Archive for Juli, 2011

Panajachel, Guatemala – Guatemala: ein Kurzportrait

Sonntag, Juli 31st, 2011

Viele Länder Mittel- und Südamerikas sind in Europa wenig bekannt. Daher hier ein kurzer Abriss über Guatemala:

Guatemala markiert zusammen mit Belize die nordwestliche Grenze Mittelamerikas und stößt dort noch an Mexiko, im Südosten an Honduras und El Salvador. In diesem Teil des Kontinents sind alle Länder klein, wenn auch Guatemala mit 109.000 km2 zu den Größeren gehört. Mit knapp 13 Mio. Einwohnern hat es jedenfalls die meisten Einwohner. Es grenzt sowohl an den Pazifik als auch in einem schmalen Korridor an das Karibische Meer. Die Küstengebiete sind feuchttropisch und teils von Regenwald bedeckt, das Hochland, das sich von Nordwest nach Südost einmal quer durchzieht und bis zu 4220 m hohe Gipfel besitzt, bietet ganzjährig mildes Klima und ist am dichtesten bewohnt. Knapp 60 % der Bevölkerung sind europäischer oder europäisch-indigener Abstammung und werden hier als Ladinos statt Mestizen bezeichnet, 40 % sind Indigene, meist Mayas, und nur eine kleiner Minderheit ist asiatischen Ursprungs oder stammt von den Kariben ab, die ihre Wurzeln in Afrika haben. Amtssprache ist Spanisch, die rund 65 % als Muttersprache lernen. Insgesamt werden 53 verschiedene indigene Sprachen und Idiome gesprochen, 21 sind Maya-Dialekte. Sieben davon, darunter das weit verbreitete Quiché mit 2 Mio. Anwendern, sind offiziell anerkannt. Guatemala gilt als Entwicklungsland, in dem der Großteil der Bevölkerung arm ist und sich das Vermögen des Landes in den Händen nur weniger (Ladinos) befindet. Das Bruttoinlandsprodukt beträgt pro Einwohner 5.200 US$ jährlich. Export von Textilien und Kaffee, daneben Zucker, Baumwolle, Bananen, Tabak, Kautschuk, ätherische Öle, Kardamom und Fahrrädern spielt eine große Rolle, wird aber aufgehoben von den zahlreichen Importen, darunter auch Nahrungsmittel. Seit den 1990er Jahren spielen Tourismus und Überweisungen im Ausland lebender Guatemalteken ebenfalls eine wichtige Rolle.

Die wechselhafte Geschichte Guatemalas beginnt 300 n. Chr. mit den Maya. Ab 1524 eroberten die Spanier das Hochland, von denen eine Unabhängigkeit erst 1821 erfolgte. Es dauerte jedoch weitere 20 Jahre (Zentralamerikanische Konföderation), bis der unabhängige Staat Guatemala entstand. Danach begannen die Turbulenzen erst richtig: 30 Jahren Konservativismus, während denen das Establishment den kolonialen Status Quo zu wahren suchte, folgen 70 Jahre nicht allzu positive Liberalisierung und ein Ausverkauf des Landes an die USA. Ab 1944 beginnt das erste Jahrzehnt Demokratie in Guatemala, die den US-Amerikanern ein Dorn im Auge war, sollten sie doch ihrer Wirtschaftsprivilegien (die Rede ist von Bananenanbau) enthoben werden. Auf betreiben der USA, die die junge Demokratie völlig zu Unrecht des Kommunismus beschuldigte, wurde 1954 der Präsident gestürzt und durch einen Diktator ersetzt, der sämtliche sozialen Reformen rückgängig machte und die Wirtschaftsinteressen der USA wieder stärkte. Das endete 1960 jedoch in einem Bürgerkrieg, der offiziell erst 1996 für beendet erklärt wurde. Er forderte 200.000 Todesopfer und eine Million Flüchtlinge. Während dieser Zeit wurde and der indigenen Bevölkerung ein regelrechter Genozid verübt. Ganze Landstriche wurden flächendeckend bombardiert. Immer wieder beuteln Erdbeben, Hurrikane und Vulkanausbrüche den instabilen Staat. Die heute unabhängige demokratische Republik hat neben Armut und Ungerechtigkeit, Völkerkonflikten, Menschenrechtsverletzungen, Korruption und einer langsamen uneffektiven Bürokratie auch mit Schwerkriminalität zu kämpfen. Fast zeitgleich mit dem Ausbruch des Drogenkriegs in Mexiko kam begannen auch in Guatemala Zusammenstöße zwischen Regierung und Drogenkartellen.

Panajachel, Guatemala – Aufdringliche Verkäufer

Freitag, Juli 29th, 2011

Panajachel ist ein äußerst geschäftiger Touristenort, was er seiner Lage am Lago Atitlán zu verdanken hat. In den Straßen drängen sich die Besucher, bevorzugt Neuzeithippies, die vermutlich einen Scheck von Papa in der Tasche haben, da hier nichts billig ist. Bootsfahrten, Ausflüge, geführte Wandertouren werden von den Ladinos, den Abkömmlingen der spanischen Kolonialisten, eifrig zu gesalzenen Preisen angepriesen. Auch die nicht minder werbenden Restaurants scheinen fest in Ladinohand zu sein. Die Indígenas dagegen, auch hier alles Nachfahren der Maya, sind billige Arbeiter oder bieten ihr Kunsthandwerk an Ständen bzw. als fliegende Händler an.

Frauen, Kinder und manchmal auch Männer offerieren Ketten aus bunten Perlen, geflochtene Armbänder, und vor allem die wunderschönen knallbunten Handwebarbeiten, die sich in den Trachten der Frauen wiederfinden: den schlichteren wadenlangen geraden Röcken, den aufwändigen, teils zusätzlich bestickten Blusen, Huipiles genannt, deren Herstellung Monate dauern kann, und den Tüchern, in denen sie Lasten oder ihre Babys herumschleppen – gerne auch beim Fahren auf den beliebten Motorrollern. Die Jungs bieten oft Schuhputzservice an, allerdings sollte man sich vom mitleiderregenden Blick nicht zu sehr einnehmen lassen, manchmal hat der Bub vorher schnell sein Handy weggesteckt.

Vor allem am Hafen und in der Haupteinkaufsstraße Calle Santander vergeht keine Minute, ohne dass etwas feilgeboten wird. Selbst wenn man sich zum Essen niedersetzt, wird man pausenlos angesprochen. Entweder man flieht ganz schnell aus dieser Stadt oder findet sich damit ab, permanent zum Kauf gedrängt zu werden. Es mag ein wenig nerven, trotzdem fasziniert uns dieses lebendige, fröhliche, pulsierende Guatemala. Die Schattenseiten – außer der weitverbreiteten Armut unter den Indígenas – haben wir bislang nicht kennengelernt. Und dann offenbaren sich doch einige günstige Dinge: Mittagessen kann man im Straßenrestaurant ab 1,50 €, auf dem täglichen Markt gibt es Obst und Gemüse zu Spottpreisen und eine Fahrt mit dem TukTuk, einem überdachten motorisierten Dreirad, kostet 5 Quetzal pro Person.

Am Nachmittag treffen wir Patti, die mitten in der Stadt in bester Lage ein Gästehaus mit Appartements betreibt, die sie kurz- oder langfristig vermietet (www.alegre-apartments.com). Patti ist eine Freundin von Tessa, als diese noch in Guatemala wohnte. Tessa hatten wir im mexikanischen Pátzcuaro kennengelernt und in San Miguel de Allende besucht. Wir erwarten sie in wenigen Tagen hier am See. Patti engagiert sich außerdem für ein Projekt, das sie vor Jahren zusammen mit ein paar anderen Leuten gegründet hat: www.mayanfamilies.org engagiert sich für Bildung, Gesundheit und Ernährung der indigenen Bevölkerung, aber auch für deren Haustiere oder Straßenhunde.

Panajachel, Guatemala – Straßenblockade

Donnerstag, Juli 28th, 2011

Unbeschadet fahren wir den steilen Vulkanberg hinunter durchs Dorf. Die Großstadt Quetzaltenango können wir zum Glück auf einer Periférico umgehen und schaffen es bis Salcajá an den großen Kreisverkehr am Ortsausgang, wo man über die wichtige Kreuzung Cuatros Caminos wieder zur Panamericana gelangt. Doch Pustekuchen: hier herrscht Verkehrschaos. Die Straße ist mit parkenden Fahrzeugen verstopft, dazwischen versuchen Autofahrer zu wenden. Imbissbuden haben sich bereits angesiedelt, um Snacks und Getränke feilzubieten. Um den Kreisverkehr wurden Straßensperren errichtet und Menschen versammeln sich. Was geht hier vor?

Wir fahren auf ein Stück Brachland an der Seite und lassen uns aufklären. Hier wird für höhere Gehälter demonstriert und die Straßenblockade soll noch rund sieben Stunden dauern. Das entspricht nicht exakt unserer Tagesplanung. Frustriert müssen wir einsehen, dass der gesamte Kreuzungsbereich komplett abgeriegelt wurde und es auch kein Schlupfloch zur Seite gibt. Ganze 40 Minuten vergehen, bis Autofahrer von der anderen Seite anscheinend einen Nebenweg entdecken und sich unserem Standort nähern. Wir machen uns sofort auf, ihnen entgegen. Nach wenigen Minuten treffen wir uns auf halbem Wege und fahren kurz darauf über einen holprigen Feldweg auf die Hauptstraße.

Endlich können wir unsere Fahrt fortsetzen auf der CA1 nach Alaska. So nennt sich die kalte zugige Hochebene, die mit 3060 m die höchste Stelle der Panamericana in Guatemala bildet. Schließlich biegen wir ab nach Sololá, einem Bergdorf auf 2100 m, das dennoch einen wichtigen Handelsknotenpunkt zwischen dem Hochland und der pazifischen Tiefebene darstellt. Die Durchfahrt ist für große Fahrzeuge schwierig, selbst wenn man der spärlichen Schwerverkehrsbeschilderung folgt. Kein Problem für unsere beiden Kompaktcamper. Markttage sind Dienstag und Freitag, dann soll ein Durchkommen unmöglich sein, doch man kann den Ort auch weiträumig umfahren. Schon geht es weiter steil bergab mit schönen Aussichtspunkten auf den Lago Atitlán. Der See auf gut 1500 m ist umgeben von Vulkanen und gilt als der schönste Bergsee des Landes. Er bildet das touristische Zentrum Guatemalas mit dem Hauptort Panajachel.

Aus drei Campingoptionen wählen wir die sympathischste am Ende des Ortes, aber nur eineinhalb Kilometer von der Stadtmitte entfernt. Die Zufahrt, eine Schlammpiste, ist völlig zugewachsen und das Tor vergammelt. Mike, der alte amerikanische Besitzer, muss seit langer Zeit keine Campinggäste mehr gehabt haben. Er ist alt und verarmt und würde das Grundstück gerne verkaufen. Er räumt ein, dass wir auf den anderen Campingplätzen besser aufgehoben wären, freut sich aber sehr, dass wir bleiben wollen. Die Campinggebühr beträgt hier seit Jahren 35 GTQ pro Person. Da es auf dem ganzen Gelände keinen Strom und kein fließend Wasser, damit keine Duschen gibt, lässt uns Mike für den halben Preis hier parken. Das ist mehr als fair, der Platz ist abgeschlossen, sicher und ruhig, und von Mike und seinen Hunden ständig bewacht.

Campana Camping, Panajachel, N 14°44’16,6’’ W 91°08’56,9’’

Volcán Chicabal, Guatemala – Der heilige Kratersee

Mittwoch, Juli 27th, 2011

Die Erde bebte schon wieder heute Nacht. Unabhängig voneinander waren wir alle vier aufgewacht, der Parkplatzbesitzer war aus seinem Haus gerannt. Es war nicht so stark wie das letzte in Mexiko, doch deutlich in der Kabine spürbar.

Der sonst völlig harmlose Volcán Chicabal besitzt einen besonders schönen Kratersee, umgeben von dichter Vegetation und mystischer Stimmung dank des immer wieder aufziehenden Nebels. Der Aufstieg auf den 2900 m hohen Gipfel ist einfach, aber wegen der steilen Wege anstrengend. Von unserem Parkplatz aus laufen wir über den immer noch schmierigen Feldweg über einen Bergrücken hinauf und wieder hinunter zum Kassenhäuschen der Parkverwaltung, wo wir als Ausländer 15 Quetzal bezahlen. Dann geht es hoch zum Gipfel, der in dichtem Wald liegt. Ein Hinweisschild bringt uns zu einem Aussichtspunkt, von wo aus Stufen zum 200 m tiefer liegenden Kratersee führen, den wir umrunden. Er misst einen halben Kilometer im Durchmesser und ist ganze 300 m tief.

Zum Baden wäre er etwas kühl, schließlich hatte es heute hier Nachtfrost gegeben, wie uns der Raureif verrät. Doch das ist sowieso verboten, denn der See ist den Maya heilig. Überall gibt es Kultstätten: einfache Kreuze, ein wichtiges Mayasymbol, ein Baumstumpf oder einfach ein besonderer Platz. Zeremonien werden gerade nicht ausgeführt. Vom See aus gibt es einen zweiten Weg ohne Stufen, den man hinauflaufen kann. Auf dem Rückweg rutschen wir immer wieder auf dem steilen Lehmpfad aus und sind froh, die letzten Kilometer bis zur Zahlstation nicht mit den Autos gefahren zu sein, obwohl man hier prima hätte campen können.

Viel war auf dem Vulkan nicht los, aber der eine oder andere Tourist verirrt sich schon hierher. Ein Paar entschied sich für einen Pferderitt, ein anderes nahm sich einen Guide und macht uns schmunzeln. Die beiden Europäer schnaufen in perfekter Funktionskleidung und teuren Wanderschuhen mit hochroten Köpfen, während die Indígenaführerin in traditioneller Tracht mit schickem Rock in ihren billigen Schlappen ganz entspannt dahin gleitet. Für den Vulkan Chicabal benötigt man keinen Führer, um den Weg zu finden. Ein Sicherheitsproblem ist uns auch nicht bekannt, während es auf anderen Vulkanen Guatemalas immer wieder zu Über fällen auf Touristen kommen soll, weswegen oft angeraten wird, in einer organisierten Gruppe mit Guide und Geleitschutz zu gehen. Wir sind vier große Deutsche, denen die Guatemalteken gerade bis zur Schulter reichen. Außerdem stoßen wir auch hier stets auf freundliche Menschen.

Wir hoffen, die positiven Eindrücke dieses Landes bleiben uns bis zum Schluss erhalten. Lediglich eine Fußmatte, die Petra auf die Motorhaube gelegt hat, ist verschwunden. Die hatte sicher jemand brauchen können. Gelegenheitsdiebstahl ist in Mittelamerika normal. Ein paar kleine Jungs müssen ihre Schafe genau neben unseren Campern grasen lassen und werden belohnt. Der Müll, den wir gerade entsorgen, enthält praktische Plastikflaschen und Aludosen, die sich in Bares umsetzen lassen. Des einen Abfall ist des anderen Gold, lautet ein englisches Sprichwort.

San Martín Sacatepéquez, Guatemala – Straßenproblematik

Dienstag, Juli 26th, 2011

Noch einmal stürzen wir uns in die heißen Fluten und unter die eisige Dusche. Eine Viertelstunde Fußweg entfernt gibt es zwei weitere völlig einsame Pools, man muss nur dem Ecotrail folgen. Ökologisch daran ist wohl mehr der rustikale glitschige Weg über viele Stufen denn die Müllhalde für Holz, Wellblech und andere Baumaterialien. Doch die gesamte Anlage mit wuchernden Riesenfarnen, Callas und großblättrigen Pflanzen an den Felshängen in eigentlich kühlem, regnerischem Nebelwaldklima ist schon sehr einnehmend.

Um zum Vulkan Chicabal zu gelangen wollen wir nicht zurückfahren, sondern nehmen den Weg über San Sebastián und die CA2 nach San Martín Sacatepéquez. Von 2400 m fahren wir bis auf unter 300 m ins feuchtheiße pazifische Tiefland und auf 2560 m wieder hinauf. Leider existieren nicht alle in unserer Karte eingezeichneten Straßen und so müssen wir in einer Sackgasse mitten in den Bergen umkehren, um eine andere Route zu nehmen. Doch immer sind die Guatemalteken hilfreich und auskunftsfreudig, selbst wenn der Dorfverkehr vorübergehend zum Erliegen kommt. In San Martín fallen wir von der „falschen“ Seite von Süden ein, wo Hinweisschilder fehlen, aber auch hier hilft es zu fragen. Mehrfach versichern wir uns, auf dem richtigen Weg zum Volcán Chicabal zu sein und mit unseren Fahrzeugen durchzukommen, denn die einspurige Straße mit teils über 20 % Steigung ist respekteinflößend, vor allem, wenn doch einer entgegenkommt. Der Vorteil ist: Wir sind dicker! Mit Vierradantrieb wäre das in Ordnung, versichert man uns, dich unerwartet hört nach wenigen Kilometern die Asphaltstraße auf und ein übler, noch viel steilerer Feldweg beginnt.

Der Himmel schickt einen nicht ganz ebenen Parkplatz am Wegesrand, wo der Besitzer mit seiner Familie manchmal in einem amerikanischen Alutrailer wohnt. Für 10 Quetzal können wir hier über Nacht bleiben, aber auch weiter oben könne man noch parken. Der dicht bewölkte Himmel kündigt Regen an und wir befürchten, mit unserem 7,5-Tonner die Sprungsschanze aus Lehm bei Nässe schneller herunterzurutschen als uns lieb wäre. Wir bleiben lieber und fragen den Besitzer, ob wir ein paar Löcher graben dürfen, da wir mit Keilen alleine den Camper nicht nivellieren können. Ihm ist alles recht, aber über das große Bier als Entschädigung für die Löcher in seinem Platz freut er sich trotzdem. Während Jörg eifrig die Schaufel schwingt, dokumentiert ein junger Mann der Familie mit seinem Fotoapparat, wie die blonde Frau den Lkw hin und herrangiert. Sein Weltbild scheint dabei nicht außerordentlich gestört worden zu sein. Natürlich bekommen auch wir im Gegenzug uns Foto und als es kurz darauf tatsächlich zu regnen beginnt, sind wir froh um unsere Entscheidung.

Parkplatz an Zufahrt zu Volcán Chicabal, N 14°48’29,2’’ W 91°38’53,0’’

Zunil, Guatemala – Gargekocht

Montag, Juli 25th, 2011

Zum Abschied gibt es einen Dankesbrief an die Kirchentür, dann fahren wir durch Chiantla und Huehuetenango, als wären wir hier zu Hause. Wenn man in eine Hauptrichtung unterwegs ist, folgt man am besten der Hauptverkehrsrichtung – egal was das Navi erzählt. Auf einem Zwischenstopp in der modernen Mall stellen wir im Supermarkt fest, dass es auch hier fast alles gibt, aber etwas teurer ist als in Mexiko, obwohl Guatemala zu den günstigsten Reiseländern Mittelamerikas zählen soll. Nach weiteren knapp 80 km verlassen wir die Panamericana schon wieder bei San Cristóbal Totonicapán, um nach San Andres Xequl zu gelangen.

Das unscheinbare Dorf besitzt die bunteste Kirchenfassade Guatemalas, was man allerdings erst sieht, wenn man auf der Plaza steht. Hinweisschilder oder ähnliches fehlen völlig. Am Ortseingang treffen wir aus Kim aus den USA, die hier für zwei Jahre unentgeltlich bemüht ist, Ökotourismus zu entwickeln. Sie führt uns gerne im Ort herum. Die Kirche aus dem 16. Jahrhundert mit dem knallgelben Hintergrund ist mit plastischen Engelsfiguren, Weinranken und anderen bunten Verzierungen versehen, die der Mayakultur entspringen. Auch die Kalvarienkapelle oberhalb ist bunt bemalt. Daneben befinden sich Mayakultstätten, wo zu Zeremoniezwecken Feuerwerkskörper gezündet und Brandopfer dargebracht werden. Der Blick von hier oben ist toll.

Kim bringt uns auch zu Maximón, den wir alleine vielleicht nicht gefunden hätten. Das ist eine Art Heiliger, der aber eher einen bösen Charakter besitzt und mit Gaben besänftigt werden muss. Maximón ist eine lebensgroße Puppe, die jedes Jahr ihren Gastgeber wechselt und in seiner Gastfamilie für ein Jahr einen eigenen Raum zur Verfügung gestellt bekommt. Bevorzugt spendet man ihm Zigarren oder Schnaps. Erhört er die Gebete der Bittsteller und die sehnlichst erhoffte Reise in die USA, um dort für ein paar Jahre Geld zu verdienen, klappt, bringt man dem Heiligen ein Geschenk mit: einen Hut, eine Sonnebrille, eine Jeans oder Cowboystiefel. So sieht Maximón ein wenig aus wie ein amerikanischer Gangster aus den 60ern. In San Andres Xequl gibt es ihn gleich zweifach. Nachts werden die beiden Puppen sogar ins Bett gelegt, tagsüber sitzen sie in Sesseln. Für 5 Quetzal pro Person darf man auf als Tourist den bösen Buben besuchen und fotografieren. Maximón gibt es noch ein paar Mal in anderen Orten der Umgebung, doch dort wird er weit mehr kommerzialisiert und für jedes einzelne Foto Geld verlangt. Hier dürfen wir sogar einer Zeremonie in einem Nebenraum beiwohnen, wo Zigarren, Limonen, duftende Baumrinde und Kerzen verbrannt werden. Wo ist hier die Grenze zwischen Katholizismus und ursprünglicher Mayareligion, fragt man sich? Gar nicht, Hier sind zwei Religionen zu perfekten Synkretismus verschmolzen.

Wir umgehen die Stadt Quetzaltenango, weitgrößte des Landes, und gelangen über eine Nebenstraße nach Cantel, wo 17 Glasbläser die Kooperative COPAVIC gegründet haben. Ohne betriebswirtschaftliche Kenntnisse gelang es den Gründern erst nach Jahrzehnten, Gewinne zu erwirtschaften, doch heute exportiert man fleißig nach Europa. Besonderheit ist, dass als Rohmaterial ausschließlich Altglas verwendet wird. Leider arbeiten die Handwerker nur von 5 bis 13 Uhr, sodass wir die Produktion nicht sehen können, aber ein Souvenir nehmen wir uns trotzdem mit.

Es sind nur ein paar Kilometer nach Zunil, wo eine winzige Straße zu den Fuentes Georginas abzweigt. Die Hänge sind übersät mit dampfenden Gemüsefeldern, deren Früchte mit warmem Wasser bewässert werden. Zwiebeln, Möhren, Radieschen und rote Beete wachsen auf dieser Höhe zu unglaublicher Perfektion. Hoch in den Bergen auf 2400 m liegen an der Flanke des Vulkans Zunil recht bekannte Thermalquellen. Der Eintritt beträgt stattliche 50 GTQ pP und 10 pro Fahrzeug, und wenn wir für zwei Tage bezahlen, können wir über Nacht bleiben. Das heiße Wasser entspringt direkt dem „inaktiven“ Vulkan und fließt in zwei mit Natursteinen gemauerte Becken mit etwas über Körpertemperatur. Ein drittes Becken ist so heiß, dass man den Einstieg nur mit mutiger Geschwindigkeit schafft. Auch dann kann man nur wenige Minuten bleiben, sonst kollabiert der Kreislauf. Schon bald sind wir krebsrot und gargekocht. Anschließend findet man es nicht mehr ganz so schlimm, dass das Wasser nur kalt aus der Dusche rinnt. Mit kalt meine ich eiskalt, sodass der Kopf unter dem Strahl zu schmerzen beginnt, aber wer möchte schon nach Schwefel duftend im Bett liegen.

Fuentes Georginas, N 14°45’01,3’’ W 91°28’48,5’’

Huehuetenango, Guatemala – Zuflucht in der Dorfkirche

Sonntag, Juli 24th, 2011

Die beiden letzten PEMEX-Tankstellen vor dem Grenzübergang Ciudad Cuauhtémoc – La Mesilla sind steuerbefreit in einer Freuhandelszone und bieten den Diesel für 9,41 Peso statt mittlerweile 9,68 den Liter an. Volltanken ist angesagt, in Guatemala ist es teurer. An der mexikanischen Grenzstation lassen wir uns einen Ausreisestempel in den Pass geben und die temporäre Einfuhrerlaubnis fürs Fahrzeug entwerten. Dann fährt man erst durch den Grenzort, der an den beiden Markttagen Donnerstag (neu) und Freitag unpassierbar sein soll.

Auch die guatemaltekischen Formalitäten gestalten sich einfach und freundlich. Die recht oberflächliche Fahrzeugdesinfektion wird nach Größe berechnet. Für den Unimog berechnet man uns 47 guatemaltekische Quetzal (GTQ), für den Toyota Pick-up mit Kabine nur 39 GTQ. Der Einreisestempel für drei Monate kostet je 20 MXN, der temporäre Fahrzeugimport für denselben Zeitraum160 GTQ. Derzeit entsprechen 10 Quetzal etwa 0,90 €. Auf der Straße lungern Devisentauscher herum, die die übriggebliebenen mexikanischen Peso zu einem schlechten Kurs in Quetzal wechseln. Allerdings ist es im Land schwierig zu tauschen, da die meisten Banken keine Pesos akzeptieren. Für unseren Unimog oder dessen Inhalt interessiert sich niemand, eine Kontrolle findet nicht statt.

Auf der Panamericana, die hier CA1 heißt, fahren wir ins dicht besiedelte Land hinein. Fröhlich winkende Menschen in fröhlich bunten Trachten erwarten uns. In der Stadt Huehuetenango verlassen wir die Straße und begeben uns nach Chiantla. Bekommen wir das Durchfahren der ersteren noch ganz gut hin, sind wir in der letzteren ziemlich verloren. Schilder fehlen fast völlig und das Navigationssystem erweist sich als nutzlos. Fragen ist nur von begrenztem Erfolg gekrönt, da klare Angaben wie „rechts“ und „links“ eine Rarität darstellen. Häufig hört man die Anweisung: „Es ist ganz einfach. Immer der Straße nach.“ Was nicht zwangsläufig geradeaus meint oder dem Straßenverlauf zu folgen, sondern mehrfaches unbeschildertes Abbiegen erfordern kann und bestimmt ganz einfach ist, wenn man die Strecke kennt. Ansonsten muss man sich mit Hinweisen wie „bergauf“ oder „hinunter“ begnügen. Nach diversen Fehlversuchen in dem unglaublich engen Dorf mit dem entnervten Fahrer eines 7,5-Tonners versuchen uns schlussendlich mehrere Menschen unabhängig voneinander zu überzeugen, entgegengesetzt der Fahrtrichtung in eine Einbahnstraße zufahren, die nicht mehr Platz als für ein Fahrzeug bietet. Das gestaltet sich als schwierig, doch schließlich finden sich einige Chiantler, die die Straße für uns sperren, was völlig normal scheint, und wir finden den Ausweg aus dem Labyrinth.

Nach einigen Kilometern und vielen sehr steilen Serpentinen gelangen wir an den Mirador Cuchumatanes, der auch Mirador Juan Diéguez Olaverri heißt. Dieser Aussichtspunkt auf 3100 m Höhe bietet spektakuläre Blicke ins Tal, auf Huehuetenango, Chiantla und die umliegenden Vulkane. Der Ausblick ist dem guatemaltekischen Dichter J.D. Olaverri gewidmet, der 1864 nach einer gescheiterten Verschwörung gegen den damaligen Präsidenten nach Mexiko verbannt wurde. Im Exil schrieb er die Ode an seine geliebten Berge, die Cuchumatanes. Die neun Strophen des Gedichts sind auf kleinen Steinpyramiden verewigt.

Auf dem Weg nach unten fragen wir uns, wo wir unsere erste Nacht in Guatemala verbringen wollen. Offizielle Campingplätze gibt es so gut wie keine, und vor freiem Stehen wird in Mittelamerika abgeraten, da Armut Gewalt und Kriminalität fördert. In einem winzigen, an einen Hang gedrängten Bergdorf fragen wir nach Erlaubnis zum Campen. Ein Privatmann bietet sich an, doch sein Grundstück ist so schief, dass wir es nicht nutzen können. Der Platz um die Kirche scheint die einzige ebene Fläche im ganzen Ort zu sein. Wir warten, bis die Messe zu Ende ist, die anscheinend von einem Laienprediger gelesen wird. Ich frage ihn nach einem sicheren Platz zum Übernachten und ob wir nicht das Kirchengelände nutzen könnten. Er wägt ab, überlegt hin und her.

Man stelle sich die Situation vor: Vier Deutsche, erfüllt von Gerüchten über Raub und Überfälle in Guatemala und entsprechend verunsichert stehen vor einer Gemeinde, die noch weit mehr Angst hat vor den unbekannten Eindringlingen, den Fremden, die auch noch ein seltsam anmutendes Fahrzeug mitgebracht haben. Der Mann muss sich beraten und bittet um etwas Zeit. Er läuft zur einen Seite der Kirche und diskutiert, dann zu anderen. Nach Minuten kehrt er zurück und teilt mir würdevoll mit, dass wir die Erlaubnis zum Bleiben hätten. Ich bedanke mich überschwänglich, ein paar Leute beginnen zu klatschen, und plötzlich applaudiert die ganze Gemeinde.

Wir rangieren unsere Camper in einen schmalen Weg zwischen Kirche und Nebengebäude und sind kurz darauf umringt von Neugierigen. Gleich bündelweise hüpfen sie unsere steile Leiter empor und wieder hinunter, um unsere Kabine zu besichtigen; die 80jähige Oma genauso anmutig wie die Mutter, die mal eben noch ihr Baby auf dem Arm trägt. Wichtigstes Diskussionsthema ist der Gasherd, denn darauf könne man prima Tortillas backen – was sonst. Vor allem die älteren Frauen herzen und küssen mich und jeder benötigt ein Foto zusammen mit mir in der Kabine. Eine junge Dame mit einem modernen Handy betätigt sich als Fotografin. Gelegentlich liest man von Problemen, die Touristen beim ungefragten Fotografieren von Indígenas bekommen. Gebt ihnen einen Fotoapparat und schon knipsen sie uns! Dafür dürfen auch wir Bilder von ihnen machen. Der Laienprediger bekommt noch einen Stapel unserer Kugelschreiber für die Kinder, dann gehen alle nach Hause. Nur Minuten vergehen, bis einer der Männer mit einem handgeschriebenen Zettel zurückkommt: die „offizielle“ Genehmigung zum campen, ausgestellt von den drei Ratsmitgliedern und der Gemeinde. Da kann nichts mehr schiefgehen!

Lagos de Colón, Chiapas – Abschied von Mexiko

Samstag, Juli 23rd, 2011

Der Fluss ist herrlich zum Schwimmen, wenn man gegen die Strömung beginnt und sich einfach zurücktreiben lässt. Kleine Fische zupfen an uns herum, wenn wir uns ruhig verhalten, doch sie werden schnell zudringlich und zerren so intensiv an den aufgekratzten Mückenstichen, dass man vor Schmerz zusammenzuckt. Da nehmen plötzlich all Reißaus und das Spiel beginnt von Neuem. Der Fluss dient als Wasserreservoir für die gesamte Gegend, daher sollte man sich beim Wäschewaschen und Duschen im Fluss mit Shampoo etwas zurückhalten. Über den Dschungelwaldboden kreucht und fleucht es. Beeindruckend große Spinnen und schillernde Eidechsen huschen umher. Blattstückchen laufen über den Boden mit einer Ameise unten dran: Blattschneiderameisen. Eine mexikanische Großfamilie badet in ihrer Straßenkleidung – die Frauen in Röcken mit Unterröcken – kreischend im Wasser. Sie schenken uns noch ein paar Avocados, dann steigen sie pitschnass in ihren Pick-up. Die Männer vorne, Frauen und Kinder hinten auf die Ladefläche. Es ist unser letzter Tag in Mexiko.

Lagos de Colón, Chiapas – Wasser hie und da

Donnerstag, Juli 21st, 2011

Die Cascadas El Chiflón sind eine erstaunliche Serie aus etlichen Wasserfällen, die aus großer Höhe ins Tal stürzen. Alleine fünf davon sind über 25 m hoch, der größte sogar 120 m. Neben dem Fluss läuft ein Wanderpfad, dem man bis auf das Bergplateau folgen kann. Eine paar strömungsarme Bereiche wurden zum Baden abgesteckt. Entgegenkommende Besucher tropfen vor Nässe. Ob die wohl baden waren? Eher nicht. Der obere große Wasserfall verbreitet einen Sprühnebel, der einer Dusche gleichkommt. In wenigen Minuten sind wir klitschnass und müssen bald umdrehen, damit unser Rucksack nicht völlig durchweicht und die Kameras Schaden nehmen. Ein Bad im während der Regenzeit braunen Fluss brauchen wir jetzt nicht mehr. Die komplette Wanderung ist in einer Stunde zu schaffen. An ihrem Beginn bzw. Ende gibt es eine Futterstation für Leguane. Die imponierenden Burschen sind über einen Meter lang in tarn-grün oder auffallend bunt gefärbt und so selbstbewusst, dass sie durchaus für ein paar Fotos posieren.

Am Nachmittag fahren wir zu den Lagos de Colón weiter. Die liegen so dicht an der guatemaltekischen Grenze, dass mein Handy ins Roaming wechselt. Das private Schutzgebiet ist ein guter Ausgangspunkt für Reisen nach oder auch von Guatemala, da der Grenzübergang der Panamericana nur 45 min entfernt liegt. Der Eintritt beträgt 10 Peso pro Person, fürs Campen am See können Extragebühren anfallen. Man kann aber einem Flusslauf mehrere Kilometer durch Waldstücke und über Freiflächen in Richtung einer kleinen archäologischen Ausgrabung folgen, wo sich immer wieder schöne Stellen zum kostenfreien Campen anbieten. Dabei muss man mehrfach den Fluss durchqueren, der einen regelrecht reißenden Eindruck macht. Wenn man aber die Mexicanos mit ihren tiefer gelegten Flitzern durchfahren sieht, kann alles gar nicht so schlimm sein. Der Fluss ist klar und erfrischend und eignet sich prima zum Baden oder Schwimmen. Wir bleiben mit Petra und Klaus ein paar Tage hier, bevor wir ein neues Land erobern werden: Guatemala.

Cascadas El Chiflón, Chiapas – Frühes Wiedersehen

Mittwoch, Juli 20th, 2011

Seen in den schillerndsten Farben soll der Nationalpark Lagos de Montebello besitzen. Eintritt verlangt man nicht von uns, doch sofort werden wir belagert von Bootstourenanbietern und Führern sämtlicher Altersklassen, die uns die Seen zeigen wollen. Zugegeben, von der Straße aus sieht man nicht allzu viel, doch das Bergwetter ist heute sowieso nicht allzu einladend. Aus Reiseführern und Berichten anderer Reisender hörten wir bereits von der starken Kommerzialisierung des Naturparks und können das nur bestätigen. Auch uns werden das aggressive Geschrei und der Verkaufsdruck zu hoch und wir verziehen uns lieber. Die Parkplätze hätten sowieso kein angenehm ruhiges Nachtlager abgegeben.

Eigentlich sind wir mit Petra und Klaus, die wir in San Cristóbal kennenlernten, erst für morgen verabredet. Wir entschließen uns jedoch zu einem Abstecher nach Comitán de Dominguez, um vor dem Grenzübertritt nach Guatemala eine leere Gasflasche aufzufüllen und Vorräte aufzustocken. Kaum stehen wir auf dem Supermarktparkplatz, als die beiden gefahren kommen. Sie wollen heute noch zu den Cascadas El Chiflón. Wir folgen etwas später und müssen das Eintrittsgeld von 20 Peso pP nicht mehr bezahlen, da es für den Besuch der Wasserfälle heute zu spät wäre, und so entrichten wir lediglich die 25 MXN pP Campinggebühr für einen ruhigen Parkplatz mit Flussblick.

Lagos de Montebello, Chiapas – Ungleiche Verteilung

Dienstag, Juli 19th, 2011

Chiapas ist einer der ärmsten Bundesstaaten, hier leben mehr Indígenas als andernorts. Viele Mexikaner empfinden die „Rückständigkeit“ als peinlich. Dabei besitzt Chiapas natürlichen Reichtum, von dem leider nur wenige profitieren: Bananen-, Kakao- und Kaffeeplantagen, Erdöl, Edelsteinminen und Tropenhölzer. Der Staat produziert mit seinen Staudämmen mehr Elektrizität, als er selbst verbrauchen kann. Wie auch, wo viele Dörfer nicht ans Stromnetz angeschlossen sind. Fließend Wasser gibt es sowieso nicht – außer im Fluss, wo die Wäsche gewaschen wird und Frauen nackt sitzen und baden. Vor allem die Bewohner des Tieflands sind sichtbar bitterarm. Zumeist Frauen und Mädchen schleppen an Stirngurten hängende schwere Lasten von Brennholz auf dem Rücken an. Das Leben der Indígenas besteht aus knochenharter Arbeit. An den Ortsrändern wird leider oft der Müll schlicht neben der Straße abgeladen. Die Ursachen hierfür sind oft Armut, die für andere Probleme als das tägliche Überleben keinen Raum lässt, sowie schlicht Unwissenheit.

Und trotzdem sind die Leute freundlich hier. Nach anfänglichem abweisendem Blick lächeln und winken sie, und manchmal kommt man sogar mit ihnen ins Gespräch. Vielleicht nicht mit den Ärmsten und Ungebildetsten, die andere Probleme haben, aber zumindest mit der Mittelklasse. Für eine tiefgehende Kommunikation reicht mein Spanisch nach wie vor nicht aus, aber schon kleine Plaudereien ermutigen. Trifft man Mexikaner mehr als einmal an unterschiedlichen Plätzen, wird man mit Küsschen wie alte Bekannte begrüßt. Wir finden den Süden des Landes nach wie vor ausgesprochen sympathisch.

Obwohl wir heute von Bonampak aus 300 km dicht an der guatemaltekischen Grenze zurücklegen in einem Gebiet, das vielleicht nicht als eines der sichersten gilt, fühlen wir uns keinesfalls bedroht. Lediglich die Militärkontrollen weisen auf mögliche Probleme hin. Die ersten zwei nehmen wir hin, bei der dritten „beschwere“ ich mich freundlich, sodass diese recht kurz und oberflächlich ausfällt, bei der vierten kommen wir mit verbalen Erklärungen davon. Erfahrungsaustausch mit anderen Reisenden ergibt, je schmutziger und unordentlicher ein Fahrzeug wirkt, desto gründlicher wird es durchsucht. Je sauberer und ordentlicher es ist, umso weniger trauen sich die Soldaten, etwas anzufassen und belassen es meist beim Öffnen einiger Schranktüren oder Schubladen.

Als wir an den Lagos de Montebello ankommen, sind wir die letzten 50 km stramm bergauf bis auf 1500 m Höhe gefahren, wo es recht kühl ist. Dieses Gebiet ist von 52 größeren und kleineren Seen durchzogen, die im Sonnenschein in den unterschiedlichsten Farben leuchten. Der Großteil wurde zum Nationalpark erklärt, ein Teil aber ist in kooperativer Hand. Die Ejido Lagos de Tziscao nimmt pro Person 15 Peso Eintritt und gestattet das Campen an allen Parkplätzen an sämtlichen Seen in ihrem Besitz, zudem an Plätzen am See innerhalb des Ortes Tziscao. Wir investieren weitere 80 Peso fürs Campen auf einem besonders ruhigen Gelände am Ortsende, das zu einem Hotel gehört und das guten Seezugang hat. Zum Baden ist es uns jedoch zu frisch. Die letzten beiden ungewöhnlich intensiven Regenzeiten ließen den Wasserspiegel um vier Meter ansteigen, und der ist nicht wieder gesunken. Ein Teil des Geländes ist verschwunden, Bäume stehen im und manche Häuser recht nahe am Wasser. Nun fürchten die Bewohner weitere Überschwemmungen durch die laufende Regenzeit. In anderen Ecken Mexikos trocknen Seen unaufhaltsam aus, während man hier um den Verlust von Häusern bangt. Wieder einmal der Klimawandel?

Bonampak, Chiapas – Der Mayas’ bunte Bilder

Montag, Juli 18th, 2011

Eine weitere, weniger bekannte Mayastadt liegt 140 km südöstlich von Palenque an der guatemaltekischen Grenze. Bonampak ist eine kleine Anlage und wahrscheinlich nur ein sekundäres Fürstentum gewesen. Und doch hat sich hier im feucht-heißen Regenwald etwas erhalten, das an den anderen Stätten längst von der Zeit eingeholt wurde. In drei Räumen eines Tempels finden sich bis zu 3 m hohe gut erhaltene Wandmalereien, die als die kunstvollsten ganz Mexikos gelten. Die farbvollen Kunstwerke zeigen Szenen aus dem höfischen Leben wie auch Kriegshandlungen. Damit wurde erstmalig bewiesen, dass die als friedfertig verklärten Maya durchaus auf Feldzüge gingen und Feinde töteten. Der Zugang zu den kostbaren Wandbildern ist restriktiv und streng bewacht.

An der Zufahrt zur Zona Arceológica Bonampak wird man etwa neuneinhalb Kilometer vor dem Ziel gestoppt. Hier muss man sein Auto abstellen und 70 Peso pro Person (inkl. kleines Museum und Toiletten) für den Bustransport zur Ausgrabung an den ortsansässigen Stamm bezahlen, bevor man für 41 MXN die Pyramidenstätte betreten darf. Wie an vielen anderen Stellen auch (z.B. Agua Azul) bezahlt man Eintrittsgeld an den Staat, der ein Naturschutzgebiet oder eine Ausgrabung unterhält, und einen Obolus für den Zutritt über das Privatgelände der Ejido (Kooperative) oder des Stammes. Ähnlich ist der Zugang zur Mayastadt Yaxchilán ganz in der Nähe geregelt, die man nur mit Boot oder Kleinflugzeug erreicht.

In Bonampak sieht man, häufiger noch als in Palenque, Vertreter der Lacadonen. Die kleinste Ethnie Mexikos umfasst lediglich noch etwa 700 Individuen. Man zählt sie zu den Maya, doch sind es unterschiedliche Völker, die einen großen Lebensraum, -gewohnheiten und kulturelle Eigenheiten gemeinsam haben. Der Begriff Maya wurde erst im 19. Jahrhundert von einem europäischen Forscher geprägt. Die Lacadones nennen sich „echte Menschen“ und zogen sich vor Jahrhunderten in den Regenwald zurück, wo sie von den Spaniern unbehelligt ihre Traditionen pflegen konnten. Heute schrumpft ihr Lebensraum durch Abholzung, Landwirtschaft, Minentätigkeit und Bevölkerungsdruck aus dem Hochland. Die Lacadonen sind leicht an ihren meist weißen wallenden Gewändern zu erkennen, wenn sie Souvenirs, oft Imitationen ihrer früheren Jagdpfeile, verkaufen. Aber auch modern gekleidet sieht man sie als Touristen an anderen Stellen. Sie haben hübsche weiche Gesichtszüge, nur schulterlanges schwarzes Haar mit einem kurz und gerade geschnittenen Stirnpony.

Zur Unterstützung des kleinen Volkes entscheiden wir uns zur Übernachtung im Campamento Lacadones, einem kleinen Ökotourismusprojekt, wo es einfache Zimmer und Hängematten gibt und man auf dem Rasenparkplatz campen kann – für 35 Peso pP kaum zu viel verlangt. Baden kann man im kühlen Fluss auf dem Gelände, doch ist das Wasser in der Regenzeit braun.

Palenque, Chiapas – Exotische Mayastadt

Sonntag, Juli 17th, 2011

Palenque wurde von den Mayas erbaut. Erste Hinweise auf Besiedlung stammen von 100 v. Chr., ihren Höhepunkt erreichte die Stadt von 600 bis 800 AD. Zwar ist Palenque weder die älteste noch die größte aller Mayastätten, doch eine der schönsten. Von tropischem Wald umgeben fließt ein kleiner Fluss durch die antike Stadt und ergießt sich über kleine Wasserfälle in schöne Badepools, die sicher damals schon beliebt waren. Gebäude und Pyramiden liegen verstreut über das Gelände, sodass man eifrig Stufen klettern kann. Besonderheiten sind ein vierstöckiger Turm auf der Palastanlage, der vermutlich als Observatorium und Wachposten diente, die Dschungelatmosphäre und die Brüllaffen.

Vom Maya Bell Campingplatz aus läuft man etwa zweieinhalb Kilometer steil den Berg hoch zum Hautpeingang der Anlage, nach dem Besuch kann man den Dschungelpfad zum Museum hinunterlaufen, von wo aus es nur ein knapper Kilometer zurück ist. Der Eintritt kostet 51 MXN pP.

Palenque, Chiapas – Ein Fall zum Baden

Samstag, Juli 16th, 2011

La Cascada de Misol-Ha wird ebenfalls von mexikanischen Bustouren heimgesucht. Nicht ganz so spektakulär und bekannt gibt es an diesem Wasserfall weniger Ess- und Andenkenbuden. Ein mächtiger breiter Wasserstrahl klatscht aus rund 35 m Höhe in einen turbulenten Pool. Ein glitschiger Pfad führt hinter dem Wasservorhang entlang, wo sich angenehm frischer Sprühnebel ausbreitet. Der Pool ist selbst in der Regenzeit relativ klar und lädt uns zum Baden ein. Da er recht tief und wegen des engen Abflusses strömungsreich ist, traut sich fast keiner rein und wir sind so gut wie alleine. Über das ganze Becken wurden sternförmig Seile gespannt, sodass man nicht abtreiben kann, doch viele Mexikaner können nicht schwimmen. Für die 20 Peso Eintritt pro Person dürfte man auch hier campen.

Doch wir fahren weiter nach Palenque, wo wir nach Längerem auf intensiven – auch deutschen – Tourismus treffen. Entsprechend groß ist die Auswahl an Unterkünften. Campingplätze sind seltener und meist auf mexikanische Zeltende ausgerichtet. Der Maya Bell Campground ist eine Ausnahme. Wer möchte, kann sogar Full Hook-up haben. Für den Platz sprechen seine Nähe zur archäologischen Stätte, der Pool, der vom aufgestauten Dschungelfluss gespeist wird und die Brüllaffen, die in respektvoller Entfernung ihrer lautstarken Haupttätigkeit nachgehen. Es gibt Zimmer, ein Baumhaus und Hängematten zu mieten, doch die zahlreichen Hippies kommen auch heute noch teilweise in alten VW Bullys. Wir treffen Deutsche, Schweizer, Belgier und Mexikaner. Am Abend lockt uns die tägliche Lifemusik in die Bar und lässt zusammen mit den günstigen, großzügig frei Hand gemixten Cocktails zum ersten Mal seit 15 Monaten so etwas wie Urlaubsstimmung aufkommen. Eines der Bandmitglieder kann richtig melodiös singen und versöhnt uns mit der mexikanischen Musik.

Agua Azul, Chiapas – Fast blaues Wasser

Freitag, Juli 15th, 2011

Las Cascadas de Agua Azul bedeutet „die Kaskaden des blauen Wassers“, sind die bekanntesten Wasserfälle Mexikos und vielleicht auch die schönsten. Der Rio Yax stürzt in mehreren Stufen über breite Felstreppen hinunter. Natürlich ist das Wasser in der Regenzeit nicht mehr ganz blau, eher grün-bräunlich. Dennoch haben die Wasserfälle in der Dschungelatmosphäre ihren Reiz. Allerdings verzichten wir aufs Baden, was in abgesteckten, strömungsarmen Bereichen des Flusses möglich wäre. Nicht verschweigen darf man die vielen Souvenir- und Imbissstände, Restaurants und „fliegende“ Snackhändler, die vollständig auf mexikanischen Tourismus eingestellt sind und das pure Naturvergnügen vereiteln. Ein freundliches „no gracias“ anstelle ignoranten Vorbeigehens wird oft mit einem Lächeln gewürdigt.

Die 35 Peso Eintritt pP erlauben zudem das Campen auf dem großen Parkplatz, der nach Abfahrt der zahlreichen Ausflugsbusse völlig ruhig wird. Ein paar Indígenafrauen rufen schüchtern „amiga, amiga“, „Freundin, Freundin“, zum Fenster hinein und fragen, ob wir zum Frühstück Milchreis möchten. Die einzige Störung besteht aus einer mexikanischen Familie, die mit voll aufgedrehtem Autoradio morgens um vier Uhr ankommt und in aller Ruhe ihre Zelte aufbaut. Doch zum Glück müssen auch Eltern und Kinder irgendwann schlafen und dann ist das Radio aus.

San Cristóbal de las Casas, Chiapas – Schluchtenschauer

Donnerstag, Juli 14th, 2011

Die Schlucht des Rio Grijalva ist bis zu 1000 m tief. 1527 stürzten sich hier 2000 Chiapa-Maya von den steilen Felswänden in den freiwilligen Tod, um der Versklavung durch die Spanier zu entgehen. Die hatten zuvor deren Anführer verbrannt. Im Cañon de Sumidero gibt es Schildkröten, Flusskrokodile und zahlreiche Wasservögel. Man nimmt entweder ein Boot ab Chiapa de Corzo für 180 Peso pro Person für zweieinhalb Stunden Fahrt oder man fährt von Tuxtla Gutierrez auf die Panoramastraße am oberen Schluchtrand entlang, wo man von mehreren Aussichtspunkten in den Canyon und den Fluss hinunterschauen kann. Die 25 MXN Eintritt in den Nationalpark sind in jedem Fall zu entrichten und gelten an einem Tag für beide Zugänge. Die Schlucht ist dschungelartig bewachsen und bietet wiederum ganz andere Ausblicke als der Grand Canyon oder die Kupferschlucht.

Von Tuxtla fahren wir über die MEX 190 libre, die sich schnell zu einer unserer Lieblingsstrecken entwickelt. Sie ist nicht einfach nur kurvige Bergstrecke, sondern bietet mangels Bäumen in der Höhe wunderbare Ausblicke auf die üppig-grünen Täler und die Stadt Tuxtla Gutierrez. In San Cristóbal de las Casas angekommen, einem recht beliebten Touristenort mit der üblichen Kathedrale, Kirchen, hübschen Kunsthandwerksgeschäften und Cafés, hat der Campingplatz am Bonampak Express Hotel geschlossen. Das Hotel wird komplett umgebaut. Wir müssen mitten durch die enge Stadt zur Rancho San Nicolás fahren, der einzigen Alternative. Da die GPS-Abweichung hier heute recht hoch ist, die Straßen dicht zusammen liegen und ein paar davon aufgegraben sind, verliert unser Navigationsgerät die Orientierung und wir drehen etwa drei unfreiwillige Runden durch den Ort. Mit Fahrzeugen, die länger als sieben oder acht Meter und vor allem breiter als 2,30 m sind, möchte man vermutlich nur ungern durch die Stadt fahren. Im Trailerpark freuen wir uns, als wir nach Langem mal wieder ein deutsches Auto sehen. Petra und Klaus sind mit ihrem Pick-up Camper schon seit einem halben Jahr in Mexiko und wir verbringen einen ausgesprochen netten Abend zusammen.

Tuxtla Gutierrez, Chiapas – Auf hohen Hacken

Mittwoch, Juli 13th, 2011

Tuxtla Gutierrez ist die Hauptstadt von Chiapas und bietet wenig Sehenswertes, außer dass es eine der letzten Bastionen der Zivilisation vor der guatemaltekischen Grenze ist. Auf unserem Programm stehen ein Großeinkauf und ein paar Besorgungen, darunter auch ein zweites Warndreieck, das in manchen Ländern Mittel- und Südamerikas vorgeschrieben sein soll. Leider sind die in Mexiko kaum zu bekommen, da nicht vorgeschrieben. Im Falle einer Panne legt man einfach ein paar Steine auf die Straße. Gebrauchtwagenhändler scheinen die einzigen Besitzer von Warndreiecken zu sein, die sie auf die Dächer der angebotenen Autos stellen für mehr Aufmerksamkeit. Ich einige mich mit einem der Händler über den Preis und kaufe ihm eines ab.

Mittlerweile gießt es in Strömen. Die Regenzeit ist in vollem Gange, und es regnet jeden Tag. Die Frage ist nur, wann es beginnt zu regnen. Der Vormittag ist oft schön, und die Niederschläge setzen meist am Nachmittag oder Abend ein. Heute werden die Schleusentore am Himmel frühzeitig und weit geöffnet. Vor allem die Mexikanerinnen haben damit so ihre Schwierigkeiten in ihren Highheels. Manche ziehen sogar ihre Pumps aus und laufen barfuß. Noch in keinem anderen Land der Welt habe ich so viele Frauen mit hochhackigen Schuhen gesehen. Mexiko muss DER Weltabsatzmarkt für Highheels sein. In manchen Dörfern staksen selbst moderne Indígenas, die ihre Tracht abgelegt haben, statt in praktischen Ballerinas in Pumps durch den Straßendreck.

Ist das ein Indikator des Frauenbilds? Ein wenig schon. Obwohl es viele berufstätige und durchaus erfolgreiche Frauen gibt, verdient der weibliche Bevölkerungsteil bei gleicher Bildung und Position weniger Geld. Das Idealbild der Mittelklassefamilie besteht aus einem Mann, der die Familie ernährt und Entscheidungen trifft und der Frau, die sich alleine um Haushalt und Kinder kümmert. Viele Kinder sind erwünscht. Gewalt in der Familie ist eines der Problemthemen. Im Fernsehen verkörpern hellhäutige Moderatorinnen und Seifenopernstars das Schönheitsideal: auffällig geschminkt, sexy gekleidet mit den unverzichtbaren Highheels, die möglichst langen Haare in perfekte Wellen gelegt und mit ausreichend Haarspray fixiert. „Tussig“ ist das Wort, das mir als erstes in den Sinn kommt. Aber das ist wohl der Gegenpol zum „Macho“. Keine Spur von natürlicher Schönheit, wie sie Brigitte Bardot in den 50ern und 60ern in Europa hoffähig machte.

Ein wenig übernatürlich dagegen scheinen mir die Preise des hiesigen Campgrounds. Eigentlich besitzt Tuxtla keinen Campingplatz, sondern das motelartige La Hacienda Hotel stellt seinen Parkplatz auch zum Campen zur Verfügung. Auf das Parken dicht an der Straße für 300 Peso verzichten wir gerne, zurück nach Ocozocoautla wollen wir auch nicht. Aber auf dem Weg dahin gibt es auf jeder Seite eine PEMEX-Tankstelle mit reichlich Platz abseits der Straße, wo man Toiletten und sogar Duschen kostenlos nutzen kann.

Ocozocoautla, Chiapas – Erdbeben und Campen im Kinderheim

Samstag, Juli 9th, 2011

Die Erde bebt. Und zwar ordentlich. Selbst Arminius’ gefederte Kabine schüttelt sich. Jörg steht gerade draußen und spürt es noch mehr. Die Bäume auf dem Parkplatz biegen sich kräftig hin und her und nun wird klar, wieso man besser nicht unter einer Früchte tragenden Kokospalme stehen sollte. Nach wenigen Sekunden legt sich das beeindruckende Zittern. Wir recherchieren später, dass es sich um ein Erdbeben der Stärke 4,9 handelte, dessen Epizentrum gar nicht weit von uns weg lag. Es soll keine Verletzten oder nennenswerte Schäden gegeben haben. Dass wir gleich heute Morgen weiterfahren, hat seinen Grund jedoch mehr in der schwülen, lähmenden Hitze. Im Hochland ist das Klima angenehmer.

Am Abend kommen wir im Hogar Infantil in Ocozocoautla in der Nähe von Tuxtla Gutierrez an, der Hauptstadt von Chiapas. Das Kinderheim wurde von amerikanischen Residenten gegründet und beherbergt verwaiste, verarmte, missbrauchte oder Straßenkinder und -jugendliche, gibt ihn Essen, Liebe, Erziehung, Bildung und Chancen für ihre Zukunft. Auf dem großen Gelände wurden vier Camperstellplätze mit Strom- und Wasseranschluss eingerichtet. Eine Bezahlung dafür wird weder erwartet noch akzeptiert. Es gibt lediglich die Möglichkeit, über die amerikanische Website zu spenden (www.hogarinfantil.com). Der Direktor heißt uns herzlich willkommen, die Kinder halten gebührenden Abstand, lediglich die Schafe, die das Gras kurz halten und zum landwirtschaftlichen Einkommen des Heims beitragen, umringen uns. Wie immer sind wir alleine. Es ist eine großartige Idee für Reisende, hier einen Zwischenstopp einlegen zu können, es ist friedlich, ruhig und sicher auf dem nachts abgesperrten Gelände: N 16°46’33,7’’ W 93°23’02,8’’.

Huatulco, Oaxaca – Vom Nebelwald in den Dschungel

Freitag, Juli 8th, 2011

Die Gegend ist irgendwie eigenartig. In den meisten Dörfern hier leben die Indigenas in äußerst primitiven Hütten. Ein nicht zu unterschätzender Prozentsatz der männlichen Bevölkerung stolpert am Straßenrand entlang, liegt schlafend im Graben oder sitzt mit leerem Blick herum. Ich habe das Gefühl, dass man mit den hiesigen Männern nicht viel anfangen kann und dass die Hauptlast der Arbeit auf den Frauen liegt. Ausgelöst wird dieser deliriumartige Zustand von Alkohol oder anderen Rauschmitteln. Es ist wochentags kurz nach dem Frühstück. Einige noch nicht ganz so Betrunkene prosten uns mit ihren Bierflaschen zu und winken uns heran, wir sollen mit ihnen trinken. Gerne doch, vielleicht ein andermal. Ein „Restaurant“ am Wege wirbt mit der Abbildung seiner Gründerin. Die äußerst betagte Dame raucht mit typischer Fingerhaltung etwas, das ganz gewiss nicht wie eine gewöhnliche Zigarette aussieht.

Die ungewöhnlich starke Militärpräsenz bestätigt unser Gefühl, dass hier Geld nicht immer mit legalen Mitteln verdient wird. Zwei Mal geraten wir an einen Kontrollposten, der ein derartiges Fahrzeug nicht ungeprüft durchfahren lassen kann – aus Pflichtgefühl und aus Neugier. Die Soldaten fragen mit ausgesuchter Höflichkeit, ob wir ihnen die Überprüfung des Fahrzeugs erlauben würden (tun wir) und bedanken sich anschließend ganz brav. Bereits gestern Abend suchten wir zum Schlafen den Schutz einer PEMEX-Tankstelle auf. Wir fühlen uns nicht im Mindesten bedroht, aber man muss sein Glück nicht herausfordern.

Von Oaxaca aus gibt es keine direkte Verbindung ins östlich gelegene Chiapas. Man fährt entweder über die Golfküste im Norden oder den Pazifik. Wir entscheiden uns für die kürzere südliche Route und kämpfen uns durch eines der vielen Gebirge Mexikos, die Sierra Madre del Sur. Diese Straße hat noch mehr Kurven als alles bisher Dagewesene. Sie trägt uns in die neblige, verregnete, mit Erdrutschen übersäte Kühle auf 2.800 m. Bei der Abfahrt weichen Agaven und Nadelbäume bald üppiger Tropenvegetation mit riesigen Bananenstauden, Mangobäumen, Palmen, Bambusrohr, Farnen und Bromelien. Unser erster bunter Papagei der Reise fliegt über die Straße hinweg. Die sonnige Schwüle der Tropen greift nach uns.

Am Nachmittag erreichen wir Huatulco. Wo vor einigen Jahren lediglich ein Fischerdorf stand und Gestrüpp sich am Strand breitmachte, soll nach dem Willen der Regierung ein Megatourismusprojekt entstehen, das selbst Cancun in den Schatten stellt. Zumindest wurde der Dschungel drum herum zum Nationalpark erklärt und hässliche Hochhäuser sind unerwünscht. Wie dem auch sei, allzu viele Hotels stehen noch nicht und ob es jemals soweit kommt, ist fraglich, da die Zubringerinfrastruktur fehlt. Der einzige Campingplatz der Gegend wird gleichzeitig als Strandparkplatz genutzt, gecampt scheint hier nicht zu werden, denn Toiletten und Duschen sind abgeschlossen. Beim Parken ist unbedingt darauf zu achten, nicht unter einer Kokospalme mit Früchten zu stehen, die beim Herabfallen große Schäden am Dach oder Solarpaneel anrichten können. Dafür kostet es derzeit nichts.

Zum Strand geht es durch ein Stück Dschungel, der in der Regenzeit überschwemmt ist. Einige Trittsteine und halbverrottete Holzpaletten stellen einen abenteuerlichen Weg durch den Sumpf dar. Den Strand teilt man sich mit ein paar Hotels, aber viel ist nicht los. Trotz der geschützten Lage der Bucht laufen beeindruckende Pazifikwellen ein. Richtig Abkühlung von der Tropenhitze gibt es nicht: Das Meer hat gute 30° und das Baden gleicht einer Sporteinlage. Ein paar kleinere Wellen abwarten, ins Wasser sausen, eintauchen und sofort wieder hinausrennen, bevor die nächste größere Welle sich überschlägt und einen mit ihrer mächtigen Unterströmung ins Meer hinauszieht. Die Nacht bleibt heiß und unruhig mit ihren ungewohnten Dschungelgeräuschen. Der Stellplatz ist prima und würde 50 MXN pP kosten, wenn er in Betrieb wäre: Club de Playa Tangolunda, Bahías de Huatulco, N 15°46’23,0’’ W 96°05’59,1’’.

Monte Alban, Oaxaca – Stadt in den Wolken

Donnerstag, Juli 7th, 2011

Die Azteken und die Maya kennt jeder. Dass es in Mexiko zahlreiche weitere Hochkulturen vor Ankunft Christoph Columbus’ gab, ist weniger bekannt. Die antike Stadt Monte Alban beispielsweise wurde ca. 500 v. Chr. von den Olmeken gegründet. Im weiteren Verlauf kamen die Maya zu gewissem Einfluss. Doch erst die Zapoteken vollbrachten die architektonische Meisterleistung und führten die Stadt zwischen 250 und 750 n. Chr. zur Blüte. Die „Menschen der Wolken“, wie sie sich nannten, ebneten einen Berg ein und füllten Senken auf, um die Stadt zu errichten. Die Gebäude des urbanen und religiösen Zentrums, die heute zu sehen sind, kommen von ihnen. Danach verließen die Zapoteken Monte Alban und siedelten sich woanders an. Die Mixteken nutzen ab 800 die im Verfall begriffene Stadt zeitweise, um ihre Toten reich mit Gold ausgestattet zu begraben.

Monte Alban liegt spektakulär auf einem Berg hoch über Oaxaca Stadt mit grandiosem Blick auf die Gebirge der Umgebung. Zwar ist es lange nicht so groß wie Teotihuacán, die üblichen Pyramiden stehen jedoch auch hier. Dafür strahlt dieser Ort Freundlichkeit und Atmosphäre aus, hier gefällt es uns bei weitem besser. Einige Besonderheiten gibt es auch wie Steintafeln mit unidentifizierten Hieroglyphen oder nackten Tänzern, deren Bedeutung ebenfalls unklar ist.

Ein Zeitzeuge der zapotekischen Blüteära steht im Dörfchen Santa Maria del Tule. Der über 2000 Jahre alte Baum mit 58 m Umfang gilt als einer der größten der Welt. Die Zypresse steht im Kirchhof, den man für 5 Peso pP betreten darf. Das Geld dient dem Erhalt des Baumes. El Arból del Tule hat einen Durchmesser von 14 m, ist 42 m hoch und über 636 t schwer – ein wahrer Gigant.

Puebla, Puebla + Oaxaca, Oaxaca – Una mordida por favor! Polizei und Korruption

Mittwoch, Juli 6th, 2011

Mordida bedeutet „kleiner Biss“, ein „Bisschen“ und bezeichnet in Mexiko und weiter südlich das Häppchen, das mancher Polizeibeamter vom vermeintlichen Reichtum anderer Bürger, gerne auch Touristen, für sich persönlich abhaben möchte. Besonders verschrien sind die Motorradfahrer der Policia Municipal, der jeweiligen Stadtpolizei. Es wird unsere erste Begegnung mit einem korrupten Polizisten.

Doch selbst der Beginn des Tages verläuft nicht konfliktfrei. Ich bin nicht bereit, den vereinbarten Preis für den Campground zu zahlen, da wir bei zwei von drei Übernachtungen nur kaltes Wasser zum Duschen hatten (in der Regenzeit mit den kühlen Abenden nicht sehr angenehm). Das findet die Campingplatzbesitzerin gar nicht gut. Außerdem hat die alte Dame ein paar Schwierigkeiten beim Rechnen. Sie möchte mir das Geld für vier statt drei Nächte abkassieren. Was wiederum ich nicht gut finde. Die Señora echauffiert sich etwas, muss dann aber doch einsehen, dass drei Tage nicht vier Nächte sind, und schließlich einigen wir uns.

Für die 60 km von Cholula, praktisch Vorstadt von Puebla, und durch die Millionenstadt hindurch, viertgrößte in Mexiko, benötigen wir ganze drei Stunden. Ein paar Straßen sind gesperrt, und schon bricht der Verkehr zusammen. In Puebla steht übrigens das VW-Werk, das noch bis 2003 den Käfer produzierte. Wir haben es fast aus der Stadt geschafft, als uns ein Motorradpolizist überholt und Halt gebietet. Ich lächle ihn an, doch sein arroganter Blick und seine trotzig vorgeschobene Unterlippe verheißen nichts Gutes. Wir haben unseren großzügigen Tag und sprechen sogar Englisch, was der Beamte leider nicht beherrscht. Unglücklicherweise verstehen wir heute kein Wort Spanisch. So ein Pech! Die Kommunikation stockt. Der Schmollmund quasselt dauernd von „ticket“, also einem Strafzettel. Er wirft Jörg „falta en el precautión“ vor, einen Mangel an Vorsicht. So etwas Dummes habe ich auf unserer ganzen Reise noch nicht gehört. Für Fantasielosigkeit gibt’s Punkteabzug. Wir schlagen ihm vor, er solle seinen Capitano holen und jemanden, der Englisch spricht. Das ist nicht genau das, was er wollte. Er kommt zu dem Schluss, wir seien der Mühe nicht wert, wünscht uns missmutig „buen viaje“, gute Fahrt, und düst ab. Das Ganze dauerte nur wenige Minuten. Ein paar Leute am Straßenrand, die das Geschehen beobachteten, recken den Daumen hoch und freuen sich, dass wir den Bestechungsangriff erfolgreich abgewehrt haben.

Auf der libre, der mautfreien Straße, fahren wir noch weitere 50 km bis in die nächste größere Stadt, bis wir aufgeben. In der dicht besiedelten Gegend reiht sich Dorf an Dorf, was die Maximalgeschwindigkeit schon von vornherein auf 40 km/h begrenzt, aber schlimmer, tope reiht sich an tope. Das sind die in Mexiko so verhassten, doch exzessiv hinbetonierten speed bumps, für die wir im Deutschen nur das schnöde Wort Bodenschwellen haben. Runterbremsen bis in den vierten Gang (das ist bei einem Unimog langsam), hoppel-hoppel, wieder Gas geben bis zum siebten, bremsen, Gas geben, bremsen. Der Spritverbrauch verdoppelt sich, die Bremsbeläge schleifen sich ab. Wir wechseln auf die cuota, die Mautstraße, die wir sonst vermeiden. Meist werden wir in den Tarif 1 für Pkw und Kleinfahrzeuge eingestuft, aber zwei Mal im Bereicht von Mexiko ließen die Kassierer nicht mit sich diskutieren und berechneten den Lkw-Tarif, der das Doppelte beträgt. Am einfachsten ist es, den Mautbetrag, sofern bekannt, passend zu reichen, das vereinfacht die Sachlage.

Die kostenpflichtige Straße hat den Vorteil, dass sie durch unbewohntes Gebiet führt, und so können wir die schöne, mit Kakteen und Büschen bestandene Bergwelt des Tehuacán-Cuacutlán Biosphärenreservats richtig genießen. In Oaxaca / Oaxaca angekommen, entscheiden wir uns für den ruhigeren der beiden Campingplätze, San Felipe Campground etwas nördlich der Stadt. Hier parkt man etwas unkonventionell zwischen Agavenfeldern auf einem Berg mit toller Aussicht auf Oaxaca. Toiletten- bzw. Duschenreinigung ist den Campern überlassen, dafür kostet die Nacht nur 90 Peso. Der amerikanische Besitzer und seine mexikanische Frau brauen Mezcal, den „anderen“ Agavenschnaps, und verkaufen ihn auch direkt an die (momentan rar gesäten) Camper. Das teuerste am Schnaps ist die Glasflasche und der eingelegte Skorpion (der manchmal statt der Agavenraupe genommen wird). Aus Fässern abgefüllt und ohne tierische Einlage kostet der Schnaps weniger als die Hälfte. Für die mittelalte Variante zahlen wir gerade 60 Peso (3,65 Euro) pro Liter. Natürlich nicht, ohne vorher von allen drei Sorten je ein ordentliches Glas probiert zu haben. Auf nüchternen Magen, vor dem Abendessen. Hui, die Welt ist schön.

Cholula, Puebla – Kirche auf Pyramide

Dienstag, Juli 5th, 2011

Als „schönste Stadt außerhalb Spaniens“ bezeichnete Schlächter Hernán Cortés Cholula. Anschließend richtete er ein Blutbad an, bei dem 3.000 Menschen zu Tode gekommen sein sollen und zog über den Paso de Cortés weiter, um die Azteken niederzumähen, wo das heutige Mexico City steht. Doch gilt Cholula nicht nur als eine der attraktivsten, sondern auch ältesten Städte. Seit 5 v. Chr. ist sie durchgehend besiedelt. Hier wurde die flächenmäßig größte Pyramide Mesoamerikas erbaut. Auf ihrer 65 m hohen Spitze errichteten die Spanier eine Kirche. Zunächst sieht es aus, als ob Nuestra Señora de los Remedios auf einem Grashügel steht, doch beim Näherkommen erkennt man, dass es sich um eine mit Erde bedeckte und mit Gras und Bäumen überwachsene Pyramide handelt. Die katholische Kirche behauptet heute, das Gotteshaus hier gebaut zu haben, da der Platz schon immer heilig war. Doch war es nicht vielmehr der Wunsch zu unterwerfen, zu demütigen, zu zeigen, unser Gott ist größer und stärker als Eurer?

Die Originalkirche steht nicht mehr, sie wurde im 19. Jahrhundert ersetzt. Der steile Aufstieg zum Atrium lohnt sich auf jeden Fall. Nicht nur, um den mit reichlich Gold verzierten Altar zu bewundern, sondern um die grandiose Aussicht zu den Schwestervulkanen Popocatépetl und Iztaccíhuatl zu genießen. Das Wetter zeigt sich äußerst gnädig. Izta bleibt zwar verborgen, doch die Sonne löst den Wolkenring um Popos Gipfel auf, und auch der ständige Smog um den Fuß des Berges lichtet sich, sodass wir fast freie Sicht auf den legendären Vulkan haben, der kontinuierlich Rauchwölkchen verpufft.

Wissenschaftler gruben fünf Kilometer Tunnel durch die Pyramide, von denen ein Teil begehbar ist, außerdem gibt es ein Museum und einige Ausgrabungen von Pyramidenteilen. Die Tunnel sind leider wegen Wartungsarbeiten geschlossen. Stattdessen unternehmen wir mit dem Turibus eine Rundfahrt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten und Kirchen der Stadt – heute im Angebot für 50 statt 58 Peso. Man könnte sich die berechtigte Frage stellen, gibt es denn in Mexiko nur Kirchen? Nun ja, nicht nur, aber doch recht viele und vor allem architektonisch interessante. Cholula zum Beispiel besitzt rund 130.000 Einwohner und 49 Kirchen – nur katholische, wohlgemerkt. Obwohl die Cholulanos gerne das Gerücht verbreiten, sie hätten 365 Kirchen, für jeden Tag eine – was nicht stimmt – bleiben noch genug. Bei zweien davon hält die Tour sogar an, um das Innere besichtigen zu können.

San Francisco de Asis hat eine spektakuläre Fassade aus gelben und weißen Kacheln mit Blumenmustern, die einer Moschee nachgebildet ist. Das Kirchengewölbe ist unglaublich prunkvoller Barock in purem Gold. Die Außenmauern von Santa Maria de Tonantzintla sind zwar etwas schlichter aus dunkelroten Ziegeln mit Intarsien aus weiß-blauen Fliesen. Protzte San Francisco schon mit seinem Gold, bei Santa Maria verschlägt es einem den Atem. Sämtliche Wände und Decken sind übersät mit weißen, grünen und goldenen Stuckornamenten sowie Kinderkörpern und -köpfen dicht an dicht, die hier die sonst üblichen Engel ersetzen. Das Ganze ist so kostbar, dass weder Fotos noch Filmaufnahmen gemacht werden dürfen, aber man darf sich natürlich Ansichtskarten kaufen. Die exzessive Zurschaustellung von Reichtum und Macht hat gewirkt: fast 90 % der Mexikaner sind katholisch, obwohl die evangelische Kirche in starkem Wachstum begriffen ist.

Popocatépetl, México – Der Raucher und die Schläferin: Mexikos Schwestervulkane

Sonntag, Juli 3rd, 2011

Im Dezember 2000 hatte der Popocatépetl seine größte Eruption seit 500 Jahren. Ein Teil des Kraterdeckels explodierte und der Vulkan sprengte Steine, Asche und Rauch in die Luft. Nur einen Monat später ereignete sich ein ähnlicher Ausbruch. Einige weniger schwere Explosionen folgten in den nächsten Jahren, doch im Januar 2008 meldete sich der 5.452 m hohe Popocatépetl mit neuer Stärke zurück und spie eine acht Kilometer hohe Aschewolke in die Luft. Immer wieder wurden Dörfer evakuiert, seit 1994 gibt es eine Sperrzone im Umkreis von 12 km um den Krater, die es auf absehbare Zeit unmöglich macht, den Krater zu ersteigen oder ihm auch nur näher zu kommen.

Gleich nebenan steht der 5.286 m hohe Schwestervulkan Iztaccíhuatl, der als schlafend gilt. Wie Popo auch besitzt der Izta eine Gletscherkuppe, die mit technischer Kletterausrüstung und entsprechender Erfahrung bestiegen werden kann. Zwischen den beiden Kegeln gibt es einen Sattel, über den eine Straße führt. Sie heißt Paso de Cortés, da der spanische Eroberer von Puebla und Cholula aus über diesen Pass nach Tenochtitlán, dem heutigen Mexico City, eindrang. Von Mexico aus, das auf rund 2.250 m liegt, fahren wir über Amecameca bis in eine Höhe von 3.700 m, wo das Büro des Nationalparks liegt. Die Gipfel des zweit- und dritthöchsten Vulkans Mexikos sind fast immer in Wolken eingehüllt, Smog aus Mexico verschleiert die Sockel. Hier oben hat es tagsüber gerade mal 8° C, und dichte Wolken verkünden schlechtes Wetter. Doch wir haben Glück: Nach einer Kaffeepause lichten sich die Wolken und für Sekunden können wir den Gipfel des Popocatépetl sehen, der kontinuierlich Rauch ausstößt.

Als wir uns weiter auf den in Richtung Osten machen, staunen wir nicht schlecht: Die Asphaltstraße wird ersetzt von einer Schotterpiste, die seit Beginn der Regenzeit erhebliche Schäden erlitten hat. Sowohl Nachfrage als auch entgegenkommende Pick-ups lassen uns nicht an der Befahrbarkeit zweifeln, aber für normale Pkw oder Wohnmobile wäre die Strecke kaum mehr machbar – das ist mal wieder keiner Karte zu entnehmen. Die Piste zeigt zum Teil stärkere Auswaschungen und von den letzten Erdrutschen liegen noch große Steinbrocken herum. Als es anfängt zu regnen geben wir Gas um wegzukommen aus dieser instabilen Zone. Im Tal, wieder auf Asphalt, sammelt sich das Wasser mangels Kanalisation auf der Straße und bildet Flüsse und Seen. Wir landen auf dem Campground in Cholula, der teuer ist und verfallen, aber günstig liegt und ohne Alternative ist.

Coyoacán, México – Abschiedsessen

Samstag, Juli 2nd, 2011

Zum Abschluss schmeißt Bernardo eine Party. Er lädt seine komplette Familie ein, zumindest den Teil, der sich gerade in Mexiko Stadt aufhält: Seine Mutter, seine Geschwister mit Familien und einige Freunde. Gerade als wir uns mit gegrillten Schweinerippchen, Würstchen, Käse und pikantem Salat aus geräuchertem Marlin satt gegessen haben, kommen die Steaks auf den Grill und das Essen geht erst richtig los. Wir essen über stunden und wundern uns, warum nicht mehr wohlsituierte Mexikaner übergewichtig sind.

Ciudad de México, D.F., México – Exzessiver Katholizismus: die schiefe Monsterkathedrale

Freitag, Juli 1st, 2011

Monströs, gigantisch, protzig: Die größte Kathedrale Amerikas steht in Mexiko Stadt und ist gleichzeitig das Herz der größten katholischen Diözese der Welt. Fast drei Jahrhunderte, von 1525 bis 1813, nahm ihre Fertigstellung in Anspruch. Das spiegelt sich in ihren verschiedenen Baustilen von Klassik über Barock, Churriguerismus bis Neuklassik wider. Sie beinhaltet fünf Hauptaltäre und 16 Seitenkapellen. Gebaut war das Monster zwar für die Ewigkeit, dennoch scheint es auf längere Sicht dem Untergang geweiht. Die Catedral Metropolitana sinkt langsam, wie der Rest der Innenstadt, in den weichen Lehm des Bodens des ehemaligen Sees Texco ein, der heute bis auf einen kleinen Teich verschwunden ist.

Bereits die Azteken hatten ihre Hauptstadt Tenochtitlán auf der Insel im See errichtet. Unter dem Herrscher Moctezuma und seinen Nachfolgern entstand ab 1440 ein Riesenreich, das im 16. Jahrhundert große Teile des heutigen Mexikos umfasste. Die geforderten Tributzahlungen der unterworfenen Völker in Form von Gold, Silber, Fellen, Honig, Kakao und anderem brachten den Azteken Reichtum und so großen Hass ein, dass sich zwei Völker mit den eindringenden Spaniern verbündeten und Tenochtitlán damit rascher zu Fall brachten als dies ohne Hilfe möglich gewesen wäre. Der spanische Eroberer Hernán Cortés machte das Zentrum des Aztekenreichs anschließend dem Erdboden gleich und errichtete seine eigene Hauptstadt auf ihren Trümmern und dem langsam vertrocknenden See.

Zur Erhaltung der Kathedrale waren aufwändige, meist unterirdische Restaurierungsarbeiten notwendig. Steht man im Inneren der Kirche, stolpert man teils fast, so stark fällt der Fußboden in unterschiedliche Richtungen ab. Kirchtürme kippen, Altäre stehen schief und ein vor Jahrzehnten im Mittelpunkt der Kirche angebrachtes Lot zeigt die Pendelbewegungen des Gebäudes. Selbst jetzt steht das Pendel nicht still, es zittert fast unmerklich, aber kontinuierlich. Auch der Nationalpalast steht, wie die Großkirche, am Zócalo, dem großen Platz Mexico Citys. Er wurde auf dem niedergerissenen Palast von Moctezuma II errichtet. Später regierten alle 62 Vizekönige an dieser Stelle, und auch der heutige mexikanische Präsident hat seine Amtsräume hier.

Im Eck zwischen Kathedrale und Palacio Nacionál machte man bei Ausgrabungsarbeiten zum Metrobau 1978 eine spektakuläre Entdeckung. Der zerstört und überbaut geglaubte Haupttempel der Azteken, errichtet im 14. und 15. Jahrhundert, kam zum Vorschein. Heute sind nur die kläglichen Reste des einst prächtigen Bauwerks zu besichtigen. Einige der Ausgrabungsfunde sind im anschließenden Museum ausgestellt (Eintritt 51 MXN pP).

Um die Kathedrale herum kann man oft Muscheltänzer beobachten. Die in prähispanische Kostüme gekleideten Männer tragen kaum mehr als eine Unterhose, einen Federkopfputz und rasselnde Muschelbänder an den Fußgelenken. Obwohl sie, wie die meisten Mexikaner, Mestizen sind, haben sie sich Náhuatl, die Sprache der Azteken und ihre Gebräuche angeeignet und verklären ihre nicht immer fleckenfreie Vergangenheit. Auch Wunderheiler sind zuhauf zu finden, meist indigene Frauen in traditioneller Verkleidung, die mit Weihrauch, Steinen und Kräutern Leiden kurieren. Sie finden regen Zulauf.

Von der schönen historischen Innenstadt Coyoacáns aus, einem Stadtteil von Mexico, der bei vielen Touristen beliebt ist, nahmen wir heute Morgen den Turibus, einen doppelstöckigen Bus mit offenem Oberdeck nach Londoner Vorbild, der Rundfahrten durch die Stadt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten anbietet. Für 125 Peso pro Person können wir zwei Linien benutzen, deren komplette Rundfahrt jeweils dreieinhalb Stunden dauern würde, man kann aber den ganzen Tag damit fahren und beliebig oft umsteigen. Die Busfahrt führte uns unter anderem an die lange Straße Paseo de la Reforma mit ihren zahlreichen Monumenten und Hochhäusern, die mehr das moderne Mexico City verkörpern. Jetzt steigen wir in die U-Bahn und anschließend in den Metrobus, ein schnelles Verkehrsmittel mit komplett eigener Fahrspur.

Unser Bekannte Adriana, die wir während ihres Kanadaurlaubs kennengelernt haben, hält sich zufällig in Mexico City auf und hat uns in das Restaurant 100 % Natural eingeladen. Das Essen ist sehr lecker, die Philosophie der Restaurantkette ist, mexikanische Küche auf etwas gesündere, fettfreiere Art anzubieten. Wir sind überrascht zu erfahren, dass Adriana Gründerin in Inhaberin des Franchisingunternehmens ist, auch wenn sie das Management mittlerweile ihrem Bruder übertragen hat. 100 % Natural hat 45 Restaurants in ganz Mexiko und gehört damit zu den großen Ketten des Landes.