Archive for the ‘Panama’ Category

Cartagena de Indias, Kolumbien – Flug auf den neuen Kontinent

Donnerstag, Oktober 13th, 2011

Wir fliegen nach Kolumbien. Die RoRo-Fähren nehmen aus versicherungstechnischen Gründen keine Passagiere an Bord. Am günstigsten ist die Buchung per Internet mit COPA Air (ca. 30 $ günstiger als am Schalter, die in vielen Malls zu finden sind), der zweite Anbieter Avianca ist meist teurer. Die Preise schwanken etwas, für ein Hinflugticket muss man um die 350 $ rechnen. Wir fliegen über Bogotá, was die Flug- und Reisezeit zwar verlängert, aber nochmals günstiger ist. Dabei überfliegen wir den Darién und wissen nun, dass wir da ganz bestimmt nicht durchfahren wollen, in der Regenzeit ein Ding der Unmöglichkeit: Die hügelige Dschungellandschaft ist durchzogen von unzähligen mäandernden Flüssen, größere, tiefer liegende Gebiete haben sich in Sümpfe verwandelt.

An drei verschiedenen Stellen erkundigen wir uns, ob wir das Gepäck in Bogotá durch den Zoll schleusen müssen (die Standardprozedur) oder ob es bis Cartagena durchgecheckt wird. Einhellige Meinung: das Gepäck kommt erst in Cartagena aufs Band und muss dort durch den Zoll. In Bogotá liegt unsere Tasche natürlich bereits vor dem Gepäckband. Wir bringen sie durch den Zoll und geben sie am entsprechenden Schalter wieder ab. Soviel zur Kompetenz des Flughafenpersonals. Am Geldautomaten in Bogotá hebe ich mal eben 1.000.000 Peso ab und mache mich damit zur Millionärin. Das sind etwa 400 Euro (1 € entspricht etwa 2450 kolumbianischen Peso / COP) – viel zu viele Nullen für meinen Begriff.

Eine andere Möglichkeit, von Panama nach Kolumbien zu reisen ist eine Mini-Kreuzfahrt mit einem Segelschiff durch das San Blas Archipel. Diese Karibikinseln gehören zum autonomen Verwaltungsgebiet der Kuna-Indianer und sind touristisch noch relativ unerschlossen. Empfehlenswert soll der alte deutsche Segler Stahlratte sein (www.stahlratte.de), der auch Fahr- und Motorräder transportiert. Der vier- bis fünftägige Inseltörn kostet inkl. Verpflegung um die 450 $, dazu kommen An- und Abreise – kaum ein Unterschied, wenn man Flug- und Hotelkosten gegenrechnet. Leider endet die Fahrt an dem für uns passenden Termin auf der östlichsten San-Blas-Insel statt in Cartagena, daher hätten wir es nicht rechtzeitig zur Fahrzeugabholung geschafft.

Wir mieten uns ins Hotel Oceano ein wegen seiner halbwegs günstigen Lage zum Hafen und seiner erträglichen Preise (www.h-oceano.com). Die Zimmer sind einfach, modern und sehr sauber mit TV und Klima. Trotz Preisvereinbarung über unseren Agenten in Cartagena will man zunächst 120 US$ von uns, dann 65, schließlich gibt sich die Verwaltung mit den vereinbarten 57 $ fürs Doppelzimmer inkl. Frühstück und Steuern zufrieden. Zimmer mit Balkon gibt’s nach vorne zur Hauptstraße, nach hinten ohne Balkon und Aussicht ist es ruhiger. Das Preisniveau in Cartagena ist generell recht hoch, höher noch als in Panama City. In der Gegend um das Oceano gibt es kaum etwas, aber das hoteleigene Restaurant ist akzeptabel.

Colón, Panama – Im Dschungelzug nach Colón, der Stadt des Elends

Dienstag, Oktober 11th, 2011

Colón ist eine Insel. Eine Insel aus Armut und Elend, Hoffnungslosigkeit und Zerfall. Colón ist acht Straßen breit und 16 Straßen lang. Acht mal 16 Straßen Unwürdigkeit und Dreck, Kriminalität und Gewalt. Es ist kein Elendsviertel in einer Stadt, die Stadt IST ein Elendsviertel. Umgeben ist diese Insel von unverschämtem Reichtum, der keinen Tropfen davon durch die überwachten Zäune sickern lässt. Da ist zum einen der Panamakanal, der milliardenschweren Reichtum in die Taschen der jetzt schon Reichen spült. Insgesamt vier Häfen gehören zu den großen Warenumschlagplätzen dieser Erde. Und die Freihandelszone lockt Geschäftsleute und Geschäftemacher aus aller Welt an. Nur wenige der 65.000 Einwohner Colóns haben die Chance, einen schlecht bezahlten Job in einer dieser Wirtschaftszonen zu erhalten. Die anderen Arbeitskräfte kommen aus den besseren Gegenden um Colón oder pendeln täglich aus Panama-Stadt. Die Arbeitslosigkeit in Colón beträgt geschätzte 60 %, was unweigerlich zu Prostitution, Drogenproblemen und Gewaltverbrechen führt.

Die Bevölkerung ist fast ausschließlich schwarz, durchmischt mit wenigen Indianern und Einwohnern chinesischer Abstammung. Für den Eisenbahn- und später den Kanalbau hatte die Regierung jeweils Afrokariben als billige Arbeitskräfte angeheuert, die sich erhofft hatten, als Gastarbeiter Geld zu machen und später als „gemachte“ Leute ins Heimatland zurückkehren zu können. Daher integrierten sie sich kulturell nicht und lernten meist nicht einmal die Landessprache Spanisch. Später traf chinesische Gastarbeiter das gleiche Schicksal. Nachdem man sie nicht mehr brauchte, überlies man sie sich selbst. Ohne Geld, in die Heimat zurückkehren zu können, ohne Ausbildung und Einkommen, strandeten sie in Colón. Die Regierung, welcher Partei auch immer, zeigt kaum Interesse, die hochexplosive Lage der Stadt zu ändern. Fairerweise muss man zugeben, dass das auch für die meisten Bewohner gilt. Auch sie unternehmen keinerlei Anstrengung zur Verbesserung ihrer Lage. Resignation verbreitet sich von Generation zu Generation, und so stehen Schule, Ausbildung und Verbesserung der eigenen Chancen ganz unten auf der Prioritätenliste.

Heute kommen wir mit dem Zug in Colón an. Die ursprünglich für den Güterverkehr konzipierte Strecke bietet einen Personenzug morgens von Panama-Stadt in Richtung Norden und einen am Abend zurück an. Pendler nutzen ihn genau wie Touristen. Für 22 $ pro Person fährt man die 70 km einfach. Teuer zwar, aber dafür erhält man Einblicke, die man auf der Straße nie bekommt: Mehrfach kommt man dem Panamakanal und damit dem Schiffsverkehr nahe, man fährt mitten durch den Dschungel, und den Gatunsee überquert man auf einem Damm. Nach einer Stunde sind wir in Colón.

Ein Lichtblick in der Spirale des Elends sind die Sisters of Mercy, die Barmherzigen Schwestern. Wir erkennen sie sofort, als sie uns mit ihrem Auto vom Bahnhof abholen, obwohl sie keine Nonnentracht tragen. Ein praktischer Jeansrock, ein schlichtes T-Shirt und Birkenstockschuhe ersetzten die warme und unpraktische Uniform. Eine Kopfbedeckung gibt es nicht. Schwester Barbara und Schwester Dina sind die einzigen Nonnen, die sich um das von Barb, wie sie sich kurz nennt, gegründete Haus mit dem Namen MUCEC kümmern. Die beiden haben ihr Leben den Kindern und Frauen, den Armen und Ärmsten von Colón gewidmet. Wer sich nun frömmelnde Betschwestern vorstellt, die gütig und huldvoll Gaben verteilen, irrt völlig. Mitfühlend sind die beiden, und großzügig mit ihrer Liebe: Selbst die Kinder auf der Straße umarmen und küssen sie freudig. Ansonsten aber sind Barb und Dina ein resolutes, straff organisiertes Managerteam im täglichen Kampf um die Finanzierung des Projekts.

Nicht immer war die soziale Organisation in einem so modernen großen Haus untergebracht. Das neue gibt es erst seit zehn Jahren. Hauptanliegen der Barmherzigen Schwestern von Colón ist die frühkindliche Förderung von vernachlässigten, verlassenen oder unterernährten Kleinkindern, die sonst vielleicht auf der Straße landen würden. So wird so manches kleine Genie entdeckt, und zurückgebliebene Mädchen und Jungs können gezielt therapiert werden. Der Kindergarten betreut verschiedene Altersstufen. Ist die Freude am Lernen erst einmal geweckt, besteht eine gute Chance, dass die Kinder ihre Schulbildung beenden und vielleicht sogar später eine Universität besuchen. Das komplette Bildungssystem in Panama ist kostenlos, bei Bedürftigkeit unterstützt die Einrichtung mit Schuluniformen.

Die Schwestern suchen in der Stadt nach vernachlässigten Kindern, folgen Hinweisen und versuchen, die Mütter zu überzeugen, ihre Sprösslinge tagsüber der Obhut des Heimes zu überlassen. Mütter, die ihren Nachwuchs von sich aus in den Kindergarten bringen, werden nie abgewiesen. Gehen die Kinder später zur Schule, dürfen sie weiterhin zur Hausaufgabenbetreuung ins Heim kommen. In Panama wie im Rest Mittelamerikas können Schüler bzw. deren Eltern wählen, ob sie vor- oder nachmittags zum Unterricht gehen. MUCEC-Kinder können jeweils die andere Tageshälfte im Hort verbringen, was viele dem eigenen trostlosen Zuhause vorziehen. Ob Kindergartenhüpfer oder Schüler, ihre wichtigste Aufgabe sehen die Sisters of Mercy in der Verteilung von Essen. Jedes Kind erhält zwei Mahlzeiten täglich, und oft genug sind dies die einzigen zwei Mahlzeiten des Tages.

Die panamaische Gesellschaftsstruktur bedingt, dass Väter – Oberschicht ausgenommen – sich selten verantwortlich fühlen für ihren Nachwuchs. Selbst die meisten verheirateten Männer haben eine oder mehrere Freundinnen nebenher, mit denen sie ebenfalls Kinder zeugen. Ohne Geliebte gilt der Mann nicht als ganzer Kerl. Die Scheidungsrate ist hoch. Und so besitzt die Mehrheit der panamaischen Kinder nur einen, allein verantwortlichen weiblichen Elternteil. Diese „Normalität“ bedingt zumindest, dass Vaterlosigkeit sozial nicht ausgrenzt und gesetzlich nicht benachteiligt wird. Das Problem der Mütter Colóns ist, dass sie ohne Bildung und Selbstwertgefühl aufwachsen. Ihre Kinder zu ernähren, ist tägliche Herausforderung. Und so widmet sich MUCEC auch den Müttern, versucht ihnen Selbstbewusstsein zu vermitteln, das Selbstvertrauen, etwas lernen zu können und dies später auch anzuwenden. In einer Werkstatt wird den Frauen Nähen, Sticken und anderes Kunsthandwerk beigebracht, das sie später verkaufen können. Ein Vortrag jeden Freitag widmet sich speziellen Themen, die die Frauen interessieren könnten: Gesundheit und Hygiene, Erziehung, Yoga und anderes Fitnesstraining, es kann auch mal ein christliches Thema sein.

Nachdem wir sämtliche Hortgruppen besucht, umarmt und beknutscht haben – die Kinder sind extrem liebesbedürftig – geht es nach draußen. Schwester Barbara zeigt uns „ihre“ Welt. Vor der Tür sitzen drei Kunafrauen, nähen und verkaufen ihre Molas, genähte Bilder aus geometrischen Formen. Die Karibikindianerinnen tragen stolz ihre bunte Tracht: eine Bluse, die mit Molas verziert ist, einen kurzen engen Rock, der nur aus einem gewickelten Tuch besteht, sowie an den Unterarmen und Beinen bis in Wadenhöhe unzählige Reihen dünner Perlenketten, die sie nie ablegen. Ihr kurzer topfartiger Einheitshaarschnitt ist etwas gewöhnungsbedürftig, manchmal werfen sie zum Schutz vor der Sonne ein kleines Tuch darüber.

Nur wenige Meter weiter eröffnet sich das ganze Elend dieser Stadt. Halb eingefallene Häuser werden dennoch bewohnt, selbst wenn der Fußboden bereit ein gefährliches Loch aufweist. Kaum ein Haus ist in besserem Zustand. Jede Wohnung besteht aus einem einzigen, winzigen Zimmer, in dem eine ganze Familie kocht, isst, schläft. Stellenweise wurden simpelste Holzverschläge gebaut, die denselben Zweck erfüllen. Bäder gibt es keine. Für jeweils 50 bis 60 Bewohner gibt es zwei oder drei Gemeinschaftstoiletten und ebenso viele Duschen, die nicht funktionieren. Die Menschen hier haben nie gelernt, wie man eine Wasserspülung bedient. Fließendes Wasser ist ein Ereignis. Sofort werden die Bäder gestürmt, Kinder und Wäsche gewaschen. Trotz allen Drecks tragen die Bewohner erstaunlich saubere Kleidung.

Schwester Barbara stellt uns den Colónern als Familienmitglieder vor. Nicht, um uns zu schützen, das ist in ihrer Begleitung nicht notwendig, doch so erhalten wir mehr Respekt, dürfen ein paar Bilder schießen und die eine oder andere Tür öffnet sich unserem Blick. Wer es sich leisten kann, stellt sich ein Stockbett ins Zimmer, andere schlafen auf dem Boden. Möbel gibt es nur wenige, höchstens ein paar Matten und einen Gaskocher. Die Menschen mögen kein Geld fürs Essen zu haben, aber wer es irgendwie ermöglichen kann, kauft oder klaut sich einen Fernseher, dazu gibt es eine Satellitenschüssel. Der Strom, der in Panama sehr teuer ist, wird irgendwo illegal abgezapft. Miete bezahlen die meisten Einwohner nicht.

Barbara spricht mit einer ganz jungen Frau. Diese hat zwei Kinder und prostituiert sich. „Was soll ich machen“, sagt sie, „wie soll ich meine Babys sonst ernähren?“ „Ganz einfach“, meint Barb, „keine Kinder in die Welt setzen.“ Und das aus dem Mund einer katholischen Nonne. Eine ältere Frau sitzt rauchend auf einem Plastikstuhl am Bürgersteig. Genau diese Frau hatte Barbara vor ein paar Tagen um Kleidung angebettelt, die sie nicht bezahlen könne. Die Schwestern betreiben in ihrem Haus einen Secondhand-Laden, wo sie gespendete Kleidung für einen symbolischen Betrag verkaufen, doch nie umsonst hergeben – zu hoch ist die Chance der Ausnutzung. Wer nicht einmal 25 Cent erübrigen kann, putzt die Treppe oder wischt den Boden. Barbara verbirgt ihre Empörung und spricht die alte Frau an, der es offensichtlich peinlich ist, beim Rauchen ertappt worden zu sein. Geld für Luxusartikel auszugeben statt für lebensnotwendiges Essen kommt häufiger vor. Eine weitere als bettelarm bekannte Frau läuft uns über den Weg. Unter ihrem Kopftuch lugen rot gefärbte Zöpfchen heraus. Es gibt auch ehrlich verdientes Geld. Ein Mann verkauft Obst und Gemüse zu Billigstpreisen. Eine Frau hat sich ein Erdgeschosszimmer angemietet, kocht Suppe, und verkauft sie für 50 Cent pro Teller. Eine Familie züchtet Hühner. Sie schlachtet gerade ihren Hahn, der von einem Auto überfahren wurde.

Schwester Barbara kam erstmalig 1964 aus Brooklyn als junge Nonne an die Karibikküste Panamas. 1971 wechselte sie nach Chiriqui. Die dort lebenden Indianer baten sie, ihnen Lesen beizubringen. In der Konsequenz stellten sie fest, dass ihnen laut Arbeitsgesetz zustehende Leistungen für Überstunden oder Sonntagsarbeit als Erntehelfer nicht ausgezahlt wurden. Ihr Vorarbeiter behielt die Zulagen ein. Der Großgrundbesitzer machte Barb für die entstandenen Unruhen verantwortlich und beschwerte sich beim Bischof. Natürlich machte sie sich wenige Freunde auf diese Art. Eine Rückkehr in die USA kam für sie nicht in Frage und ihre einzige Chance erhielt sie 1985 im gewalttätigen Colón. Entsetzt über das Elend einer ganzen Stadt – das nach Abzug der Amerikaner noch schlimmer wurde – begann sie sofort mit dem Aufbau des MUCEC-Projekts, ihrem Lebenswerk. Auch heute noch steckt sie all ihre Energie in den täglichen Kampf um die Finanzierung und damit das Überleben des Heims. Schwester Dina ist ein Kind Colóns. Die studierte Psychologin stieß vor vielen Jahren zu Barbara. Ihre beiden Elternteile arbeiten ehrenamtlich, wie viele andere engagierte Bürger der Stadt, am Projekt mit.

Wer einen noch so kleinen Beitrag leisten möchte, diese beiden unglaublichen Frauen bei ihrer Arbeit zu unterstützen, findet unsere E-Mailadresse auf unserer Website. Wir leiten Euch dann gerne die E-Mailadresse des Centers weiter oder helfen bei der Übersetzung, falls nötig.

Colón, Panama – Arminius auf Reisen

Montag, Oktober 10th, 2011

An diesem schweren Tag müssen wir uns vorübergehend von Arminius verabschieden. Wir bringen ihn in den Hafen von Colón, genauer gesagt Manzanillo, wo unser Agent auf uns wartet. Zunächst stempelt der Zoll das Fahrzeug aus dem Pass aus, dann zahlen wir 48 $ Hafen- und Desinfektionsgebühren. Im RoRo-Terminal werden zunächst die Fahrzeugidentität anhand von Kennzeichen und Fahrgestellnummer geprüft, der nächste Mitarbeiter macht eifrig Fotos, um ggf. Schäden – vorhandene oder spätere – nachweisen zu können. Der Zoll lässt das Fahrzeug von einem Drogenhund beschnüffeln, dann steigt ein weiterer Mitarbeiter ein und düst mit Arminius davon. Der Akt dauerte drei Stunden.

Der Agent fährt uns zum Busbahnhof, wo wir gleich in den Expressbus zurück nach Panama einsteigen können. Längere Zeit am Busbahnhof herumzuhängen empfiehlt sich nicht, die Gegend ist wenig vertrauenswürdig. Der eisig klimatisierte Expressbus fährt die 70 km nach Panama für 3,15 $ pP, braucht aber am Abend zwei Stunden, da der Verkehr in Panama City regelmäßig zusammenbricht. Zur Unterhaltung läuft währenddessen ein erbaulicher Horrorfilm, der sich durch besondere Blutrünstigkeit auszeichnet. Da der Ton laut gestellt ist, kann man sich dem Grauen nur schwer entziehen. Zum Glück sind keine Kinder an Bord. Unsere Gastgeber Lew und Sue waren so freundlich, uns eines ihrer Zimmer anzubieten, sodass wir uns die Hotelkosten in Panama City sparen können.

Übrigens ist der US$ in Panama seit 1904 offizielles Zahlungsmittel. Der Balboa wurde dem Dollar angeglichen. Nach wie vor werden Balboa-Münzen geprägt und gleichwertig mit Dollarmünzen verwendet, Scheine gibt es jedoch nur als US$.

Panama City, Panama – Ein Panamakanal-Schleppschiff in Aktion

Sonntag, Oktober 9th, 2011

Unser Gastgeber Lew ist von seiner Reise zurückgekehrt. Heute erfüllt er unseren langgehegten Wunsch, auf einem Schlepper auf dem Panamakanal mitfahren zu dürfen. Er selbst hat Spätschicht, und während der Dunkelheit dürfen keine Passagiere an Bord. Aber er arrangiert, während seiner Freizeit mit uns auf „sein“ Boot, die Cacique, zu gehen und ein paar Stunden mitzufahren, um die Arbeit eines Schleppers mitzuerleben. Sein 3000 PS starkes Boot „made in Germany“ wird bei Vorwärtsfahrt von einem relativ nah am Bug unter dem Boot befindlichen ausgeklügelten Antriebssystem „gezogen“, was es enorm manövrierfähig macht. Natürlich kann es genauso gut rückwärts fahren.

Die Aufgabe eines Schleppers am Panamakanal besteht normalerweise nicht im Schleppen von Schiffen. Sämtliche Frachter, Passagier- oder Kriegsschiffe fahren mit eigenem Antrieb durch den Kanal, in die Schleusen und wieder hinaus. Da das alles so zügig wie möglich erfolgen soll, haben vor allem die großen Panamaxschiffe nicht genügend Raum zum Manövrieren. Die Schlepper haben die Aufgabe, die großen Pötte dabei zu unterstützen und sie jeweils in die richtige Richtung zu bringen. Das kann durch Zug über Seile erfolgen, mit denen die beiden Schiffe verbunden sind oder schlicht durch „Anschubsen“ vom Heck oder der Seite. Der Schlepper ist zum Schutz von allen Seiten mit dicken Gummipuffern umgeben. Die Seile, die er zum Lotsen benutzt, sind bedenklich dünn. Doch das hochmoderne leichte kevlarähnliche Material ist extrem reißfest und sogar schwimmfähig.

Der Lotse bzw. Pilot, wie man ihn hier nennt, der auf jedem den Kanal passierenden Schiff mitfährt, koordiniert alles und gibt Anweisungen sowohl an die Schlepperkapitäne als auch an die Lokomotivführer in den Schleusen. Er kennt die besonderen physikalischen Fahreigenschaften des Kanals. Weltweit ziemlich einmalig dürfte sein, dass der Lotse den Kapitän bei seinen Fahrmanövern nicht berät, sondern das Oberkommando über Schiff und Crew übernimmt und Order gibt (und dafür die Verantwortung trägt). Für viele Kapitäne ist das gewöhnungsbedürftig.

Vom Südende des Panamakanals bringen wir einen Panamax-Containerfrachter in die Miraflores-Schleusen und eilen zurück. Das Tankschiff jetzt ist etwas kürzer, daher passen die beiden Schlepper – es arbeiten immer zwei zusammen – mit in die Schleusenkammer und wir können noch einmal diesen Vorgang aus Schiffsperspektive erleben. Anschließend assistieren die Schlepper, den Tanker auf dem Miraflores-See in „Parkposition“ zwischen die Mooringbojen zu bringen, wo er bis zum Abend warten wird, da sich in der Zwischenzeit – seit unserem Start heute Morgen sind gute vier Stunden vergangen – die Fahrtrichtung auf dem einspurig befahrbaren Kanal wie immer zu Mittag geändert hat. Auch unsere Cacique fährt jetzt an den Kai und hat dort eine gute Stunde Zeit für Wartungsarbeiten, bis der Kanalverkehr aus der Gegenrichtung hier ankommt und der Schlepper seinen Dienst wieder aufnimmt. Wir nutzen die Gelegenheit und gehen vor Bord.

Panama City, Panama – Überfall auf Polizeiparkplatz

Freitag, Oktober 7th, 2011

Wir hätten auf Evelyn hören sollen. Sie sagte uns, dass wir um 10 Uhr an der Polizeistation sein sollen, da ausschließlich zwischen 10 und 11 Uhr die Kontrolle des Kennzeichens und der Fahrgestellnummer erfolgen, was für die Ausfuhr des Fahrzeugs per Schiff notwendig ist. Anschließend erfolgt angeblich eine Prüfung über Interpol, ob das Fahrzeug in irgendwelche Straftaten in Mittelamerika verwickelt war. Das Ergebnis bzw. die Ausfuhrerlaubnis gibt es am Nachmittag. Wir sind zu früh am Morgen da, also warten wir eben. Ein Beamter scheucht uns aus unbekannten Gründen in den hinteren Teil des Parkplatzes, was noch Folgen haben wird. Hier gibt es einen Durchgang auf die Straße hinter dem Parkplatz, wo direkt eines der ganz üblen Elendsviertel von Panama beginnt. Während wir bereits die Fahrerkabinentüren zur Inspektion geöffnet haben, aber noch warten, tauchen auf der mir abgewandten Fahrzeugseite dunkle Füße unter dem Truck auf, die da nicht hingehören. Ich eile dazu, aber der Mann bleibt ganz ruhig, es fehlt auch nichts (hätte eh nur meine Turnschuhe klauen können). Trotzdem knalle ich die Tür erst mal wieder zu. Ein Vorbote? Ein Spion?

Zu einem beliebigen Zeitpunkt nach 10 Uhr beginnen die Beamten der Policia Nacional mit der Inspektion der Fahrzeuge, unseres zuletzt. Es dauert nicht lang, und ich will schon einsteigen. Daher gilt nicht mehr meine volle Aufmerksamkeit meiner Umgebung und ich registriere nicht, dass zwei Afroamerikaner zügig auf mich zukommen. Plötzlich zerrt einer an meiner Handtasche und versucht sie wegzureißen. Idiot! Das geht nicht, die Tasche ist fest mit mir verbunden und hat einen Träger schräg über den Körper, einen zweiten um die Hüfte. Da muss er mich schon mitnehmen, was er ganz sicher nicht will. Diese besondere „Handtasche“ erstand ich in Voraussicht auf mögliche Räuber im berüchtigten südlicheren Kontinentteil in einem Armeeshop in den USA und nannte sie von Anfang an „Mittelamerikatasche“. Hätte der Dieb richtig hingeschaut, hätte er zumindest den Schräggurt sehen können und gewusst, dass er die Tasche nicht einfach wegziehen kann. Auch ein Durchschneiden der Gurte ist schwierig, da sie aus stabilem Cordura und es eben zwei sind.

Alles geht sehr schnell. Jörg stößt den zweiten Angreifer zur Seite und wirft sich zwischen den ersten und mich. Auf einmal sind viele Hände im Spiel, Jörg und ich bekommen jeweils einen kleinen Hieb auf die Wange, was zunächst folgenlos bleibt. Nachdem die erste Schrecksekunde überwunden ist, gehen wir zum Gegenangriff über und drehen den Spieß um. Wir versuchen, die erfolglosen Handtaschenräuber zu fangen, brüllen laut und jagen sie. Die beiden Kerle brüllen auch, jetzt vor Angst, und laufen davon wie die Hasen. Sie sind klug und teilen sich auf. Jörg ist schnell, hat sich aber den falschen ausgesucht, der schneller ist. Der andere fällt über ein parkendes Auto stürzt auf die Straße. Ich aber mit meinen „feinen“ Sandalen, die ich mir extra für den Polizeibesuch angezogen habe (zum Thema Kleidung später noch mehr), bin einfach zu langsam. Die beiden jungen Männer verschwinden in einem Hausdurchgang genau gegenüber dem Parkplatzzugang. Na, wenigstens haben wir ihnen einen Schreck eingejagt und gezeigt, dass nicht alle Touristen einfache Opfer sind. Die anderen am Rand des Viertels herumsitzenden Afroamerikaner, die dem Treiben seelenruhig zugesehen haben, stoppen uns jetzt und raten uns, nicht weiter zu laufen. Sie befürchten wohl, dass wir auf unserer Verfolgungsjagd ins Elendsviertel hineinrennen wollen. Das haben wir bestimmt nicht vor.

Was aber ist mit den Polizeibeamten, die zwecks Fahrzeuginspektionen nur wenige Meter entfernt auf dem Parkplatz stehen? Erst einige Zeit, nachdem wir wieder bei Arminius sind, kommen sie in aller Ruhe angeschlendert. Sie haben lange genug gewartet um sicherzustellen, dem Treiben nicht in die Quere zu kommen. Uninteressiert fragen sie, was los ist. Danach befehlen sie uns, jetzt sofort abzufahren, denn dies wäre kein sicherer Platz. Ach so? Ich echauffiere mich etwas. A: wollten wir eigentlich gerade abfahren und B: warum befindet sich die Polizeistation dann hier und ich werde gezwungen, mich an einen solchen Ort zu begeben? Die Antwort bleibt aus. In Anbetracht der Tatsache, dass der Überfall am helllichten Tag auf dem Parkplatz der Nationalpolizei stattfand und die Beamten es sicher verstanden, nicht in den Vorfall verwickelt zu werden, darf man sich die berechtigte Frage stellen, kollaborieren die Polizisten mit den bösen Buben? Schwer zu sagen, aber zumindest muss eine gewisse Toleranz solcher Geschehnisse auf Seiten der Polizei vorliegen, sonst hätten sie sich etwas engagierter verhalten.

Blöd ist natürlich auch, dass man für den Besuch der Polizei ggf. Reisepass und weitere Papiere braucht, und daher irgendeine Art von Tasche fast schon nötig ist. Jedenfalls ist dies eine Warnung an alle Reisenden, auf diesem Parkplatz ganz vorne stehen zu bleiben, egal was die Beamten befehlen, Türen verschlossen zu halten und Wertsachen wie auch immer gut zu sichern. Waffen jeglicher sind in dem Fall völlig zwecklos, da das Überraschungsmoment auf Seiten der Räuber liegt. Prävention und, wenn man schnell reagiert, beherztes Zutreten oder Schlagen oder schlicht Geschehenlassen, falls man das bevorzugt, sind wohl die einzigen Dinge, die man tun kann.

Wir wollen keinesfalls einen falschen Eindruck von Panama erwecken, denn das Land hat sich nach dem Noriega-Regime und der gewalttätigen Zeit der US-Intervention beruhigt und gehört zu den sichereren Ländern auf diesem Kontinent. Dennoch gibt es zwei Problemzonen. Das ist Panama City, wo die Differenzen zwischen Arm und Reich extrem sind und die verschiedenen Welten in aneinandergrenzenden Vierteln aufeinanderprallen. Die „guten“ Viertel gelten als sicher, die „schlechten“ sollte man schlicht nicht betreten. Die Hafenstadt Colón auf der Atlantikseite ist seit jeher verschrien mit extrem hoher Arbeitslosigkeit, existentieller Armut und demzufolge extrem hoher Kriminalität. Die Regierung – welche Partei auch immer am Ruder ist – zeigt kein Interesse am Abbau der dortigen Probleme.

Auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums der Albrook Mall stellt Jörg plötzlich fest, dass seine Brille weg ist. Im Kampf verloren. Wir fahren zurück. Die Beamten dort schieben schon Panik, weil wir wiederkommen. Für die nächsten Stunden lassen sich sicher erst mal keine Diebe sehen, daher liegt die Brille friedlich auf dem Parkplatz, wo Jörg sie glücklich wieder einsammelt. Während der Wartezeit auf das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen versuche ich, zurück im Einkaufszentrum, ein paar Wandersandalen als Ersatz für meine im Zerfall befindlichen zu erstehen. Wandern ist in diesem Land nicht vorgesehen, schon gar nicht für Frauen. Die schieben höchstens ihre dicken Hintern auf Highheels (so ziemlich das einzig erhältliche) auf einen Autositz. Also keine Schuhe.

Für halb drei Uhr wurden wir in ein anderes Polizeibüro auf der gegenüberliegenden Seite des „Ortes des Verbrechens“ bestellt, das Secretaría General der Nationalpolizei. Zum Betreten des Gebäudes muss man lange Hosen und geschlossene Schuhe tragen, sonst wird man nicht reingelassen. Damen dürfen natürlich auch mit Rock erscheinen, und die Schuhfrage wird nicht so eng gesehen, solange sie schick sind. Bei der Anmeldung sollte man nicht seinen Reisepass, sondern einen anderen Ausweis hinterlegen, den Pass braucht man noch. Die Dame hinter dem Schalter schaut streng, bei unpassender Kleidung abschätzig. In Panama wird, wie in ganz Mittelamerika, auf angemessene Kleidung geachtet, vor allem bei offiziellen Angelegenheiten. Für allzu legere, schmutzige, schlampige oder gar löchrige Kleidung, die manch europäischer Reisender als cool empfindet, hat man hier keinerlei Verständnis. Die Dame kann den Prozess des Wartens erheblich hinauszögern, wenn sie jemanden nicht mag, aber heute ist Freitag, sie will um drei Feierabend machen und arbeitet zügig. Wichtig ist, alle notwendigen Papiere (erklärt alles Evelyn) im Original und als Kopie bei der Hand zu haben. Wir erhalten die notwendige Bestätigung, dass wir keine Bösewichter sind und innerhalb von acht Tagen das Fahrzeug aus dem Land exportieren können.

Zum Abschluss dieses aufregenden Tages begebe ich mich in die Hand eines schwulen Friseursalons. Die Jungs machen das ganz prima, wenn auch mal wieder zu kurz. Egal, der Typ nennt mich immer „Babe“, als wäre ich 20, und das Ergebnis ist schick.

Panama City, Panama – Das Paket (Fortsetzung II und Ende) und eine perfekte Evelyn

Donnerstag, Oktober 6th, 2011

Evelyn Batista von Wilhelmsen Ship Service / Barwil Agencies in Howard enttäuscht uns nicht. Sie ist vorbereitet und hat auf alle Fragen eine Antwort auf einem meist schon ausgedruckten Formular bei der Hand. Wir erhalten Stadtpläne, teils sogar GPS-Daten für alle wichtigen Ämter, eine schriftliche sowie zusätzlich mündliche Anleitung, in welcher Reihenfolge wir wohin müssen. Sie fertigt alle notwendige Kopiesätze an und hilft bei weiteren Anliegen weiter. Dass sie dazu auch noch nett ist, ist schon fast zuviel des Guten für einen in Zentralamerika nicht verwöhnten Reisenden.

Das echte Abenteuer wartet aber auf dem Postamt. Diesmal beschließe ich, einen Taxifahrer vor dem Postamt auf mich warten zu lassen. Der Preis ist ausgehandelt, da ich keine Lust habe, anschließend in dem Armutsviertel mit zwei Paketen in der Hand herumzulaufen und auf ein Taxi zu warten. Ich könnte mich dann ja nicht einmal wehren, außer mit Marmeladengläsern zu werfen, die vermutlich in einer der beiden Sendungen stecken. Auf der Post tippt der Beamte immer und immer wieder in seinem Computer herum, um die Paketnummern ausfindig zu machen. Irgendwann wird es mir zu bunt. Ich mache ihn auf ein Paket am Boden aufmerksam, auf dem ich das typisch deutsche Posthorn am Aufkleber erkennen kann. Das Wunder geschieht: Beide Pakete sind da, aus Deutschland in einem chaotischen Entwicklungsland angekommen, wo keine Pakete ausgeliefert werden und wo sie zunächst in einem völlig anderen Postamt in einer mehrere Stunden entfernten Stadt gelandet sind.

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Zunächst muss ich an der Kasse eine Bearbeitungsgebühr von 50 Cents bezahlen. Von drei Kassen ist eine besetzt, die anderen Beamten sitzen irgendwo Nase bohrend herum. Selbst die Panamaer in der langen Schlange scharren ungeduldig mit ihren Füßen. Zum Glück bemerke ich, dass der Postbeamte nur ein Paket auf meinem Formular eingetragen hat und ich lasse das korrigieren. Die Schlange lässt mich wieder an meine alte Warteposition zurück. Die Sendungen liegen bereits bei der Zollbeamtin an der Aduana, die die Pakete öffnet. Da haben wir das nächste Problem: Für Lebensmittelsendungen (ein Paket ist tatsächlich voll mit hausgemachter Marmelade) benötigt man eine Ausnahmegenehmigung des Hygieneministeriums. Und auf dem zweiten Paket ist kein Warenwert angegeben, um die Zollkosten zu errechnen. Zum Glück hatte ich die Aduanadame bei jedem Besuch vorsorglich freundlich angelächelt. Schließlich einigen wir uns, dass das prekäre Paket keinerlei Lebensmittel enthält und die andere Sendung den gleichen Warenwert besitzt wie das erste. Warum unabänderliche Dinge verkomplizieren? Trotzdem kommt’s jetzt dicke: Sowohl auf den gesamten Warenwert wie auch auf die in Deutschland bezahlten Paketgebühren (!?!) wird zunächst ein geringer Versicherungsaufschlag erhoben, dann 10 % Zollgebühren und anschließend 7 % Umsatzsteuer. Ich zahle.

Mein Spanisch mag nach wie vor jedem Muttersprachler die Haare zu Berge stehen lassen, aber ohne Sprachkenntnisse kommt man ab Mexiko einfach nicht mehr durch, es sei denn, man holt sich jedes Mal Übersetzungshilfe. Und liebe Ursel und Volker, danke für Eure humanitäre Hilfsmarmelade, die sollte nun wenigstens bis Patagonien reichen.

San Carlos, Panama – Fährverfehlungen

Montag, Oktober 3rd, 2011

Es ist keine Freundensmeldung, die uns heute erreicht: Unsere Fährüberfahrt nach Kolumbien wurde erneut verschoben, diesmal auf den 12.10. Die schön einmal umgebuchte Fähre (das betraf uns allerdings nicht) wurde für uns zunächst auf den 2., dann auf den 7.10. angesetzt. Ein Gutes hat der ganze Ärger doch: Wir entschließen uns, ein weiteres Angebot einzuholen. Das Unglaubliche geschieht: Das neue Angebot ist nicht nur um 500 $ günstiger (warum erfragen wir besser nicht), sondern endlich verhandeln wir mit der Person, die von so vielen anderen Reisenden empfohlen wurde und die für Schnelligkeit und Professionalität bekannt ist: Evelyn Batista von Wilhelmsen Ship Service / Barwil Agencies in Howard bei Panama-Stadt (Evelyn.Batista@wilhelmsen.com). Ironischerweise galt Evelyn unsere erste Anfrage, doch die E-Mail wurde von einem anderen Mitarbeiter beantwortet, der uns damals ein teureres Angebot unterbreitete.

Der beste Preis für die RoRo Überfahrt beträgt derzeit inkl. Bunkerzuschlag (!) US$ 61,50 pro Kubikmeter plus 50 $ Dokumentation zzgl. Hafengebühren in Colón und Cartagena. Bei allen anderen Angeboten wurde der Bunkerzuschlag (auch BAF, das gleiche wie Kerosinzuschlag beim Fliegen, Aufschlag für gestiegene Kraftstoffkosten und abhängig vom aktuellen Rohölpreis) separat dazugerechnet, sodass wir trotz niedrigerem Kubikmeterpreis (55 $ plus 25 % BAF) im Endeffekt teurer kamen. Wichtig ist auch zu wissen, dass jede Fähre andere Preise haben kann und der Bunkerzuschlag bei niedrigerem Rohölpreis sinken kann. Verschiffungsagenturen werden Kunden in der Regel auf höhere Preise hinweisen, auf sinkende vielleicht nicht. Evtl. lohnt sich also bei Terminverschiebungen eine Nachfrage, ob das neue Transportmittel günstiger ist. Bei sinkenden Spritpreisen an Tankstellen könnte man auch den Bunkerzuschlag erneut anfragen.

El Valle, Panama – Sonntagsmarkt in El Valle

Sonntag, Oktober 2nd, 2011

El Valle de Antón ist ein Bergdorf nur 25 km von San Carlos entfernt. Die meisten (amerikanischen) Panamaer brechen in Entzücken aus, wenn das Gespräch darauf kommt. Es ist nett da, viele wohlhabende (amerikanische) Rentner haben sich hier niedergelassen, nirgendwo sonst ist die Porsche-Cayenne-Dichte so hoch wie hier. Insgesamt aber ist das Dorf ein wenig überbewertet. Die Berglandschaft ist hübsch, dank des kühleren Klimas im Tal von El Valle wachsen hier Pflanzen, Obst- und Gemüsesorten, die anderswo nicht gedeihen. Sonntags gibt es einen kleinen, nichtsdestoweniger berühmten Markt, auf dem ein paar Früchte mittlerer Qualität und Kunsthandwerk aller Art verkauft wird. Größtenteils handelt es sich um international erhältlichen Touristenkitsch, aber es gibt auch Landestypisches wie hochwertige, wasserfest geflochtene Teller und Körbe oder Schnitzereien aus Tagua, der Steinnuss der Elfenbeinpalme, die in Härte und Farbe echtem Elfenbein ähnelt. Die Molas der Kuna-Indianerinnen sind bunte Stoffbilder, bei denen aus kontrastfarbigen Baumwolltüchern durch Ausschneiden und Umsäumen dekorative Muster entstehen. Nicht fehlen darf natürlich der Panamahut, ein leichter breitkrempiger Strohhut, dessen Ursprung trotz seines Namens nicht in Panama liegt, sondern in Ecuador. Die meisten Souvenirs sind günstiger bis wesentlich billiger als in Panama-Stadt.

San Carlos, Panama – Das Strandhaus

Samstag, Oktober 1st, 2011

Unsere Gastgeber Lew und Sue besitzen ein Strandhaus eine Stunde westlich von Panama Stadt. Sie selbst benutzen es nur selten, aber Robin wohnt hier, der nach einigen Rentnerjahren in Texas doch wieder nach Panama zurückkehrte. Wie der Zufall es will war er Kanalfeuerwehrmann und hatte früher mit unserem Freund Wallace aus Washington State zusammengearbeitet. Robin kümmert sich um das Haus, beaufsichtigt den Gärtner und ist froh um etwas Gesellschaft. Der fünf Minuten entfernte Pazifikstrand ist steinig und verschwindet bei Flut völlig, dafür gibt es im Garten einen kühlen Pool. Die Temperaturen sind hier draußen erträglicher als in der Stadt, denn die Regenzeit beginnt schon unzuverlässig zu werden: Einmal regnet es drei Tage gar nicht, und oft finden die Niederschläge jetzt morgens statt abends statt. Das wird bis Dezember so andauern. Trockenzeit ist nur von Januar bis März.

Panama City, Panama – Das Paket (Fortsetzung I)

Freitag, September 30th, 2011

Panama City hat recht viel zu bieten, selbst wenn man längere Zeit hier zubringen muss. Die Pedro-Miguel-Schleuse lockt uns heute an, etwas nördlich der Miraflores-Schleusen. Es gibt zwar keine Aussichtsterrasse, aber von einem Parkplatz neben der Schleuse kann man das Treiben gut beobachten. Auf dem Weg zurück in die Stadt nehmen wir einen kleinen Umweg über die neue Hängebrücke Puente Centenario über den Panamakanal, die die alte Brücke, Puente de la Americas an der PanAm, fast in den Schatten stellt. Doch auch heute noch ist die Puente de la Americas eine der größten Stahlbrücken der Welt.

In unmittelbarer Stadtnähe parken wir Arminius und Jörg bleibt zur Bewachung zurück. Ich schnappe mir ein Taxi und fahre für 2 $ (das ist meist der Preis für eine Stadtfahrt) zu dem Postamt, wohin unsere Pakete gesandt werden sollten. Glücklicherweise kennt der Taxifahrer die angegebene Adresse und schon sind wir mitten drin im Elendsviertel. Calidonia ist vielleicht nicht das übelste Viertel von Panama-Stadt, aber das zweitschlechteste. Gebäude bröckeln vor sich hin, zwielichtige Gestalten schlurfen umher und jeder warnte uns: „Geht nicht dahin, es ist absolut nicht sicher!“ Warum errichtet die Post ihre einzige Stelle mit Zollamt in einem Elendsviertel? Vermutlich wegen der billigen Mieten. Selbst der Taxifahrer äußert sich negativ über das Viertel. Er bietet sich sogar an, mich ins Postamt zu begleiten. Ich finde das etwas übertrieben, ich bin ja schon ein großes Mädchen.

Die Poststelle befindet sich in einem heruntergekommenen Einkaufszentrum und belegt fast das gesamte Erdgeschoss. In jedem der ehemaligen winzigen Ladenlokale in verschiedenen Gängen wurde ein kleines Stückchen des Amtes untergebracht. Hunderte, ja Tausende von Postfächern reihen sich aneinander. Wo sind unsere Pakete? Ich finde eine Mitarbeiterin, die mit mir herumläuft, die richtige Stelle zu finden. Es dauert nur wenige Minuten, mit meinen Trackingnummern herauszufinden, dass sich die Sendungen noch irgendwo auf dem Weg zwischen dem „falschen“ Postamt und dem „richtigen“ befinden. Ich soll später wiederkommen. Oder morgen. Oder Montag. Ich laufe aus dem Postamt hinaus zur nächsten Hauptstraße und winke einem Taxi. Statt des Fahrers fühlt sich ein Mitbürger dunklerer Hautfarbe angesprochen. In freudiger Erwartung – auf was? – nähert er sich mir: „halllooouuu“. Soll ich ihm gleich an die Gurgel gehen oder später? Er ist ziemlich groß, also später. Vorläufig ignoriere ich ihn einfach, was hilft: er verschwindet. Tagsüber ist es vermutlich o.k., doch nachts sollte man hier nicht unbedingt herumlaufen.

Beliebtes Ausflugsziel der Bewohner Panama Citys ist die Calzada Amador. Der Damm wurde ebenfalls mit Hilfe des Kanalaushubs gebaut und dient als Wellenbrecher für die Kanaleinfahrt. Gleichzeitig verbindet er mehrere Inseln mit dem Festland. Es gibt ein paar Marinas hier, Shops und jede Menge Restaurants. Man kann Fahrräder mieten, um den Causeway, wie er auch genannt wird, abzufahren. Am besten finden wir die Ausblicke: auf die vor dem Kanaleingang wartenden Schiffe, die auf Reede liegen; auf die Brücke Puente de las Americas; und auf die aus dem Boden schießenden Wolkenkratzer, die so leicht darüber hinwegtäuschen könnten, dass Panama, dessen Reichtum durch den Kanal in die Taschen weniger fließt, nach wie vor ein Entwicklungsland ist.

Panama City, Panama – Der Darién Gap: ein unüberwindliches Hindernis?

Donnerstag, September 29th, 2011

Warum hängen wir eigentlich so lange in Panama rum? Warum fahren wir nicht weiter nach Südamerika? Warum suchen wir ein Schiff? Die Antwort lautet Tapón del Darién. Darién wird ein Dschungelgebiet im Südosten Panamas und Nordwesten Kolumbiens genannt, die einzige Landverbindung zwischen Mittel- und Südamerika, durch die jedoch keine einzige Straße führt. Die Panamericana hört in Panama auf und geht 110 km später in Kolumbien weiter. Dazwischen liegt feindlicher, sumpfiger, undurchdringlicher Dschungel.

Es sind schon Straßen durch schwierigeres Terrain gebaut worden. Warum also tut es keiner? Die Gründe sind vielfältig. Zunächst waren da die technischen Probleme, die zahlreichen Flüsse und ausgedehnten Sümpfe zu überqueren. Mit einer entsprechenden Anzahl von Brücken ließe sich das heute problemlos lösen, ausreichend Finanzmittel vorausgesetzt. Umweltschützer argumentieren gegen den Bau einer Trasse durch jungfräulichen Regenwald, der unweigerlich fortschreitende Besiedlung und damit Abholzung des Waldes nach sich ziehen würde. Die dort lebenden Indianerstämme argumentieren, dass sie ihre Sitten, Gebräuche und Lebensweise vor der eindringenden Zivilisation nicht mehr schützen könnten. Und die panamaische Regierung weigert sich schlicht, die Straße auf ihrem Territorium weiterzubauen, nachdem die kolumbianische Seite angeboten hat, die 60 km auf ihrer Seite fertig zu stellen.

Was also steckt wirklich dahinter? Niemand will diese Straße. Jedenfalls keiner nördlich des Hindernisses. Man befürchtet, den Drogenhandel und das Eindringen krimineller Elemente aus Kolumbien zu erleichtern, auch wenn das nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wird. Die nächste Frage lautet, ist der Darién Gap (die englische Bezeichnung ist am geläufigsten) wirklich unüberwindbar? Nein. In den 60er Jahren gelang es zum ersten Mal, die Wildnis zu durchqueren. Verschiedene Expeditionen versuchten sich im Laufe der Zeit mit unterschiedlichen Fortbewegungsarten: Jeeps, Geländemotorräder oder Fahrräder, wobei diese auf weiten Strecken getragen werden mussten. Selbst zu Fuß versuchen sich einige, wobei die Flüsse mit den Booten der ortsansässigen Indianer oder schwimmend durchquert wurden. In den 80er Jahren entstand ein regelrechter Expeditionstourismus, und jede Menge Abenteurer versuchten ihr Glück auf den 110 km. Der Darién ist jedoch nicht sicher. Kolumbianische Guerillas haben sich hierhin zurückgezogen und treiben ihr Unwesen. Leider hat sich die Sicherheitslage immer weiter verschlechtert, insbesondere seit 1997. Seitdem sind praktisch alle Versuche, das Darién-Hindernis zu überwinden, zum Erliegen gekommen und es ist nach wie vor absolut nicht empfehlenswert. Es waren auch keine Reisenden, die den Urwald mal eben so durchquert haben, sondern eigens ausgerüstete Expeditionen, deren einziges Ziel die Überwindung des Sumpfwaldes war.

Welche Möglichkeiten hat man heute, die Lücke zu überbrücken? Da der Landweg realistisch gesehen ausfällt, bleiben nur Luft- bzw. Seeweg oder beides. Alles, was größer als ein Fahrrad oder Motorrad ist, muss verschifft werden. Die meisten Verbindungen gibt es von Colón auf der Atlantikseite nach Cartagena / Kolumbien. Drei Möglichkeiten stehen zur Auswahl. Auf der klassischen RoRo-Fähre (Roll-on-Roll-off) fahren Fahrzeuge auf ihren eigenen Rädern auf die Schiffsdecks und wieder hinunter. LoLo bedeutet Lift-on-Lift-off, wobei Fahrzeuge an zwei Seilen hängend mittels Kran in den Laderaum eines Frachters, oft Bananendampfers, hinein- und wieder hinausgehievt werden. Dritte Option ist ein Containerschiff, wobei kleinere Autos in verschlossenen Containern transportiert werden. Größere Fahrzeuge wie Arminius, die zwar die Containerbreite nicht überschreiten, aber zu hoch sind, können im sog. Open Containering transportiert werden. Dabei wird das Dach offen gelassen. Alternative – einzige bei Überbreite – ist das Flat-Rack, eine flache Trägereinheit, auf der das Vehikel festgezurrt und auf einem Containerstapel ganz oben transportiert wird.

Diebstahlsicherste und meist günstigste Methode ist der verschlossene Container, vor allem, wenn man ihn sich im Idealfall mit einem weiteren Fahrzeug teilen kann. Für größeres Transportgut (wie Arminius) gibt es zumindest auf dieser Route nur geringe Preisunterschiede. Man muss abwägen, ob man sein Fahrzeug kranen lassen (LoLo, Flat-Rack) oder per Achse in den Bootsbauch befördern lassen möchte. Kranen birgt ein – wenn auch geringes – Absturzrisiko. Eine Versicherung dafür in diesem Land zu erhalten ist so gut wie unmöglich, und sie würde nur Totalverlust, keine Schäden abdecken. RoRo bedeutet, das Fahrzeug wird von einem Hafenarbeiter gefahren. Beulen und Kratzer können entstehen, und wenn der Fahrer vergisst, die Zündung auszuschalten, ist die Batterie vielleicht leer. Die RoRo-Fähren zwischen Panama und Kolumbien fahren selten, unregelmäßig und unzuverlässig. Termine werden verschoben oder abgesagt. Die Fähre kommt eventuell nicht nach ein paar Stunden, sondern Tage später an, da sie ihren Plan geändert hat und zwischendurch woanders hin gefahren ist.

Wir steuern die RoRo-Option an, da selbst Verschiffungsagenturen, falls sie offen sprechen, das Beschädigungsrisiko beim Kranen als weit höher einschätzen und die Schäden (bis hin zum Totalverlust) erheblich größer sein können. Weitere Einzelheiten folgen später. Keines der Schiffe bietet Passagiertransport an. Man muss ein Flugzeug nehmen oder könnte mit einem Segelschiff eine Minikreuzfahrt von Colón über die noch unentwickelten San-Blas-Inseln nach Kolumbien fahren ( z.B. www.stahlratte.de ), falls man einen passenden Termin findet. Vorläufig ist unsere Fähre, die bereits einmal verlegt wurde, vom 2. auf den 7. Oktober verschoben.

Panama City, Panama – Eine Bootsfahrt, die ist lustig

Mittwoch, September 28th, 2011

Freunde zu haben ist schön und oft praktisch. Obwohl Lew selbst außer Landes musste, bat er einen befreundeten Bootskapitän, uns auf eine Fahrt auf dem Kanal mitzunehmen. Es gibt zwar ein Touristenboot, das Kanalfahrten anbietet, doch zu Preisen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen (beginnt mit über 100 $ pro Person für eine Kurztour). Die Gesellschaft Canál de Panamá benutzt ein altes Kranschiff, die Atlas III, zur Ausbildung von Kanallotsen, aber auch für nichtkommerzielle Kanalfahrten im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, z.B. für Schulen, Verbände etc. Heute wird eine Schulklasse aus Colón auf der Atlas III in Panama-Stadt erwartet und nach den Miraflores-Schleusen von einem Bus wieder aufgenommen. Wir können freundlicherweise mitfahren, eine Bezahlung darf die Kanalgesellschaft hierfür nicht entgegennehmen. Der Tag ist sonnig-perfekt, wenn auch fast unerträglich heiß.

Auf der Atlas III erhalten wir die Gelegenheit, die Schleusungen direkt zu erleben. Welch großartige Erfahrung und Gelegenheit für tolle Bilder! Auf dem Weg nordwärts fahren wir zusammen mit einem kleineren Tanker und zwei Schleppern in die Schleusenkammern ein. Nachdem die Schulklasse von Bord gegangen ist, machen wir uns auf den Weg zurück nach Süden und schleusen zusammen mit einer Motoryacht und einem Arbeitsboot. Auf dem Schiff werden sogar Getränke und ein Lunchpaket kostenlos bereitgestellt. Trotz des erfahrenen Kapitäns Carlos, der sonst einen Schlepper fährt, ist ein Kanallotse an Bord. Ohne den geht eben nichts. Diese nichtkommerzielle Tour ist für Touristen leider nicht buchbar, man muss dazu eingeladen werden.

Panama City, Panama – Das Paket (eine Fortsetzungsgeschichte)

Dienstag, September 27th, 2011

Wir erwarten drei Pakete in Panama City, zwei davon sind uns wichtig. Wegen nicht beantworteter E-Mails ließen wir sie an Panama Passage schicken, nicht wissend, dass sie nicht ausgeliefert werden. Christian war trotzdem so nett, in einem Postamt nach dem Paket zu suchen, doch ohne Erfolg. Er sucht für mich das andere Postamt heraus, wo eine der Sendungen angeblich lagern soll, das ich sonst nie gefunden hätte. Das Abenteuer beginnt damit, (trotz GPS-Daten) den Weg zum World Trade Centre zu finden (mit einem großen Fahrzeug muss man es unbedingt komfortabel finden, in die Stadt hinein zu fahren), einen Parkplatz zu ergattern (an den Einfahrten gibt es überall Dächer; wir streifen eines flüchtig und fahren später einfach über den Bürgersteig wieder hinaus) und in dem Bürohochhaus ein nicht beschildertes und gekennzeichnetes Postbüro im ersten Stock zu lokalisieren, das nach meiner Zählung im zweiten liegt.

Die Postdamen zeigen sich geduldig mit meinem beharrlichen Verhalten und finden für mich heraus, dass das Paket in einer Stadt vier Stunden entfernt von Panama City liegt. Ein Postangestellter hat wohl die Adresse falsch gelesen und den Straßennamen mit dem Städtenamen verwechselt. Irgendwie schaffe ich es, die Filialleiterin zu überzeugen, das Paket nach Panama-Stadt weiterzuleiten. Ich erhalte eine völlig unverständliche Adressangabe, mit der ich das Paket am Freitag in einem anderen Postamt abholen soll. Den Verbleib des zweiten Pakets können wir mangels Tracking-Nummer momentan nicht feststellen. Kaum prüfen wir bei DHL im Internet den aktuellen Stand der Sendung, erscheint eine neue Meldung: Die Sendung wurde fehlgeleitet und soll weitergeleitet werden. Das Unglaubliche geschieht: Auch das andere Paket scheint fälschlicherweise im selben Postamt gelandet zu sein und irgendjemand war so intelligent zu erkennen, dass auch dieses nach Panama muss. Die gleiche neue Meldung erscheint. Ob wir die Pakete wohl finden werden?

Panama City, Panama – Panamas Altstadt und eine Anlaufstelle für Reisende

Montag, September 26th, 2011

Casco Viejo nennt man die Altstadt von Panama City, ein Viertel geprägt von spanischem und französischem Kolonialstil. Nach jahrhundertelanger Vernachlässigung begann man vor Jahren, die Handelshäuser, Residenzen und Kirchen zu restaurieren, was zum Teil vollzogen, zum Teil noch in Gange ist. Ein besonders schönes Plätzchen ist der Paseo de las Bóvedas, ein Laubengang, der auf einer alten Festungsmauer errichtet wurde. Hier gibt es Bänke zum Verweilen, Kuna-Frauen von den Karibikindianern, die in exotischer Tracht Kunsthandwerk verkaufen und eine großartige Sicht auf die Bucht von Panama und die zahlreichen Wolkenkratzer der Neustadt. Die anwesende Polizei wollte uns zunächst nicht in die Altstadt und auf den dortigen Parkplatz lassen. Da sie aber die Lage eines anderen Parkplatzes nicht befriedigend erklären konnte, durften wir schließlich rein. Die Parkplatzwächter brachen in Panik aus und wir mussten auf der Straße davor parken, ohne Parkgebühr und für 1 $ Trinkgeld fürs Aufpassen.

Zum Mittagessen treffen wir uns mit Roz, einer weiteren Bekannten von Wallace. Die ehemalige Lehrerin führt heute einen Second-Hand-Laden für teure Galabekleidung, wo selbst die First Lady Panamas ihre Abendroben wieder an die Frau bringt. Anschließend fahren wir zur Panama Passage, einer neuen Einrichtung in Panama unter kanadischer/US-amerikanischer Leitung. Es ist gleichzeitig Gästehaus und winziges Camping, Paketempfangsstelle, Organisationshilfe für Verschiffung, Ersatzteilbeschaffung und vieles mehr (www.panamapassage.com). Christian und Persephone, Mitinhaber und derzeitige Manager, sind sehr nett, eine derartige Einrichtung bislang nichtexistent. Natürlich hat ein solches Projekt auch nach sechs Monaten noch mit Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen, zumal in einem mittelamerikanischen Land. Unsere ganz persönliche Meinung lautet (andere mögen das ganz anders sehen), dass die Idee großartig ist, es bei der Durchführung aber an Professionalität mangelt (E-Mails werden nicht richtig gelesen oder gar nicht beantwortet etc.).

Wir finden außerdem, dass die Preise über dem in Panama-Stadt üblichen Niveau liegen. 40 US $ für ein Doppelzimmer ohne Frühstück, in dem außer einem einfachen Bett nichts steht; keine Klimaanlage, dafür WiFi; zwei Bäder, die man gegebenenfalls mit zehn oder mehr Menschen teilen muss; Gemeinschaftswohnzimmer und -küche in einem hostelartigen Ambiente. Als Reisender auf dem Weg von Mittel- oder Südamerika muss man damit rechnen, eine Woche oder durchaus auch länger in einem Hotelzimmer wohnen zu müssen, während das eigene Fahrzeug von einem zum anderen Kontinentteil verschifft wird (mehr zum Thema Verschiffung und Darién Gap später). Für eine Nacht Camping mit Hook-up auf Wunsch werden 10 US$ fällig, vorherige Anmeldung wegen Platzmangel absolut notwendig. Einen Campingplatz gibt es in Panama-Stadt nicht, weitere Möglichkeit soll der Parkplatz des Balboa Yachtclubs auf der Calzada Amador sein.

Panama City, Panama – Der Panamakanal, ein technisches Meisterwerk

Sonntag, September 25th, 2011

Der Panamakanal gilt auch heute noch als eine der größten menschlichen Leistungen aller Zeiten. Das Wunderwerk der Technik entstand jedoch nicht ohne Schwierigkeiten. Mussten sich die Spanier noch mit Maultieren über die Landenge quälen, wurde Mitte des 19. Jh. eine Eisenbahnlinie errichtet. Nach verschiedenen Expeditionen und Recherchen schloss ein französisches Komitee 1878 mit Kolumbien den Vertrag zum Bau eines Kanals vom Atlantik zum Pazifik in Panama, der den Franzosen zehn Jahre Bauzeit und 99 Jahre Nutzung einräumte. Projektleiter wurde Ferdinand de Lesseps, der bereits den Suezkanal in Ägypten erbaut hatte, der 1869 eingeweiht worden war. Die Kanalgesellschaft ging jedoch in Konkurs, nachdem die Arbeiten kaum Fortschritte gemacht hatten, Tausende von Arbeitern von Tropenkrankheiten getötet worden waren und die technischen und finanziellen Berechnungen ständig nachgebessert werden mussten. Lesseps machte mit Privatkapital und einer um weitere zehn Jahre verlängerten Konzession weiter, starb aber 1894. Vier Jahre später, nach 17 Jahren und 22.000 Toten, wurde der Kanalbau eingestellt.

Nachdem die Verhandlungen der USA mit Kolumbien gescheitert waren, Panama seine Unabhängigkeit erklärt und den neuen Kanalvertrag mit Teddy Roosevelt unterzeichnet hatte, wurden 1904 die Arbeiten wiederaufgenommen. Doch die siebköpfige Isthmus-Kanal-Kommission in Washington arbeitete bürokratisch, ineffizient und war vom Ort des Geschehens zu weit entfernt. Arbeiter starben wie die Fliegen und keiner hörte auf den Arzt William C. Gorgas, der seine Theorie, dass Mücken die Überträger der gefährlichen Krankheiten seien, nicht beweisen konnte. Nach einem Jahr ohne Fortschritt, aber mit viel verlorenem Geld standen die USA und ihr Kanaltraum erneut vor dem Aus. Roosevelt handelte schnell, indem er eine neue Drei-Mann-Kommission sowie einen neuen Chefingenieur ernannte. Da mittlerweile Cholera, Malaria, Ruhr, Lungenentzündung, Tuberkulose und sogar Beulenpest und Pocken die Arbeiter epidemieartig dahinrafften und eine Massenflucht auslösten, erhielten gesundheitliche Belange Priorität. Die Kanalarbeiten wurden vorläufig eingestellt, bis die Mückenplage durch Ausräuchern und den Einsatz von Öl oder Kerosin auf offenen Wasserflächen unter Kontrolle gebracht und die Eisenbahn als Lebensader des Projekts ausgebaut worden war.

Erst 1906, nach Wiederaufnahme der Bauarbeiten, fiel die endgültige Entscheidung gegen den Entwurf eines teuren und langwierigen Kanals auf Meeresniveau zugunsten des Gatún-Plans, der Schleusen mit einem künstlich angestauten See dazwischen vorsah. Zu den größten technischen Herausforderungen zählte der Culebra-Bergrücken parallel zur Pazifikküste, der auf 13,5 km Länge von 96 auf 12 m über Meeresniveau abgetragen wurde, bei einer Breite von 550 m oben und 91,5 m an der Sohle. Ständige Erdrutsche gefährdeten den Bau. Mit dem abgetragenen Fels und Erdreich erschuf man die zweite Meisterleistung, den Gatún-Damm. Um den Wassermassen des künftigen Stausees standzuhalten, musste ein Erdwall von 2,3 km Länge, 32 m Höhe, 640 m Breite unten und 30 m Kronenbreite errichtet werden, ein weltweit bis dahin einmaliges Unterfangen. Der Gatún-See war seinerzeit der größte von Menschenhand geschaffene See der Erde. Seine Flutung auf heutiges Niveau dauerte 15 Jahre.

Zum Atlantik führt die dreistufige Gatún-Schleuse mit 26 m Hub hinunter, in Richtung Pazifik zunächst die einstufige Pedro-Miguel-Schleuse (9,5 m). Über den kleineren Miraflores-See erreichen die Schiffe die zweistufige Miraflores-Schleuse (16,5 m) und schließlich den Ozean auf der anderen Seite. Ein dritter See hält den Wasserstand der beiden anderen Seen während der Trockenzeit konstant. Die Schleusenkammern sind jeweils 305 m lang, 33,5 m breit, 26,3 m tief und enthalten 101.000 m3 Wasser. Für das technische Herzstück des Kanals wurde erstmals so viel Beton wie für kein anderes Bauwerk seiner Zeit verwendet. Die über 730 t schweren Schleusentore schließen elektrisch und sind bis heute unverändert. Die Fertigstellung des Panamakanals erfolgte pünktlich, doch der Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Europa zog die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich, sodass die Eröffnung am 15. August 1914 kaum Beachtung fand und die Feierlichkeiten auf 1920 verschoben wurden. Der Kanalbau kostete 386 Mi. US$ und weitere 6.000 Tote.

Die tropischen Regenfälle und die Waldreservate beidseits des Kanals sichern auch heute noch den 24-Stunden-Betrieb. Denn pro Schleusung werden 197 Millionen Liter Süßwasser benötigt, das jedes Mal verlorengeht. Ohne Pumpen fließt Wasser aus den höher gelegenen Seen über Röhren und Öffnungen in Schleusenboden und -wänden in die Kammern und letztendlich ins Meer. Die Schleusenvorgänge kann man sowohl an den Miraflores– als auch an den Gatún-Schleusen beobachten, allerdings hat nur Miraflores ein Besucherzentrum. Die Schiffe fahren aus eigener Kraft in die Kammern und wieder hinaus, werden allerdings von Zahnrad-Diesellokomotiven, mit denen sie durch Stahlseile verbunden sind, stabilisiert. Je nach Größe des Schiffs werden je zwei oder vier Loks vorne und hinten eingesetzt. Sehr große Schiffe müssen unter Volllast ein- und ausfahren, mit bis zu zehn Prozent von den Loks unterstützt. Gegebenenfalls schieben sogar Schlepper zusätzlich, um einen zügigen Durchlauf zu gewährleisten, denn Zeit ist alles hier. Eine Schleusung nimmt ca. zehn Minuten in Anspruch.

Auf dem Kanal herrscht Einbahnverkehr, der jeweils zu Mittag wechselt. Große Schiffe dürfen aus Sicherheitsgründen nur tagsüber fahren. Auf jedem Schiff befindet sich mindestens ein Kanallotse, auf großen bis zu vier. Ihre Ausbildung dauert acht Jahre. Alle größeren Schiffe werden während der gesamten Fahrt von meist zwei Schleppern begleitet, die es nicht ziehen, sondern lediglich in der Fahrrinne halten, vor allem in der engen und kurvigen Durchfahrt des Culebra-Durchstichs. Etwa 14.000 Schiffe durchfahren die wichtigste Wasserstraße der Welt jährlich.Wer die langen Wartezeiten für die acht bis zehn Stunden dauernde, 81,6 km lange Kanalpassage umgehen will, kann sich täglich für viel Geld eine Vorzugsbehandlung ersteigern. Bisher passierten über eine Million Schiffe den Kanal. Die teuerste Passage eines Containerfrachters vor wenigen Monaten brachte dem mittelamerikanischen Land über 412.000 $ ein. Die niedrigste Gebühr zahlte 1928 der US-Journalist und Abenteurer Richard Haliburton, der den Kanal in acht Tagesetappen durchschwamm. Bei 1,65 m Größe und 65 kg Gewicht wurde seine Gebühr mit 36 Cent errechnet.

Der Kanal wurde gebaut für Schiffe mit maximal 294,13 m Länge, 32, 31 m Breite (nur ein halber Meter links und rechts beim Schleusen!) und 12,04 m Tiefgang. Diese sogenannte Panamax-Klasse beherrschte den Schiffsbau über Jahrzehnte. Um die Wirtschaftlichkeit des Kanals auch in Zukunft zu gewährleisten, wurde eine Erweiterung unumgänglich. Bei einer Volksabstimmung 2006 entschied sich die panamaische Mehrheit für den Ausbau, mit dem 2007 begonnen wurde. Fertigstellung der dritten Fahrrinne mit größeren Schleusen (55 m Breite, 427 m Länge, 14 m Tiefgang) ist für 2014 geplant. Bereits heute weiß man, dass dieses für sogenannte Post-Panamax-Schiffe konstruierte Maß bereits in zehn bis 20 Jahren veraltet sein und eine erneute Erweiterung notwendig machen wird.

Der Eintritt zu den Miraflores-Schleusen kostet für Ausländer 5 $ für die Aussichtsterrasse, 8 $ inkl. Museum und Videovorführung. Beste Zeit für eine Besichtigung ist zwischen 9 Uhr und mittags und von 15 bis 17 Uhr (Schließungszeit des Besucherzentrums). Dazwischen verkehren keine Schiffe wegen Wechsels der Einbahnrichtung. Das Museum ist ganz interessant gestaltet, das kurze Video glänzt amerikanisch mit vielen Parolen ohne Informationen.

Panama City, Panama – Noriega und andere Pannen Panamas

Samstag, September 24th, 2011

Der Strand rüstet sich für das Wochenende, wenn viele Stadtflüchtlinge aus Panama City hier einfallen. Besonders hübsch finden wir die panamaische Bay-WatchAusgabe. Ein Heer scheinbar geklonter Rettungsschwimmer fast gleichen Körperbaus und Trainingszustands in diversesten Schokoladentönen macht sich bereit. Lediglich den Pamela-Anderson-Ersatzspielerinnen fehlt es an Oberweite, dafür sind sie etwas kräftiger gebaut. Wir ergreifen die Flucht in Gegenrichtung in der Hoffnung, die Stadt ist leer.

Panama City ist die Hauptstadt eines Landes mit einer etwas unglücklichen und unrühmlichen Geschichte. Schon unter den Spaniern begann sein Abstieg. Ihr Entschluss Mitte des 18. Jh., den Warenverkehr aus Südamerika nicht mehr über die Landenge abzuwickeln, sondern die erbeuteten Schätze aus Peru direkt um das Kap Horn auf die Iberische Halbinsel zu transportieren, stürzte die strukturschwache dünn besiedelte Region in eine tiefe Krise. Anschließend blieb Panama nichts anderes übrig, als sich dem wirtschaftlich stärkeren Kolumbien anzuschließen, wo es mit wenigen Unterbrechungen bis ins 20. Jahrhundert verblieb, bis es unter den meist nicht förderlichen Einfluss der USA geriet.

Zu dem Zeitpunkt verhandelten die USA mit Kolumbien über den Kanalbau in Panama. Nach vielen Nachbesserungen lehnte Kolumbien das Angebot der USA im August 1903 schlussendlich ab. Die hatten jedoch vorgesorgt und hinter verschlossenen Türen mit Panama direkt verhandelt. Ergebnis war, dass Panama im November desselben Jahres seine Unabhängigkeit erklärte und im gleichen Atemzug den Kanalbauvertrag mit den USA unterzeichnete. Der Vertrag sah ab dem 10. Jahr der Fertigstellung eine jährliche Pachtzahlung der USA an Panama vor und eine in der Weltgeschichte einmalige Vereinbarung: Diese gestattete den USA auf ewige Zeit die Einrichtung eines US-Territoriums auf ganzer Länge und von acht Kilometer Breite beidseits des Kanals zum Bau, Unterhalt, Betrieb und Schutz der Anlage.

Zur weiteren Wahrung ihrer Interessen nehmen die USA fortan großen Einfluss auf die panamaische Politik, wodurch ein Zuatzartikel in der Verfassung verankert wird, der der Großmacht ein sofortiges militärisches Interventionsrecht zur Wiederherstellung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit in der jungen Republik einräumt. Es wundert wenig, dass die USA dies in den folgenden Jahrzehnten regelmäßig ausnutzten. Der Kanal wurde gebaut, die Kanalzone teilte Panama in zwei Hälften, in deren Mittelstreifen US-Recht herrschte, gesichert von US-Polizei und US-Gerichten, wo Englisch gesprochen wurde, Kinder als US-Bürger zur Welt kamen und in US-Schulen und -Krankenhäuser gingen.

Die störende Enklave war den Bürgern Panamas ein zunehmender Dorn im Auge. Immer wieder kam es zu Protesten und Unruhen, die von den US-Militärs blutig niedergeschlagen wurden. Es kam zwar zu Nachbesserungen des Kanalvertrags, der für Panama höhere Pachtzahlungen vorsah, doch konnte das die Volksseele nicht beruhigen. Zu den schwersten Ausschreitungen kam es 1964, die Panama zum Anlass nahm, weitere Nachverhandlungen von den USA zu fordern. Doch erst 1977 kam es zu einer Einigung, die die Aufhebung des Sonderstatus der Kanalzone sowie eine schrittweise Übergabe des Kanals an Panama bis zum 31.12.1999 vorsah. In der Übergangszeit wurden freiwerdende Posten im Kanalbetrieb durch Panamaer besetzt, sodass de facto Ende 1999 der Kanal bereits zu über 90 % in panamaischer Hand war und von dem mittelamerikanischen Land betrieben wurde, sodass ein reibungsloser Übergang gewährleistet war.

Wie die anderen Länder Mittelamerikas hatte auch Panama Schwierigkeiten bei der Demokratisierung, nicht zuletzt dank Einmischung der USA. Das unrühmlichste Kapitel war jedoch General Noriega, der 1983 mit Wohlwollen der „Kolonialmacht“ im Hintergrund den Oberbefehl über die Nationalgarde übernahm, mit wechselnden Marionettenpräsidenten. Nach einem fehlgeschlagenen Putsch ernennt sich 1989 ein komplett übergeschnappter Noriega schließlich selbst zum Maximo Lider Panamas in einem letzten politischen Schritt. Da jedoch haben ihm die USA bereits die Unterstützung entzogen. Korruption, Menschrechtsverletzungen und vor allem Geschäfte mit dem kolumbianischen Drogenkartell und Verwicklung in den weltweiten Drogenhandel brachten ihm den Titel Narco-Diktator ein. Mit einem weiteren militärischen Eingreifen nahmen die Vereinigten Staaten Noriega fest und überführten ihn, wo er später wegen Drogenhandels zu 40 Jahren Haft verurteilt wurde.

Leider blieben auch die nachfolgenden Präsidenten Korruption und Drogenhandel treu. Obwohl sich das Land nicht zuletzt dank des Panamakanals unter eigener Verwaltung gut entwickelt und einigermaßen Ruhe und Sicherheit eingekehrt sind, munkelt man, die hochschießenden Wolkenkratzer, die Panama Stadt eine hübsche Skyline verleihen, dienen der Drogengeldwäsche.

Mit dem Verschwinden Klein-Amerikas in Panama verschwanden auch die meisten Nordamerikaner. Einige setzen ihre Tätigkeit in anderen Ländern fort, z.B. als Lehrer an internationalen Schulen. Die meisten ließen sich pensionieren und leben irgendwo in den Vereinigten Staaten, wie Wallace, den wir vor langer Zeit in Alaska kennengelernt und vor einem Jahr in Washington State besucht haben. Andere fühlen sich eher als Panamaer, da sie ihr ganzes Leben hier zugebracht haben oder sogar hier geboren wurden und demzufolge doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. So wie Lew und Sue, zwei von vielen Freunden von Wallace, die wir in Panama Stadt kennenlernen sollen. Sie leben in einem Haus am Stadtrand mit genügend Platz für Arminius, und so machen wir es uns hier gemütlich.

Las Lajas, Panama – Kein Kaffee, sondern Strand

Donnerstag, September 22nd, 2011

Eine Kaffeetour hatten wir uns für Panama vorgenommen. Café Ruiz bietet eine Führung über seine Plantage und durch die Fabrik an. Die dauert zwar drei Stunden, ist aber eine Gruppenveranstaltung. Daher schockieren mich die 30 $ pro Person etwas, zumal mein Reiseführer (Druck 2009) von weniger als der Hälfte spricht. Wir fragen den alten Herrn Ruiz persönlich nach einem Preisnachlass, zumal wir den inkludierten Transport vom und zum Hotel nicht in Anspruch nehmen. Vorwurfsvoll entgegnet der Senior, dass er vor Jahren im Weißen Haus 60 $ habe bezahlen müssen und auch keinen Rabatt bekommen habe. Obwohl wir uns schon eine geraume Zeit vor unserem Truck unterhalten haben, muss ich nochmals explizit erklären, dass ich weder Amerikanerin bin noch etwas mit der Eintrittspreisgestaltung im Weißen Haus zu tun habe. Herr Ruiz hat zwar einen Sohn in Stuttgart, zeigt sich sonst aber ungerührt. Als wir schließlich die Tour zu dem Preis ablehnen und fahren wollen, schaut er doch etwas irritiert und schenkt uns zumindest ein Päckchen Kaffee.

Kurz danach finden wir heraus, dass Finca Lerida eine Tour für 15 $ anbietet, doch dafür ist es bereits zu spät, sie hat schon begonnen. In Costa Rica liegen die Preise ebenfalls auf sehr hohem Niveau. Wer eine Kaffeetour machen möchte, sollte das in Guatemala tun, am besten während der Erntezeit, die frühestens ab September startet und bis März/April dauert.

Als Alternativprogramm fahren wir in Las Lajas an den Strand. Hier gibt es nur ein paar einfache Unterkünfte und Restaurants, das meiste verfällt. Der ruhige kilometerlange dunkle Sandstrand ist sehr schön. Es gibt ein paar Wellen, aber Baden ist o.k. Wir fragen vorsichtshalber in einem Hostel, das ehemals Deutschen gehörte. Keiner hat etwas dagegen, wenn wir direkt am Strand campen. Wir treffen einen deutschen Rentner, der die sechs Wintermonate hier verbringt und einen weiteren deutschen Hostelbesitzer, der noch die Stellung hält. Hält man sich von den Restaurants fern, ist es sehr ruhig und sicher. (N 08°10’00.7’’ W 81°51’39.2’’)

Boquete, Panama – „Oh, wie schön ist Panama“ (Janosch)

Mittwoch, September 21st, 2011

Der Grenzübergang Paso Canoas an der Interamericana, wie die Panam hier genannt wird, ist der wichtigste nach Panama. Die costaricanische Seite ist mal wieder äußerst dezent beschildert. Die Dame an der Migración ist sehr freundlich und übt sogar ihr Englisch an uns. Im Gegensatz dazu sind wir für den Mann von der Aduana eine einzige Zumutung. Nicht so sehr wir persönlich, sondern die Anwesenheit eines jeden Kunden, der ihn zu einer anderen Handlung zwingt als vor seinem schwarzen Computerbildschirm zu meditieren. Das ist in seinem Tagesablauf nicht vorgesehen. Zu allem Unglück verdrückt sich sein Kollege, während wir ein Formular für die Fahrzeugausfuhr ausfüllen müssen. Der arme Mann kann nicht einmal sprechen. Seine Befehle gibt er per Kopfnicken, ein Handzeichen ist fast mehr, als er erübrigen kann. Nun muss er sich auch noch erheben, um das Corpus Delicti zu besichtigen. So ganz hat sich Mr. Cool doch nicht im Griff. Kurzfristig entgleitet ihm sein Gesichtsausdruck ins Erstaunte, als er Arminius ansichtig wird. Wieder offiziell, tippt er stumm und vorwurfsvoll auf eine Stelle in der Einfuhrbescheinigung. Bei unserem Kennzeichen gab es eine Buchstabenverwechslung. Später stellen wir fest, dass auch die Fahrgestellnummer auf dem Formular nicht korrekt war, die kontrolliert er zum Glück nicht. Wir hätten bei der Einreise besser aufpassen müssen, so was kann zu Problemen führen. Ungerührt zucke ich die Achseln. „Das muss wohl ein Fehler sein“, meine ich lapidar, denn die Nummer „obercooler Haudegen“ beherrsche ich auch. Er unterzeichnet die Papiere und lässt uns fahren.

Jetzt kommt Panama. Ein paar Beamte weisen die Fahrzeuge ein und zeigen, wo man hinmuss. Zwei von ihnen behaupten, wir müssten zuerst zur Aduana, dann zur Migración, einer sagt das Gegenteil. Wir schließen uns der Mehrheit an. Nach einer Phase der Ignoranz wirft ein Beamter einen Blick auf unsere Papiere und schickt uns erst mal ins Versicherungsbüro. Ach ja, hätte man uns das nicht gleich sagen können? Seit etwa drei Jahren benötigt man eine panamaische Kfz-Haftpflicht. Sie kostet US$ 15 für 30 Tage Aufenthalt. Zurück am Zoll lässt man uns so lange warten, um sicherzustellen, dass die nächste Station garantiert schon Mittagspause hat. Panama befindet sich in einer anderen Zeitzone und ist dem Rest Mittelamerikas eine Stunde voraus. Endlich lässt sich der Beamte herab, uns zu informieren, dass wir die beiden Versicherungspapiere bei einer anderen Zöllnerin abstempeln lassen müssen. Ach ja, auch das hätte man uns vorher mitteilen können. Vielleicht kann sich der durchschnittliche Reisende nur eine Order auf einmal merken? Eher scheint Absicht dahinterzustehen. Man soll gefälligst einen Tramitadór, einen Helfer, nehmen. Wenn man je darüber nachgedacht hat, Panama ist der richtige Zeitpunkt, aber es geht definitiv auch ohne.

Die zuständige Zöllnerin (im Seiteneingang) ist in der Mittagspause und um eins zurück, erfahren wir. Das wäre in einer halben Stunde. Hat man in Costa Rica eine Verabredung um eins, so sagte man uns, dann ist das so gegen viertel vor zwei. Ich vermute, dass es in Panama ähnlich ist, und mein Gefühl soll mich nicht trügen. Ein genervtes Heer von Reisenden erwartet Punkt dreiviertel die hold lächelnde Königin, die bestens gelaunt ihre ausgedehnte Mittagspause beendet. Innerhalb knapper zwei Sekunden knallt sie einen Stempel auf jedes Papier, das war’s. Ich fasse es nicht. Dafür musste ich geschlagene eineinviertel Stunden warten. Hätte ich selbst stempeln sollen? Hätte nicht ein anderer Beamter die vermaledeiten Bestätigungen aufs Papier donnern können? Der panamaische Zoll ist ein Musterbeispiel zentralamerikanischer Ineffektivität. So wird das nix, Leute, so bleibt ihr ewig Entwicklungsland. Andererseits: Wer sagt uns, dass unsere vielgerühmte deutsche Effizienz das Maß aller Dinge ist? Mal ehrlich: was bringt sie uns? Ein Heer von Arbeitslosen, von den Hartz-IV-Empfängern nicht zu sprechen. Ein Heer von Rentnern, die möglichst früh aus dem Arbeitsleben ausscheiden sollen, deren Renten aber auch niemand bezahlen kann. Ist es die bessere Lösung, wenn jeder etwas weniger arbeitet, dafür weniger Geld bekommt und dadurch mehr Menschen einen Arbeitsplatz haben? Zumindest überlegenswert. Wenn auch momentan nervig für uns.

Zurück an der Glaswand vor dem Schalter heißt es erneut warten. Als der Zöllner endlich mit unseren Papieren vor seinem Computer sitzt, pustet er die Backen auf angesichts des unverständlichen deutschen Fahrzeugbriefs. Ich biete ihm das salvadorianische Papier als Vorlage an, um den Vorgang zu beschleunigen. Er grabscht es undankbar und wortlos, immerhin ergeben sich anschließend Fortschritte. Übrigens ist Arminius zur Abwechslung ein Camper. Dann verschwindet meine spanische Vorlage in dem Stapel geklammerter von mir herbeigeschaffter Kopien. Mein etwas gespannter Geduldsfaden strafft sich weiter. „Das salvadorianische Papier!“, herrsche ich ihn an. Das wirkt, ich erhalte die neue Importbescheinigung und meine Vorlage umgehend zurück. Ich sollte besser Kopien anfertigen. Draußen schnappe ich mir einen anderen Zöllner zwecks Fahrzeugkontrolle. Er will unsere Kabine sehen, öffnet ein paar Schränke und Schubladen, rührt aber nichts an und verliert schnell die Lust. Die 60 Büchsen deutsches Oettinger-Bier aus Costa Rica unter dem Tisch interessieren niemanden.

Die Migración ist fast überall zügig: Formular ausfüllen, in die Kamera lächeln, Stempel in den Pass, fertig. Als letztes folgt die Fahrzeugdesinfektion. Am Schalter stehen mir zu viele Menschen, man lernt ja dazu. Naiv trapse ich mitten ins Büro und mache mich mit ein paar Witzen auf Kosten meines nicht anwesenden Mannes beliebt. (Ob ich Haustiere dabei habe? Nein, nur meinen Mann. Ob der auch an der Leine gehe? Sorry, Jörg.) Der Erfolg ist gegeben, ich komme sofort dran und zahle 6 $. Anschließend durchfahren wir die Desinfektionsschleuse und sind in Panama. Nach wenigen Kilometern erfolgt eine erneute Kontrolle: Pässe, Fahrzeugimportbestätigung, Kabine öffnen. Der Offizier lässt sich die eine oder andere Tür bzw. Schublade öffnen, ohne irgendetwas zu kontrollieren. Dann kommen wir zum Hauptpunkt der Angelegenheit. Der Ältere posiert vor Arminius und lässt sich von seinem Untergebene fotografieren. Menschlich, was soll’s.

In David, der zweitgrößten Stadt des Landes, erstehe ich problemlos eine SIM-Karte und einen Internetstick. Die Firma Claro ist ab Mexiko bis nach Südamerika verbreitet, zum Teil unter unterschiedlichen Namen. Der USB-Stick kann weiterverwendet werden, nur die SIM-Karte muss jeweils ausgetauscht werden.

Die Panamericana verläuft in Panama in der pazifischen Tiefebene nahe Meeresniveau. Hier ist es entsprechend heiß. Ab David führt eine 37 km lange, fast kerzengerade Straße nach Boquete auf 1200 m, dem Hauptkaffeeanbaugebiet des Landes. Wir versprechen uns eine kühle Nacht hier. Panama gilt – bis auf einige Ausnahmen – als so sicher, dass man frei campen kann. Auch die schwer bewaffneten Sicherheitsleute auf Parkplätzen, vor Banken und manchen Geschäften, die schon seit Costa Rica verschwunden sind, tauchen hier nicht wieder auf. Der von Reisenden genutzte Parkplatz gegenüber der Touristeninformation in Boquete ist derzeit wegen Straßenbauarbeiten unzugänglich. Wir finden ein schönes ruhiges Plätzchen am Fluss (N 08°47’05.3’’ W 82°25’45.7’’). Vorsichtshalber sage ich dem Portier im gegenüberliegenden distinguierten Hotel Bescheid, um Probleme zu vermeiden. Der Rezeptionist nimmt mein Anliegen ungerührt entgegen, hat nichts dagegen und erklärt, ganz Panama ist sicher. Wunschdenken oder Realität?

Palmar, Costa Rica – „Wir müssen sofort morgen nach Panama…” *

Dienstag, September 20th, 2011

Noch gestern Abend wechselten wir nur einen Kilometer weiter zu einer französischen Familie, die uns eingeladen hatte. Wir hatten die sechs mit ihrem zum Camper umgebauten deutschen Mercedes Feuerwehrauto, mit dem sie viel herumreisen, in La Fortuna getroffen. Hier herrscht liebenswertes, organisiertes Chaos. Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass bei vier Kindern kleine Probleme weit schneller gelöst werden als in Familien mit weniger Kindern. Emmanuelle unterrichtet seit einem Jahr an der französischen Schule in San José, ihr Mann ist Triathlontrainer und -athlet. Schmunzelnd erzählt Dominique, dass die Costaricaner Triathlon machen möchten ohne zu leiden. Die Franzosen haben sich ein riesiges Haus gemietet, wo genügend Platz ist für die Familie, Sportler und Gäste. Auf den ersten Blick überrascht es mit vielen Bädern, Whirlpool und anderem Komfort, aber es ist noch schlampiger gebaut als das Haus von John und Aelin. Eigentlich funktioniert nichts. Von außen wirkt Costa Rica etwas ordentlicher als seine Nachbarstaaten, schaut man jedoch hinter die Fassaden, ist es genauso marode.

Übrigens ist es in Costa Rica nicht ganz einfach, eine SIM-Karte fürs Handy zu bekommen, geschweige denn einen Internetstick. Dafür ist die SIM-Karte mit 3,50 € inkl. 80 Inlands-Gesprächsminuten billig. Man braucht seinen Reisepass, eine Referenzperson in Costa Rica sowie einen Wohnsitz im Land. Ich bin mit der Visitenkarte eines Costaricaners sowie etwas Fantasie bei der Adressgestaltung durchgekommen.

Die Menschen in Costa Rica überraschten uns positiv, wie wir es uns erhofft hatten. Bei unserem letzten Besuch empfanden wir sie als recht überheblich, was vielleicht damit zusammenhing, dass wir hauptsächlich Leute aus dem Tourismusbereich getroffen hatten. Diesmal sehen wir eher den Mann oder die Frau von der Straße, die auskunftsbereit und freundlich sind, uns zuwinken und zuhupen. Wir haben nichts zu beklagen außer ihr recht stures und rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr und den Zustand der Panamericana, der schlechter wird, je weiter man in Richtung Grenze zu Panama vordringt. Der Rio General, der ab Zusammenschluss mit ein paar Nebenflüssen Rio Grande de Térraba heißt, knabbert kontinuierlich am interamerikanischen Highway. An vielen Stellen wurde ein Fahrstreifen unterspült und ist weggebrochen, teils sogar die ganze Fahrbahn, sodass ein weiterer unasphaltierter Fahrstreifen geschaffen werden musste. Übrigens hatten wir in Costa Rica kein GPS, da wir mit der gekauften nicaraguanischen Variante nicht ganz so zufrieden fürs viele Geld waren, und sind genauso gut zurechtgekommen, auch wenn die Beschilderung nicht immer vorhanden ist.

Unser letzter Stopp in Costa Rica ist Palmar, etwa 100 km vor der Grenze, wo wir am Hotel und Restaurant Quebrada Grande nach einer Übernachtungsmöglichkeit anfragen. Wieder einmal werden wir herzlich willkommen geheißen, es wird uns der Parkplatz oder ein Wiesengrundstück zur Auswahl gestellt und auch diese letzte Nacht im Land bleibt kostenfrei. Fast unglaublich. Selbst das WiFi dürfen wir nutzen, doch anstandshalber nehmen wir ein Abendessen zu uns. Leider ist auch dieses riesige wunderschöne Grundstück mit Garten und Wasserfall zu verkaufen, wie ein geschätztes Drittel aller Grundstücke, Häuser oder Hotels in Costa Rica. Schade drum. Auf jeden Fall empfehlenswert: Quebrada Grande, N 08°57’53.0’’ W 83°26’31.3’’.

„In Panama“, sagt er, „ist alles viel schöner, weißt du. Denn Panama riecht von oben bis unten nach Bananen. Panama ist das Land unserer Träume, Tiger. Wir müssen sofort morgen nach Panama…“ *Janosch