Guadalajara, Jalisco – Busfahrer im Akkord

1,6 Mio. Einwohner in der Stadt, 5 Mio. mit Umland, zweitgrößte Stadt Mexikos mit einer seit 1542 andauernden Historie: Diese Fakten können Guadalajara nur oberflächlich beschreiben, denn sie hat weit mehr zu bieten. Um den alten Stadtkern wurde eine große Fußgängerzone errichtet, die die wichtigsten Sehenswürdigkeiten umfasst. Obwohl Guadalajaras Verkehr als lange nicht so chaotisch wie der in Mexiko City gilt, gibt es ein Parkplatzproblem in der Innenstadt, vor allem für Fahrzeuge über 2,8 m Höhe. Doch das öffentliche Nahverkehrssystem ist vorbildlich ausgebaut und der (einzige) Campingplatz versorgt uns mit perfekten Informationen zum Stadtbus.

Für 6 Peso (37 Eurocent) dürfen wir eine knappe Stunde mitfahren, was so seine Tücken hat. Um den Bus an der Haltestelle zum Stoppen zu bewegen, wirft man sich todesmutig vor die Räder. Man hat das Geld passend parat, schmeißt es beim Einsteigen dem Fahrer auf den Tresen, schnappt sich das Billet, greift breitbeinig eine der Haltestangen oder hechtet sich noch besser auf den nächsten freien Platz. Denn der Fahrer fährt sofort los, sobald der letzte Passagier im Bus ist, der Rest wird während der Fahrt erledigt. Und wie der Mann fährt! Er muss im Akkord und nach Runden bezahlt werden, die er während seiner Schicht schafft, oder er erhält eine Beteiligung am Passagieraufkommen. Anders lässt sich die Fahrweise des Busfahrers nicht erklären, wie er wild im Getriebe herumrührt und dabei die Kupplung malträtiert, nur im äußersten Notfall und dann auch nur im letzten Moment eine Vollbremsung hinlegt und ansonsten mit 100 Sachen über den Kreisverkehr donnert. Das scheint niemanden zu stören. Wir sind dennoch erleichtert, im Zentrum auszusteigen.

Guadalajaras Kathedrale ist riesig und erhielt nach den Erdbeben 1750 und 1818 einen Ersatz für die beiden eingestürzten Türme. Die gelb gekachelten Spitzen sind heute das Wahrzeichen der Stadt. Das eigentlich für die Kathedrale gefertigte Eingangstor findet man am Regierungspalast, der zum Museum umgewandelt wurde. Die in Holz geschnitzten nackten Frauenbrüste empfand man dann doch als etwas unpassend für den Sakralbau. Der Hauptaufgang des Palacio de Gobierno wird geschmückt von einem sehr eindrucksvollen Wandbild, das sich um den Unabhängigkeitshelden Pater Manuel Hidalgo dreht, der 1810 für die Abschaffung der Sklaverei kämpfte und dafür vom spanischen Klerus exekutiert wurde. Ein mehrsprachiger Rentnervolontär ist ganz versessen darauf, uns das Gemälde zu erklären, auch wenn sein Deutsch dafür nicht ausreicht. Ein Trinkgeld für seine Mühen lehnt er am Ende nicht ab – das wird in Mexiko immer gerne genommen, wenn auch nicht automatisch erwartet.

Auch das Teatro Degollado und das Institutio Cultural Cabañas sind sehenswerte Kolonialbauten. Nach so viel Kultur knurrt der Magen. Abhilfe schafft der Mercado Libertad, einer der größten überdachten Märkte ganz Lateinamerikas. Hier gibt es nicht nur Essstände auf drei Ebenen, sondern auch alles andere, was mehr oder weniger nützlich ist: Fleisch, Gemüse und Obst; Schuhe, Handtaschen und T-Shirts; Kugelschreiber, Feuerzeuge und Sonnebrillen; Lidschatten, Nagellack und künstliche Nägel. Und vieles mehr. Made in China.

Zurück auf dem San José del Tajo RV Park duschen wir uns den Stadtschweiß ab. Kakerlaken sind häufig gesehene Bewohner derartiger Etablissements. Hier aber gibt es kleine Frösche. Wie hübsch. Ich behalte meine Schlappen beim Duschen lieber an. Auch der Swimmingpool würde sich über eine Reinigung durchaus freuen. Der Platz ist insgesamt nicht schlecht, der Preis aber (200 Peso, runtergehandelt von 250) repräsentiert eher die Lage denn Ausstattung und Sauberkeit.

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