Sahuayo, Michoacán – Tote Fische, winkende Menschen

Wie lange noch wird es der größte natürlich See Mexikos sein? Laguna Chapala südlich von Guadalajara ist heute noch 113 km lang und bis zu 32 km breit. Doch hat die gierige Großstadt mit Umgebung seit dem Wechsel zum 20. Jahrhundert die Hälfte des Wassers aus dem See herausgeschlürft. Die meisten Fische wurden durch Verschmutzung getötet, überlebender Bewohner ist ein 5 cm langer Winzling, der als Delikatesse gilt. Wir verzichten dennoch, da wir uns nicht darüber im Klaren sind, wie weit das mit der Gewässerverschmutzung geregelt ist.

Am östlichen Ende des Sees machen wir in der Stadt Sahuayo Halt, wo sich plötzlich etwas ändert: Die Menschen sind freundlich. Sie lächeln, sie winken (mehr als sonst), sie finden unsere Website und schreiben E-Mails und sie sprechen uns an – wer kann in Englisch, sonst eben auf Spanisch. Zum ersten Mal seit Baja California, wo die Menschen dem lebenslustigeren Laisser-faire-Stil der Küstenbewohner anhängen und der angenehmen Stadt Zacatecas fühlen wir, dass Leute sich freuen, uns zu sehen. Nicht dass wir besonderen Wert darauf lägen. Doch weder die Indios noch die Nachkommen der spanischen Eroberer zeichnen sich durch besondere Fröhlichkeit aus. Gleichgültigkeit, Gram oder Arroganz lese ich in vielen Gesichtern, manchmal auch Unsicherheit oder Scheu. Gebe ich Bettlern oder – entgegen meiner Prinzipien – armen Indiokindern etwas Geld, erntet man nur selten ein gracias. Frauen, die an winzigen Marktständen versuchen, Süßigkeiten zu verkaufen, würden vermutlich mehr Geschäft machen, wenn sie an ihrer Mimik arbeiten würden.

Derart griesgrämige Gesichtsausdrücke kenne ich selbst im muffeligen Deutschland nur vom weiblichen Bevölkerungsteil der Kriegsgeneration, die sich alleine als Trümmerfrauen durchschlagen musste oder deren übereilt geheiratete Ehemänner sich als nutzlos herausstellten. Nun, Deutschland ist wiederaufgebaut und gegen unglückliche Ehen gibt es ein auch in dieser Altersstufe sozial akzeptiertes Mittel zur Abhilfe: Scheidung. Was die Mexikaner zu ihrer mürrischen Weltsicht bringt, kann ich nur vermuten. Ist es das weiße Gesicht, das den reichen, ungeliebten Amerikaner symbolisiert? Der nördliche Nachbar erfreut sich in Mexiko nicht gerade großer Beliebtheit. Im Krieg stahlen die USA Mexiko große Landesteile, weitere Gebiete kauften sie später dazu. Und auch heute noch zeichnet sich der gemeine Amerikaner – als Tourist oder als Resident – nicht gerade durch großes Feingefühl aus. Oder haben die Einwohner Mexikos schlicht nichts zu lachen, ist ihr Leben so schwer und erdrückend, wenn nicht gerade eines der vielen Feste gefeiert wird? Ist Lächeln in diesem Kulturkreis kein notwendiges Mittel interhumaner Verständigung? Wir wollen es herausfinden.

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