Guerrero Negro, Baja California Sur – Wale zum Anfassen

In drei Buchten entlang der Baja California sammeln sich alljährlich die Grauwale, um ihre Kälber zur Welt zu bringen oder sich zu paaren. Die nördlichste und größte Bucht, in der gleichzeitig die größte Anzahl Grauwale zu finden ist, heißt Laguna Ojo de Liebre und liegt vor den Toren Guerrero Negros. Man kann die Wale mit einem Fernglas vom Strand aus beobachten, aber das wahre Erlebnis gibt es nur mit einem Boot.

Wir entscheiden uns für einen der renommierten Veranstalter mit zweisprachigem Personal, Mario’s Tours, der auch einen Campingplatz führt. Der Ausflug beginnt pünktlich um 8 Uhr und führt uns zunächst mit einem Kleinbus auf das Salinengelände, das einen Großteil des hiesigen Küstenareals belegt. Die Salzgewinnungsanlage fördert 7 Mio. Tonnen pro Jahr und gehört gemeinschaftlich dem Staat und der Firma Mitsubishi. Die Saline kann gesondert besichtigt werden, aber schon während der Fahrt über das Areal sieht man riesige Arbeitsmaschinen zur Salzgewinnung oder Lkw, die bis zu 120 t Salz laden.

Mit einem kleinen Speedboot fahren wir in die flache Bucht hinaus. Das Wetter ist perfekt am oft so ungemütlichen Pazifik, denn es ist windstill und die Sonne hat den Nebel aufgelöst. Es sind nur noch wenige Grauwale hier, die meisten sind bereits auf dem Weg zu ihren Jagdgründen im hohen Norden. Aber entscheidend ist nicht die Anzahl, sondern das intensive Erlebnis. Der geschulte Bootskapitän nähert sich den Meeressäugern äußerst langsam und stoppt das Boot mindestens 100 m vorher. Den Rest erledigen die Wale, wenn sie Lust haben. Heute haben sie, es ist unglaublich. Sie umschwimmen das Boot, drehen sich zur Seite, um uns mit einem Auge betrachten zu können, recken ihren Kopf aus dem Wasser und ja, sie lassen sich anfassen und streicheln. Ihre Haut ist dick, aber ganz weich und mit vielen harten Verkrustungen übersät, wo Seepocken wachsen. Die Delfine, die in der Bugwelle surfen, wetteifern um unsere Aufmerksamkeit. Wenn die Wale an der Wasseroberfläche ausatmen, spritzen sie uns alle und unsere Kameras mit ihrem Blas voll. Wenigstens sind sie so rücksichtsvoll, gebührenden Abstand zu halten, wenn sie weit aus dem Wasser springen, um sich mit einem lauten Platschen wieder hineinfallen zu lassen.

Es handelt sich durchgehend um einige späte Mütter mit ihren Kälbern, die sich noch in der Laguna Ojo de Liebre aufhalten. Die meisten andern, die Männchen und die Jungtiere sind bereits auf ihrer zwei- bis dreimonatigen Reise in die Beringsee, wo sie sich während des Sommers mit Krill eine dicke Fettschicht anfressen, um im nächsten Winter wiederzukommen. Ein Weibchen bringt alle zwei Jahre ein Junges in der Lagune zur Welt, die ihnen Schutz vor Orcas und Haien bietet, eine für Wale kuschelige Wassertemperatur und – so zumindest die Theorie – einen höheren Salzgehalt, der den Babys das Schwimmen erleichtern soll. Die Mutter zeigt dem Kalb einmal den Weg in die Beringsee und zurück, danach trennt sie sich von ihm. Anschließend paart sie sich erneut und gebärt nach einer Tragezeit von elf bis 12 Monaten ein weiteres Kalb. Grauwale werden bis zu 50 Jahre alt, in seltenen Fällen bis zu 60 Jahre. Sie ziehen jährlich 16.000 bis 19.000 km, das ist die längste bekannte Migration eines Säugetiers.

In den letzten Jahren verschob sich die Walsaison meist etwas nach hinten, sodass sie jetzt von Anfang Dezember bis Ende April dauert, mit ihrem Höhepunkt im Februar und März. Die Touren starten morgens und dauern etwa drei Stunden zuzüglich An- und Abfahrt. Eine weitere Möglichkeit der Walbeobachtung ist, südlich von Guerrero Negro auf das Salinengelände zu fahren (kleine Eintrittsgebühr) und sich vor Ort ein Boot zu mieten. Das kann etwas günstiger sein, eventuell aber weniger professionell als bei den etablierten Veranstaltern.

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