Archive for Mai, 2011

Zacatecas, Zacatecas – Die schönste Stadt Mexikos?

Dienstag, Mai 31st, 2011

Es soll die schönste Stadt der weiten Umgebung, wenn nicht ganz Mexikos sein: Zacatecas ist, wer würde es erraten, die Hauptstadt des Staates Zacatecas. Und tatsächlich, dank schier unerschöpflicher Edelmetallvorkommen blickt die Stadt auf ein Jahrhunderte langes, reiches Erbe zurück, was sich in der exquisiten Architektur der Häuser aus rosafarbenem Sandstein zeigt. Auf hügeligem Gelände zwischen 2400 und 2700 m Höhe erbaut, weist der Ort ein ganzjährig angenehmes, frühlingshaftes Wetter auf. Nicht nur das meteorologische Klima ist erfreulich, die Atmosphäre der Stadt ist entspannt und freundlich. Überproportional viele der 124.000 Einwohner sprechen englisch, sogar der Nachtwächter und die Eisverkäuferin. Und das, obwohl man hier weit weniger Besucher verzeichnet als in touristisch bekannteren Orten. Selten hieß uns eine Stadt so willkommen, dankbar saugen wir das Flair auf.

Die Zentren sämtlicher Kolonialstädte sind extrem eng und bieten kaum Parkmöglichkeiten. Einmal unglücklich abgebogen, steht man in zugeparkten Seitengassen, deren Durchfahrt uns mit einem Fahrzeug in Arminiusgröße regelmäßig schwitzige Hände bereitet. Ein Parkplatz am Rande der Stadtmitte übertrifft unsere Erwartungen. Für 30 Peso können wir bewacht bis zum Abend, für 50 sogar bis zum nächsten Morgen bleiben. Der nette Wächter bietet uns sogar Strom und Wasser an, am Abend begrüßt uns der Besitzer persönlich.

Zunächst aber besuchen wir die benachbarte Mina El Éden (80 MXN pP). Behelmt fahren wir mit einer Bahn in das Bergwerk ein, bevor es zu Fuß weitergeht. Es gibt ein kleines Mineralienmuseum, dann führt uns ein englischsprachiger Guide durch die Stollen. Ab 1580 wurden hier für ganze 380 Jahre Silber, Gold, Eisen, Zink und Blei gefördert. Der ertragreiche Untertagebau wurde nur stillgelegt, weil einige Stadthäuser vom Einsturz bedroht waren. Heute gibt es 120 m unter der Erde sogar eine Diskothek, vermutlich die tiefste der Welt. Das Ambiente wirkt so toll, dass wir sie gerne besucht hätten, doch leider öffnet sie nur donnerstags bis samstags. Wir erhalten einen guten Eindruck von den harten, ja lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen, unter denen die Indios – Erwachsene wie Kinder – als Sklaven für kein Geld und als Arbeiter für einen Hungerlohn schuften und Erzadern folgend Stollen in den Berg meißeln mussten. Sollten sie die Kindheit überlebt haben, betrug ihr durchschnittliche Lebenserwartung 35 Jahre. Die Metallförderung wird noch heute an anderen Stellen um die Stadt und unter humaneren Bedingungen fortgesetzt.

Am Hinterausgang der Mine befindet sich die Seilbahnstation, die uns in zehn Minuten für 40 MXN pP auf den Stadthügel Cerro de la Bufa in 2700 m Höhe bringt. Oben gibt es ein Museum samt Statue für den berühmten Revolutionshelden von 1914, Pancho Villa, die hübsche Kapelle der Stadtpatronin sowie einen fantastischen Blick über die Stadt. Statt mit der Teleférico zurück zu fahren, laufen wir den steilen Pfad mit vielen Stufen durch enge Gassen hinunter zur Kathedrale. Der 1752 fertig gestellte Sakralbau gilt als Meisterstück des mexikanischen Barock, der sich Churriguerismus nennt. Gekennzeichnet wird der Stil von überladenen, wuchernden Ornamenten, die fließende Bewegungen vermitteln und die Form darunter verschleiern. Die Menschen hier scheinen nicht nur außerordentlich freundlich, sondern auch gläubig zu sein, denn vor keiner anderen Kirche bemerkte ich bislang so viele Katholiken, die sich im Vorbeigehen vor der Kathedrale bekreuzigen.

Zacatecas ist reich gesegnet mit zahlreichen Kirchen und Museen, schönen Geschäften und Restaurants und außerdem einem Aquädukt aus dem 18. Jahrhundert, das zwar die Stadt nicht mehr mit Wasser versorgt, dessen 39 Bögen aber heute noch zu bewundern sind. Alle Attraktionen liegen in Laufweite des Parkplatzes.

Tipp: Parkplatz La Roca del Roque, direkt am Eingang zur Mina El Éden, tags 30 MXN, Tag + Nacht 50 MXN, N22°46’35’’ W102°34’49’’

Durango, Durango – „The Wild Bunch“, jetzt mit Blaulicht

Montag, Mai 30th, 2011

Einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangte Victoria de Durango, Hauptstadt des mexikanischen Bundesstaates Durango, als Kulisse für zahlreiche Hollywoodproduktionen, in erster Linie Western wie „The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz“ oder „Pat Garrett jagt Billy the Kid“. Stars des goldenen Filmzeitalters wie Lillian Gish, John Wayne und Clark Gable, als auch neuzeitlichere Akteure wie Jack Nicholson John Belushi und John Travolta drehten hier Kinofilme.

Und doch spielte Hollywood nur eine kleine Rolle in der langen Geschichte Durangos, die bis zur Gründung 1563 zurückreicht. Zu ihren Wahrzeichen gehört die Barockkathedrale mit den Zwillingstürmen, wo in Vollmondnächten der Geist einer verliebten Nonne spuken soll. Ein Herrenhaus aus dem späten 18. Jahrhundert, Casa del Conde de Suchil, beherbergt mehrere Läden. Eine Bank siedelte sich fantastisch im quadratischen Innenhof an. Unter dem neuen Glasdach wurden die Wartebänke aufgestellt, die Schalter gruppieren sich in den Arkaden drum herum. Leider gestattet man uns nicht zu fotografieren, aber zumindest gelingt uns ein Schuss mit dem Teleobjektiv von außen. Am Regierungspalast ist vor allem das Innere interessant. Bekannte mexikanische Künstler des 20. Jahrhunderts gestalteten riesige Wandmalereien. Ein Teil des Regierungssitzes ist zwar geschlossen. Der freundliche Wächter lässt uns auf Anfrage trotzdem ein, um ein paar Bilder zu knipsen.

Der Aufreger des Tages passiert auf dem Weg nach Süden auf der MEX 45. Zunächst türmen sich Wolken vor uns auf, in der Ferne scheint es zu regnen, wir bekommen jedoch nur wenige Tropfen ab – Vorboten der herannahenden Regenzeit. Kurz vor Fresnillo halten wir auf dem Seitenstreifen, um eine PEMEX-Tankstelle auf ihre Tauglichkeit als Nachtlager zu prüfen. Plötzlich sind da ein Polizeiauto und zwei Beamte. Der „Redner“ spricht einen fürchterlichen Dialekt, von dem ich nur die Hälfte verstehe – maximal. Dann kommen noch zwei Einsatzfahrzeuge und vier weitere Beamte, von denen einer verständliches Spanisch spricht. Woher wir kommen, wohin wir fahren und was wir transportieren, will er wissen. Er lässt uns weiterfahren, als er erfährt, dass es sich um einen Camper handelt.

Doch wir werden verfolgt und kommen nicht weit. In Fresnillo werden wir von einem der Polizeiautos überholt und geschnitten, zwei weitere warten auf dem Seitenstreifen, bereit, uns gewaltsam anzuhalten, und wir werden filmreif gestoppt. Das haben die sicher in einer der Filmproduktionen gesehen. Oder durften die gar mitspielen? Plötzlich sind wir umringt von Uniformen und Blaulicht. Welche Aufregung um ein einzelnes Wohnmobil. Ich zähle fünf Wagen und zehn Beamte. Vielleicht ein bisschen viel für zwei Touristen? Diesmal bringen sie einen in Zivil mit, der englisch spricht. Die anderen neun stehen aufgereiht wie die Ölgötzen an einer Mauer und bemühen sich um ein unverbindliches Lächeln, um für den Fall, dass wir doch nur harmlose Touristen sind, einen nicht allzu schlechten Eindruck zu hinterlassen. Pässe und Führerschein werden kontrolliert, dann kommt wieder die Frage nach der Art des Fahrzeugs. Ob wir Waffen hätten? Nein. Messer? Ja, Küchenmesser. Der Mann hat keinen ausgesprochenen Sinn für Humor, akzeptiert aber meine Erklärung. Wir kommen ihrer Bitte nach, in die Kabine hineinsehen zu dürfen, das scheint uns der effektivste Lösungsansatz zu sein. Ein einziger Blick von außen (die Leiter stellen wir ihm nicht an) überzeugt den Beamten, es ist wahrhaftig ein Wohnmobil. Wo das Problem liege, fragen wir. Man sei diese Art von Fahrzeug hier nicht gewohnt. Und das geringfügig überproportionale Polizeiaufgebot? So sei es eben hier im Staate Zacatecas, das könne uns in jedem Dorf passieren. Die Beamten der Stadtpolizei waren die ganze Zeit über akzeptabel freundlich geblieben, nur mit einem Hauch Überheblichkeit. Wir fahren trotzdem lieber ein paar Kilometer weiter an eine andere Tankstelle.

Es dauert nicht lange, bis ein Fahrzeug der Staatspolizei uns umkreist, aber wir bleiben unbehelligt. Falls ich eines Tages auf die Idee kommen sollte, mein Geld mit Drogenhandel oder Waffenschieberei zu verdienen, erinnert mich bitte daran, das älteste und unauffälligste Auto zu wählen, das ich finden kann, mich in Rüschenbluse, Strickjacke, Faltenrock und Schnürschuhe zu kleiden und mir Hornbrille und Kopftuch aufzusetzen. Das dürfte dann klappen. Obwohl, durchsucht hat unseren Truck noch niemand…

Dafür verdüstert sich der Himmel beängstigend. Ein Sandsturm rollt heran  und hüllt uns ein. Wir müssen sämtliche Fenster schließen, nicht lustig bei den Temperaturen. Dann beginnt es zu donnern und zu blitzen, aber erneut fallen nur Tropfen, gerade genug, den Staub der letzten regenfreien acht Wochen auf dem Lack zu binden, leider bei Weitem nicht, ihn abzuwaschen.

Pueblo Nuevo, Durango – Das Rückgrat des Teufels

Sonntag, Mai 29th, 2011

La espinoza del diablo darf sich zu Recht eine der großen Straßen dieser Welt nennen. Von den 340 km von Mazatlán nach Durango verlaufen 170 km in endlosen sich aneinanderreihenden Kurven von Meeresniveau auf 2800 m hoch und wieder auf 2000 m hinunter. Daher die Bezeichnung „Rückgrat des Teufels“. Wir kommen nicht dazu, alle Kurven einzeln zu zählen, aber eine Hochrechnung bringt uns auf rund 2000. Die Ausblicke in die fruchtbar grüne Bergwelt mit ihren tiefen Tälern und Schluchten sind die Reise wert. Die große Höhe führt uns in duftende Kiefernwälder. Auch wenn es tagsüber heiß ist, ist es trockener als an der Küste und der Abend bringt angenehme Kühle.

Die Steigungen bringen die untermotorisierten Lkw an ihre Leistungsgrenze, die 100 km lange Abfahrt nach Westen hin ist eine riechbare Tortur für die Bremsanlage. Die Trucks sind extrem laut: Bergauf klingen sie wie Hubschrauber, bergab wie Maschinengewehre. Nehmen die Fahrer Oropax oder sind sie bereits taub? Wie erträgt man das den ganzen Tag? Es herrscht relativ wenig Verkehr, das kann jedoch daran liegen, dass heute Sonntag ist. So halten uns bei der Bergauffahrt kaum Lkw auf, umgekehrt stören wir niemanden während unserer langsamen, Bremsen schonenden Bergabfahrt.

Aufpassen muss man dennoch. Immer wieder taucht ein ungeduldiger 20jähriger Pick-up-Fahrer auf, dem die Unsterblichkeit vermeintlich in die Wiege gelegt wurde und der gottgläubig auch vor eine unübersichtlichen Kurve überholt. Entgegenkommende Sattelzüge sind eine stets lauernde Gefahr. Linkskurven schneiden sie grundsätzlich. In Rechtskurven holen sie in den Gegenfahrstreifen aus, um in den engen Radien mit ihren enormen Wendekreisen nicht mit den Rädern der letzten Achse von der Fahrbahn zu rutschen. Hunderte von Kreuzen und Schreinen entlang der Straße aufgestellt zeugen von den Verkehrsunfällen, bei denen teilweise ganze Familien ausgelöscht wurden.

Mazatlán, Sinaloa – Der Wendekreis des Krebses

Samstag, Mai 28th, 2011

Heiß und feucht ist es. Aber wen wundert’s, schließlich sind wir in den Tropen. Nach anderthalbtägiger Fahrt überqueren wir zum zweiten Mal nach der Baja California den Wendekreis des Krebses in südlicher Richtung und landen in Mazatlán, der zweiten Hafenstadt, die von der Baja aus erreichbar ist. Tourismus beherrscht das Bild mit unzähligen Hotels, Restaurants und Bars und einer reichen Auswahl an Campingplätzen und Einkaufsmöglichkeiten. Wir entscheiden uns für den ruhigen hübschen San Fernando RV Park in Strandnähe. Full Hook-up, recht sauberen Swimmingpool, Internet und Palmen gibt es mangels Kunden für 150 Peso (weniger als 10 Euro) statt 24 bis 27 $.

Doch hat Mazatlán mehr zu bieten: eine lange Strandpromenade, wo die röhrenden Pazifikwellen an den Strand rollen, und zwei Plazas mit Architektur aus dem 19. Jahrhundert. Die Kathedrale Immaculata Concepcion, außen neugotisch, innen barock, und das italienisch anmutende Teatro Ángela Peralta, benannt nach einer in Mazatlán geborenen Opernsängerin, stechen besonders hervor. Da uns selbst Eiscreme und der Pool nicht herunterkühlen, steht der Plan: Morgen fahren wir uns Hochland.

Los Mochis, Sinaloa – Suppe zum Frühstück

Donnerstag, Mai 26th, 2011

Suppe ist nicht genau das, was mir zum Frühstück vorschwebt, aber interessant ist es allemal. Gab es gestern nach der dünnen süßen Reissuppe mit Zimt noch Rühreier, Bohnen und Nachos, das sind Tortillachips, mit Zwiebeln, Käse und Sauerrahm, werden wir heute – wörtlich – abgespeist mit einer kräftigeren pikanten Suppe mit Weißkohl, Hühnerfleisch und aufgeweichtem Popcorn als Einlage. Interessant, wie gesagt, nicht einmal schlecht, wenn auch nicht üppig. Doch was will man für 37 Euro pro Nacht das Doppelzimmer mit Halbpension erwarten? Lebensmittel sind in Mexiko zwar günstiger als in den Vereinigten Staaten, doch weit nicht so billig wie es das Einkommensniveau vermuten lassen würde. Außerdem können wir uns zu Mittag in Divisadero durch die munter gefüllten Teigtaschen und Fladen futtern, bevor wir wieder den Zug besteigen.

Um den Vormittag nicht zu vergeuden, entschlossen wir uns zu einem Ausflug, der uns weitere Einblicke in die beeindruckende Sechs-Schluchten-Landschaft der Sierra Tarahumara, Teil der Sierra Madre Occidental, gewährt. Einer der Aussichtspunkte lässt uns in drei Canyons gleichzeitig schauen. Wer mag kann mit einer neu erbauten Seilbahn, konstruiert von schweizerischen Ingenieuren, zu einem vorgelagerten Felsblock und zurück fahren, auch wenn die 250 Peso für zwei Mal zehn Minuten Fahrt nicht wenig sind. Der Ausflug kostet uns zwar 200 Peso, dafür steigen wir dem Zug erst in El Divisadero zu und sparen 100 MXN am Fahrpreis im Vergleich zur Abfahrt in Creel. Tickets für die Rückfahrt können nur im Zug gelöst werden. Nach neuneinhalb Stunden schaukeln wir in Los Mochis ein und finden Arminius unversehrt auf dem Campingplatz wieder.

Creel, Chihuahua – Die leichtfüßigen Marihuanabauern

Mittwoch, Mai 25th, 2011

Eines der eigenwilligsten indigenen Völker Mexikos sind die Tarahumara. Vor rund 400 Jahren zogen sie sich in die Berge der Sierra Madre Occidental zurück, um den unliebsamen Ideen der Missionare zu entgehen. Auch heute noch leben sie ihre Traditionen, wenn auch mittlerweile unter dem Deckmäntelchen der katholischen Kirche. Von ihren Riten und ihrer polygamen Lebensweise lassen sie sich dennoch nicht abbringen – zwei Frauen pro Mann sind Standard.

Trotz der harten Lebensbedingungen in den Bergen, die im Winter schneebedeckt und eiskalt sind, im Frühjahr heiß und trocken, und nur im Spätsommer und Herbst während der Regenzeit eine kurze Wachstumsphase für die Landwirtschaft bieten, geben sich die Männer zurückhaltend in Bezug auf Arbeit. Das überlassen sie lieber den Frauen und widmen sich stattdessen Bier und Tequila. Offiziell werden Kartoffeln, Mais und Bohnen angebaut. Unausgesprochen bleibt (das jedenfalls flüstert Jörg eine Einheimische im Zug zu), dass auf geheimen Feldern in unzugänglichen Tälern Marihuana und Schlafmohn angebaut werden. Die Tarahumara nennen sich selbst Rarámuri, was „die Leichtfüßigen“ bedeutet. Ihre Lebensweise zwingt sie zu lange Fußmärschen in großer Höhe, was ihnen zu einer außergewöhnlichen Kondition verhilft. Beim traditionellen Volkssport Rarájipari rennen zwei gegnerische Teams um einen improvisierten Bergkurs und kicken dabei einen Holzball vor sich her – barfuß oder in Sandalen. Das Match kann über mehrere Tage gehen.

Die Frauen im Dörfchen San Ignacio de Arareko tragen bunte Volantröcke, buntere gefältelte Blusen und noch buntere Kopftücher. Die herunter geschoppten Wollsocken sind passend oder kontrastfarbig, auf jeden Fall aber auffallend, gerne quietschpink oder neongelb. In großen Schultertüchern werden Babys umhergetragen, die Kinder sind Miniaturausgaben der Erwachsenen. Die Mädchen gehen den Müttern an den Ständen zur Hand, wo sie Schnitzereien, Flecht- und Webwaren feilbieten, die Jungs werden mit einer kleinen Auswahl losgeschickt, aktiv Souvenirs zu verkaufen oder bei Nichterfolg Geld zu erbetteln. Die niedlichsten der Rotznasen haben naturgemäß die höchste Erfolgsquote. Männer sind dagegen keine zu sehen.

Die rustikale Steinkirche von San Ignacio in Arareko gibt den Tarahumara einen Versammlungsort, wo sie ihre traditionellen Tänze aufführen können. Bänke gibt es keine, nur ein paar an den Wänden für Zuschauer und müde Tänzer – obwohl sonntags ein Pater aus Creel kommt, um die Messe zu lesen. Der Ausflug zu den Rarámuri führt uns auch zu einer ihrer traditionellen Höhlenwohnungen mit offener Feuerstelle und integriertem Hühner- und Ziegenstall. Die umherstehenden Holzhütten, in denen aufgrund der dort lagernden Propanflaschen vermutlich modernere Gasherde stehen, dürfen wir nicht besichtigen. Wir wollen ja schön bei den Klischees bleiben.

Auch der sicher wunderschöne Wasserfall Cascada Cusarare befindet sich auf Tarahumaraland, wenn auch im trockenen Frühjahr kaum noch Wasser rinnt. Das Ganze gehört zum Ökotourismusprojekt Arareko und dient der Unterstützung der Indianer, die neben je 20 Peso Eintritt pro Person für Dorf und Wasserfall ihre Handwerksarbeiten an den Touristen bringen können. Für 250 MXN Ausflugsgebühr bringt man uns noch in ein Museum, wo religiöse Malereien aus der Kolonialzeit ausgestellt sind, sowie zum hufeisenförmigen See Lago Arareco mit seinen eigenwilligen Vulkangesteinsformationen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt trotz der ausschließlich spanischsprachigen Reiseleitung (es gibt auch andere Tourenanbieter in Creel). Wir wollten gerne die Tarahumara besuchen, ohne dass dies in eine touristische Fleischbeschau ausartet, und das ist recht gut geglückt.

Creel, Chihuahua – Traumreise für Eisenbahnfans

Dienstag, Mai 24th, 2011

Der Grand Canyon, einer der großen Naturwunder unserer Erde, erobert man sich zu Fuß. Wie es sich gehört, auf Schusters Rappen hinunter und wieder hinauf. Der Barranca del Cobre, sogar größeres, wenn auch unbekannteres Superlativ, ist ein Muss für Eisenbahnfanatiker, ein Highlight für Schwellenreiter, eine der großen Zugreisen, die sich Lokomotivfreunde erträumen. Die Bahnlinie von Chihuahua zum Pazifik sollte die schnellste Ost-West-Verbindung des Kontinents werden, doch erst 1961, genau 100 Jahre nach Planungsbeginn, wurde sie endgültig fertig gestellt. Da fuhren schon lange Schiffe durch den Panamakanal und es existierten Straßen, Autos und Lkw, die Menschen und Güter transportieren konnten. Dennoch ist der Zug kein Anachronismus, er wird von Mexikanern als reguläres Transportmittel intensiv genutzt, von Touristen gar nicht zu sprechen.

Auch heute noch gilt der Bau der Eisenbahnstrecke als Meisterwerk der Ingenieurskunst. Auf 673 km Strecke schraubt sich der Eisenwurm durch 86 Tunnels und über 37 Brücken von Meeresniveau auf 2420 m Höhe der Sierra Madre Occidental und wieder hinunter – in 13 Stunden. El Chepe, wie der Zug genannt wird, ist der letzte verbliebene Personenschienentransport Mexikos, auch wenn Güterzüge die Strecke mitbenutzen. Für einige Touristen ist nicht die Bahnfahrt selbst der ausschlaggebende Grund für die Reise, sondern ein Ziel auf dem Weg. Der Kupfercanyon hat mit 30.000 km2 die mehrfache Größe des Grand Canyon und ist fast 100 m tiefer. Sechs Flüsse gruben sich ins kupferfarbene Vulkangestein, was der Schlucht zu ihrem Namen verhalf.

Je drei Mal wöchentlich fahren die Züge der 2. Klasse um 7 Uhr in die eine oder andere Richtung, die 1. Klasse täglich und eine Stunde früher. Die 2. Klasse ist nicht wesentlich unkomfortabler als die erste (bis auf den Speisewagen, der hier nur Snacks anbietet) und amerikanische Touristen sind so ziemlich das letzte, das man hier findet. Dafür alles andere: Ein Halt an jeder Bahnstation (die 1. Klasse stoppt nur an ausgesuchten Haltestellen), mexikanische Begrüßungs- und Abschiedszenen, in die Waggons hinein schreiende Verkäufer, die Obst, Fruchtschorle (aguas frescas) und diverse Sorten einheimisches Fastfood anbieten. Als da wären Burritos, Enchiladas und Tamales, unterschiedlich gefüllte Wickelrollen aus Tortillas, letztere aus getrockneten Maisblättern. Hier pulst das mexikanische Leben, und gerade das macht die Fahrt so spannend.

Zu Beginn gleitet der Zug durch die intensiv bewässerten Felder um Los Mochis, vorbei an winzigen Hütten, die vielleicht ärmlich, nie aber hoffnungslos wirken. Fast überall ist es ordentlich, gepflegt und ein kleiner Garten angelegt. Jedes zweite Anwesen besitzt eine Klimaanlage und vor nahezu jedem Haus bellt ein Hund und parkt ein Auto, wenn auch ein altes. Kakteen stehen in befremdlicher, wenn auch friedlicher Einheit mit Bananenstauden und Laubbäumen. Warum geht die aus sieben Kühleinheiten bestehende, von einem Fünf-Zylinder-Dieselgenerator angetriebene Klimaanlage in unserem anfangs tiefgekühlten Abteil nicht mehr richtig? Die Einstiegstüren am Anfang und Ende jedes Waggons sind mittig teilbar, die obere Hälfte steht offen. Ich halte meine Nase in den Wind und wundere mich, wer den Backofen da draußen angeheizt hat. Es muss sich wohl um einen Umluftherd handeln, der unangenehm heiße Wind trägt jegliche Feuchtigkeit davon. Immer höher schraubt sich die Bahn, in abenteuerlichen 180°-Schleifen, an Abhängen entlang und über Brücken, die kaum so breit sind wie der Zug. In den Abgrund gestürzte Waggons – wenn auch nur Gütertransporte – tragen nichtunbedingt zur Vertrauensbildung bei.

Mit den duftenden Kiefern- und Wacholderwäldern der höheren Lagen kehren langsam erträglichere Temperaturen ein. An den Bahnhöfen stehen Indiofrauen oder -kinder und verkaufen ihr Kunsthandwerk: zierliche Körbchen, Perlenketten und geflochtene Armbänder. In Divisadero hält der Zug für 15 Minuten, um Reisenden die Gelegenheit zu bieten, einen Blick in die beeindruckende Schlucht Barranca de Urique zu werfen sowie indianische Handwerksarbeiten und die typischen Mittagssnacks zu kaufen. Das steilste Streckenstück folgt jetzt mit einer 360°-Kehre innerhalb eines Tunnels und dem höchsten Punkt, den die Schienen erreichen. Dann beginnt El Chepe seinen Abstieg. Fast pünktlich kommen wir noch vor 18 Uhr in Creel an, wo uns der Hotelbus bereits erwartet. Das kleine Hotel Plaza Mexicana, wo sich Zimmer auf zwei Stockwerken um einen lauschigen Innenhof gruppieren, ist entzückend. Schmiedeeiserne Tische und Stühle mit Sonnenschirmen, Schaukelstühle und fein geschnitzte Holzbänke laden zum Verweilen ein. Die Zimmer wurden liebevoll dekoriert, genau wie die Bäder mit ihrer leuchtendbunten handbemalten Keramik. Wir bekommen das Doppelzimmer mit Halbpension für 600 statt 700 MXN.

Los Mochis, Sinaloa – Warten auf El Jefe

Montag, Mai 23rd, 2011

Intuitive Navigation scheint mir in Mexiko angebracht zu sein. Die Beschreibung aus unserem Campingplatzführer hilft nur dann uneingeschränkt, wenn man sich auf der beschriebenen Zufahrtstraße in den Ort befindet. Unser Navigationssystem Lissy scheint sich so an unsere Offroadabenteuer gewöhnt zu haben, dass sie im Fahren von Feldwegen insistiert. Wir schalten sie stumm und finden den einzig verbliebenen Campingplatz dieser Großstadt trotzdem auf Anhieb, asphaltierten Straßen folgend. Nur noch sechs Stunden des Wartens – erst sollen es zwei, später nochmals eine sein – erscheint El Jefe, der Besitzer, endlich persönlich. Wir vertrieben uns die Zeit solange mit Arbeit und der nette Helfer rückte uns Tisch und Gartenstühle in den Schatten. Der Campground schließt offiziell im April, aber er bleibt nie unbewacht. Ich handle den Patrone von 250 auf 200 Peso die Nacht mit Full Hook-up herunter. Er müsse extra wegen uns einen nächtlichen Aufpasser bestellen, erteilt er weiteren Kostenminimierungsversuchen meinerseits eine Absage. Das ist nicht von der Hand zu weisen, bleibt Arminius doch zwei Tage alleine hier. Ich vereinbare vier Nächte und El Jefe lässt sich herab, das von mir ausgesuchte Hotel telefonisch zu reservieren und für morgen Früh ein Taxi zu bestellen. Unsere Bahnreise kann beginnen.

Topolobampo, Sinaloa – Wie riecht eine mexikanische Fährfahrt?

Sonntag, Mai 22nd, 2011

Die Fähre nach Topolobampo, wie der Hafen bei Los Mochis genannt wird, soll um 14:30 ablegen. Wir finden uns um 10 Uhr im Hafen ein, unsicher, wie lange die Prozedur dauern wird. Als erstes passieren wir den Zoll, da die Fahrzeugpapiere beim Übersetzen von der ausnahmegeregelten Baja aufs Festland kontrolliert werden. Dann muss man einen Knopf drücken, der bei neun Passagieren ein grünes Licht aufleuchten lässt, bei jedem zehnten aber Rot zeigt. Die Lampe blinkt rot, und der ausgesprochen höfliche Zöllner muss unser Fahrzeug kontrollieren. Das kurzfristige Öffnen je zweier Schranktüren und Schubladen sowie der Badezimmertür nimmt kaum mehr als eine Minute in Anspruch, damit ist der Pflicht genüge getan. Die chronisch schlechtgelaunte Dame im TMC-Büro fragt, ob wir ein Wohnmobil fahren. „Nein, einen kleinen Lkw.“ Ich habe meine Lektion gelernt. Wir werden auf die Waage geschickt, wo wir klassifiziert, vermessen und gewogen werden. Unsere persönlichen Daten werden bei „Fahrer“ und „Adjutant“ – das bin ich – eingetragen, denn in Mexiko haben die meisten Fahrer einen Beifahrer.

Zurück im Fährbüro sind wir gespannt auf das Ergebnis, da wir die Kodierung für die Fahrzeugklasse nicht entziffern konnten. Als Wohnmobil zu fahren wäre wesentlich teurer. Die Übellaunige tippt auf ihrer Computertastatur herum und präsentiert mir die korrekte Rechnung: Arminius verschifft als Kleinlaster bis sieben Meter für 3.300 Peso, der Beifahrer schlägt mit 710 MXN zu Buche. Damit sparen wir 2000 Peso gegenüber der Kleinwohnmobilklasse bei Bajaferries und weitere 2000 Peso zur Wohnmobileinheitsklasse bei TMC. Wir wurden nicht gefragt, aber unser Frachtgut wurde recht passend als „Ausrüstung“ bezeichnet. Die Preisunterschiede auf der längeren Fahrt nach Mazatlán sind noch höher. Kann man es sich zeitlich leisten, sollte man bei beiden Unternehmen Angebote einholen, bei Nichteinhaltung des Preisversprechens das Fährunternehmen wechseln und wenn nötig die Abfahrt verschieben, da die Fähren nicht an allen Tagen operieren. Bajaferries gilt als seriös, doch sind wir von TMC positiv überrascht.

Die Schifffahrt selbst – wir starten eine erwartete halbe Stunde zu spät – wird ein olfaktorisches Erlebnis. Im winzigen eisig klimatisierten Passagierraum mit zwei übergroßen Flachbildschirmen stehen die Toilettentüren – eine Toilette, ein Pissoir, weitere Unterschiede werden nicht gemacht – offen. Die Einrichtungen wurden gereinigt, ein blinder Lkw-Fahrer würde sie dennoch problemlos finden. Ich verlasse das Etablissement und passiere die Küche, deren wenig einladendes Odeur bedeutungslos bleibt, da sie nur die Besatzung verköstigt. Passagier können Chips, Kekse, Popcorn, mikrowellenerwärmte Tütensuppe und Erfrischungsgetränke erstehen. Wer mehr Komfort will, muss mit Bajaferries reisen, aber das lokale Flair ist eindeutig hier. Das nächste Geruchserlebnis beschert ein riesiger Lkw, erbaut um die Steinzeit herum, mit einer Motorhaube so groß wie unser ganzer Arminius, der hoch beladen mit frischem duftenden Heu hereinfährt. Was leider nicht lange anhält, denn die nächste Fracht besteht aus dutzenden dichtgedrängten stummen Ziegen mit ausladenden Hörnern auf einer Ladefläche, von der die Exkremente sicherlich auf das Schiffsdeck sickern können. Dieses Geruchserlebnis wird uns bis zum Ende der Fahrt erhalten bleiben.

Die Fähre ist ein deutsches Schiff von 1977, das seinen zuverlässigen Dienst tut. Es befinden sich nur wenige Frauen unter den meist aus Lkw-Fahrern bestehenden Passagieren, aber die müssen Gott täglich für die Erfindung von Lycra danken. Ohne Stretch dürfte es schwierig sein, sich in derart körpernah sitzende Shirts zu pressen, die nicht einen Schwimmring verschweigen. So wie die Fähre La Paz-Mazatlan statt der ausgeschriebenen 12 eher 16 bis 18 Stunden unterwegs ist, brauchen wir acht anstelle der angekündigten sechs Stunden. Auf dem offenen Oberdeck, wo meist die Kleinfahrzeuge landen, hätten wir uns im Fahrzeug aufhalten dürfen, aber wir verzichten freiwillig. Es ist zu warm und stickig, und zu sehen gibt es auch nichts. Das Entladen des zweistöckigen Schiffs mit Lift – eine Ladeklappe gibt es nur im Heck – geht zügig vonstatten, da die Fähre nicht voll ist und die meisten Fahrzeuge noch auf Deck wenden und vorwärts ausfahren können.

Es ist bald Mitternacht und wir brauchen einen Platz zum Schlafen. Auf dem Weg von Topolobampo nach Los Mochis passieren wir den Flughafen, an dessen Zufahrt wir eine große PEMEX-Tankstelle mit Verladestation für was auch immer und großem Parkplatz dahinter finden. Der Mann vom Sicherheitsdienst möchte ein Trinkgeld haben, was in Ordnung geht. Ich gebe ihm 20 statt der geforderten 30 Peso, worüber er auch glücklich ist. Der Flugverkehr, in dessen Einflugschneise wir uns befinden, setzt erst am Morgen ein. Somit haben wir eine ruhige und perfekt bewachte Nacht.

La Paz, Baja California Sur – Geschäftige Strandtage

Samstag, Mai 21st, 2011

Drei Tage bleiben wir am Strand von El Tecolote, mit täglichen Unterbrechungen. Wir sind nicht faul, de facto gehen wir nur ein einziges Mal schwimmen. Wir arbeiten an unserer Homepage, schreiben E-Mails und treffen uns mit Regine und Walter, dem Ehepaar aus der Schweiz, das uns in Amado, Arizona, besuchte. Es ist ein freudiges Wiedersehen mit Eisessen beim Italiener und Spaziergang am Malecón. Ich wage mich zu einer spanischsprachigen Friseurin, die meine Haare besser als je zuvor hinbekommt. Am Strand lernten wir eine französische Familie kennen, die mit ihrem Sohn ein Jahr durch Amerika von Süd nach Nord tingelt. Sie hatten von Mazatlán aus nach La Paz mit der TMC-Fähre verschiffen wollen und ein äußerst günstiges Angebot erhalten. Als es dann aber an den Ticketkauf ging, war alles plötzlich viel teurer. Sie verschoben die Fahrt um zwei Tage und nahmen schließlich Bajaferries. Wir fahren vorsichtshalber noch einmal in den Hafen und stellen unseren Unimog so, dass die Damen vom Fährbüro ihn wirklich sehen können. Wir erhalten das gleiche Preisangebot wie beim letzen Mal, was nach wie vor keine Garantie ist. Schließlich verabschieden wir uns noch von Bill und Barbara, den beiden Amerikanern.

Am Abend kommt die Winsch wieder zum Einsatz. Ein Jeep gräbt sich in eine Düne ein und benötigt Hilfe. Diesmal handelt Jörg vorher ein paar Bier aus statt eines flüchtigen „gracias“ der reichen verwöhnten Söhne Mexikos, denn die Aktion ist mit 30 bis 40 Minuten Arbeit verbunden. Den Camper aufräumen, damit wir fahren können, Winschen, das Winschseil wieder ordnungsgemäß aufrollen, zurückfahren. Luis ist nicht auf den Kopf gefallen. Er sieht, wie viel Arbeit mit der Aktion verbunden ist und hilft uns, das Seil wieder aufzurollen, statt einfach davonzufahren wie die seine Vorgänger. Er schenkt uns schließlich sein komplettes Bier, das er noch im Kühler hat. (Mexikaner scheinen immer Bier dabei zu haben.) 20 Minuten später kommt Luis noch einmal vorbei und bringt uns eine Portion Ceviche, den Salat aus rohem Fisch, mit frisch gebackenen Tortillachips aus dem benachbarten Fischrestaurant. Dann sind wir bereit zur Abreise von der Baja California, die uns ausnehmend gut gefallen hat.

Todos Santos, Baja California Sur – Wiederauferstandene Stadt aller Heiligen

Mittwoch, Mai 18th, 2011

Der Morgen bringt die Flut zurück. Der Wind hat zugelegt und lässt die Wellen auf immense Höhen anschwellen. Meterhohe glasig-grüne Wände aus Wasserstoff und Sauerstoff rasen auf uns zu, bis sie sich überschlagen und sich in einem Wirbel aus weißem Schaum auflösen. Mit mindestens gleicher Kraft tauchen sie unter der nächsten Woge hindurch und strömen ins Meer zurück, alles mit sich reißend, was nicht fest verankert ist. Die Brandung, die an die Felsen am Rande des Strandes donnert, löst sich in einer 30 m hohen Explosion auf, sodass selbst Arminius daneben wie ein Zwerg wirkt. Pelikane beeindrucken mich mit ihren Flugkünsten. Sie surfen die hereinrollenden Wellen ab, lassen sich ganz dicht an der Wasserwand vom Luftpolster voran schieben, um rechtzeitig, genau bevor die Welle sich überschlägt, aus dem tödlichen Tunnel herauszusegeln.

Der Verkehr im Flussbett, das man hier Arroyo nennt, wird immer dichter. Gruppen amerikanischer Kreuzfahrttouristen aus Los Cabos, die an geführten Touren mit Quads, Dünenbuggies oder Pferden teilnehmen, bevölkern den Strand. Wir verziehen uns auf die MEX 19 nord, die zur perfekten vierspurigen Autobahn ausgebaut wird oder bereits ist dank staatlicher Finanzspritze zur Tourismusförderung, und die statt MEX 1 alternativer Zubringer von La Paz nach Los Cabos ist. Mitten in dieser Einflugschneise liegt Todos Santos, was Allerheiligen bedeutet. Der Ort hat eine hübsche Plaza, die sich mit ihrer andalusischen Architektur mit Rundbogenfenstern und -türen und mit Holzgeländern umrahmten Hochterrassen von anderen unterscheidet. Die ursprüngliche Mission wurde wie viele andere zerstört, doch haben eifrige Mönche einen Ersatz geschaffen. Zahlreiche Cafés, Restaurants und Kunstgalerien wetteifern dezent um die Dollars in den Geldbörsen der Besucher. Die Straße zur Süßwasserlagune mit zahlreichen Wasservögeln sollten sich nur Fahrer von kleinen Fahrzeugen vornehmen – nichts für Wohnmobile.

Einige wenige Hotels oder Ranchs bieten Zimmer am Strand an, der sich auch hier zum Baden nicht eignet. Die Stadt selbst wurde im 18. Jahrhundert zwei Kilometer landeinwärts an einer Quelle errichtet, die zwei Jahrhunderte später plötzlich versiegte, die Landwirtschaft zum Erliegen brachte und Todos Santos praktisch zur Geisterstadt verkommen ließ. 1981 sprudelte die Quelle plötzlich wieder und schenkte der Stadt ein zweites Leben. Am Abend sind wir zurück in La Paz und am El Tecolote Strand, wo das Meer wieder friedlich ist.

Los Cabos, Baja California Sur – Mexiko meets Amerika

Dienstag, Mai 17th, 2011

Kommt man von der einsamen Staubpiste mit den Traumstränden, können Los Cabos und der Korridor wie ein Kulturschock wirken. Die beiden Städte San José del Cabo und Cabo San Lucas am Südende der Baja-Halbinsel sind gemeinhin unter den Kurznamen Los Cabos bekannt. Sie sind touristisch, kommerziell und amerikanisiert, aber auch sauber, hübsch und begrünt. Die 28 km dazwischen nennt man den Korridor, eine vierspurige Straße mit Palmen und Bougainvilleas bepflanzt. Das Ganze ist eine Hochburg des Luxustourismus mit Marinas für Megayachten, Fünfsternehotels, Eigentumsvillen und -wohnanlagen, Juwelier- und Souvenirgeschäften, Restaurants, Kunstgalerien und einer Vielzahl von Freizeit- und Vergnügungsmöglichkeiten.

Los Cabos soll die teuerste Urlaubsdestination Mexikos oder zumindest auf dem besten Weg dahin sein. So teuer, dass viele lokale Familien, die seit Generationen hier wohnen, sich das Leben nicht mehr leisten können und wegziehen müssen. Was wiederum zu Spannungen zwischen Anwohnern und reichen Gringos führt. San José del Cabo ist noch die mexikanischere der beiden Städte. Sie besitzt eine sehr schöne historische Plaza mit restaurierten Kolonialbauten, einer Mission, die zwar nicht mehr die Originalkirche ist, aber auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, und ein Künstlerviertel. Kränkelnder Tourismus und harte Konkurrenz führen zu wettbewerbsgesteuerter Preispolitik und teils aggressivem Kundenfang (mehr noch in Cabo San Lucas). Ein Schlepper lockt uns in eine schattig-kühle Terrassenbar an der Plaza (La Internacionál) mit wunderbarem Ausblick. Dort gibt es das eiskalte Bier für einen US-Dollar – kaum mehr als im Supermarkt.

Der Korridor beherbergt so ziemlich alle Großmärkte, die amerikanische oder andere Herzen begehren könnten: Ob Walmart oder Home Depot, ob Costco oder Sam’s Club, alles ist da. Cabo San Lucas ist ein Ort für Partygänger und Schnäppchenjäger, die den besten Happy-Hour- und All-you-can-eat-Angeboten nachjagen. Riesige Kreuzfahrtschiffe legen hier an und spucken ihre menschliche Fracht in die Stadt. Dem Ambiente ein wenig abträglich ist, dass die Küste komplett verbaut und kaum zugänglich ist. Selbst das Wahrzeichen Cabo San Lucas’, Finisterra, das Ende des Landes, das Kap, die äußerste Südspitze der Baja California, mit ihrem charakteristischen Steinbogen ist kaum auszumachen. Die besten Möglichkeiten sind noch an einer Bootstour teilzunehmen oder vom Strand des Hotels Solmar am Ende der Straße aus einen Blick zu werfen. Der Eintritt an den Hotelstrand ist kostenlos, aber es gibt kilometerweit keine Parkplätze. Man muss weit laufen, ein Taxi nehmen oder man könnte vielleicht vorgeben, im Hotel einchecken zu wollen und den Hotelparkplatz zu benutzen.

Die MEX 19 führt von Los Cabos aus am Pazifik entlang Richtung Norden. 42 km weiter stößt man auf ein riesiges trockenes Flussbett mit Quad- und Dünenbuggyverleih auf beiden Seiten, dem man mit einem Allradfahrzeug zum Strand folgen kann. Playa de Migriño ist ein beliebter Surferstrand, wenn auch zum Baden viel zu gefährlich. Die Wellen sind schon bei Ebbe beeindruckend. Je weiter die Flut hereinrückt, desto mehr Wasser spritzt an den Felsen hoch, die die Seiten des Strandes säumen, und desto mehr vom Strand erobern sich die Brecher. So viel, dass es uns ungemütlich wird und wir uns einen Schlafplatz weiter weg vom Wasser suchen, der zugleich eine gedämpftere Geräuschkulisse bietet. Morgen Früh werden wir feststellen, dass unser zuerst gewählter Schlafplatz trocken geblieben wäre, dass aber das Wasser bis auf weniger als zwei Meter herangekommen wäre. Definitiv zu aufregend zum Schlafen.

Will man am Strand campen, sollte man auf jeden Fall ausreichend Abstand zum Wasser einhalten, evtl. Ortskundige wie Fischer befragen, wo sich die Wasserlinie bei Flut befindet, größere Gezeitenunterschiede bei Neu- und Vollmond einberechnen und das Meer im Blick behalten. Besser noch sind Gezeitentabellen oder ein Gezeitenrechenprogramm für den Laptop (z.B: WXTIDE32, kostenloser Download).

Zacatitas, Baja California Sur – Karibikfeeling

Montag, Mai 16th, 2011

Die Strände haben bis ca. 20 km vor Sand José del Cabo eingebautes Karibikfeeling mit der perfekten blau-weißen Farbkombination. Zwar stehen immer wieder kleine Siedlungen, Resorts oder Gringowohnanlagen dazwischen, die den Strandzugang erschweren oder praktisch gesehen unmöglich machen. Aber dann kommt der nächste völlig einsame Strand, den man mit dem Fahrzeug befahren und wo man unbehelligt campen kann. Wir lernen einen interessanten holländischen Fotokünstler kennen, der jedes Jahr mehrere Monate hier mit seinem Wohnmobil verbringt. Die Staubpiste El Camino Rural Costero wird regelmäßig gegradet und ist für ziemlich alle Fahrzeuge befahrbar. Je weiter man jedoch Richtung Südkap kommt, desto mehr wird der pazifische Einfluss deutlich: Die Wellen werden größer, die Brandung klatscht lautstark ans Ufer und Unterströmungen machen Schwimmen teilweise gefährlich. Wir wechseln sogar einmal am Abend den Platz, da wir befürchten, die in unregelmäßigen Abständen mit D-Zuglautstärke hereinrollenden Brecher lassen uns nicht schlafen.

El Rincón, Baja California Sur – Die besten aller Strände

Samstag, Mai 14th, 2011

Die schönsten und einsamsten Strände von Baja California findet man am Südende der Halbinsel ab La Ribera. Hier ist der Sand weiß, das Wasser türkisfarben und warm, die Mobulas, kleine Mantarochen, springen Pirouetten drehend weit aus dem Wasser und im Hintergrund perfektionieren kupferfarbene Berge das Bild. Sogar Sonnenschirme gibt es, öffentlich und kostenlos. Allerdings haben diese kein allzu langes Leben, obwohl sie mit übergeworfenen Netzen geschützt wurden: Die jeden Morgen und Abend vorbeiziehenden, frei herumlaufenden Kuhherden fressen mit Vorliebe die vertrockneten Palmblätter, mit denen die Schirme gedeckt sind. Das bringt wohl ein wenig Abwechslung in ihre eintönige Kost aus Kakteen, die sie teilweise in ihren Köpfen und Nasen stecken haben, was sie nicht sonderlich zu stören scheint.

Tagsüber kommen wenige Windsurfer, Kiteboarder, Angler oder auch mal mexikanische Familien hierher, nachts aber sind wir die einzigen Camper. Ein paar Gringohäuser liegen eingemauert zwischen den Dünen, ihr angeheuerter Sicherheitsbeauftragter patrouilliert hin und wieder auf seinem Quad den Strand. Vor ein paar Jahren hatten die Amerikaner versucht, den Strand für sich abzusperren, was laut Gesetz nicht möglich ist, denn alle Strände sind öffentlich und zumindest Fußgängern zugänglich. Es gab ziemlich viel Ärger und am Ende setzten sich die mexikanischen Anwohner durch. Seitdem fühlen sich die Zuwanderer wohl nicht mehr so sicher und benötigen einen Sicherheitsdienst.

Los Barilles, Baja California Sur – Die Stadt der fröhlichen Frührentner

Freitag, Mai 13th, 2011

San Antonio und El Trufino sind zwei kleine Nachbardörfer, die im 19. Jahrhundert während des kurzen Gold- und Silberbooms der Baja aufblühten. Eine frisch asphaltierte Abkürzung bringt uns von San Juán de los Planes zur MEX 1 zurück. Heute ist von den Minen kaum noch etwas zu sehen, selbst die Ruinen sind bis auf wenige verschwunden. El Trufino hat immerhin einen Schornstein aufzuweisen, der außer der Tatsache, dass Gustave Eiffel ihn konstruiert haben soll, recht gewöhnlich aussieht. Der Ort war die erste Siedlung auf Baja, die ohne Mission gegründet wurde, und besitzt trotzdem eine ansehnliche alte Kirche. In der ganzen Umgebung bekannt ist das Piano- bzw. Musikmuseum, wo neben einigen alten Klavieren auch andere historische Musikinstrumente ausgestellt sind. Der eigentliche Anziehungspunkt ist der kauzige Museumswärter, den man meist rufen lassen muss, und der ein kleines Privatkonzert gibt. Eine Spende wird erwartet.

Weiter Richtung Süden stößt man auf San Bartolo, wo man gut zum Mittagessen oder Kaffee halten kann. Doch nicht nur Restaurants und Cafés säumen die Straße, sondern auch Süßigkeitenläden und Marktstände, wo man Mangos, Papayas, Grapefruits, Avocados und andere Früchte kaufen kann. Trifft die MEX 1 wieder aufs Meer, befindet man sich in Los Barilles. Zwar gibt es auch hier Mexikaner, aber geprägt wird das Ortsbild von amerikanischen Frührentnern, die auf ihren Quads fröhlich zum Supermarkt, zum Restaurant, in den Baumarkt und überall dazwischen sausen, und ihren Residenzen. Auch Dieter und Cherisse, die beiden Kiteboarder von gestern, mit unter 50 sehr frühe Frührentner, haben ihr Haus am Strand, wo sie den kalten amerikanischen Winter überstehen. Hier gibt es kein Quad, aber andere Spielzeuge, die einen so über den harten Tag bringen.

La Ventana, Baja California Sur – Wind im Schirm

Donnerstag, Mai 12th, 2011

Nur 40 km südöstlich von La Paz liegen weitere wunderschöne weiße Strände. Über die asphaltierte BCS 286 gelangt man über La Ventana und El Sargento schließlich an den öffentlichen Strand, der bei Windsurfern und Kiteboardern so beliebt ist. Der vor allem im Winter zuverlässig blasende Nordwind zieht Wassersportler in Scharen an und verscheucht freundlicherweise Fluginsekten. Die hervorragenden Surfbedingungen sorgten auch hier für einen prosperierenden amerikanischen Grundstücksmarkt. Es ist eine Freude, die Kiteboarder mit ihren bunten Schirmen übers Wasser gleiten zu sehen. Ein Pärchen davon scheint uns zu mögen, und schon haben wir wieder eine Einladung für morgen, die auf unserer vorgesehenen Fahrtroute liegt.

La Paz, Baja California Sur – Bier auf kubanisch in Mexiko

Mittwoch, Mai 11th, 2011

Das mexikanische Restaurantfrühstück ist üppig. Fleisch oder Fisch mit Bohnen, Reis und Tortillas, den Schärfegrad kann man mit Habanerosoße selbst bestimmen. Dazu trinken wir frisch zubereitete Fruchtcocktails, die so vielversprechende Namen wie Dracula, Vampir, V8 oder Osteoporose tragen. Der Mercado in La Paz ist jedoch nicht nur ein Ort, an dem man seine Morgenmahlzeit einnimmt, die einen über den kompletten Tag bringt. Hier kauft man Fisch beim Fischhändler, Hähnchen beim Geflügelmann, Schwein beim Schweine- und Rind beim Rindermetzger. Obst und Gemüse gibt es am Früchtestand, Käse in der Milchprodukteecke und ofenheiße Mehl- oder Maistortillas viertel-, halb oder kiloweise in der Tortillabäckerei. Und wenn man sich nicht sicher ist, darf man von allem vor dem Kauf probieren. Märkte sind auf der ganzen Welt eines der spannendsten Dinge, die Städte zu bieten haben.

La Paz ist mit 200.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt der Baja, durch und durch mexikanisch, freundlich, hübsch und angenehm, und gerade deshalb bei vielen amerikanischen Expats, die dem in Tijuana und Ensenada noch spürbaren American Way of Life entfliehen wollen, so beliebt. Bill und Barbara aus Texas, ihres Zeichens Frührentner, sind zwei davon. Sie zeigen uns nicht nur den Mercado, sondern auch die mit fünf Kilometern angeblich längste Strandpromenade der Welt, die Plaza Constitución mit dem Park Jardín Velazco und der Catedral de Nuestra Señora de La Paz, die 1861 von Dominikanermönchen als Ersatz für die ursprüngliche Jesuitenkirche von 1720 erbaut wurde. Die war nämlich 1734 bei einem Indioaufstand niedergebrannt und 14 Jahre später endgültig verlassen worden. Ihr genauer Standort ist unbekannt. Ebenfalls einen Besuch wert sind der historische Gouverneurssitz, das Kulturzentrum mit der Galeria de Arte Carlos Olchea, die permanente und Wechselausstellungen beherbergt, sowie das anthropologisch-historische Museum, das leider nur in Spanisch informiert.

Bill und Barbara hatten uns in der Bahia Constitución am Strand angesprochen und eingeladen. Mit ihnen zusammen studieren wir mexikanische Restaurantküche. Fischfilet mit Mangosoße gab’s gestern Abend, heute entscheiden wir uns für Enchilada. Ein großer Tortillafladen wurde nach Art des Hauses gefüllt mit so ziemlich allem Verfügbarem: Hähnchen, Mozarella, Tomaten, Bohnen und Guacamole, der pikanten Avocadosalsa. Dazu trinkt man Wein, Bier pur oder kubanisch (mit Limonensaft, Worcestersoße und Tabasco) oder Margarita. Oder alles. Hicks.

La Paz, Baja California Sur – Fährstudien

Dienstag, Mai 10th, 2011

Was in Tecate nicht möglich war, ist hier ganz einfach: die temporäre Importgenehmigung für unseren Unimog zu erhalten, die außerhalb der Baja California für ausländische Fahrzeuge vorgeschrieben ist. Es dauert zwar eine halbe Stunde, bis alle Papiere ausgefüllt und Kopien herbeigeschafft sind, die Zollerklärung erstellt sowie das Fahrzeug klassifiziert ist. Doch die Damen im Banjercito Büro im Fährhafen sind hochprofessionell und sprachgewandt. Für 592 MXN erhalten wir eine zehn Jahre gültige Genehmigung, ohne die man nicht aufs mexikanische Festland übersetzen kann. Außerdem benötigt man eine auf den Fahrzeughalter lautende Kreditkarte, den Fahrzeugbrief als Inhabernachweis (nicht den Schein!), Pass und Touristenkarte. Von Pichilingue aus gibt es zwei Fährunternehmen: Bajaferries und TMC steuern beide sowohl Topolobampo als auch Mazatlán an.

Während Bajaferries gut organisiert und englischsprachig, wenn auch mit höheren Preisen arbeitet, ist die Verständigung am TMC-Schalter schwieriger. Wie erklärt man einer spanischsprachigen miniberockten drallen Mexikoschönheit, was ein Unimog ist? Der Versuch endet mit zwei verschiedenen Preisen – das letzte Angebot ist teurer – da kleine Campingfahrzeuge bei TMC nicht vorgesehen sind. Insgesamt bleibt der Preis für einen kleinen Lkw bis 7 m trotzdem unter dem Angebot von Bajaferries. Unschlagbar ist außerdem die Möglichkeit, im Camper zu schlafen, wenn man einen Stellplatz auf dem Oberdeck ergattert, was sich auf der 16stündigen Fahrt nach Mazatlán (nur sechs nach Topolobampo) doppelt rechnet. Da beide Unternehmen aufgrund mangelnder Auslastung in der Nebensaison keine Reservierungen entgegennehmen, hoffen wir, das Angebot wird auch in einer Woche noch gelten.

Pichilingue, Baja California Sur – Macho mexikano ist platt

Montag, Mai 9th, 2011

Nördlich des Hafens von La Paz, genannt Pichilingue, befinden sich einige Strände, die hübscher werden, je weiter man sich von der Stadt entfernt. An einigen gibt es Restaurants, andere sind infrastrukturfrei. Der schönste und größte Strand heißt El Tecolote und liegt fast am Ende der Straße. Hier stehen zwei Restaurants, links davon öffentliche Sonnenschirme und kostenfreie Campingmöglichkeiten rechts davon. Außer den Mülleimern gibt es keine Einrichtungen, es sei denn in den Restaurants. Der Strand ist weiß und das Wasser seicht. Es ist kaum jemand hier, lediglich eine mexikanische Großfamilie, die fröhliche Musik hört, badet, Fußball spielt und Bier trinkt – inklusive der hochschwangeren Frau. Angesichts der vielen gesunden Sprösslinge, die herumtoben, sollte uns das keine Sorgen bereiten. Bier ist, wie in Bayern auch, Grundnahrungsmittel.

Und dann ist da noch ein Mexikaner, der für tatsächliche oder imaginäre Zuschauer eine Show abliefert. Mit seinem Jeep kämpft er sich mit jaulendem Motor einen steinigen Hügel am Rande des Strands hoch. In Mexiko zeigt sich der Macho im Mann vor allem dadurch, dass sich der pubertäre männliche Selbstdarstellungstrieb nicht verliert und bis ins hohe Alter anhält, was zum Teil putzige Auswüchse zeigt. Unser heutiges Musterbeispiel kommt nur langsam den Berg wieder heruntergekrochen, wühlt im Auto herum, debattiert eine Weile mit der Familie und kommt schließlich angeschlichen. Er habe sich einen Platten gefahren, aber er habe weder Wagenheber noch Werkzeug. Immerhin hat er einen Ersatzreifen dabei. Jörg muss ein wenig improvisieren, da unsere Gerätschaften überdimensioniert sind, doch schließlich ist das Rad gewechselt und Macho kann wieder spielen gehen.

El Centenario, Baja California Sur – Camping mit Pool

Sonntag, Mai 8th, 2011

Es werden heiße 320 km nach La Paz. Die Städte Ciudad Insurgentes mit 10.000 und Ciudad Constitución mit sogar 37.000 Einwohnern an der MEX 1 haben dem Reisenden außer Versorgungsmöglichkeiten wenig zu bieten. Constitución ist verschrien wegen seiner korrupten Polizei, die fast immer versucht, Geld aus durchfahrenden Reisenden zu pressen. Niemand macht auch nur den Versuch, uns anzuhalten. Wir entschlossen uns trotz allem, bei 40° C den direkten Weg in die Hauptstadt der südlichen Baja California zu nehmen statt irgendwelche abenteuerlichen oder nicht vorhandenen Pisten über Berge an die Küste zu nehmen. Kurz vor La Paz treffen wir uns auf dem einzigen verbliebenen Campingplatz der Stadt mit Nadine, Mike und ihren beiden Jungs. Wir hatten die Schweizer im Joshua Tree National Park in Kalifornien kennengelernt und uns hier verabredet.

Das Campestre Marantha liegt östlich von El Centenario 11 km vor La Paz an der MEX 1. Es beherbergt in erster Linie kirchliche Gruppen – Kinder, Jugendliche oder Erwachsene – und bietet entsprechende Schlafsäle mit Küche, Duschen, Waschmaschine im Non-Profit-Betrieb. Die 13 Campingstellplätze dienen der Finanzierung des Projekts. Man steht hier für 15 $ pro Nacht oder 20 $ mit Hook-up. Den Swimmingpool kann man benutzen, wenn er nicht von den Gruppen belegt wird. Der Campingplatz ist zwar nicht ausgesprochen gemütlich, aber sehr sauber und die Besitzer sind freundlich.

Loreto, Baja California Sur – Winschwunsch

Samstag, Mai 7th, 2011

Als wir San Javier am Morgen verlassen wollen, ist die Straße gesperrt. Eine Rallye kommt durchs Städtchen, eine Art Veteranenrennen von Mexicali nach La Paz. Niemand einschließlich des Dorfpolizisten weiß, wie lange das Ganze dauert und woran man das Ende der Rallye erkennen kann. Nach eineinhalb Stunden Dünenbuggys, Geländemotorräder, getunte VW Käfer und Jeeps beobachten beschließen alle Wartenden einhellig, die Straßensperrung aufzuheben und fahren los. Der Dorfpolizist sieht teilnahmslos zu. Wir begegnen lediglich noch zwei versprengten Rennteilnehmern und einem Liegengebliebenen.

Nur 40 km sind es nach Loreto an der Cortessee, einer Stadt, die komplett auf Tourismus eingestellt ist. Das zeigt sich in den guten Versorgungs- und Übernachtungsmöglichkeiten, aber auch in den hohen Preisen der Souvenirshops. Loreto hat eine hübsche mit Palmen bepflanzte Strandpromenade, die man in Mexiko Malecón nennt, und sogar einen kleinen Strand mit Sonnenschirmen. Außerdem besitzt die Stadt die älteste Mission ganz Kaliforniens. Musste die Statue der Jungfrau von Loreto im Oktober 1697 noch in einem provisorischen Zelt stehen, wurde ihr zwischen 1699 und 1704 eine Steinkirche erbaut, die mehrfach erweitert und restauriert wurde. Die Originalstatue der Nuestra Señora de Loreto de Conchó steht auch heute noch in einem Nebenraum der Kirche und wird jedes Jahr in eine neue Robe gekleidet. Dafür beschützt die Heilige ihre Kirche: Sie überstand sowohl den Hurrikan von 1829 als auch das verheerende Erdbeben 1877. Das restaurierte vergoldete Altarbild stammt ebenfalls original aus der Missionszeit.

Diesmal erhalten wir Wasser kostenlos an der PEMEX-Tankstelle. Da es sich zwar um Trinkwasser handeln soll, das aber aus einem Vorratsspeicher auf dem Dach des Gebäudes stammt, sind wir wieder einmal froh um unsere Wasserdesinfektions- und Filteranlagen. 20 km südlich der Stadt kann man am Strand von Juncalito kostenlos campen. Eine Limousine hat sich im Sand festgefahren, der Fahrer bittet uns um Hilfe. Kein Problem, wir bringen unsere Winsch zum Einsatz und innerhalb von Sekunden steht das Auto auf festem Grund. Leider hilft das nicht viel, der Mann hat sich das Auto beschädigt und kann nicht weiterfahren. Er lässt seinen Wagen stehen und steigt mit seiner Familie in einen Pick-up ein, der gerade den Strand verlässt.

San Javier, Baja California Sur – Die längsten 50 km unseres Lebens

Freitag, Mai 6th, 2011

Eigentlich fing der Tag gar nicht so schlecht an. Einige der Fischer fuhren in den frühen Morgenstunden noch bei tiefer Dunkelheit hinaus und kehren am frühen Vormittag zurück. Da kommt auch schon der Lieferwagen, für den der Strand stundenlang bewässert worden ist, damit die Fahrspuren hart sind. Die Männer wiegen den Fang, notieren alles und beladen den Lkw. Flunder, Gitarrenrochen, Ammenhaie, Bonitos und große Makrelen sind darunter. Ich sehe meinen Colamann von gestern nicht, also frage ich den Verantwortlichen, das scheint mir der Mann mit Buch und Stift zu sein, ob ich einen Fisch kaufen kann. Er antwortet: „Ja.“ Ende der Durchsage. Ich übe mich in Geduld, doch nach ein paar Minuten deute ich auf einen Flunder, den ich haben möchte. Der Mensch schafft es, mich völlig zu ignorieren, was angesichts meiner 1,77 m gar nicht so einfach ist. So leicht aber wird man mich nicht los. Ich warte eine Viertelstunde, bis aller Fisch gewogen, notiert und verladen ist.

Der Fischer schaut noch ein paar Minuten ins Leere, aber da sich seine Hoffnungen nicht erfüllen und ich mich bis dahin nicht in Luft aufgelöst habe, wendet er mir doch seine Aufmerksamkeit zu und fragt etwas, das ich nicht verstehe. Mein Spanisch sei nicht so gut, teile ich ihm mit, worauf er einen blöden Witz reißt. Na gut. Dann fragt er mich verständlicher, wie viel Fisch ich möchte. Er klettert auf den Lkw und hält zwei große Makrelen hoch. Da ich Diskussionen mit dem Schweiger für sinnlos erachte, nicke ich pflichtschuldigst und will wissen, was das kostet. „Nichts.“ Großartig. Da ich intelligenterweise keine Tüte mitbrachte, dackle ich glücklich mit meinen beiden Fischen ab, in jeder Hand einen. Vermutlich bin ich der Lacher für den Rest des Tages. Ist mir egal, ich zerlege, filetiere und enthäute die Beute gleich und friere den Großteil ein bis auf das, was es am Freitagabend im katholischen Mexiko geben soll.

Dann fahren wir die größtenteils asphaltierten 40 km nach Comondú, das eigentlich aus zwei Orten, San José de Comondú und San Miguel de Comondú, besteht. In den beiden hübschen Oasendörfern werden Datteln, Feigen, Mangos, Bananen, Zitrusfrüchte, Mais, Trauben und Zuckerrohr angepflanzt, wiederum gespeist von einem Fluss mit Wasser aus den Vulkanbergen. Der zweite Ort hatte eine der größten Missionen ganz Kaliforniens aufzuweisen, die in den Jahren 1751 bis 62 erbaut wurde. In den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts jedoch riss man aus praktischen Gründen den Großteil des Gebäudes nieder, um mit den Steinen eine Schule und Privathäuser zu bauen. Was noch übrig ist, war vermutlich die Unterkunft für Missionare gewesen und wird heute von den Gemeinden als Kirche genutzt.

Wir folgen der Beschilderung nach San Javier. In meiner Beschreibung steht, dass die ersten 30 km in relativ schlechtem Zustand sind, sich die letzten 20 aber erheblich verbessern. Das ist die Untertreibung des Jahres. Wobei ich zugeben muss, dass die Angabe zum Zeitpunkt der Drucklegung vielleicht stimmte, sich die Situation nach den letzten heftigen Regenfällen dann dramatisch änderte. Die Schotterpiste ist eigentlich gar nicht mehr befahrbar mit ihren ernstzunehmenden Auswaschungen. Es sei denn, man ist unverbesserlicher Offroadfan, hat das entsprechende Fahrzeug sowie die Erfahrung, liebt den Nervenkitzel, in das Hunderte Meter tiefer gelegene Tal abstürzen zu drohen, weil der Pfad einfach nicht mehr breit genug ist und ist bereit, für die 50 km eine Fahrzeit von vier dreiviertel Stunden zu investieren, wobei knappe vier Stunden auf die ersten 30 km entfallen. Bin ich eigentlich nicht, aber das weiß ich vorher nicht.

Als uns klar wird, dass mit der Straße etwas nicht stimmt, ist es zu spät zum Umkehren. Es gibt schlicht keine Wendemöglichkeit, und als sich die erste nur ansatzweise ungefährliche anbietet, sind wir schon so weit gefahren, dass wir gar nicht mehr zurück wollen. Man denkt ja immer, schlimmer kann es nicht kommen. Es kann immer schlimmer kommen, daher geht der Tag in meine Annalen ein. Die Auswaschungen laufen quer oder längs, meist ist der Schotter bis auf die großen Fundamentsteine weggespült. Besonders problematisch ist die Situation an den zahlreichen Steigungen und Gefällen und in den Spitzkehren, wo das Wasser besonders schnell lief und fast alles mit sich riss, was nicht schwer genug war liegenzubleiben. Einziger Lichtblick ist, dass vor uns irgendwann einmal ein Fahrzeug gefahren sein muss, dessen Spur erkennbar ist, wenn auch mit schmälerem Radstand und vermutlich niedrigerem Schwerpunkt. Jörg wird heute Abend zu mir sagen, dass er mich zum ersten Mal im Leben etwas gestresst gesehen hat. Das will wohl etwas heißen.

In einem Tal liegen Dutzende von Kuh- und Ziegenkadavern, über deren fast vertrockneten Resten noch die allgegenwärtigen Geier kreisen. Es scheint als ob die Tiere ertrunken sind und hier angespült wurden. Ertrunken in der Wüste – das sind die realen Gefahren des Lebens. Am Ende des Tages erreichen wir dann doch San Javier, ein hübsches Städtchen mit gepflasterten Straßen und einer der besterhaltenen Missionen auf Baja California. Während die erste Kirche 1699 wegen einer Indiorevolte aufgegeben worden war und verfiel, wurde die heute zu sehende Mission von 1744 bis 58 erbaut und zeigt im Inneren drei wertvolle barocke Altarbilder, geschnitzt und vergoldet. Erleichtert stellen wir fest, dass man hinter der Mission kostenlos campen kann, neben den landwirtschaftlich genutzten Flächen mit Zwiebeln, Guaven, Papayas, Zitrusfrüchten, Mais, Trauben, Chilis, Datteln und brüllenden Kühen.

La Purisima, Baja California Sur – Oase in der Wüste

Donnerstag, Mai 5th, 2011

Während die MEX 1 nach Loreto weiterführt, fahren wir einen Rundkurs durch die Sierra de la Giganta. Eine steinige Piste, die bei den letzten Regenfällen einigen Schaden genommen hat, der zum Teil noch auf seine Reparatur wartet, führt durch die Berge mit ihrem endlosen Kakteenbewuchs. Das Thermometer klettert auf 40° C. Dann kommen ein paar erloschene Vulkane in Sicht, und plötzlich, man will seinem Auge nicht trauen, Grün: Im Tal glitzert Wasser, Palmen wachsen in der Oase. In den beiden Dörfern San Isidro und La Purisima werden auch heute noch in Kleinbauernwirtschaft Datteln, Zitrusfrüchte und Mangos angebaut. La Purisima war von 1720 bis 1822 sogar Missionsstation, dann allerdings für fast 80 Jahre verlassen, bis mexikanische Farmer den Ort wiederbelebten. Von der ursprünglichen Mission sind heute nur noch Ruinen auf Privatgelände nördlich des Dorfes zu finden.

Kaum haben wir die Oase verlassen, befinden wir uns wieder in der heißen Wüste. Zu heiß zum Schlafen, beschließen wir, und fahren bei La Poza Grande an der BCS 53 an den stets kühlen Pazifik. Der weiche dunkle Sandstrand bei Puerto San Andresito gehört zu einer Fischkooperative. Die Männer lassen uns gerne kostenlos hier stehen, nachdem wir höfliche gefragt haben. Der einzigen Bitte eines Fischers nach einem Soda kommen wir gerne nach, auch wenn wir nur Cola light anzubieten haben. Ihn stört’s nicht und er verspricht, uns morgen Fisch zu bringen, wenn er morgen mit seinem Fang heimkommt und wir noch da sind.

Playa Santispak @ Bahía Concepción, Baja California Sur – Traumstrände

Mittwoch, Mai 4th, 2011

Die Bahía Concepción genannte Bucht an der Cortessee südlich von Mulegé bietet rund ein Dutzend geschützte romantische Strände mit weißem Sand und reichlich Möglichkeiten zum Wassersport. Wir entschieden uns gestern Abend, an der Playa Santispak einen Strandtag einzulegen. Hier standen früher die Strandhäuschen der amerikanischen und kanadischen Snowbirds, bis die Gebäude entfernt werden mussten. Nur noch ein paar Grundmauern erinnern an die frühere Feriensiedlung. Heute gibt es hier nur ein Restaurant mit Kajakverleih und ein paar Sonnendächer. Wie an den anderen Stränden auch zahlt man einen kleinen Eintritt, der die Campingübernachtung einschließt. In Playa Santispak sind das beispielsweise 80 MXN pro Fahrzeug. Die Bucht ist windgeschützt, fällt flach ab, hat angenehmes Badewasser, aber auch eine Menge lästige Sandfliegen.

Santa Rosalía + Mulegé, Baja California Sur – Die Eiffelkirche

Dienstag, Mai 3rd, 2011

Die Gegend rund um Santa Rosalía zählt nicht zum attraktivsten, das Baja California zu bieten hat, denn Kupfer-, Kobalt- und Zinkabbau hinterlassen ihre deutlichen Spuren. Anderseits hat das hübsche und äußerst sympathische Städtchen selbst seine Existenz der französischen Minengesellschaft El Boleo zu verdanken, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann, Kupfer abzubauen. Ihr französisches Erbe ist Santa Rosalía auch heute noch anzusehen. Es ist der einzige Ort auf der Halbinsel, der statt spanischer französische Kolonialarchitektur aufweist.

Die Kirche des Ortes ist eine schlicht-schöne Konstruktion nahezu komplett aus vernietetem, weiß lackiertem Metall, die eine spannende Geschichte aufzuweisen hat: Sie soll vom berühmten Turmarchitekten Gustave Eiffel für die afrikanischen Überseekolonien Frankreichs entworfen, bei der Weltausstellung 1889 in Paris ausgestellt und dann in einem Lagerhaus in Brüssel vergessen worden sein. Ein El Boleo Manager entdeckte die Kirche wieder und verschiffte sie nach Mexiko. Allerdings kamen in den 1990er Jahren Zweifel an der Herkunft der Iglesia Santa Bárbara de Santa Rosalía auf, die nie endgültig ausgeräumt werden konnten.

Und ein weiteres koloniales Relikt überlebte: Die Bäckerei Panadería El Boleo stellt seit 1901 Baguette, Brot, sowie mexikanisches und französisches Gebäck her. Alte Schmelztiegel und Minengerätschaften dem Hafen gegenüber geben ein paar schöne Fotomotive ab. 60 km südlich liegt Mulegé, wieder ganz spanisch, mit einer der ältesten Missionen Bajas. Ihre Bauweise ist schlicht und massiv, mit ihrem unverputzten Stein vielleicht nicht so elegant wie die in San Ignacio, aber nicht weniger eindrucksvoll. Von dem Hügel aus, auf dem die Kirche steht, hat man hervorragenden Blick auf den grünen Mulegé Fluss und den Ort. Der Fluss mündet in der Stadt ins Meer, an der Playa El Sombrerito kann man sehr gut Seevögel beobachten.

San Ignacio, Baja California Sur – Batman greift an

Montag, Mai 2nd, 2011

Der seit Tagen andauernde Wind vertreibt uns aus der Wüste Vizcaíno, wo uns Sand und Dreck nur so um die Ohren fliegen. Selbst Strandspaziergänge machen keinen Spaß mehr. Über Punta Abreojos, wo eine neue Asphaltstraße beginnt, fahren wir zur MEX 1 und weiter nach San Ignacio. Das kleine Städtchen nimmt zu Recht eine Sonderstellung auf der Baja California ein. Es liegt inmitten einer üppig-grünen Palmenoase, gespeist von einer ergiebigen Quelle. Das Potenzial dieses Ortes hatte 1716 bereits Jesuitenpater Piccolo erkannt und eine Hütte errichtet, die als provisorische Kapelle diente. 1728 begannen Missionare, eine Kirche zu erbauen, die 40 Jahre später endgültig fertig gestellt wurde.

Die zentrale Plaza der Stadt ist umstanden von Kolonialbauten. An einem Ende thront die alte Missionsstation Nuestra Señor San Ignacio de Kadakaamán, die 1976 restauriert wurde und der Gemeinde heute als Kirche dient. Es ist eine eindrucksvolle Mission mit ihren über einen Meter dicken Wänden aus lokalem Vulkangestein, den massiven Holzbalken und den sechs Meter hohen Eingangstoren aus geschnitztem Holz vom mexikanischen Festland. Der Altar besteht ebenfalls aus geschnitztem, mit Blattgold verziertem Holz. Die hohen Wände sorgen für angenehme Kühle.

Gerade als wir die Kirche verlassen wollen, stockt mir der Atem. Anstatt zu Kreischen, was meine erste Idee war, sage ich gefasst: „Jörg, etwas kriecht an meinem linken Fuß hoch. Würdest du es bitte fotografieren!“ Ich erschauere. Welche Kreatur sucht eine nähere Beziehung mit mir einzugehen? Zunächst halte ich es für eine Maus, die sich bei näherem Hinsehen als kleine Fledermaus entpuppt. Sie hakt sich unter den Riemen meiner Sandalen ein. Doch sie mag das Blitzlicht nicht, versucht zu fliehen und an meinem glatten Bein hochzuklettern, was nicht gut klappt. Die Klauen krabbeln fürchterlich. Schließlich lässt Batman enttäuscht von mir ab, eine nähere Verbindung scheint doch nicht so erfolgversprechend zu sein.

Am Vulkan Las Tres Virgenes vorbei fahren wir durch die Berge wieder an die Cortes-See, wo wir bei Santa Rosalía auf einem einsamen Campingplatz Unterschlupf finden.

Bahía de Tortugas, Baja California Sur – Strandgut

Sonntag, Mai 1st, 2011

Der Nordstrand von El Vizcaíno um Malarrimo herum ist berühmt für sein Treibgut. Wind, Wellen und Strömungen spülen alles, was sich an der nordamerikanischen Westküste im Wasser befindet, von Alaska an südwärts, hier an. Darunter finden sich häufiger auch Drogenpakete, die beim Transport mit dem Schiff oder Flugzeug abgeworfen oder verloren wurden. Polizei und Anwohner liefern sich so manches Rennen um die verbotene, doch kostbare Fracht. Wir begeben uns auf die Suche nach interessantem legalem Strandgut, finden aber fast nur Müll und ein paar unidentifizierbare Knochen. Im Fischercamp Malarrimo liegt ein angeschwemmter großer Walkieferknochen, ein Stück westlich rottet ein Grauwal vor sich hin, allerdings ist das meiste bis auf den Kopf und ein paar Wirbelknochen bereits verschwunden. Die Haut ist schon fast versteinert, alles andere haben die Aasfresser erledigt, sodass sich das Geruchserlebnis in Grenzen hält.

Die Strandstraße von Malarrimo nach Nordwesten endet an einem Leuchtturm und ist nur für Allradfahrzeuge geeignet. Von hier aus kann man wieder eine recht gute Staubpiste zurück in Richtung Bahía de Tortugas nehmen, der mit 3000 Einwohnern größten Stadt, und dann weiter in das kleine Fischerörtchen Punta Eugenia an der Nordwestspitze der Halbinsel. Überall in der Gegend stehen Verbotsschilder, die das Fischen verbieten und regelmäßig patrouillieren so etwas wie Ranger, um sicherzustellen, dass niemand die Exklusivrechte der vier Kooperativen Bahía de Tortugas verletzt. Vor allem die Langusten und Abaloneschnecken, die zum Großteil für gutes Geld nach Taiwan exportiert werden, bringen den Fischern relativen Wohlstand.

Dann schlagen wir den Weg nach Süden ein und fahren wieder über eine Wüstenstraße nach Punta Asunción und weiter Richtung Punta Prieta, wo es wieder einsame Strände zum Campen gibt, Delfine springen, Kojoten heulen und Pelikane fischen. Der Strand besteht an der Wasserlinie aus Sand, weiter oben aber wurden Milliarden von Muscheln abgelagert, die schon fußfreundlich rund geschliffen sind.