Sault St. Marie, Ontario – 3000 km Motorradritt zur Hochzeit

Das vermutlich bemerkenswerteste an Sault St. Marie ist seine Lage am Zusammenfluss von Lake Huron und Lake Superior sowie seine Schleusenanlage, sonst gibt die Stadt wenig her. Außerdem hat sie eine Schwesterstadt gleichen Namens auf US-Seite in Michigan und ein umfangreiches Einkaufszentrum. Das einzige für weitere 700 km, dort erst folgt die nächste größere Stadt. Verhungern und verdursten müssen wir trotzdem nicht. Entlang des Trans Canada Highway gibt es alle paar Kilometer ein Lebensmittelgeschäft und einen staatlichen Liquor Store. Die Versorgung der Kanadier mit Alkohol ist also trotz – oder dank – staatlicher Kontrolle sichergestellt. Für den, der es sich leisten kann. Denn der Staat scheint nicht schlecht daran zu verdienen. Bier ist noch teurer als Milch. Eine kleine Flasche mit den bereits erwähnten 341 ml kostet fast zwei Dollar. Von Wein und anderen Alkoholika nicht zu reden. Immerhin gibt es, pünktlich zur Fußball-WM, Bier im Sonderangebot. Obwohl ich nicht sicher bin, inwieweit sich die Kanadier für Fußball interessieren. Jedenfalls sind 28 Flaschen Bier zum Preis von 24 erhältlich. Wobei es eine echte Herausforderung für mich darstellt, 28 Flaschen Bier, wenn auch kleine, in unserer Kabine zu verstauen. Man glaubt es nicht, wo sich außer im Kühlschrank Bier so findet: im Backofen zum Beispiel, oder neben dem Mülleimer. Einzige Ausnahme im staatlichen Kontrollsystem ist Québec, das es sich nicht nehmen lässt, Bier, Wein und Schnaps in jedem Supermarkt zu verkaufen. Was an den Preisen nicht viel ändert.

Ein Trucker hat seinen Lkw umgeworfen und liegt samt Fracht im Graben. Unglücklicherweise ist er mit Ölfässern beladen gewesen, die bei dem Unfall schaden genommen haben. Eine ganze Anzahl von schwimmenden Ölbarrieren soll verhindern, dass das Umweltgift über den kleinen Bach in den See fließt. Ein paar Kilometer weiter hübscht sich die Landschaft auf. Es wird zunächst hügeliger, gefolgt von bewaldeten Bergen. Der Highway kurvt am Ufer des Lake Superior entlang. Eine Großfamilie Kanadagänse watschelt auf dem Seitenstreifen. Die grau-braunen Wasservögel mit schwarzem Hals und Kopf werden hier auch, angelehnt an die Ojibwe-Sprache, Wawas genannt. Wir haben Spaß, die großen hoch motorisierten amerikanischen Trucks bergauf mit 100 Sachen abzuziehen: Der Wunschtraum eines jeden Unimogfahrers.

Auf dem Parkplatz an der Zufahrt zum Lake Superior Provincial Park treffen wir zwei Harley Davidson Fahrer, die eine Pause eingelegt haben, um ein Bier zu schlürfen und eine Zigarette zu schmauchen. Wir kriegen auch ein Bier. Die beiden fahren mal eben 3000 km zu einer Hochzeit und um den Sohn des einen Fahrers zu besuchen. Bei uns in Deutschland käme vermutlich niemand auf die Idee, mit dem Motorrad mal eben nach Südgriechenland zu einer Party zu fahren. Ich schätze kurz den Inhalt der je drei Packtaschen ab. In einer dürften der Anzug für die Hochzeit, Zahnbürste und weitere Reisenecessaires sein; die Biker schlafen im Motel, wie sie erzählen, und brauchen daher kein Zelt und Schlafsack. Damit sind die beiden anderen Koffer wahrscheinlich frei für Bier. Man muss eben Prioritäten setzen.

Ein kurzer, aber steiniger und steiler Trail führt uns zu indianischen Wandmalereien am Agawa Rock an einer Steilwand am Seeufer. Man muss sich an einer Metallketten entlang hangeln, um nicht von den schrägen glatten Steinen am Fuß der Felswand abzurutschen. Dicke Taue hängen vertikal ins Wasser hinein, mit deren Hilfe man sich wieder ans Ufer retten könnte, sollte man ins Wasser gefallen sein. Gefahr droht, wenn unerwartet große Wellen die Wanderer von den Steinen waschen. Warnschilder künden von etlichen Todesfällen. Heute ist es jedoch traumhaft ruhig an der heiligen indianischen Stätte. Die 150 bis 400 Jahre alten Tier- und Bootszeichnungen der Ojibwe sind nicht übermäßig beeindruckend, aber die Bucht mit glasklarem Wasser ist ein schöner Ort. Der Weg durch einen schmalen hohen Canyon macht Laune, erfordert wegen der glitschigen Steine aber Umsicht.

Wir scheuchen a Straßenrand eine Schar Geier auf, die sich an einem verendeten Elch gütlich tun. Gegen Abend steuern wir am Rande des Städtchens Wawa wie die Gans einen Truckstop an. Samstags sind hier glücklicherweise nicht allzu viele Lkw, die ihren Motor die ganze Nacht laufen lassen, da es bei 15°C unerlässlich ist, die Klimaanlage zu betreiben. Die paar, die dennoch parken, machen aber Lärm genug. Kanada steht – leider – zusammen mit den USA weltweit an der Spitze der Energieverbraucher. Oder besser gesagt Verschwender. Was sich hier mal wieder beweist. Dafür scheint der Platz ein Geheimtipp unter Wohnmobilfahrern zu sein. Ein reisebusgroßer Camper steht bereits da, mit einem Pkw im Schlepptau, an dem wiederum zwei Fahrräder befestigt sind. Das Ehepaar fährt mindestens fünf Markisen mit sich herum, mit denen sie – ausgerollt – halb Wawa beschatten könnten. Kurze zeit später kommt ein ähnlich großes Fahrzeug besetzt mit drei Personen. Da wird der Platz schon ein wenig eng. Deshalb ziehen die einen Anhänger hinter sich der, der so groß ist wie unsere ganze Kabine. Völlig neidlos betrachte ich die vier ausfahrenden Hydraulikstempel, die das Motorhome automatisch in eine nivellierte Lage bringen. Da ein Reisebus, wie schon erwähnt, wenig Platz für drei Insassen bietet, gleiten jetzt auch noch die Seitenwände nach rechts und links außen, um den Raum zu erweitern. Immerhin besuchen uns die drei am Abend und laden uns nach Alberta ein. Ein weiteres Haus auf Rädern trifft ein.

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