Archive for the ‘Honduras’ Category

Estelí, Nicaragua – Amerika, nicht Afrika

Dienstag, August 30th, 2011

Nicaragua – ein Land, das so klingt als müsse man es in Afrika und nicht in Amerika suchen. Dabei markiert es die Mitte des Isthmus und bietet ein paar schöne und weniger positive Superlative: Es ist das flächenmäßig größte Land Mittelamerikas, obwohl nur gut ein gutes Drittel genutzt werden kann, der Rest ist unzugänglicher Regenwald – von Abholzung bedroht wie überall. Nicaragua gilt als das ärmste Land Zentralamerikas, ja sogar als zweitärmstes Land – nach Haiti – ganz Lateinamerikas. Gleichzeitig soll es das sicherste Reiseland der Kontinentalbrücke sein.

Doch der Tag beginnt mit Schwierigkeiten, die Einreise verzögert sich. Zunächst müssen wir feststellen, dass unsere elektronische Karte für Nicaragua nicht funktioniert. Doch unsere bewährte Kombination aus klassischer Kartennavigation, Schilder lesen, Intuition, Einheimische fragen und Autonavigationssystem ist uns so lieb geworden, dass wir auf letzteres ungern verzichten. GPS-Karten sind im Internet bei www.gpstravelmaps.com für sämtliche Garmin-Geräte herunterzuladen inkl. Installationsanleitung (z.B. Nicaragua für nicht ganz günstige US$ 49,95). Bei der Navigation funktionieren weder Adresseingabe noch Ortsuche, aber man kann in die Karte zoomen und einen Ort auf dem Touchscreen per Finger auswählen.

Als nächstes verweigert die Tankstellenkasse in El Paraiso sämtliche meiner Kreditkarten. (In Mexiko ist der Diesel am günstigsten, dann wird er nach Süden hin über Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua stets, wenn auch geringfügig teurer. In Honduras sind wir bei ca. 0,80 € pro Liter Diesel). Mein Bargeld reicht so kurz vor der Grenze nicht mehr aus. Dann kommt die Kassiererin auf die Idee eines Betraglimits bei Kartenzahlungen und rechnet die Summe auf zwei Mal ab. Unmittelbar vor dem Grenzübergang Los Manos (ca. 500 m) befindet sich im Übrigen eine steuerbegünstigte Tankstelle, die Kraftstoff zu günstigeren Preisen anbietet.

So weit kommen wir aber nicht mal. Die Zufahrtsstraße zur Grenze ist rechts und links mit wartenden Lkw zugeparkt, der einzige Fahrstreifen in der Mitte wird von einem liegengebliebenen Bus blockiert, der anscheinend nicht abgeschleppt werden kann. Mehr als eine Stunde vergeht, bis die parkenden Fahrzeuge auf einer Seite so weit vor oder zurück rangiert sind, dass sich eine Lücke zum Vorbeifahren am Hindernis ergibt. Von da an geht es zügig. An der Aduana gibt es einen Stempel in den Pass, der die Ausfuhr des Fahrzeugs bestätigt. Ich muss die Zöllnerin lediglich bitten, mir den Rest der an der letzten Grenze zusammen getackerten Papiere zurückzugeben und nur das honduranische Formular einzubehalten. Das ordentliche Formular aus El Salvador leistet stets gute Dienste als Vorlage, daher möchte ich es behalten. An der Migración erhalten wir einen Ausreisestempel, Kosten entstehen nicht.

Ein penetranter junger Grenzhelfer möchte 20 US$ für seine Dienste bei der Einreise, aber irgendwann kapiert auch er das simple, nur aus den zwei Buchstaben N und O bestehende Wort no. Irgendwie leuchtet mir der Sinn von Grenzhelfern nicht ein (außer, dass sie damit natürlich zum Familieneinkommen beitragen, was positiv zu bewerten ist). Wenn man kein Spanisch spricht, kann man sich auch mit ihnen nicht verständigen. Spricht man Spanisch, schafft man die Formalitäten auch alleine. Ob es wirklich eine Zeitersparnis gibt, ist dahingestellt. Kurz vor dem Verlassen honduranischen Territoriums gibt es noch eine Tierkontrolle, doch wir führen weder Haus- noch Schlachttiere mit uns. Die Geldwechsler bieten auch hier einen fairen Umtauschkurs Lempira zu Córdoba an (100 nicaraguanische Córdoba / NIO entsprechen derzeit 2,90 €).

Die Einreise beginnt mit einer Fahrzeugdesinfektion (68 NIO). Nicaragua verlangt für die zunächst gewährten 30 Tage Aufenthaltsdauer den Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung (12 US$ oder äquivalent). Die herumwuselnden Versicherungsvertreter sind offiziell, am besten erledigt man das gleich hier. Die Dame an der Aduana findet die salvadorianische Vorlage hilfreich und lässt sich auch so gerne helfen. Es wird nur das Kennzeichen überprüft, nicht einmal die Fahrgestellnummer, und wie immer von außen (!) ein Blick in die geöffnete Kabinentür geworfen, um die Angabe „Wohnmobil“ zu bestätigen. Auch diesmal kommen wir völlig ohne Fahrzeugdurchsuchung davon. Dieser komplette Vorgang ist kostenlos, nicht jedoch die Einreisekarte für den Reisepass an der Migración. Dafür sind mittlerweile 12 US$ pro Person (oder äquivalente NIO) fällig. Als letztes überprüft die Grenzpolizei die Richtigkeit und Vollständigkeit der Papiere, will je eine Kopie von Fahrzeugschein und Fahrzeugbrief (wir führen eine hübsch gemachte farbige Kopie auf dokumentenähnlichem Papier mit uns), vergisst dann aber, diese einzusammeln. Auch hier gibt es bislang nichts zu mokieren über Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft mittelamerikanischer Grenzen, und zügig ging es auch noch.

Nach 40 km erreichen wir die Panamericana, einzige Durchgangsstraße in Nicaragua. Erste größere Stadt ist Estelí. Im Büro der UCA Miraflor (ggf. durchfragen) erkundigen wir uns nach Übernachtungsmöglichkeiten im Naturreservat Miraflor (kein Eintritt), wo es neben Wander- und Reitgelegenheiten (biologische) Landwirtschaft gibt. Man bestätigt uns, dass wir die Schotterstraße befahren können. Auf dem knapp 30 km langen Weg wird schnell klar, warum in der Regenzeit ein Allradfahrzeug gefordert wird. Reißende Bäche (es regnet gerade) von bis zu einem halben Meter Tiefe müssen durchquert werden. Doch die Lkw und umfunktionierten Schulbusse, die die Piste regelmäßig frequentieren, lassen das Abenteuer schon wieder lächerlich erscheinen. Die haben keinen Allradantrieb.

Die Finca Lindos Ojos ist nach Studium unseres Reiseführers sowieso unsere bevorzugte Übernachtungsoption gewesen. Sie wird uns auch bei UCA empfohlen, da die Platz zum Parken hätten. Mit der erhaltenen Karte und Erklärung finden wir den Weg leicht, nur sind die deutschen Besitzer heute nicht da. Das nicaraguanische Arbeiterpärchen, das auf dem Grundstück lebt, lässt uns hier problemlos campen: N 13°14’30.2’’ W 86°15’21.7’’, www.finca-lindos-ojos.com, 5 US$ pro Nacht.

El Paraiso, Honduras – Der Fußballkrieg

Montag, August 29th, 2011

Über Danlí (mit Supermarkt) erreichen wir El Paraiso kurz vor der nicaraguanischen Grenze. Nicht einer der früher (und teils heute noch) als extrem korrupt geltenden Polizisten Honduras’ wollte während unseres Aufenthalts etwas von uns, was auch daran liegen kann, dass wir die von Touristen meist befahrene Panamericana nicht einmal berührten. Die Menschen des Landes sind hilfsbereit und freundlich und vielleicht sogar ein bisschen lethargisch: Honduras ist das einzige zentralamerikanische Land, das nie einen Bürgerkrieg oder eine Revolution führte – trotz Militärdiktaturen. Aber ganz ohne Gewalt kommt auch dieses Land nicht aus. Großgrundbesitzer schickten Todesschwadronen gegen Gewerkschaftsangehörige oder Bauernaktivisten. Und auch das Militär schreckte vor Menschenrechtsverletzungen nicht zurück.

Einen unfreiwilligen Krieg musste Honduras aber doch führen: den sogenannten Fußballkrieg gegen El Salvador. In den 1960er Jahren wanderten immer mehr salvadorianische Landarbeiter nach Honduras aus und nahmen schließlich an Landbesetzungen teil, da sie im sehr dicht besiedelten Heimatland kein ausreichendes landwirtschaftliches Auskommen hatten. 1969 vertrieb Honduras schließlich die illegalen Besetzer, kurz vor den Qualifikationsspielen zur Fußballweltmeisterschaft der beiden Länder. Während das Hinspiel in Tegucigalpa äußerst friedlich verlief, wurden honduranische Fans beim Rückspiel in San Salvador tätlich angegriffen. Daraufhin kam es in Tegucigalpa zu Plünderungen salvadorianischer Läden.

El Salvador machte militärisch mobil, während Honduras die Organisation Amerikanischer Staaten (OEA) um Vermittlung bat. Diese scheiterte an der sturen Haltung El Salvadors, das auf Landzuteilung an seine Kleinbauern pochte. Am 14. Juli schließlich startete das kleine Land eine großangelegte Luftoffensive gegen das völlig überraschte Honduras, und seine Artillerie eroberte einen etwa zehn Kilometer breiten Grenzstreifen. Zwei Tage dauerte es, bis Honduras aufgerüstet hatte und die Angreifer zurückschlug. Am 18. Juli, nach genau 100 Stunden, endete der Krieg nach intensiver Vermittlung der OEA mit etwa 2000 Toten und 6000 Verletzten. Ein Friedensvertrag wurde 1980 unterzeichnet, die Bauern durften nicht nach Honduras zurückkehren.

In El Paraiso waren während der gewaltsamen Auseinandersetzungen sogar 200 salvadorianische Fallschirmjäger eingedrungen. Heute ist es still um das unscheinbare Städtchen mit dem vielversprechenden Namen „Das Paradies“. In einem völlig heruntergekommenen, verfallenen Freibad südlich des Ortes fragen wir nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Nach einem Blick auf den Truck und einer ausgedehnten Überlegungszeit, wie viel man aus den Touristen herauspressen könnte, will der Verwalter völlig überzogene 200 HNL. Gier birgt die Gefahr, dass man gar nichts bekommt. Jörg setzt sich ins Auto und fährt einfach wieder davon. Auf der anderen Seite des Ortes war uns eine Pizzeria mit großem Grundstück aufgefallen. In dem ausgesprochen ordentlich wirkenden Restaurant willigt man unserem Begehren schnell ein. Ich ändere meine Taktik: Statt nach Gebühren zu fragen, erkundige ich mich nach dem Abendessen. Die Pizzas sind riesig, eine mittelgroße statt zwei mit Vorspeise hätte für uns beide ausgereicht, aber kalt sind sie auch am nächsten Tag noch lecker. Bei der Abrechnung legt man uns keinen schriftlichen Beleg vor, daher können wir nicht nachvollziehen, warum wir weniger bezahlen als laut Speisekarte errechnet. Zum Weiterempfehlen: Mi Pequeño Jardín, El Paraiso, N 13°53’04.1’’ W 86°33’15.4’’.

Zamorano, Honduras – Wurst und Käse statt Camping

Sonntag, August 28th, 2011

Knappe 500 Höhenmeter auf weniger als zwei Kilometer – das ist der Weg, den wir von Monika und Jörg heute wieder ins Dorf runterfahren müssen. Erneut benötigen wir eineinhalb Stunden. Weitere, umfangreiche Rodungsarbeiten sind notwendig, da sich die Zweige im Verlauf von zwei Tagen wieder senken, an anderen Stellen sind Äste halb abgebrochen und blockieren uns die Durchfahrt.

Endlich in Zamorana angekommen haben wir kein Glück bei der landwirtschaftlichen Universität. Man will uns auf dem gesamten Gelände nicht campen lassen. Auch nicht beim Hotel, das die Uni betreibt. Wir dürften nur hier übernachten, wenn wir uns ein Zimmer mieten, das zudem recht teuer ist. Schade, wir hätten uns die Kaderschmiede des gesamten Kontinents für Agraringenieure und -ökonomen morgen gerne angesehen. So besuchen wir nur kurz den Supermarkt, wo neben regulären Artikeln Brot, Milch- und Fleischprodukte der hauseigenen Marke Zamorana verkauft werden, die teils auch in anderen honduranischen Supermärkten erhältlich sind. Doch Auswahl und Preis hier sind unschlagbar. Die Agrarhochschule soll sich zu 30 % aus dem Verkauf der Molkerei- und Metzgereiprodukte finanzieren.

Nur wenige Kilometer östlich von Zamorana finden wir für 100 Lempira Unterschlupf im Eco Parque Zamorana (N 14°01’13.0’’ W 86°58’58.1’’), der mit ökologisch höchstens den sparsamen Einsatz von Swimmingpoolchemikalien gemeinsam hat. Doch zum Campen ist es weiträumig und ruhig – öko hin oder her.

Parque Nacional La Tigra, Honduras – Fast wie Jurassic Park

Samstag, August 27th, 2011

Zum Eingang des Nationalparks ist es ein knapper Kilometer, doch den hätten wir mit dem Unimog nicht geschafft. Hier sind einfach zu viele Bäume im Weg. Rodungsarbeiten hätten uns bei der Parkverwaltung sicher nicht beliebt gemacht. Die winzige Ausbuchtung neben dem Eingangsweg ist auch nicht ideal zum Campen. Die 10 US$ Eintritt pro Person (können auch in HNL bezahlt werden) mögen dem Erhalt des Parks dienen, sind aber happig in Bezug auf das Gebotene. Am Eingang gibt es eine Orientierungskarte für die wenigen Wanderwege. Die Beschilderung ist lange nicht so gut wie behauptet, auch die Kilometerangaben scheinen nicht immer zu stimmen.

Beliebteste Routen sind die Durchquerung des Parks zum anderen Besucherzentrum und der Weg zu einem Wasserfall. Wir entscheiden uns für letzteren, der an einem schönen Aussichtspunkt beginnt. Zunächst wirkt es wie eine Wanderung durch lichten deutschen Wald, nur mit anderen Pflanzen. Je näher man dem Wasserfall kommt, desto dschungelartiger und morastiger wird es. Seltsame Pflanzen wuchern hier, es ist beinahe wie in Jurassic Park. Bei der Wildbeobachtung haben wir heute kein Glück, doch der dichte dunkle Nebelwald und der nicht üppige, aber 40 m hohe Wasserfall sind hübsch.

Am Abend dürfen wir Cabaña-Jörgs selbstgemachte Fruchtweine probieren (die und leckere Marmelade verkauft er auch zu guten Preisen) und ihren Geschichten aus 13 Jahren Honduras lauschen. So hält er die Regenzeit (die in diesem Jahr eher trocken und heiß ausfiele) für die schönste Zeit, Zentralamerika zu bereisen. Während der Trockenperiode gebe es so viele Waldbrände, dass die Sicht getrübt würde – abgesehen vom Gestank.

Die größten Fahrzeuge, die je den Weg zu ihnen bzw. zum Nationalpark gefunden haben, seien ein Pick-up Camper mit Anhänger und ein kleiner Sandkipper gewesen, der allerdings auf dem Weg nach unten ohne Last dann doch Probleme mit der Höhe hatte. Damals sei aber die Straße noch besser gewesen. Ein größeres Wohnmobil habe es einmal probiert, aber nicht geschafft. Seitdem kommen höchstens zum Camper umgebaute Land Rover oder ähnliches hoch. Ein Unimog, nein, der sei noch nie hier oben gewesen. Wir können Euch jedoch versichern: Derzeit ist die Durchfahrt für Fahrzeuge bis 2,30 m Breite und 3,45 m Höhe frei geschlagen.

Pulhapanzak / Tegucigalpa / El Rosario, Honduras – Wie man einen Unimog durch den Nebelwald bringt

Freitag, August 26th, 2011

Pulhapanzak soll der schönste Wasserfall Honduras’ sein mit seinen 42 m Fallhöhe. Und tatsächlich, es sind wirklich schöne Kaskaden des Rio Lindo, die man auf kleinen Spaziergängen von verschiedenen Aussichtspunkten aus bewundern kann. Baden ist hier besser in der Trockenzeit. Pulhapanzak ist nicht weit vom Lago de Yojoa entfernt und kostet 50 Lempira Eintritt pro Person. Auf dem schattigen Parkplatz dürfte man für zusätzliche 50 HNL pP Campen (Cataratas de Pulhapanzak, N 15°01’29.8’’ W 88°00’05.2’’). Die CA 5 nach Süden befindet sich derzeit in Ausbau, um die Serpentinen zu entschärfen, und ist teils schon in gutem Zustand. In Siguatepeque lohnt ein Zwischenstopp am Restaurant und Hotel Granja D’Elia direkt am Highway. Der angegliederte Supermarkt verkauft Produkte aus eigener Herstellung (Brot, Gemüse, Obst) und (teure) importierte Leckereien. Im Restaurant soll man gut italienisch essen können. Der Parkplatz wäre groß genug zum Campen, aber uns ist es direkt an der Straße zu laut. Stattdessen fahren wir durch bis Tegucigalpa, der Landeshauptstadt. Allzu viel sehen wir von der 1-Millionen-Metropole nicht, da wir sie auf Hauptstraßen durchqueren.

Die meisten Reisenden kommen irgendwann zu dem Schluss, die mittelamerikanischen Staaten zügig zu bereisen, da es hier kaum etwas gibt, das man nicht woanders schon so oder ähnlich gesehen hätte. Vermutlich ist das richtig. Außerdem ist es jeden Abend eine Herausforderung, einen Übernachtungsplatz zu finden. Wir nahmen uns trotzdem vor, jedem Land eine Chance zu geben. Heute ist ein Nationalpark dran. Honduras besitzt recht viele davon, doch die meisten ähneln sich, da sie die verbliebenen Reststücke Nebelwalds schützen, und sie besitzen keinerlei Infrastruktur. Wir suchen uns den vermeintlich zugänglichsten, Parque Nacional La Tigra bei Tegucigalpa aus und fahren über Valle de Angeles nach El Rosario. Im Dorf wird es langsam eng, doch solange der Bus noch vor uns fährt, kann nichts passieren. Der bleibt dummerweise am Dorfplatz stehen. Wo geht’s weiter?

Ein sehr europäisch aussehender Pick-up Fahrer weist mir den Weg und fragt anschließend auf Deutsch: „Ist das Euer Auto?“ Ist es. Er bietet an, ihm hinterherzufahren, er wohne dort oben. „Ihr seid doch nicht etwas Jörg und Monika mit den Cabañas Mirador El Rosario aus meinem Reiseführer?“ Sind sie. Welch ein Zufall. „Wir suchen eine Möglichkeit zum Campen“, bemerke ich. Cabaña-Jörg bietet großzügig an, bei ihm vor der Tür zu campen. Genial. Da er sich anscheinend um seine Gäste kümmern muss, die er vom Bus abgeholt hat, lasse ich die sonst üblichen Fragen unter den Tisch fallen: Können wir diese Straße mit DIESEM Fahrzeug benutzen, mit DIESER Breite und vor allem DIESER Höhe? Ein Fehler. Cabaña-Jörg hat ja unseren Unimog gesehen. Dachten wir.

Ein extrem schmaler Schotterweg in sehr schlechtem Zustand führt über steile Serpentinen den Berg hoch. Der Pfad ist definitiv nicht für Unimoggröße gedacht, aber dank des sensationell kleinen Wendekreises kommen wir ganz gut hoch. Ausweichstellen gibt es fast keine und zum Glück keinen Gegenverkehr. Nach einer knappen halben Stunde sind wir oben. Cabaña-Jörg haben wir mittlerweile aus den Augen verloren, doch eine alte Frau zeigt uns die Richtung, in die das weiße Auto entschwunden ist. Es seien nur noch zwei Minuten. Aus zwei Minuten wird eine ganze Stunde für wenige hundert Meter. Im Nebelwald gibt es Bäume, und die hängen tief. Zu tief.

Ich versuche Jörg – meinen Mann – zwischen einer Mauer und einem kräftigen Ast durchzulotsen – ohne Erfolg. Rollentausch: Jörg versucht mich durch die gleiche Stelle zu bugsieren, geht auch nicht. Inzwischen taucht Cabaña-Jörg immer mal auf, ohne die Situation ändern zu können. Der unglückliche Ast lässt sich auch von unten nicht hochstemmen. Schließlich klettert Jörg-Ehemann aufs Kabinendach, liftet den Ast hoch und kriecht übers Dach, während ich langsam weiterfahre. Jetzt die Kupplung schnipsen lassen…lieber nicht. Das hat erst mal geklappt, doch das war nur die erste Hürde. Mittlerweile taucht Cabaña-Jörg mit einer Machete auf, die er uns vorübergehend überlässt. Und so hackt uns Jörg-Ehemann auf dem Dach hockend den Weg frei, entlaubt, entastet und entwaldet, während ich den Unimog durch den Busch manövriere. Halbe Baumkronen landen auf der Motorhaube und versperren mir die Sicht. Nach einer Stunde sind wir durch den grünen Tunnel vor der Haustür angelangt und sind beide fix und fertig.
Campen vor der Haustür bei Monika und Jörg in den Bergen, Cabaña Mirador El Rosario, N 14°13’13.1’’ W 87°04’46.0’’

Lago de Yojoa, Honduras – Von Glücksspielern, dem Lempira, Schlaglöchern und Polizisten

Donnerstag, August 25th, 2011

Über Gracias Lempira gibt es vor allem zwei Dinge zu berichten: In der Kolonialzeit spielten die Herrschaften gerne Würfel um hohe Summen. Gracias’ Bürgermeistersgattin spielte falsch und betrog einen armen Kirchendiener um sein Geld. Als dieser das merkte, ohrfeigte der die Dame so stark, dass die in Ohnmacht fiel. Wieder erwacht, hetzte sie die Umstehenden auf den Mann, der bei der Statue der heiligen Jungfrau in der Kirche Schutz suchte. Das half ihm nichts, er wurde vom Mob an Ort und Stelle gesteinigt. Eines der Geschosse verwundete die Stirn der Jungfrau. Der Schaden widersetzte sich später mehreren Reparaturversuchen selbst in Spanien. Die erzürnten Priester hielten am Tag nach dem Lynchmord eine Messe und verfluchten die Bewohner. Anschließend streuten sie Salz auf die Straßen und verließen die Stadt, die daraufhin für Jahrhunderte nicht mehr auf die Füße kam. Selbst das Erdbeben von 1915, bei dem Teile von Gracias zerstört wurden, geht auf den Fluch zurück, so sagt man. Erst seitdem ein Missionar den Fluch aufhob, gehe es mit der Stadt wieder voran.

Die andere interessante Begebenheit bezieht sich auf Lempira. Das ist so etwas wie der guatemaltekische Quetzal. Lempira ist nicht nur Name einer Stadt, sondern der Landeswährung; er ist historische Persönlichkeit und nationales Identifikationssymbol. Lempira ist die Geschichte vom armen, einfachen Bauernjungen, der die Weltmacht Spanien zwei Jahre lang auf- und in Atem hielt. Der junge Widerstandskämpfer kontrollierte 30.000 Rebellen und ein Gebiet von 500 km2. Erst 1539 konnte Lempira nach vielen gewonnenen Schlachten in einem Hinterhalt von den Spaniern getötet werden.

Meine Reiseliteratur behauptet, die Straßen in Honduras sind gut, Schlaglöcher gibt es selten und Polizeikontrollen nur vereinzelt. Sagen wir es mal so: Die Anzahl der Schlaglöcher übertrifft bei weitem die der Einwohner des Landes (immerhin 8 Mio.). Etliche davon sind so tief, dass man problemlos eine Fischzucht darin eröffnen könnte. Auch die Anzahl der Polizeikontrollen übersteigt unsere Erwartung, doch meist winkt man uns durch. Wenn dann einmal doch nicht, bewährt sich meine Strategie: zulabern. Schlag sie mit ihren eigenen Waffen! Genauso wie ich aus einem minutenlangen Vortrag auf eine einfache Frage hin („Wie komme ich nach…“) die eine, für mich interessante Information herausfiltern muss, schütte ich die Beamten mit wichtigen und unwichtigen Information zu. Als wäre ich begeistert, mein bruchstückhaftes Spanisch anwenden zu können, erzähle ich nicht nur, wo wir gerade herkommen, was die Polizisten wissen wollten, sondern auch, dass wir aus Deutschland sind, was wir bereits im Land gesehen haben, wo wir jetzt hinfahren und was wir künftig besichtigen wollen. Dabei zähle ich sämtliche Städte und Sehenswürdigkeiten auf, die mir gerade einfallen, was nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen muss. Vielleicht füge ich noch hinzu, wie schön das Land und wie freundlich die Menschen sind, das zwingt den stärksten Officer in die Knie. Dabei ist darauf zu achten, die Sonnenbrille abzusetzen, damit blaue Augen ausreichend zur Geltung kommen. Doch an dem Punkt hat der Beamte längst resigniert und lässt uns weiterfahren.

12 km vor La Esperanza enden die Schlaglöcher, weil die Straße aufhört und in eine raue getrocknete Schlammpiste übergeht. Doch solange der Tieflader noch hinter uns fährt (die Strecke wäre ein fristloser Kündigungsgrund für jeden europäischen Trucker) und uns „Schulbusse“ oder die in El Salvador und Honduras geläufigeren Busse im Coaster-Format (ca. 25 Sitze) entgegenkommen, müssen wir uns keine Gedanken machen. Die CA 5 ist zur Abwechslung eine gute Straße. Schnell erreichen wir den Lago de Yojoa, den größten Binnensee des Landes, der zwar nicht riesig, aber hübsch ist und gut zum Vogelbeobachten. Wir entscheiden uns für die Honduyate Marina, wo wir für 100 HNL direkt am See Campen können (N 14°51’29,5’’ W 87°57’16,9’’)

Gracias Lempira, Honduras – Willkommen in der Bananenrepublik

Mittwoch, August 24th, 2011

Morgens ist das Wetter zuverlässig schön, und so können wir tatsächlich in die Täler und auf die Vulkane El Salvadors und bis nach Guatemala schauen. Die Abfahrt vom Berg El Pital ist gigantisch: Auf 9,4 km fährt man 1214 Höhenmeter tiefer. Das ergibt ein Gefälle von 13 % – im Durchschnitt, wohlgemerkt. Nur ein paar Kilometer nördlich auf der CA 4 befindet sich der Grenzübergang El Poy nach Honduras. In El Salvador geht alles so schnell und kostenlos, dass es und fast Leid tut, das Land zu verlassen. Selbst der Geldwechsler bietet einen hervorragenden Umtauschkurs US$ zu Lempira an, handeln ist da natürlich nicht mehr drin.

Haben uns die Salvadorianer mit ihrer Effizienz und Professionalität im ganzen Land höchst erstaunt, erfüllt Honduras fast alle unsere Erwartungen in Bezug auf einen zentralamerikanischen Grenzübergang. Fast, muss man fairerweise sagen. Auch hier treten keine Tramitadores, Grenzhelfer, in Erscheinung, für deren Aufdringlichkeit Honduras sonst besonders berüchtigt ist. Die Grenze El Poy wird zwar von Lkw rege genutzt, aber lukrative Touristen gibt es vermutlich zu wenige abseits der Panamericana. Auch die Passabfertigung geht schnell. Wir füllen ein Einreiseformular aus, das im Pass verbleibt, und bezahlen 3 US$ pro Person, dann geht es zur Aduana, wo die Fahrzeugpapiere ausgestellt werden. Hier füllen die Beamten sämtliche Formulare selbst aus. Was entgegen meiner Erwartungen nicht zur Beschleunigung des Vorgangs führt. Im Gegenteil. Vielleicht haben wir auch Pech und nicht die hellste Beamtin im Kader erwischt. Mehrere dutzend Male legt sie die Papiere von einer Seite auf die andere und wieder zurück. Dabei wirft sie etwa 50 % davon auf den Boden, hebt alles wieder auf und lässt es erneut fallen. Dabei geht das Einreisepapier aus dem Pass fast verloren. Schließlich trifft sie eine mutige Entscheidung und tackert das Zettelchen an ein Blatt im Pass fest.

Mein Reiseführer behauptet, dass honduranische Absolventen der mindestens sechs Schuljahre Lesen, Schreiben und das kleine Einmaleins beherrschen. Nach zehn Jahren Ausbildung könnten die Schüler ein paar Worte Englisch und sich mit einem normal gebildeten Erwachsenen unterhalten. Ich gestehe der Zöllnerin zu, dass sie die erste Hürde vermutlich genommen hat. Obwohl das mit dem Lesen so eine Sache ist. Trotzdem ihr das salvadorianische Papier in Spanisch vorliegt, hat sie Probleme, die richtigen Zeilen zu finden. Leider möchte sie sich nicht helfen lassen. Zwischendurch muss sie sich zur Stärkung und Erhaltung ihrer Figur ein paar Süßigkeiten hineinstopfen. Als dann alles in den Computer übertragen werden muss, wird es noch putziger: Das Land Deutschland ist nicht auffindbar und unseren Fahrzeugtyp gibt es auch nicht.

Kaum sind die umfassenden Probleme gemeinschaftlich gelöst, hat die Bank auch schon zur Mittagspause geschlossen, wo wir die Gebühren bezahlen müssen. Auf eineinhalb Stunden Wartezeit kommt es ja nicht an. Außerdem befindet sich die Bank auf der linken und nicht auf der rechten Seite, wie die Dame behauptet hat, aber wir wollen nicht kleinlich sein. Rechts, links, was macht das schon! Wenigstens bekomme ich noch heraus, dass die Behörde von sämtlichen Dokumenten und Stempeln jeweils drei (!) Kopien benötigt und lasse mir alle Papiere aushändigen, um das schon mal zu erledigen. Nachdem ich auf der Bank 635 Lempira (nur bar, nur in Landeswährung, 100 Lempira / HNL entsprechen derzeit ca. 4 €) gezahlt habe, übernimmt eine andere Beamtin und der Rest ist schnell erledigt. Nach dreieinhalb Stunden will der Zöllner an der Schranke noch einen Blick in die Kabine werfen, verzichtet aber hineinzugehen.

Dann sind wir wieder unterwegs auf den fürs mittelamerikanische Hochland so typischen Berg- und Talstraßen. Auch die Bettler sind wieder da, das hatten wir seit Mexiko nicht mehr, in Guatemala nur vereinzelt. Besonders Kinder spannen gerne Schnüre über die Straße, um Autos zum Anhalten zu bringen. Laut hupen und weiterfahren hilft in jedem Fall. Eine Verkehrskontrolle stoppt uns dann doch, doch dank Touristenbonus dürfen wir einfach weiterfahren. In der Stadt Gracias Lempira suchen wir uns ein Schwimmbad mit angegliedertem kleinen Hotel. Nach kurzer Überlegung genehmigt uns die Chefin das Campen. Ob und wie viel wir bezahlen, überlässt sie uns. Wir halten 100 Lempira für angemessen. (Balneario Villas de Ada, an der Umgehungsstraße, beschildert)