht.

Im Gegensatz zu dem ruhigen „echten“ Äquatordenkmal steht das völlig kommerzialisierte Touristenspektakel Mitad del Mundo 25 km nord-westlich von Quito. Um die „Mitte der Welt“ zu besuchen, muss man erst mal 2 $ fürs Parken und zwei weitere als Eintritt je Person berappen. Hier steht ein 30 m großes, eindrucksvolles Monument mit einer Weltkugel auf der Spitze, 13 Büsten der Pioniere der französisch-spanischen geodätischen Expedition von 1736 bis 1744 und die Äquatorlinie, die die Wissenschaftler seinerzeit errechnet hatten. Das Dumme ist nur – sie ist falsch. Um 180 m hatte sich die Kommission verrechnet. In Anbetracht der Jahreszahl ein verzeihlicher Fehler. Im Monument befindet sich ein ethnologisches Museum, dessen mäßigem Ruf man für weitere 3 $ folgen kann oder nicht. Rund um das Denkmal gibt es noch jede Menge Touristenzirkus inklusive der unentbehrlichen Restaurants und Souvenirshops. Trotz des Rummels – Mitad del Mundo gehört einfach zu einem Ecuadorbesuch.

Cayambe, Ecuador – Schnee am Äquator

November 19th, 2011

Ein weiteres entzückendes Stück Nebenstraße führt von Ibarra aus über La Esperanza, Zuleta und Olmedo nach Cayambe. Bis Olmedo tuckert man über ca. 30 km alten Pflasterstein und Schotter, die letzten 18 km sind asphaltiert. Die Route, die durch landschaftlich sehr attraktives Páramo-Hochland führt, wird auch von Bussen befahren und stellt keine Besonderen Ansprüche an das Fahrzeug außer an Federung und Dämpfung. Man kommt relativ nah an den wunderschönen 5.790 m hohen schneebedeckten Cayambe heran. Der erloschene Vulkan, dessen Südhang vom Äquator durchkreuzt wird, ist weltweit die höchste Erhebung auf der Äquatorlinie.

Das Wetter ist uns heute hold, und der Gletschergipfel erstrahlt vor stahlblauem Himmel. Der Nachteil dieser Strecke ist, dass man Otavalo mit seinem durch und durch touristischen Indianermarkt, den zahlreichen Lagunen und anderen Sehenswürdigkeiten verpasst, doch zur Not kann man das Stück zurückfahren. Wir bleiben im Ort Cayambe und fragen in der Pferdefarm Shungu Huasi, ob wir dort campen dürfen. Der Hotelbetrieb scheint derzeit zu schlafen und Pferde gibt es auch nicht viele. Macht nix, die junge Frau lässt uns gerne übernachten, wir einigen uns auf 5 US$. Wir parken lieber beim Wohnhaus statt bei den Ställen, wo es zwar Toiletten, aber auch jede Menge Fliegen gibt. Auch hier, einen ruhigen Kilometer von der Hauptstraße entfernt, haben wir einen wunderbaren Blick auf den Berg Cayambe. Shungu Huasi Pferdefarm, N 00°03’02.2’’ W 78°09’17.5’’.

Ibarra, Ecuador – Günstige Versicherung, teurer Jägermeister

November 18th, 2011

Das Versicherungsbüro befindet sich in Ibarra an der angegebenen Stelle (von Nord nach Süd am dritten Kreisverkehr mit dem „Muttermonument“ gleich links, N 00°20’47.8’’ W 78°07’53.8’’). Die Colonial Seguro verkauft uns eine Kfz-Haftpflicht für einen Monat, auch wenn die Dame am Empfang zunächst etwas anders behauptet und ich schon fast wieder gehen will. Eine SOAT gibt es für einen Monat oder ein Jahr, dazu erhält man ein Papier und einen Aufkleber für die Windschutzscheibe, der der Polizei von Weitem anzeigt, dass man versichert ist. Die Kosten für ein Wohnmobil sollen fünf bis sieben Dollar betragen, wir zahlen 5,09 $, der etwas neuere VW-Bus der Deutschen von gestern an der Grenze kostet 5,68 $.

Seit 2000 ersetzte der US$ den lokalen Sucre mit Billigung der USA als einzig gültige Währung. Der Präsident, der diese Entscheidung traf, wurde zwar sofort abgesetzt, das Währungsgesetz aber nicht rückgängig gemacht. Damit sicherte sich das Land zwar eine stabile Währung, entledigte sich jedoch jeglicher Einflussnahme auf eine steuernde Währungspolitik. Nur ein paar Hundert Meter südlich des Versicherungsbüros befindet sich ein Einkaufszentrum mit einem Supermarkt der landesweiten Maxisuper-Kette (N 00°20’46.4’’ W 78°08’07.3’’). Im Allgemeinen ist Ecuador etwas günstiger als Kolumbien, doch sind die Preise stets starken Schwankungen unterworfen. Besonders günstig sind Käse, Obst und Gemüse, wobei es nach Monaten wieder mal bezahlbare Leckereien wie Rucola, Kirschtomaten und eine reiche Kräuterauswahl gibt. Fleisch ist preislich o.k.

Alkohol haut jedoch dem Fass den Boden aus. Eine kleine Flasche / Dose Bier (0,33 l) kostet knapp 1 $. Hin und wieder kaufen wir uns eine Flasche Jägermeister zur besseren Verdauung ungewohnten Essens. Bisher gab es ihn in jedem Land mit Ausnahme von Kolumbien. Das günstigste Angebot hatte Panama mit weniger als 10 $, in Ecuador verzichten wir für 42 $ gerne. (Ob der ecuadorianische Präsident das überall in Lateinamerika präsente Alkoholproblem auf diese Weise in seinem Land lösen möchte?) Im Einkaufszentrum sind außerdem sämtliche Telefonanbieter vertreten, wo man SIM-Karten fürs Telefon und USB-Internet-Modems bekommt. Wir haben Glück, dass uns Julius seinen ungenutzten Internetstick verkauft, so sparen wir Geld. Wer in Ibarra übernachten möchte, findet an der PS-Tankstelle N 00°21’39.8’’ W 78°06’43.2’’ Platz. Wir fahren die halbe Stunde lieber zu Julius zurück und grillen mit der ganzen Familie.

Valle de Chota, Ecuador – Ein Name, ein Land: Ecuador, der Staat am Äquator

November 17th, 2011

Das war die schnellste lateinamerikanische Grenzabfertigung bisher. Die Ausreise aus Kolumbien dauerte inklusive Einparken, Ausparken und Geld wechseln ganze 15 Minuten. Eine Grenzabfertigung gab es natürlich auch. Die temporäre Einfuhrgenehmigung für den Wagen wird schlicht eingesammelt, doch wir werden höflich gefragt ob wir eine Kopie möchten, die uns abgestempelt wird. Dann gibt es noch einen Ausreisestempel in den Pass, wie bei der Einreise werden die Fingerabdrücke genommen und schon geht es weiter nach Ecuador. Die Passabfertigung mit Stempel (max. 90 Tage) geht fix wie meistens, am Zoll müssen wir etwas warten, da ein anderes junges deutsches Pärchens ebenfalls mit eigenem Fahrzeug einreist. Als wir an der Reihe sind, stellt die Sachbearbeiterin ihre Fragen wieder kurz angebunden in herrischem Ton, den man ihr beigebracht hat. Dank des vorher abgefertigten Paares bin ich vorbereitet, gebe meine Antworten in ebenso zackigem Ton, und wir verstehen und prima. Sämtliche Grenzbeamten sind sehr freundlich. Alles in allem brauchen wir eine Stunde, dann haben auch wir die Fahrzeuggenehmigung in der Hand. Aufdringliche Grenzhelfer gibt es in Südamerika keine mehr. Obwohl wir aus dem Drogenland Kolumbien kommen, interessiert sich wieder mal niemand für das Innere unseres Campers. Was daran liegen kann, dass Ecuador selbst genügend Kokain anpflanzt. Beide Grenzabfertigungen waren kostenfrei.

Auf Nachfrage bestätigt man uns, dass mittlerweile in Ecuador eine Kfz-Haftpflichtversicherung auch für Ausländer vorgeschrieben ist. Die würden wir im nächsten Ort, in Tulcan, erstehen können, was nicht klappt. Wir werden von einem Büro zum anderen gereicht, bis wir schließlich in die nächste Stadt Ibarra geschickt werden, die heute nicht mehr auf unserem Programm steht. Dafür sehen wir uns den Friedhof von Tulcan an, der vielleicht der schönste Ecuadors ist. Hunderte von Zypressensträuchern wurden in kunstvolle Formen geschnitten, zum Teil nach präkolumbischen Motiven. Die Anlage ist riesig und bietet noch viel Platz zum Sterben. Auf den Rasenflächen zwischen den grünen Kunstwerken werden bunte Gräber angelegt. Eigentlich verwunderlich, dass die Zypressen so gedeihen, denn Tulcan gilt mit seinen 3000 m Höhe als kälteste Stadt des Landes. Davon ist heute nichts zu spüren. Es ist recht heiß, als wir auch noch die liebevoll geschmückten Urnengräber in mehrstöckigen weißen Grüften in Augenschein nehmen. Der Initiator des Kunstfriedhofs ruht mittlerweile selbst unter dem Grün. „Ein Friedhof so schön, dass er zum Sterben einlädt“, steht auf seinem Grabstein. Seine Söhne führen die Tradition fort.

Fünf Kilometer hinter Tulcan zweigt die alte Panamericana nach Westen ab und führt in einem Bogen über eine Hochebene auf 3500 bis 3700 m bis El Angel. Dabei streift die wunderbar einsame Strecke das El Angel Reservat, wo die Frailejonas, denen wir bereits in Kolumbien begegnet sind (siehe 01.11.2011), mehrere Meter hoch werden. Beeindruckend ist ihre schiere Anzahl – es sind Abermillionen. Nicht weniger attraktiv ist das Bergland, das man in Ecuador Páramo nennt. Abgesehen von winzigen Weilern am Anfang und Ende der 42 km langen Strecke gibt es unterwegs keinen Verkehr und nur eine einzige kleine Hacienda. Die Route besteht aus alten, unbehauenen Pflastersteinen, die größtenteils verschwunden und Dreck gewichen sind. Auf der morastigen Hochebene gibt es zum Teil tiefe Schlammlöcher – ohne Allradantrieb traut man sich besser hier nicht lang. In El Angel erreichen wir Asphalt und keine 20 km weiter wieder die neue PanAm.

Zwischendurch tanken wir. Sorgen bereiten mir die limitierten Abgabemengen im Grenzbereich, doch das war unnötig. Der Tankwart hätte unseren Tank sowieso voll gemacht, doch wir zahlen für einmal Auffüllen nur 30 $. Ecuador ist ein Traumland für Autofahrer. Diesel kostet 1,03 $ / Gallone (0,21 € / l), Benzin 1,48 $ und Super 2 $ / Gallone. Schmutzig ist der Sprit mitnichten. Sauber und klar rinnt er gefiltert aus der Zapfpistole.

Immer weiter bergab geht es auf der PanAm, bis wir auf 1500 m Höhe das heiße Tal des Chota-Flusses erreichen. Die klimatische Enklave verzeichnet wenige Niederschläge und gleicht einer Halbwüste. Landwirtschaft ist nur dank Bewässerungskanälen möglich. Hier begeben wir uns auf die Suche nach Julius, einem Liechtensteiner Auswanderer, der seit 18 Jahren in Ecuador beheimatet und verheiratet ist. Sein kleines Hostal ist noch nicht offiziell eröffnet, und so finden wir den Ex-Rocker und Harley-Fahrer nicht auf Anhieb. Da im Dorf nur ein einziger Gringo wohnt, werden wir dennoch fündig und herzlich willkommen geheißen. Hinter dem Restaurant parken wir relativ lärmgeschützt von der PanAm. Für ein Bier und einen Schwatz ist Julius immer zu haben. Ruhig ist er geworden, und kinderlieb dazu: Auf vier hat er es mittlerweile gebracht. Seine Anlage Route km 121 liegt in idealer Entfernung zum Grenzübergang. Campen soll 5 $ pro Fahrzeug kosten, Poolbenutzung inklusive (sehr sauber und bei der Wärme angenehm), kaltes Bier und Gutes vom Grill ist auch verfügbar. Julius bittet wenn irgend möglich um Voranmeldung (E-Mail / Facebook: juwe_elrockero@hotmail.com, Tel. +593 (0)6 2637223, Mob. +593 (0)94 119763). Man findet Julius 100 m südlich der Mautstation Ambuqui auf der westlichen Straßenseite bei km 139,5: N00°28’09.6’’ W 78°02’37.4’’.

Las Lajas, Kolumbien – Schnee in Kolumbien

November 16th, 2011

Wir sehen aus dem Fenster und alles ist weiß. Ist das der Beweis, dass in diesem Land Koks auf der Straße liegt? Wohl weniger. Ein dramatisches Gewitter mit lang anhaltendem Hagelschauer lässt die Temperatur von knapp 30° am heißen Vormittag auf 8° hinunter plumpsen. Das nennt sich Tageszeitenklima. Alle Jahreszeiten an einem einzigen Tag, typisch äquatoriales Hochlandklima. Immerhin befinden wir uns auf 2.739 m – das ist fast so viel wie auf dem Gipfel von Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze. Wir stehen nach wie vor auf dem Parkplatz oberhalb des Wallfahrtsortes Las Lajas. Jörg hatte für einige Tage ein undefinierbares Nachmittagsfieber ohne weitere Symptome, was uns am Weiterfahren hinderte. Eine dieser seltsamen von Mücken übertragenen Virenerkrankungen, die ebenso schnell verschwinden, wie sie gekommen sind? Vorsichtshalber backe ich einen Genesungskuchen und hebe damit mein jahrelanges Kuchenembargo auf. Was auch immer geholfen hat, jedenfalls sind wir jetzt bereit zum Weiterreisen.

Der Parkplatz wird immer wieder von Bussen mit Wallfahrern besucht, besonders am Wochenende. Dann taucht auch der Parkplatzwächter auf, der die Parkgebühren kassiert. Wir aber bleiben unbehelligt. Außer einem kleinen Schwätzchen will der Mann nichts von uns. Erstaunlich. Etwas oberhalb des Parkplatzes lebt eine Familie, die einen Wasseranschluss besitzt und uns freundlicherweise mit Trinkwasser für unseren Tank versorgt. Beim Auftanken heute Morgen – wir wollen für die Weiterfahrt gerüstet sein – unterhalten wir uns mit dem erwachsenen Sohn des Hauses, der tagsüber Autos auf dem Parkplatz wäscht, unter anderem über die Notwendigkeit, Spanisch zu lernen, wenn man individuell diesen Teil der Welt bereist.

Eine immer wieder kehrende Frage ist, ob Spanisch schwer zu erlernen sei. Die Grammatik ist schwierig, erkläre ich ihm, viel schwieriger als im Englischen. Er stutzt: Aber sei denn Deutsch nicht dasselbe wie Englisch, würde nicht das unsere Muttersprache sein? Abgesehen von der etwas bedenklichen Bildungslücke des jungen Mannes bringt er zum Ausdruck, was wir schon oft erlebt haben: Spricht ein Lateinamerikaner eine weitere Sprache (meist Englisch), ist das eine grandiose Errungenschaft. Von einem Touristen wird das so selbstverständlich angenommen, dass es wohl seine Muttersprache sein muss. Dass es für uns möglicherweise mit den gleichen Schwierigkeiten verbunden ist, eine fremde Sprache (auch Englisch) zu erlernen, kommt ihnen nicht in den Sinn. Um es auf den Punkt zu bringen: Alle Nicht-Lateinamerikanier sind Gringos, und alle Gringos sprechen Englisch. Schöne, einfache Welt.

Las Lajas, Kolumbien – Die wundertätige Jungfrau

November 8th, 2011

Kurzweilig ist die Fahrt vom Vulkan wieder hinunter zur Grenzstadt Ipiales. Dutzende von qualmenden Ziegelbrennereien säumen den Weg, die fertigen Ziegel werden säuberlich zu Mäuerchen aufgestapelt. Richtiggehend putzig sind die Stundenhotels, von denen es in Kolumbien besonders viele gibt. Jedes Zimmer besitzt eine eigene separate Garage mit direktem Zugang zum Zimmer. Ruft man vorher an, öffnet bestimmt noch jemand das Garagentor. Die zumindest äußerlich sauberen und gepflegten Anlagen machen den Eindruck, als seien sie nicht nur für die Inanspruchnahme professioneller Liebesdienste konzipiert, sondern diskret genug, um dem Herrn Nachbarn, der sich mal eben mit Frau Nachbarin auf ein Stelldichein zusammenfindet, ein unerkanntes Entkommen zu sichern. Die Innenhöfe solcher Stundenhotels wurden früher gerne von Reisenden zum Campen genutzt. Auch heute noch bieten sie vor allem Motorradfahrern in unsicheren Gegenden eine diebstahlsichere Garage für Zweirad und Gepäck.

Nach dem Sündigen hat man die Gelegenheit, seine Verletzung des 6. bzw. 9. Gebots wieder zu bereuen. Besonders geeignet dazu ist die Wallfahrtkirche in Las Lajas, die dortige Jungfrau Maria gilt als wundertätig. Vom Grenzort Ipiales aus fährt man noch sieben Kilometer östlich in den kleinen Ort. Noch bevor man das Dorf erreicht, öffnet sich an einem Aussichtspunkt ein spektakulärer Blick in die tief eingekerbte Schlucht, in der der Rio Guáitara wild gurgelt. Eine 45 m hohe Steinbogenbrücke überspannt den Fluss, das grau-weiße Kirchlein stützt sich darauf und schmiegt sich dabei an die Schluchtwand. Nuestra Señora del Rosario de Las Lajas wurde 1949 im neugotischen Stil fertig gestellt und ersetzte die Kapelle von 1803.

Der Legende nach erschien einem taubstummen Indianermädchen an einem Septembertag 1754 an eben dieser Stelle die heilige Maria. „Die Mestizin ruft nach mir!“, soll sie zu ihrer Mutter gesagt haben, auf einen Felsen deutend, auf dem sich die Gestalt der Jungfrau abzeichnete. Das Kind konnte fortan hören und sprechen. Die Stelle, an der das Wunder geschah, bildet heute die Altarrückwand, die Muttergottes wurde auf den Fels gezeichnet. Die heilige Maria ist nach wie vor wundertätig. Das jedenfalls geben tausende von Votivtafeln preis, die mit Gips an die umgebenden Hänge geklebt wurden.

Von einem kleinen kostenpflichtigen Parkplatz (2.000 Peso) im Ort aus läuft man hinunter zur Wallfahrtskirche an ungezählten Souvenirshops vorbei. Ein zweiter Ausweichparkplatz weiter oberhalb (N 00°48’27.5’’ W 77°34’54.7’’) ist ruhig, kostenlos und bietet viel Platz zum Campen. Aber Achtung, jedes Jahr im September (die Wochen um den 16. herum) pilgern tausende von Ecuadorianern und Kolumbianern nach Las Lajas, um für Erfüllung ihrer Wünsche zu bitten. Das Kassenhäuschen steht auch an diesem Parkplatz schon bereit für die Massen.

Volcán El Azufral, Kolumbien – Unser erster Viertausender!

November 7th, 2011

Die Wollmütze auf dem Kopf, die Fleecejacke und die dicke Winterregenjacke oben, die warme Regenwanderhose unten: so starten wir zu unserer heutigen Wanderung. Doch, wir sind noch in Kolumbien. Aber in 4.000 m Höhe ist es auch am Äquator kalt. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 6° C, dazu gibt es tief hängende Wolken und am Nachmittag zuverlässig einsetzenden Regen. Die Wanderung ist es trotzdem wert. Sie führt uns auf den ruhenden Volcán El Azufral, was Schwefelvulkan bedeutet, dessen höchste Erhebung 4.070 m ist. In seinem Krater befinden sich drei Seen: die große Laguna Verde, die ihre grüne Farbe von eben dem Schwefel hat, die kleine tiefdunkle Laguna Negra und die Laguna Blanca, deren Wasser doch eher grünlich ist statt weiß.

Laguna Verde hat schneeweiße Strände und kahle Felsen, die von dickem gelblich-weißem Schwefelbelag überzogen sind. Man kann um den See teilweise herumlaufen. Zum Baden eignet sich das 8° kalte, ständig blubbernde Giftwasser nicht. Aus Löchern im Boden entweichen nach faulen Einern stinkende Schwefeldämpfe. Die Umgebung des Vulkans ist dich bewachsen mit hunderten verschiedenen dicken Mooskissen, Flechten, Gräsern und niedrigen Sträuchern. Etwa 70 Bäche sollen hier entspringen, was ich gerne glaube, denn die knapp fünf Kilometer Aufstieg vom Parkplatz auf 3.670 m zum „Gipfelschild“ auf 4.000 m sind nass und schlammig.

Die bis auf das letzte Stück gemächlich ansteigende Strecke schaffen wir in einer flotten Stunde fünfzehn, trotz der Höhe. Danach geht es in einer halben Stunde einen knappen Kilometer 200 Höhenmeter hinunter zu den Lagunen; zunächst durch ein steiniges Bachbett, dann über teils weggebrochene unwegsame Stufen in einem extrem rutschigen Hochmoor. Der Abstieg zu den Seen ist gleichzeitig der schwierigste Teil der Wanderung. Zugute gekommen ist uns definitiv, dass wir bereits die letzte Nacht auf dem Parkplatz geschlafen haben, was sehr zur Akklimatisierung beiträgt.

Die Zufahrt zum Vulkan Azufral liegt zwei Kilometer hinter der Stadt Túquerres and der Straße nach Olaya (Abzweig bei N 01°05’43.1’’ W 77°41’08.4’’). Von da an sind es sieben Kilometer sich verschlechternde, teils recht enge Schotterpiste. Bei der Cabaña des Naturwarts (N 01°05’41.7’’ W 77°41’08.4’’) parkt man am Wegesrand, zum Campen wird uns das krumme Wegstück oberhalb der Hüttenzufahrt zugewiesen (einzige halbwegs plane Stelle, nur Allradfahrzeuge). Zutritt zum Vulkan kostet 1.000 COP pP, Parken einmalig 5.000 COP. Für die zwei Nächte campen zahlen wir nichts. Das Gästebuch des Naturwarts, in das man sich eintragen muss, zeigt fast ausschließlich kolumbianische Besucher an – eigentlich schade, es ist eine schöne Wanderung, ein einfacher 4000er, und eine prima Gewöhnung an größere Höhen.

Túquerres, Kolumbien – Panamericana Sur

November 6th, 2011

Entlang der Panamericana von Popayán in Richtung Süden bieten sich einige Übernachtungsstellen an:
* Truckstop Biomax, Panoya, 68 km nördlich von Pasto, Schotter-/Rasenfläche unmittelbar südlich der Tankstelle: N 01°34’04.1’’ W 77°21’00.1’’
* Texaco Truckstop nördlich von Pasto, viel Platz, sehr geschäftig, N 01°15’49.5’’ W 77°16’42.7’’
* Tankstelle südlich von Pasto, etwas ruhiger, N 01°09’48.1’’ W 77°17’43.9’’
* Das Restaurant Country House in Pasto, das früher von Reisenden angeführt wurde, scheidet dagegen aus. Es hat derzeit geschlossen.
* Biomax Truckstop Porvenír, N 01°06’57.5’’ W 77°22’51.2’’
* Esso Truckstop südlich von Tangua, N 01°03’53.2’’ W 77° 25’43.7’’
* Esso Truckstop 14 km nördlich von Ipales, N 00°54’31.7’’ W 77°31’40.0’’
* Terpel Truckstop Ipales, N 00°50’05.3’’ W 77°35’55.8’’

* Kraftstoff ist generell in Kolumbien weit teurer als in Ecuador. Diesel kostet hier rund 8.000 Peso (3,20 €) pro Gallone bzw. umgerechnet 0,85 € pro Liter. Benzin liegt bei knapp 4 € / Gallone. Allerdings sollen Kraftstoffe in Ecuador von schlechter Qualität sein, verschmutzt und mit geringerem Brennwert. Da ist es gut zu wissen, dass das Departement Nariño an der Grenze zu Ecuador steuerbegünstigt ist. Sobald man Cauca verlässt, ändern sich die Preise an den Tankstellen. Diesel kostet hier nur noch 5.000 COP (2 €) pro Gallone bzw. 0,53 € / l.

Popayán, Kolumbien – Einsatz im ewigen Krieg

November 4th, 2011

Die Hubschrauberrotoren wummern über unseren Köpfen. Einer nach dem anderen erhebt sich in die Luft, dazwischen dröhnen Propellerflugzeuge. Wir wussten, dass unweit des Hauses von Carlos und Lucia ein Militärstützpunkt liegt. Doch wer hätte vermutet, dass hier so viele Hubschrauber stationiert sind? Der Lärm scheint nicht zu enden und die Einwohner Popayáns beginnen, sich Sorgen zu machen. Eine Übung kann es nicht sein, sind sie überzeugt, etwas geht vor sich. Doch erst die Abendnachrichten lüften das Geheimnis: Das kolumbianische Militär tötete im Verlauf eines zwei Jahre geplanten Großeinsatzes den Anführer der größten Guerillaorganisation FARC, Guillermo León Sáenz Vargas alias Alfonso Cano. Die Leiche des seit 2008 amtierenden Oberhaupts der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens wurde nahe dem Ort Micay neben der seiner Lebensgefährtin gefunden. Die genauen Umstände ihres Todes sind derzeit unbekannt.

Die Pazifikregion des Departements Cauca, dessen Hauptstadt Popayán ist, ist seit Jahren in den Händen der Guerillas. Obwohl der Tötungsakt ohne Gerichtsprozess nach rechtsstaatlichen Maßstäben fraglich erscheint, begrüßt das kolumbianische Volk die Aktion. Die Guerillaorganisation, die in ihren Anfangstagen möglicherweise tatsächlich für die Arbeiter und Bauern des Landes gekämpft hat, ist in den letzten Jahrzehnten zum reinen Selbstzweck geworden. Sie terrorisiert die Bürger, stiehlt den Bauern das Land, statt des ihnen als Lebensgrundlage zu beschaffen, entführt, mordet und finanziert sich über Drogenhandel. Von ehemals 17.000 Kämpfern ist die FARC auf etwa 8.000 geschrumpft.

Das Volk bleibt dennoch misstrauisch. Vielen ehemaligen oder amtierenden Regierungsmitgliedern (einschließlich Präsidenten) wird nachgesagt, einer Guerilla- oder Paramilitäreinheit angehört zu haben. Viele Regierungsangehörige werden verdächtigt, mit den illegalen Organisationen zu handeln und Informationen auszutauschen. Den Machthabern wird ebenfalls vorgeworfen, den ewigen Krieg weiter zu fördern, da Waffenhandel ebenso lukrativ ist wie die Drogendollars, die ins Land fließen. Daher ist der Schlag gegen die FARC für Kolumbianer eine große Sache, während das den europäischen Nachrichten lediglich eine Kurzmeldung wert ist.

Popayán, Kolumbien – Die weiße Stadt

November 3rd, 2011

Popayán zählt – neben Cartagena und Mompós – zu den schönsten Kolonialstädten Kolumbiens. Für uns hat sie weit mehr Charme als Cartagena, da sie auch außerhalb des historischen Zentrums eine angenehme, lebenswerte Stadt ist. Der nur 250.000 Einwohner zählende, 1537 gegründete Ort hat mehr Intellektuelle, Bischöfe und Präsidenten hervorgebracht als jede andere kolumbianische Stadt. Ihr ewiges Frühlingsklima macht unseren Aufenthalt angenehm.

Den Titel Ciudad Blanco verdankt sie den einheitlich schneeweiß getünchten Fassaden der Altstadt. Hier stehen Sehenswürdigkeiten wie die Basilica Metropolitana, der viereckige Uhrenturm Torre del Reloj mit einer Uhr aus London (seit 1737), die nur einen Zeiger besitzt, die Barockkirche San Francisco und die aus Hunderttausenden Ziegeln errichteten Brücken. Ein Rundgang lohnt sich besonders auch abends, wenn die Kolonialgebäude stimmungsvoll beleuchtet sind.

Popayán, Kolumbien – Die zwei Gesichter

November 2nd, 2011

Da sind sie wieder, die zwei Gesichter Kolumbiens. Früh am Nachmittag erreichen wir die Stadt Popayán und prüfen als erstes die Tankstellen auf Tauglichkeit zum Übernachten. Die beiden nördlicheren sind mangels Platz bzw. wegen Baustelle ungeeignet. Die südlichste Biomax (N 02°25’12.6’’ W 76°37’57.5’’) wäre akzeptabel. Wir fragen noch an einem Restaurant mit geräumigem Parkplatz nach. Das Personal ist wie immer superfreundlich, doch der telefonisch befragte Besitzer verlangt die schon zur Gewohnheit gewordenen 50.000 Peso (20 €). Haben die sich alle abgesprochen? Restaurants entlang der Panamericana scheinen als Übernachtungsoption auszuscheiden.

Wir fahren erst einmal zu Carrefour zum Einkaufen, hier gibt es ausnahmsweise einen Parkplatz mit Lkw-Zufahrt (bei N 02°27’36.6’’ W 76°35’43.4’’). Ein Stück südlicher an der PanAm befindet sich der etwas günstigere Exito-Supermarkt. Kaum schieben wir unseren Wagen durch die Reihen, steht das andere Gesicht Kolumbiens vor uns: Lucia und Carlos, ein superliebes kolumbianisches Pärchen, das uns die Übernachtungsfrage abnimmt, da es uns zu sich nach Hause einlädt. (Insgesamt bekommen wir im Süden des Landes vier Einladungen, aber leider können wir nicht alle annehmen.) Aus der geplanten einen Nacht werden drei mit vielen Restaurantbesuchen, Kneipen, Stadtbesichtigungen und langen Abenden. Lucia und Carlos haben schon öfter Reisende „abgeschleppt“.

Nachdem sie den Unimog erspäht hatten, machten sie sich auf die Suche nach uns. Carlos erklärt uns seine Theorie, wie er uns in dem riesigen Einkaufszentrum gefunden hat: 1. Reisende kaufen keine Schuhe oder Kleidung, sie müssen also im Supermarkt sein. 2. Unimogfahrer müssen großgewachsen sein. 3. Deutsche sind selten dunkle Typen, sie haben vermutlich blaue Augen und helleres Haar. 4. In welchem Gang findet man Deutsche im Supermarkt? Beim Bier. Und genau da treffen wir uns.

Coconuco, Kolumbien – Ein vorzeitiges Resümee

November 1st, 2011

Unser Kolumbienaufenthalt neigt sich langsam dem Ende zu. Unser vorzeitiges Fazit ergibt: Der Aha-Effekt ist ausgeblieben. Das Land lässt uns mit ambivalenten Gefühlen zurück. Die Menschen sind ausgesprochen höflich und ehrlich, jedoch nur im Süden des Landes: Man wird stets mit Señora bzw. Señor angesprochen. Bedankt man sich für eine Dienstleistung, lautet die Antwort nicht schlicht „danke“, sondern „a la orden“, zu Befehl. Hier bekommen wir sogar hin und wieder etwas geschenkt. Zwei Päckchen Käse zum Probieren, zwei Beutel Mineralwasser an der Tankstelle, Pizzas und Blätterteigpasteten von einem Essenslieferanten, der unszufällig sieht, oder die zwei Laib Brot von heute Morgen. Die hatte ich gestern bei der Verwalterin des El Maco nach Preisliste bestellt, doch sie drückt sie mir als Abschiedsgeschenk in die Hand. Auch wenn es Weißbrot ist, es ist saftig und hat eine schöne feste Krume. Die Bäckereien, Panaderias, verkaufen in unterschiedlichen Formen den stets gleichen Teig, der einem Hefezopf entspricht. Und in den Supermärkten des gesamten amerikanischen Kontinents erhält man den gleichen gummiartigen Toast, ob mit oder ohne Vollkorn. Zum Selbstbacken ist nicht immer die Zeit da, und oft ist es zu warm, den Ofen in der Kabine anzuwerfen.

Eine Studie, die Kolumbianer gerne zitieren, stellt sie als die zweitglücklichste Nation der Welt dar. Die Wahrheit vermag ich nicht zu beurteilen, aber Lebensfreude sieht anders aus. Sie äußert sich nicht in der Anzahl von Feiertagen, die sich ein Land gönnt; auch nicht in der Lautstärke der Musik, mit der sich die Menschen bedröhnen. Dafür sind die Kolumbianer ausgesprochen gebildet und kulturell interessiert. Die Kunst- und Philosophieuniversitäten des Landes sind gut besucht. Kolumbien hat eine Vielzahl von international anerkannten Künstlern hervorgebracht. Dazu gehören Maler und Bildhauer wie der hoch bezahlte Fernando Botero. Nicht nur der internationale Schlagerexport Shakira ist ein Kind Kolumbiens, zahlreiche Musiker traditioneller Latino-Stilrichtungen sind auf dem ganzen Kontinent bekannt. Auch die Literaturszene hat Größen hervorgebracht, allen voran Nobelpreisträger Gabriel Gárcia Márquez, der mit weltweit 32 Mio. verkauften Büchern, übersetzt in 26 Sprachen, der meistgelesene Autor der Erde ist. Ich gestehe: Mit seinen Klassikern „Hundert Jahre Einsamkeit“, „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ oder „Der General in seinem Labyrinth“ ist er auch mein Lieblingsautor.

Die Landschaften Kolumbiens sind enorm vielfältig und grün, das ist sein Reichtum. Doch ist es mehr die gesammelte Nettigkeit dieser Naturhübschheiten denn einzelne herausragende Attraktionen. Die großen Highlights sucht man vergebens. Kolumbien ist kein teures Reiseland. Vielerorts findet man günstiges Essen und einige Landschaften sind keine teuren Nationalparks, sondern können kostenlos besucht werden. Noch. Denn Kolumbien hat bereits entdeckt, dass man mit Tourismus Geld machen kann. Lediglich das rechte Maß fehlt stellenweise. Preise in Restaurants, für Führungen, Eintritte, Straßenmaut und Übernachtungen stehen oft in ungünstigem Verhältnis zu dem, was geboten wird. Im gesamten Tourismusbereich (selbst in hoch gebildeten Kreisen) spricht kaum jemand Englisch. Man kann nicht von jedem Überseetouristen erwarten, dass er vor seiner Reise eine Spanischkurs besucht – immer im Verhältnis zum verlangten Preis gesehen. 20 € für das nächtliche Parken vor einem Restaurant zu fordern ist schlicht unverschämt. Es sei denn, man sucht die Übernachtungsgäste zu vertreiben. Hier scheint sich in den letzten Jahren einiges zum Negativen verändert zu haben.

An den Thermalquellen von Aguatibia bei Coconuco will man 8.000 Peso (3,20 €) Eintritt pP und zusätzlich 15.000 Peso (6 €) pro Fahrzeug / Zelt fürs Campen (keinerlei Service bis auf sehr weit entfernte Toiletten und kalte Außenduschen) – grenzwertig. Wir bleiben trotzdem, um unsere vom Reiten beanspruchten Muskeln in den gut körperwarmen, algengrünen, perlenden Thermalbecken und dem etwas kühleren, klarblauen, mit Fischchen bestückten Mineralwasserbad zu entspannen. Außerdem sind Übernachtungsplätze in der Gegend extrem rar. Coconuco liegt an der Straße # 20 von San Agustín nach Popayán. Für die gut 100 km kalkuliert man fünf Stunden: eine Stunde Asphalt, drei Stunden Schotterpiste mit unzähligen Baustellen, in denen der Verkehr nur einspurig läuft. Auf der Hochebene in 3.000 m durchquert man unterschiedliche Bewuchszonen. Bäume werden niedriger und verschwinden nach und nach, bis im Nationalpark Puracé dichtes, nichtsdestoweniger bunt blühendes Buschwerk den Boden bedeckt. Das wird abgelöst von einer Savanne, auf der Frailejonas bzw. Espeletia wachsen. Diese Korbblütler sind typisch für das tropische Hochland, wachsen aber nur im nördlichen Südamerika. Die sogenannten Halbsträucher sind wenig mehr als kniehoch, auf einem Stamm aus vertrockneten Blättern wächst ein ananasartiges Krönchen, das entfernt an eine kleine Agave mit weißem Pelz erinnert.

Gegen Ende der Schotterpiste, als es bereits wieder talwärts geht, liegen die Thermalquellen. Kurz darauf beginnt wieder Asphalt. Von hier ist es eine weitere Stunde bis Popayán. Termales Aguatibia, Coconuco, N 02°18’23.9’’ W 76°30’26.0’’