Taraza, Kolumbien – Guerillas, Paramilitärs und Drogenkartelle

Der arme Schlucker, der den Nachtwächter des Mittagsgrills abgibt, auf dessen Platz wir übernachteten, hätte sich ein Trinkgeld verdient gehabt. Doch da ist sie wieder, die unverbesserliche Gier, die dazu führt, dass man leer ausgeht. Bevor wir auch nur die Geldbörse in die Hand nehmen können, behauptet er, sein Chef wolle von uns 50.000 COP als Campinggebühr. Wiederum unverschämte 20 Euro. Ich weise ihn darauf hin, dass das nicht der Wahrheit entspricht und lehne schlicht ab. Da dackelt er widerspruchslos davon und öffnet das Tor. Die Nordkolumbianer tun in unseren Augen gerade nicht allzu viel für ihre Imagepflege.

Die PanAm bringt uns weiter nach Süden. Mit vielen Schlaglöchern, grausamen Überschwemmungen, Straßensperrungen, und zahlreichen Mautstellen. Hoffentlich wird das Geld wenigstens für den Straßenbau verwendet. Das Wetter spielt verrückt. Während die meisten mittelamerikanischen Länder von einer ungewöhnlich heißen und trockenen Regenzeit berichteten, findet in Guatemala, Panama und Kolumbien das Gegenteil statt: Es regnet viel mehr als normal, und jeder Regenguss dramatisiert die sowieso schon gespannte Lage. Weite Teile des Landes stehen unter Wasser, Brücken und Straßen werden weggespült. Wir sehen Menschen, deren ärmliche Hütten halb unter Wasser stehen.

Und noch etwas kennzeichnet die Lage an der Panamericana: Zunächst Polizei, später Militär. Viele der Polizeikontrollen halten uns an. Sie sind sehr freundlich, aber wir haben nicht die Zeit, die Neugier eines jeden Polizisten zu befriedigen. Sie werden mir zu aufdringlich, wenn sie immer wieder darauf bestehen, die Kabine sehen zu wollen. Auf meine Frage nach dem Grund für die Besichtigung erhalte ich beim dritten Nachfragen eine Geste zur Mütze hin: „Weil ich die Polizei bin“. „Tja, aber das ist mein HAUS.“ „Ihr Haus?“ „Genau, mein HAUS.“ Das wird verstanden, denn einen Hausdurchsuchungsbefehl haben sie nicht. Wir lassen sie kurz von außen in die Kabine hineinschauen, das muss reichen.

Das Militär lässt uns unbehelligt, ist aber wesentlich eindrucksvoller. Soldaten stehen nicht nur schwerbewaffnet an der Straße, an vielen Truckstops stehen bis zu drei Panzer. Damit soll zumindest halbwegs Sicherheit an der PanAm hergestellt werden, was wohl auch funktioniert. Um welchen finanziellen und sonstigen Preis, vermag ich nicht zu sagen. Mag sein, dass sich die Sicherheitslage für die Kolumbianer in den letzten Jahren verbessert hat, aber befriedet ist das Land bei weitem nicht. Kolumbien hat die jahrhundertelange Tradition, politische Differenzen mittels Bürgerkrieg zu bekämpfen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Linksgerichtete Guerillas, rechtsgerichtete Paramilitärs und Drogenkartelle, deren Interessen weniger politischer denn finanzieller Natur sind, kämpfen gegen- oder miteinander. Die beiden großen Drogenorganisationen, das Medellin- und das Calí-Kartell, wurden zwar zerschlagen, doch kleinere Verbände sind an ihre Stelle getreten und führen die Geschäfte weiter. Die Drogenkartelle lassen ihre Anlagen von Guerillas oder Paramilitärs beschützen, und oft stecken die Bewacher zwecks Finanzierung ihrer Organisationen mit im Drogengeschäft. Leidtragend ist die Bevölkerung, die oft genug zwischen die Fronten gerät, vor allem die Indigenen, die von ihrem Land vertrieben oder umgebracht werden. Neben Terror, Folter und Mord ist Entführung eines der häufigsten Verbrechen der militarisierten Oppositionellen. Alleine die FARC, älteste noch operierende Guerillaorganisation der Welt, soll um die 700 Entführungsopfer gefangen halten, viele davon müssen seit Jahren im Dschungel dahinvegetieren. Populärstes Beispiel war die Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt, die im Juli 2008 nach sechs Jahren Geiselhaft vom Militär befreit worden war. Nur ein geringer Anteil der Geiseln ist für den Austausch bestimmt, mit der Mehrzahl soll Lösegeld erpresst werden.

Trotzdem gilt Kolumbien als einigermaßen sicheres Reiseland, sofern man sich in den gesicherten Zonen aufhält. Also bleiben wir vorsichtshalber heute Nacht an einem Truckstop nahe der Stadt Taraza stehen. Allerdings gibt es hier hinter der Tankstelle eine Rasenfläche, ruhig am Fluss gelegen, und kostenfrei dazu: N 07°35’15.0’’ W 75°23’41.9’’.

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