Calgary, Alberta – Tödliche Büffelsprünge fürs menschliche Überleben

Claude ist heute unser Reiseführer – der beste Westkanadas! Eine 600 km lange Tour durch Albertas Süden zeigt uns so ziemlich alle Landschaftsformen der Provinz: Riesige Acker- und Weideflächen, auf denen es Rinder und richtige Cowboys mit Pferden gibt. Etliche Huttererkolonien bewirtschaften Ländereine, die schon von weitem einen extrem ordentlichen Eindruck macht. Später fahren wir in das Foothills genannte Vorgebirge der Rocky Mountains, wo man in Tälern zwischen grünen Hügeln herumfährt. Am Ende des Tages werden wir in den Rockies des höchsten Straßenpass Kanadas überqueren.

Zunächst aber besuchen wir Head-Smashed-In Buffalo Jump. Die Prärieindianer, vorrangig die Blackfoot Indianer, entwickelten vor etwa 6.000 Jahren eine spezielle Technik, um die für ihr Überleben notwendigen Bisons zu erlegen. Mehrere Stämme arbeiteten zusammen, um die im Herbst fetten Herden zu jagen. Mit Büffel- und Wolfsfellen getarnte Frauen und Männer trieben die Tiere in einen sich verengenden Trichter, den sie in wochelanger Arbeit präpariert hatten. Dabei nutzten sie den schlechten Gesichts- aber guten Geruchssinn der Bisons. Schließlich versetzten sie die Herde in Panik. Die Tiere begannen zu rennen und viele von ihnen stürzten eine Felsklippe hinunter, die sie zu spät erkannten. Die meisten Büffel starben beim Sturz, die verletzten wurden erschlagen oder erstochen. Die Beute wurde komplett verarbeitet: Die Innereien wurden gegessen, das Fleisch in Streifen geschnitten, getrocknet und anschließend teilweise gemahlen und mit Beerenfrüchten vermischt, was das nahrhafte Pemmikan ergab, ein wertvoller Vorrat für den langen Winter. Eingeschmolzenes Fett und Knochenmark diente ebenfalls als Nahrung und Heilmittel. Aus Knochen stellte man Werkzeuge her, Felle, Häute und Sehnen wurden zur Herstellung Kleidung und Tipis (Zelten) genutzt. In fetten Jahren, wenn mehr Tiere erlegt wurden als verarbeitet werden konnten, nahmen sich die Ureinwohner nur die begehrtesten Teile. Die verbliebenen Leichen türmten sich im Laufe der Jahrtausende auf. Grabungen am Head-Smashed-In Buffalo Jump ergaben, dass die Knochenreste das ursprünglich 22 m hohe Felskliff auf 12 m verkürzt haben. Der unappetitliche Name „zerquetschter Kopf Büffelsprung“ rührt von einer alten Legende, nach der ein junger Mann unter einem Felsvorsprung am Fuß des Kliffs dem Spektakel beiwohnen wollte. Bei der außergewöhnlich erfolgreichen Jagd türmten sich die Tierkörper immer weiter auf und erdrückten ihn schließlich an der Felswand. Es gab etliches solcher Buffalo Jumps, doch mit Ankunft der europäischen Siedler verschwand diese Tradition. Die von den Weißen eingeführten Gewehre und Pferde erleichterten die Jagd und verlagerten sie von der Gemeinschaft auf das Individuum. In den Folgejahren wurden in erster Linie von den Weißen hunderttausende von Bisons getötet und die Art schließlich ausgerottet. Gründe waren der gewollte Nahrungsentzug als Lebensgrundlage für die Indianer, eine Art perverser Schießsport sowie die Nutzung des in den Büffelknochen enthaltenen Phosphors zum Bombenbau im 1. und 2. Weltkrieg. Eine später entdeckte kleine Gruppe überlebender Bisons wurde zur Nachzucht genutzt. Heute leben einige hundert Bisonherden in öffentlicher und privater Hand.

Am frühen Morgen des 29. April 1903 rutschte ohne Vorwarnung ein 1 km breites, 425 m langes und 150 m tiefes Felsstück vom Turtle Mountain in die Tiefe und begrub das Kohlebergbaudorf Frank unter sich. Mindestes 70 Menschen starben in dieser Nacht im Schlaf. Die im Kohleschacht verschüttete Nachtschicht konnte sich später retten. 82 Millionen Tonnen Stein verschütteten nicht nur das Dorf, das ganze Tal füllte sich mit Felsbrocken. Auch heute noch erinnert die fast vegetationslose Steinwüste an Kanadas größtes Erdrutschunglück. Als Ursachen werden eine instabile geologische Bergstruktur, Untertage-Bergbau, Wasseraktivitäten und einige ungewöhnlich warme Tage gefolgt von einer Frostnacht angesehen.

Entlang der Rocky Mountains hat Alberta in Nord-Süd-Richtung einige aufeinanderfolgende Parks errichtet. Von Süden her fahren wir in den Kananaskas Provincial Park, auch K-Country genannt, hinein. Die grün bewachsenen lieblichen Hügel der Foothills verschwinden, die Berge werden steiler, schroffer, steiniger und die Straße steigt stetig an. Man wähnt sich in den Alpen mit all den grauen schneebedeckten Bergen und den Nadelwäldern. Der Highwood Pass auf 2206 m Höhe öffnet immer erst am 15. Juni, wir haben also Glück. Auch jetzt noch liegt Schnee an den Seiten und beim Fototermin im T-Shirt stellt sich eine Gänsehaut ein. Auf der Suche nach Wildtieren kreuzen wir durch den ganzen Park. Wir finden jede Menge Rotwild und Maultierhirsche, die wegen ihrer großen Ohren so genannt werden, aber größere Tiere tauchen heute nicht auf.

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