Archive for März, 2011

Amado, Arizona – Umweltfreie Mobilwäsche

Donnerstag, März 31st, 2011

Eine mobile Waschanlage fährt auf das Ausstellungsgelände. Zwei junge Männer mit einem Pick-up offerieren Vor-Ort-Autowäsche. Auf der Ladefläche befinden sich neben einem Generator, einem Dampfstrahler und einem Wassertank zahlreiche Reinigungs- und Poliermittel. Sie bieten Außen- und Innenreinigung an. Für 25 $ bekommt Arminius eine Nasswäsche, das hätten wir an einer Selbstwaschanlage nicht günstiger hingekriegt. Wasser und Reinigungsmittel versickern im Schotter- und Sandboden. Umweltauflagen gibt es keine, außer dass sie für Motorwäschen kein Fettlösemittel verwenden dürfen.

Das Putzen und Herrichten von Arminius erweist sich als schwierig, da jeder Aussteller, der gerade Zeit hat, mit uns reden und das Fahrzeug ansehen will. Irgendwann ist aber auch das geschafft.

Amado, Arizona – Auf zur Overland Expo

Mittwoch, März 30th, 2011

Die Overland Expo in Amado, Arizona, ist unser nächstes Etappenziel. In Europa gibt es zahlreiche solcher Veranstaltungen, aber in Nordamerika ist das eher rar. Die Overland Expo findet zum dritten Mal auf Betreiben der „Erfinderin“ und Organisatorin Roseann Hanson statt. Alles dreht sich um Allrad-Reisen. Es ist gleichzeitig Verkaufsmesse für Fahrzeuge und Zubehör, Treffpunkt für Globetrotter, sowie Trainings- und Veranstaltungsforum. Es werden Geländefahrkurse angeboten, Reifen- und „Busch“-Reparaturen, Winschen, Proviantieren und Kochen unterwegs, medizinische Selbstversorgung, Reisen mit Kindern oder Hunden. Das Angebot ist umfangreich. Einige erfahrene und professionelle Globetrotter halten Dia- und Filmvorträge, darunter auch die Reiseschriftsteller Lois Pryce und Chris Scott.

Chiricahua National Monument, Arizona – Die artenreiche Himmelsinsel

Dienstag, März 29th, 2011

Der Kleinbus fährt pünktlich um 8:30 Uhr am Besucherzentrum ab und bringt uns auf den Berg zum Ausgangspunkt unserer Wanderung im Chiricahua National Monument südöstlich von Tucson. Der Bus fährt nur einmal am Tag und bietet 14 Plätze, aber eine telefonische Reservierung ist nicht möglich man muss schon persönlich vorsprechen. Daher beeilten wir uns gestern Abend, rechtzeitig im Visitor Center anzukommen und anschließend einen von 25 Plätzen auf dem Campground zu erhaschen, was sich als reine Glückssache erwies, da nur einer von den drei verbliebenen Plätzen groß genug und einigermaßen eben für Arminius war.

Wer sich Arizona als flache mit Kakteen bestandene Wüste vorstellt, hat nur zur Hälfte Recht. Es gibt zahlreiche durch Wüstengebiete voneinander getrennte Gebirgszüge, die man Sky Islands nennt, Himmelsinseln, denn nur größere Tiere oder Vögel können von einem Gebirge zum nächsten wandern. Auch die europäischen Alpen sind eine Himmelsinsel. Kleine Tiere sind dort eingeschlossen und somit haben sich in zahlreichen Gebirgen endemische Arten entwickelt. Insgesamt 40 solcher Sky Islands gibt es in Arizona, New Mexico und Mexiko. Sie gehören zu den drei Megazentren der Artenvielfalt auf unserm Planeten. Hier leben bis zu 1200 Pflanzen- (davon 233 Bäume) und 70 Säugetierarten, sowie 136 Reptilien und Amphibien. Die Hälfte der in Nordamerika vorkommenden 295 Vogelarten sind hier zu beobachten.

Auf der kurzen Busfahrt schließt Richard sich uns an. Der 68jährige Witwer aus Tucson ist die einzige alleinstehende Person heute Morgen, doch er wandert nicht gern alleine. Es macht ihm auch nichts aus, dass wir eine längere Wanderung als die anderen Mitfahrer planen. Das Chiricahua National Monument hat ausgesprochen schöne Wege, aber wenn man nur einen Tag Zeit hat, fällt die Entscheidung schwer. Die einzelnen Trails haben Verbindungspfade, und selbst wenn man alle miteinander verbindet kommt man auf wenig mehr als 14 bis 16 km. Die schönsten Bereiche sind zum einen der Echo Canyon, wo man durch ein herrliches Labyrinth aus Steintürmen läuft. Vor rund 27 Mio. Jahren brach ein Vulkan acht- oder neunmal aus, spuckte Asche, Vulkansand und heiße Gase aus, die auf dem Erdboden zu Rhyolit-Tuff zusammen buken. Durch Anhebung des Erdbodens zerbrach das Gestein und erodierte anschließend zu Säulen und anderen bizarren Formen.

Die wiederum sind auf dem zweiten Höhepunkt der Wanderung zu sehen: Auf dem Heart of Rocks Loop gibt es verschiedene „balancierende“ Steine, „küssende“ Steine oder eine steinerne Ente. Am Ende kann man entweder zum Ausgangspunkt der Wanderung zurücklaufen, wenn man sein Auto dort abgestellt hat, oder zum Visitor Center hinuntergehen, wenn man sich mit dem Bus hat hochfahren lassen. Letztere Möglichkeit bietet nicht nur den entscheidenden Vorteil, dass die Wanderung bis auf einige steile Bergpassagen hauptsächlich bergab führt. Außerdem steigt man aus über 2100 m hohen Bergen mit Föhren und Tannen in mittlere Lagen ab, wo Kiefern und Eichen wachsen. Am Ende des Tages befindet man sich in einer Halbwüste, wo Kakteen, Yuccas und Bärengras wachsen.

Richard ist außergewöhnlich durchtrainiert. Wir haben heute nicht nur eine der besten Wanderungen der letzten Monate gemacht, sondern auch einen interessanten Gesprächpartner gehabt, der wiederum von unserem gemeinsamen Tag so angetan ist, dass er uns für nächste Woche nach Tucson einlädt.

Tucson, Arizona – Die Wüste lebt

Montag, März 28th, 2011

Das Arizona-Sonora Desert Museum begeistert uns nicht ganz so, wie es uns durchgängig alle Reiseführer und Bewohner Tucsons Glauben machen wollen. Das liegt natürlich an uns, da Zoos immer gemischte Gefühle in uns hervorrufen. Denn das ist das Wüstenmuseum: eine Mischung aus botanischem Garten mit über 1200 Pflanzen und Zoo mit 300 lebenden Tierarten, alle in ihrer natürlichen Wüstenumgebung. Dazu kommen sehr schöne Mineralienausstellungen und weitere Themen. Das Desert Museum ist nur wenige Minuten vom Campingplatz entfernt und so beginnen wir unsere Tour am frühen Morgen. Doch schon wenig später füllt sich das Gelände mit mehr Erwachsenen und Kindern, als das an einem Montagmorgen zu erwarten gewesen wäre.

Natürlich ist die geballte Ansammlung verschiedener Wüstenpflanzen einmalig. Die meisten davon kann man aber bei Wanderungen draußen, ohne 14,50 $ Eintritt pro Person (im Winter) zu bezahlen, auch sehen. Das gilt ebenso für viele der Tierarten. Obwohl man vielen Tieren vielleicht etwas näher kommt als in der Natur. Das gilt beispielsweise für die beiden begehbaren Vogelhäuser, wo 40 verschiedene Vogelspezies in dem einen und ausschließlich Kolibris in dem anderen umherfliegen. Die Großkatzen wie Puma und Ozelot haben begrenzte Reviere und ziehen es vor, irgendwo im Schatten dösend auf die nächste Fertigmahlzeit zu warten. Auch der seltene mexikanische Wolf hat weit weniger Auslauf als ihm zustehen würde – allerdings würde man ihn sonst auch kaum zu Gesicht bekommen.

Recht agil und munter wirken zwei typische hiesige Wüstenbewohner: das Javelina und der erst kürzlich aus dem Süden zugewanderte Coatmundi. Javelinas heißen im Deutschen Halsbandpekaris oder schlicht Pekaris. Sie sehen unseren europäischen Wildschweinen sehr ähnlich und benehmen sich fast so, sind aber keine Schweine und nicht näher mit diesen verwandt. Die bis zu 60 cm großen Tiere wühlen im Boden nach Fressbarem, ihre Lieblingsspeise aber sind die stacheligen Feigenkaktusfrüchte, von denen sie geschickt die Schale abziehen, sofern sie nicht allzu hungrig sind. Sonst fressen sie alles mit Haut und Stachel. Sie sind extrem kurzsichtig, besitzen aber einen guten Geruchssinn und scharfe Eckzähne. Aggressivität ist den Pekaris fremd, es sei denn es geht um die Verteidigung ihrer Jungen.

Coatmundis wanderten vermutlich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Nordamerika ein. Die waschbärähnlichen Tiere haben eine spitze Nase und einen langen buschigen Schwanz, den sie beim Klettern auf Bäume geschickt einsetzen. Coatmundis oder kurz Coatis sind südamerikanische Nasenbären und werden in Mexiko chulos – Banditen – genannt. Was vermutlich daher kommt, dass sie von Insekten über Kleintiere, Schlangen, Abfall und Aas bis hin zu Gemüse, Früchten und Kakteen so ziemlich alles jagen und verschlingen. Und das auch noch in Horden von bis zu 40 Tieren. Die möchte man lieber nicht im Vorgarten haben.

Die Tierpfleger veranstalten auch Shows mit ihren Schützlingen. So gibt es z.B. eine Echsenvorführung und einen Raubvogelfreiflug. Ans sich gut gemacht, aber eben auch extrem gut besucht. Das Desert Museum bringt seine Botschaft, Verständnis zu wecken für das Ökosystem Wüste sehr gut rüber. Ein Besuch ist ideal für Kinder, Menschen, die Zoos mögen und solche, die keine Zeit oder keine Lust haben, die Wüste langwierig zu erwandern. Wer trotz der guten Absicht beim Anblick von Tieren hinter Gittern Depressionen bekommt und nicht traurig ist, den einen oder anderen Wüstenbewohner nicht persönlich kennengelernt zu haben, mag über die Einsparung des hohen – wenn auch angemessenen – Eintrittspreises nachdenken.

Saguaro National Park, Arizona – Kaktuswohnung mit Aussicht

Sonntag, März 27th, 2011

Der Saguaro National Park ist in zwei Teile untergliedert: die etwas weniger attraktive Rincon Mountain Unit östlich von Tucson, wo entweder ziemlich überalterte oder sehr junge Saguarokakteen wachsen. In der Tucson Mountain Unit westlich der Stadt findet man dichten Kakteenbewuchs aller Altersstufen und viele Wandermöglichkeiten von wenigen Hundert Metern Länge bis über ein Dutzend Kilometer. Der Winter ist hier Hochsaison, im Sommer ist es den meisten zu heiß – es handelt sich schließlich um eine Wüste. Auch im direkt südlich anschließenden Tucson Mountain Park gibt es jede Menge Kakteen und Wanderwege.

Die Namensgeber dieses Nationalparks sind die größten Kakteen der Erde: Das längste gemessene Exemplar war 18 m hoch, hatte 50 Arme und war 250 Jahre alt. Saguarokakteen sterben an Alter, Blitzschlag, Verdursten, Frost oder Umweltveränderungen. Sie besitzen ein inneres Gerippe aus vertikalen Holzstreben zu Stabilisierung, ein schwammartiges Gewebe, das in großen Mengen Wasser speichern kann und eine stachelige Außenhaut, die akkordeonförmig gefaltet und somit dehnbar ist. Erst im Alter von 75 Jahren beginnen sie, Seitenarme zu bilden. Die Tohono O’odham Indianer stellen aus den Früchten Mehl, Konfitüren, Sirup und Wein her. Tieren dienen sie auch als Wohnstatt. Während der Goldspecht die bodennahen vier Meter bewohnt, bevorzugt der Gilaspecht die Penthousesuiten darüber. Beide Vogelarten hacken sich jedes Frühjahr eine neue Höhle, die der Kaktus zum Schutz gegen Austrocknen mit holzartigem Material auskleidet. Alle anderen geflügelten Bewohner beziehen die verlassenen Apartments.

Auch mit dem Auto kann man schöne Rundfahrten durch die Parks unternehmen. Der Bajada Loop Drive führt als 10 km lange Schotterpiste durch den Saguaro National Park, die asphaltierte McCain Loop Road durch den Tucson Mountain Park, wo sich auch der Gilbert Ray Campground befindet, den wir uns für heute aussuchten. (20 $, nur mit 30-A-Elektro Hook-up, Toiletten, keine Duschen.) Kojoten sind wahre Anpassungskünstler. Vom feucht-kalten Kanada bis in trocken-heiße Wüsten sind sie zu Hause. Doch selten hörte ich sie so zahlreich, laut und nah bellen und heulen wie auf diesem Campingplatz. Der Gilaspecht hackt nicht nur Höhlen in Saguaros und Löcher in Baumrinde, um an Insekten zu kommen. Er pickt auch, um Weibchen anzulocken und um sein Revier kenntlich zu machen. Was ist da schöner, als ein bisschen mehr Lärm zu machen als üblich? Um den Campingplatz stehen Laternen mit metallenen Hauben, die effektive Resonanzkörper abgeben. Zwei Spechte auf gegenüberliegenden Seiten des Campingareals haben die Laternen für sich entdeckt und hämmern, was das Zeug hält, um dem Widersacher mitzuteilen: bis hierhin und nicht weiter.

Tucson, Arizona – Unantastbare persönliche Freiheit

Samstag, März 26th, 2011

Tucson liegt 100 Meilen südöstlich von Phoenix und musste Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Hauptstadtfunktion an letztere abgeben. Mit gut einer halben Million Einwohner und knapp einer Million mit Umland ist sie dennoch zweitgrößte Stadt Arizonas und wichtiges Wirtschaftszentrum. Die Fahrt auf der geschäftigen I 10 lässt uns manchmal schauern. Etwa 45 % der motorisierten amerikanischen Menschheit telefoniert mit dem Handy beim Fahren. Weitere 45 % texten wie wild auf ihrem Mobiltelefon herum und schenken dem Verkehr nur gelegentlich ihre Aufmerksamkeit. Zumindest im städtischen Bereich sind vielleicht nur 10 % bei der Sache. Gerade an Autobahnauffahrten führt das gelegentlich zu Komplikationen, wenn SMS-schreibende Fahrzeugführer am Ende des Beschleunigungsstreifens unerwartet feststellen, dass ein Handlungsbedarf ihrerseits besteht. Umgekehrt ist es genauso schwierig, wenn man selbst auf den Freeway auffahren möchte, neben sich aber einen mobil telefonierenden Artgenossen hat, der je nach Gesprächsstimmung unberechenbar mal mehr, mal weniger Gas gibt.

Wie hoch mag wohl der Prozentsatz an Unfällen sein, die durch Telefonieren oder Texten mit dem Handy verursacht werden? Permanente Radio- und Plakatkampagnen vergleichen die Gefährlichkeit von text and drive mit Alkohol am Steuer. Wenn aber ein amerikanischer Bundesstaat versucht, ein Gesetz gegen diese gefährliche Unsitte zu erlassen, ertönt ein allgemeiner Aufschrei. Das sei ein Eingriff in die Privatsphäre, der Staat solle sich gefälligst aus den Privatangelegenheiten seiner Bürger heraushalten. Die persönliche Freiheit eines Amerikaners ist eben unantastbar und dazu gehört anscheinend auch, andere Menschen auf der Straße wegen Unaufmerksamkeit umbringen zu dürfen.

Phoenix, Arizona – Amerika, du machst mich Staunen

Freitag, März 25th, 2011

Phoenix ist Hauptstadt Arizonas und mit 1,6 Mio. Einwohnern in der Stadt bzw. über 4 Mio. mit Umland eine der am schnellsten expandierenden Städte der USA. Grund ist das sonnige trockene Klima in Verbindung mit (noch) reichlich vorhandenen Wasserreserven. Die Wüstenmetropole hat für Besucher nur bedingt Spannendes zu bieten, daher nutzen wir den Tag zum Arbeiten, Planen und Nachdenken über ein Land, das wir bald verlassen werden, das uns Europäern so vertraut und doch wieder fremd ist.

Was mich beeindruckt ist die Flexibilität der Amerikaner und die Chancen, die das Land bietet. Einen Job finden mit 50 oder 60? Kein Problem. Erfahrung in unterschiedlichen Bereichen, Teamgeist, Arbeits- und Lernwille werden weit höher eingestuft als formale Ausbildung und geradlinige Karriere. Der Verlust des Arbeitsplatzes ist kein Weltuntergang, sondern Chance zum Neuanfang. Oft beschließen Amerikaner in der Mitte oder gegen Ende ihres Arbeitslebens an einen Ort ihrer Wahl zu ziehen, der ihnen klimatisch oder landschaftlich besser entspricht und dort einen Neuanfang – privat und beruflich – zu wagen.

Was mich beängstigt ist die Intoleranz, die wir an mancher Stelle erfahren haben, auch wenn sie nie gegen uns gerichtet war. Das können religiöse Ansichten sein, die mit fast militanter Vehemenz verteidigt werden, oder auch politische. Obwohl Barack Obama von der Mehrheit des Volkes zum Präsidenten gewählt wurde, ist er außerordentlich umstritten. Ablehnung und sogar Hass werden in aggressiver und diffamierender Weise nach außen getragen. Anti-Obama-Aufkleber sind noch die harmloseste Variante. Selbst die Medien sind sich nicht zu schade, tonnenweise Schmutz über dem Präsidenten auszukippen. Er wird unter anderem beschuldigt, kein echter Amerikaner per Geburtsrecht zu sein. Das nennt sich Meinungsfreiheit.

Was mich erstaunt ist, mit welcher Konsequenz Gleichstellung praktiziert wird. Beispiel Behinderte: Überall gibt es rollstuhlgerechte Toiletten, Hotelzimmer und sogar entsprechende Wanderpfade in den National und State Parks. Mit der erfreulichen Konsequenz, dass die USA ein ausgesprochen rollstuhlfahrerfreundliches Reiseland sind. Behinderte haben das gleiche Recht auf Bildung wie Nichtbehinderte und können nicht gezwungen werden, eine gesonderte schulische Einrichtung zu besuchen, die zugegebenermaßen nicht immer die gleiche Ausbildungsqualität bietet. Das führt zu obskuren Auswüchsen wie bei einem Mädchen, das dermaßen allergisch gegen Erdnüsse ist, dass selbst Mikrospuren davon lebensbedrohlich sein könnten. Ein Spezialteam entseuchte die Schule. Alle Mitschüler müssen beim Betreten des Gebäudes die Schuhe ausziehen, Hände waschen und den Mund ausspülen. Die USA bieten übrigens auch die Möglichkeit der Heimschulung. An einer anderen Schule in Glendale, Arizona, gibt es drei Gehörlose – in unterschiedlichen Klassen natürlich. Da diese Schüler den Lehrervortrag nicht verstehen, muss die Schule drei teure Gebärdensprachen-Simultanübersetzer einstellen. Tracy ist eine davon.

Phoenix, Arizona – Mit dem Fahrrad um die Welt

Donnerstag, März 24th, 2011

Der Hwy # 152 windet sich malerisch über die Mimbres Mountains, die wie die gestern besuchten Sandia Mountains auch teil der versprengten Rocky Mountain Bergkette sind. Die Santa Rita Kupfermine kurz vor dem Dorf Hanover hat sich in über 200 Jahren Bodenschatzausbeutung mehrere hundert Meter tief in die Erde eingegraben. Lehrreiche Paneele am Narbenloch informieren darüber, wie wunderbar und effektiv die Wiederbegrünung nach Stilllegung der Tagebauaktivitäten funktioniert. Das Dorf Santa Rita gibt es schon lange nicht mehr. Unglücklicherweise wurde es auf einem besonders reichen Kupfererzvorkommen erbaut und musste dem unstillbaren Hunger der Schaufelbagger und Förderbänder weichen. Silver City hat seine Existenz in der Nach-Silber-Zeit ebenfalls dem Kupfer zu verdanken. Außerdem versucht die Stadt Kapital zu schlagen aus dem berüchtigten Killer Billy the Kid, der hier seine Heimat hatte. Quer durch das Land der Apachen fahren wir nach Miami, Arizona. Unweit davon treffen wir in den Pinal Mountains zwei Fahrradfahrer aus Malaysia, die in 288 Tagen die Welt umrunden wollen. 21.000 km haben sie bereits geschafft: von Malaysia über China und die Türkei nach Europa; über Griechenland, Italien und Frankreich bis nach England, und von dort per Flugzeug nach Miami, Florida. Ihre Reise soll sie von Los Angeles über Japan und China wieder in ihre Heimat bringen. Kurze Zeit später tauchen die ersten Saguaro Kakteen auf, diese riesigen vielarmigen Kakteen, die in unseren Augen das Bild des äußersten US-Südwestens und Mexiko aus zahlreichen Westerfilmen so prägen.

Die Verabredung mit Tracy und Mike in Phoenix, Arizona, haben wir einer Zufallbegegnung zu verdanken. Im Juli vergangenen Jahres feierten wir mit ihnen und ein paar Kanadiern eine Party vor den Liard Hot Springs auf dem Alaska Highway in Kanada und verloren seitdem Wir dürfen ein Restaurant fürs Dinner wählen und entscheiden uns für ein typisch amerikanisches Barbecue – mexikanisches Essen werden wir wohl noch lange genug bekommen.

Truth or Consequences, New Mexico – Der neue Staatsfeind Nummer eins

Mittwoch, März 23rd, 2011

Hoch über der flachen Wüste Albuquerques thronen die Sandia Mountains. Eine Rundfahrt führt uns von der I 25 über den Sandia Canyon in die Berge. Zwischendurch sind zehn Meilen der Piste unasphaltiert, recht rau und stellenweise schneebedeckt, im Prinzip aber für Pkw und kleine Camper machbar. Die Bergstraße endet an der Sandia Crest Aussichtsterrasse auf 3.250 m Höhe. Hier oben bleiben die Temperaturen auch heute Mittag unter dem Gefrierpunkt. Dafür ist die Aussicht über Albuquerque und halb New Mexico grandios. Die Abfahrt zur I 40 ist asphaltiert und auch für größere Fahrzeuge geeignet.

Die I 25 bringt uns dann stramm nach Süden, wo die Temperaturen auf angenehme Werte ansteigen. Wir passieren einen Ort mit dem völlig abgefahrenen Namen Truth or Consequences: Wahrheit oder Konsequenzen. Die verrückte Geschichte hinter dem Ortsnamen ist, dass der Moderator der Quizshow mit dem gleichen Namen 1950 angeboten hatte, die Show in dem Ort zu produzieren, der als erstes den Namen annimmt. Obwohl das Ganze eher wie eine dieser religiösen Eigenheiten klingt, die überall in den Staaten zu finden sind. Da die US-amerikanische Verfassung fast seit Anbeginn Trennung von Kirche und Staat sowie Religionsfreiheit vorsieht, sind nicht nur Tausende von Europäern mit eigenartigen Glaubensvorstellungen in die neue Welt geströmt. Rund 2.000 verschiedene Kirchen und Sekten existieren heute alleine im christlichen Bereich.

Eine weit verbreitete Lehre ist der Kreationismus: Die Erde ist 10.000 Jahre alt und die Bibel beschreibt detailliert und wörtlich alle naturwissenschaftlichen Abläufe. Oder hattet ihr etwa angenommen, das Buch der Bücher sei lediglich eine mythische Darstellung der Welt, verpackt in Gleichnisse? Weit gefehlt! Darwins Evolutionstheorie und andere wissenschaftliche Lehren sind Teufelszeug. Das Ganze ist bitterer Ernst. Selbst der ehemalige Präsident George Busch hängt dieser Glaubensrichtung an.

Andere Kuriositäten umfassen Haustierkrippen, Engelsheilungen oder Vortexe, aus der Erde austretende Energiewirbel, die wissenschaftlich recht umstritten sind. Nur etwa 16 % der US-Amerikaner gehören keiner Religionsgemeinschaft an. Die überwiegende Mehrheit ist Mitglied einer Kirche und glaubt vor allem auch daran. Die buntesten und kuriosesten Ausprägungen finden sich unter den 52 % Protestanten. 25 % sind Katholiken, daneben gibt es Mormonen, Juden, Buddhisten und andere. Religionsfreiheit ist aber nicht gleich Toleranz. Werden so manche exotische Sekten wie Scientology noch akzeptiert, hört der Spaß bei Moslems auf: Spätestens seit 11. September 2001 ist der Islam Staatsfeind Nummer eins und hat damit erfolgreich Kommunismus und kalten Krieg abgelöst.

Santa Fe + Albuquerque, New Mexico – Die Zeltstadt aus Stein

Dienstag, März 22nd, 2011

Sturm und anschließend Regen haben holen uns in der Nacht ein, doch wenigstens ist am Morgen die Luft vom aufgewirbelten Sand gereinigt. Im Vergleich zu Albuquerque, mit über einer halben Million Einwohner New Mexicos einzige echte Großstadt, ist die Hauptstadt Santa Fe mit 72.000 Bürgern eher klein. Dafür ist die Kapitale eine der ältesten Städte der USA, die von Weißen besiedelt wurden. Ihre hübsche Adobe-Architektur aus der Pueblo-Kultur hat sich die Stadt erhalten. 150 Jahre American Way of Life konnten 250 Jahre spanisch-mexikanische Kultur nicht auslöschen. Auf 2.000 m Höhe treiben bei 7° C sogar ein paar Schneeflocken umher. Auf der zentralen Plaza stehen das älteste Haus der USA, eine Kathedrale, eine Kapelle und diverse Museen.

Zwischen Santa Fe und Albuquerque liegt östlich der I 25 das Kasha-Katuwe Tentrocks National Monument. Hier schufen die Elemente im hellgrauen Vulkangestein äußerst seltsame Hoodoos mit spitzen Kegeln. Manche mögen diese Formen an Tipis erinnern – daher der Name Tentrocks, Zeltfelsen – andere vielleicht an Zwergenzipfelmützen oder gar an abschussbereite Raketen. Die gut fünf Kilometer lange kombinierte Wanderung Cave Loop Trail und Canyon Trail führt durch einen sehr hübschen hellen Slot Canyon und anschließend steil einen Berg hinauf, von wo aus man einen fotogenen Überblick über die steinerne Zeltstadt erhält.

Zurück in Albuquerque hat Brad einige Unimogfahrer aus der Umgebung zu einem Barbecue zusammengetrommelt. Wir schießen das ultimative Foto mit vier Unimogs in einer Reihe.

Petrified Forest National Park, Arizona – Orkan im Steinwald

Montag, März 21st, 2011

Immer wilder tobt der Wind. Als wir den Giant Logs Trail hinter dem Besucherzentrum ablaufen, kann man die Kamera schon fast nicht mehr halten. Auf dem Crystal Logs Trail ein paar Kilometer weiter wird sogar das Laufen oder gar Stehen schwierig Wir müssen uns weit in den Wind lehnen, um nicht einfach weggeweht zu werden. Unser Windmesser zeigt Böen von bis zu 111 km/h an, das entspricht Windstärke 11, orkanartiger Sturm. Das Atmen im Luv fällt schwer, die Lunge schmerzt wegen der Druckunterschiede. Selbst die Ohren tun weh, wenn die Zugluft aufs Trommelfell donnert. Mir ist schwindlig im Kopf, und klares Denken fällt schwer. Die statische Aufladung ist schon so hoch, dass es einen Funken gibt, als Jörg den Autoschlüssel ins Türschloss steckt. Flagstaff vermeldet bereits Schnee, über dem Grand Canyon ist ein Blizzard ausgebrochen (zum Glück sind wir nicht dort). Es gibt Warnungen, die Interstate 40 möglicherweise zu sperren. Die milchig-gelben Sonnenuntergänge der letzten drei Tage ohne einen Schimmer von orange oder rot hatten das Unwetter bereits angekündigt.

Wir wollen den Tag dennoch so gut wie möglich nutzen und uns die wunderschönen farbigen versteinerten Bäume des Nationalparks nicht entgehen lassen. Überall liegen verstreute Stammteile herum. Wo sich größere Ansammlungen oder besonders farbige befinden, wurden Aussichtspunkte oder kurze Spazierwege eingerichtet. Aber wie kamen die Hölzer mitten in die Wüste und wie wurden sie zu Stein?

Vor Jahrmillionen, also noch Dinosauriers über die Erde streiften, war diese Ebene fruchtbar, bewaldet und mit Flüssen durchzogen. Überschwemmungen rissen Bäume mit sich und deponierten sie flussabwärts in einem Sumpfgebiet, wo die Stämme mangels Sauerstoff nicht verrotten konnten. Im Laufe der Zeit wurden die Marschen von diversen Lagen Schlamm, Asche, Sand und immer wieder auch von Seen oder Meeren bedeckt. Einsickerndes Wasser reicherte sich mit Mineralien und in der Ascheschicht vor allem mit Kieselerde an und tränkte die begrabenen Bäume. Die Kieselerde kristallisierte in den Pflanzenzellen aus und füllte sie schließlich mit dem daraus entstehenden Quarz. Wird der Versteinerungsprozess an dieser Stelle, z.B. durch Wassermangel, unterbrochen, behalten die Stämme eine braune Farbe und ihre Holzstruktur. Erst beim Anfassen merkt man, dass es sich um Stein handelt.

Wird die Versteinerung fortgesetzt, ersetzt der Quarz bald auch die Zellwände und die mitgeführten Mineralien färben den Stein bunt. Eisen bringt gelbe, orange, rote, schwarze und Ockertönungen hervor. Blau, lila, braun, schwarz und farnartige Muster hingegen stammen von Mangan. Karbon, Chrom und andere Minerale können ebenfalls präsent sein. Die vollständige Versteinerung erzeugt eine Pseudomorphose: eine Holzkopie. Durch Anhebung des Bodens und Erosion kamen die Bäume nach und nach ans Tageslicht. Erdbewegungen verursachten Risse in den Stämmen, Wasser und Frost spalteten sie und hinterließen Bruchstücke, die wir heute sehen.

Neben den Versteinerungen gibt es im Petrified Forest National Park Fossilien, ein paar Ruinen und Petroglyphen zu sehen. Vor allem im Nordteil des Parks bekommt man schöne Ausblicke in die Painted Desert, zu Deutsch farbige Wüste, gestreifte Steinhügel ähnlich der Badlands in South Dakota, die bei unterschiedlichem Lichteinfall jeweils anders wirken. Im Moment jedoch sind die Aussichten wegen des Sandsturms eher trübe. Bevor das Wetter irgendwelche anderen Dummheiten macht, lassen wir uns vom Rückenwind nach New Mexico bis nach Albuquerque schieben, um den Sturm auf unseren Fersen wissend. Hier erwarten uns Laura und Brad bereits mit Spaghetti und Bier. Die beiden haben einen Unimog 416 Doka mit winziger Camperkabine. Brad hatte uns vor ein paar Monaten eingeladen, nachdem er unsere Website entdeckt hatte.

Flagstaff, Arizona – Vulkankegel und Indianersiedlungen

Sonntag, März 20th, 2011

Zwei weniger beachtete National Monuments liegen nördlich unweit von Flagstaff an einem Rundweg am Hwy # 89: das Sunset Crater Volcano und das Wupatki National Monument. Der Sunset Crater ist Teil des großen San Francisco Volcano Field im nördlichen Arizona, das mit der kalifornischen Stadt lediglich den Namen gemein hat. Seit 6 Mio. Jahren tritt in dieser vulkanaktiven Zone immer wieder Magma aus. Die Eruption des Sunset Crater fand in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts statt. Die hier lebenden Indianer hatten sich mitsamt Hab und Gut in Sicherheit bringen können. Trotz der langen Zeitspanne wächst die Vegetation nur spärlich auf dem schwarzen Kegel. Grund sind die geringen Niederschläge. Pechschwarze Lavaströme stehen in krassem farblichen Gegensatz zur Umgebung. Dort, wo eisenhaltiges Lavagestein mit Feuchtigkeit und Sauerstoff in Berührung kam, färbt es sich rot. Miniaturvulkane, sogenannte spatter cones = Spritzkegel entstehen, wenn ein Lavastrom an der Oberfläche erstarrt und nachfließende Lava durch einen Riss entweicht.

Auf dem gleichen Rundweg schützt das Wupatki National Monument einige altindianische Siedlungen. Das Wukoki Pueblo zum Beispiel ist ein unübliches dreistöckiges Haus, in dem vermutlich im 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts zwei bis drei Familien wohnten. Das Wukoki – in der Sprache der Hopi großes Haus – kann auch von innen besichtigt werden. Ungewöhnlich ist auch die lichte Bauweise und die exponierte Lage auf einem Hügel, die Rundumblick in die gesamte Umgebung erlaubt, während sich die meisten Dwellings eng an Felsen und unter Überhänge schmiegen.

Der Petrified Forest National Park, den wir morgen besuchen werden, bietet weder Camping noch andere Übernachtungsmöglichkeiten. Am Südeingang steht auf beiden Straßenseiten je ein Souvenirshop, die eine Art kostenlosen Campingplatz eingerichtet haben mit Picknicktischen und sogar einigen Stromanschlüssen. Nebenbei kann man natürlich in den Läden wunderschöne Souvenirs aus versteinertem Holz (von Privatgelände) kaufen.

Flagstaff, Arizona: Das Tor zum Grand Canyon

Samstag, März 19th, 2011

Eine E-Mail überrascht uns heute Morgen: Rick, der nette Highway Patrol Officer vom Joshua Trees National Park, hat sich in unser englisches Gästebuch eingetragen. Rick ist wirklich ’ne Wucht von Polizist.

Flagstaff zählt mit 60.000 Einwohnern zu den größten Städten Arizonas. Sie ist Ausgangspunkt für Ausflüge zum South Rim des Grand Canyon National Park. Da wir beide Trails, die in den Canyon hinunterführen, vor wenigen Jahren schon komplett gewandert sind und unsere Zeit langsam knapp wird, lassen wir dieses absolut sehenswerte Naturwunder diesmal aus. Flagstaff liegt auf rund 2000 m Höhe und so wundert es nicht, dass es anstelle sommerlicher Temperaturen nur noch 11° C hat und die Schneehaufen auf den Parkplätzen vor den Supermärkten nur langsam vor sich hinschmelzen. Es gibt eine hübsche Innenstadt mit alten renovierten Ziegelhäusern, die Außenbezirke haben sich mit ihrer kommerziellen Infrastruktur auf den Grand-Canyon-Tourismus eingerichtet. Dennoch sind die Leute hier entspannt und freundlich, im RV-Park am Südrand der Stadt dürfen wir sogar unseren Wassertank kostenlos auffüllen.

Seligman, Arizona – Die historische Route 66

Freitag, März 18th, 2011

Die Route 66 war die erste und ursprünglich einzige Ost-West-Straßenverbindung in den Vereinigten Staaten. Einst verband sie Chicago mit Los Angeles, bevor sie auf tausenden Kilometern von Interstates überbaut und durch diese ersetzt wurde. Die verbliebenen Teilstücke verkommen zusehends bis auf wenige Ausnahmen. Heute besteht die Straße größtenteils aus Nostalgie, Mythos und Einsamkeit. Wir befahren die Strecke von Amboy, Kalifornien, bis Seligman, Arizona. Meist ist sie nur eine lange schnurgerade Piste. Eine Ausnahme bildet der Abschnitt um Oatman, wo man auf attraktiver Route in steilen Serpentinen auf dem 1082 m hohen Sitgraves Pass die Black Mountains überquert. Hier streunen auch die Wild Burros genannten Wildesel herum in der Hoffnung, von Vorbeifahrenden gefüttert zu werden, was immer wieder zu Unfällen führt. Bei den Eseln handelt es sich, genau wie bei den amerikanischen Wildpferden, um verwilderte, ursprünglich domestizierte Tiere, die entweder freigelassen worden oder ausgebrochen sind, denn beide Arten gab es auf dem amerikanischen Kontinent vor dem Eintreffen der Spanier nicht.

Da wir in Kalifornien das Tanken wegen der hohen Spritpreise auf ein Minimum reduziert haben, müssen wir heute Diesel bunkern. Den absoluten USA-Rekord nach unseren bisherigen Beobachtungen hält eine Tankstelle an der Route 66 in Kalifornien mit 5,10 $ pro Gallone Diesel. Stattdessen tanken wir in Kingman, Arizona für 3,90 $. Bemerkenswert aber finde ich den Bettler, der sofort auf uns zukommt und uns seine Cola anbietet. Als wir dankend ablehnen, schenkt er Jörg eine frisch geprägte glänzende Dollarmünze aus seiner Sammelbüchse. Sehen wir schon aus, als hätten wir es nötiger als er? Sind die Menschen in Arizona einfach freundlich?

Der Großteil der auf Tourismus ausgerichteten Infrastruktur ist verfallen oder nicht mehr existent. Es gibt lediglich noch ein paar heruntergekommene Motels, Pubs oder Diners. Im Ort Seligman ist das Ganze mit Charme vergammelt und weitgehend erhalten. Etliche Souvenirshops mit fairen Preisen laden zum Stöbern ein. In den Diners bekommt man ganz traditionell Milchshakes, Hotdogs und Burgers. Wir kehren in Delgado’s Snow Cap ein, wo wir vor ein paar Jahren schon einmal waren. Unsere Visitenkarte von damals, die wir wie viele Besucher an eine der Wände gepinnt hatten, scheint unter mehreren Lagen von Neuzugängen untergegangen zu sein. Wir hinterlassen eine neue. Das Diner ist mit viel Witz und Humor aufgezogen. An der Eingangstür befinden sich zwei Türgriffe, von denen nur eine funktioniert. Auf der Toilette befindet sich eine – hoffentlich nicht angeschlossene – Videokamera. Verlangt man nach Klebeband für die Visitenkarte, kann es einem passieren, dass man stattdessen eine Musikkassette erhält. Das Wort dafür ist im Englischen das gleiche: tape. Auf dem Parkplatz vor dem Diner stehen liebevoll restaurierte und angemalte alte Autos. Der Familienbetrieb in dritter Generation florierte sicher einstmals, als Harleyfahrer und Hippies hier einkehrten. Heute ist es nur noch ein Relikt der Vergangenheit, das immerhin noch in einigen Reiseführern erscheint.

Joshua Tree National Park, Kalifornien – Ein Baum mit seltsamem Namen

Donnerstag, März 17th, 2011

Unser heutiges Ausflugsprogramm muss gekürzt werden, da wir erst mittags losfahren. Zu viel gibt es zu erzählen, zu viele Informationen auszutauschen, und ein Treffen auf der Baja California in Mexiko mit Nadine und Mike und ihren Kindern will auch vereinbart werden. Ingrid und René mit Familie dagegen werden langsam Richtung Osten fahren und ihre einjährige USA-Reise beenden. Bei uns reicht es noch für ein Abfahren der 29 km langen Geology Tour Road, wo man die unterschiedlichen Gesteinsformationen des Parks besonders gut sehen kann.

Der westliche Parkteil befindet sich größtenteils auf über 900 m Höhe in der Mojave-Wüste, einer sogenannten Hochwüste. Nur in diesen Lagen wachsen die Joshua Trees, die dem Park ihren Namen gaben, außerdem andere Yuccas, Feigenkateen, Eichen, Wacholder und Steinkiefern wachsen. Frühe spanische und mexikanische Wissenschaftler sprachen despektierlich vom Kohlkopfbaum. Die Mormonen erinnerte das Agavengewächs an den Propheten Josua, der seine Arme hilfesuchend gen Himmel wirft. Dieser Name blieb dem kaktusähnlichen Baum erhalten. Sein bizarres Aussehen verdankt er einem Käfer, dessen Larven die Wachstumsknospen des Stammes fressen und ihn so zu krüppelartigem Wachstum zwingen.

Im Zentralbereich des Joshua Tree Nationalparks befindet sich das Wonderland of Rocks. Der Kurzwanderweg Hidden Valley führt sehr schön durch die Steinformationen aus Monzogranit. Vor rund 130 Mio. Jahren wurde ein Teil der Erdkruste in den flüssigen Erdkern gepresst, aufgeschmolzen und stieg in großen Blasen wieder bis unter die Erdoberfläche auf. Spannungen beim Erkalten spaltete das Gestein zu Finnen, Säulen und Felsbrocken. In Wasser gelöste Kohlensäure griff die Oberflächen, insbesondere die Kanten an, löste Sandkörner ab und gab den Steinen langsam ihre abgerundete Form.

Ein schönes Beispiel dafür findet sich auch außerhalb des Parks, etwa 30 km nördlich. Der Giant Rock ist der größte Felsmonolith der westlichen Hemisphäre. Leider schürten einige neuzeitliche Mitbürger vor ein paar Jahren ein allzu großes Feuer unter einem der Überhänge, und ein großer Brocken spaltete sich vom Fels ab. Auch die zahlreichen Graffitis und Sprüche tragen nicht zur Verschönerung der Naturerscheinung bei. Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz fahren wir noch ein paar Kilometer weiter in die unbewohnte Wüste hinein. Natürlich wissen wir, dass wir uns ganz dicht an der Twentynine Palms Marine Corps Base befinden. Was wir nicht wussten ist, dass die Jungs nächtliche Transporthubschrauberflüge direkt über unserem Stellplatz durchführen.

Joshua Tree National Park, Kalifornien – Die Ehrenrettung der kalifornischen Polizei

Mittwoch, März 16th, 2011

Der Ruf der kalifornischen Polizei ist endgültig wiederhergestellt. Das ist Rick zu verdanken. Wir fahren auf der Interstate 10 zum Joshua Tree Parkeingang. Auf dem Seitenstreifen steht ein Dienstfahrzeug der Highway Patrol, was in etwa unserer Autobahnpolizei entspricht. Der Beamte kontrolliert einen Pkw, aber während sein Blick uns folgt, dreht sich sein Kopf um ganze 180°. Ich habe das Gefühl, das soll nicht unsere letzte Begegnung sein. Die nächste Ausfahrt bringt uns auf den Zubringer zum Nationalpark. Wir halten kurz an, um eine Familie auf der anderen Straßenseite zufragen, ob alles in Ordnung ist. Die Frau liegt am Boden, doch sie ruht sich nur aus. Als wir wieder anfahren, ertönt hinter uns ganz kurz eine Sirene. Ein Blick in den Seitenspiegel bestätigt: Es ist die Highway Patrol. „Wetten der hat unsere deutschen Nummernschilder gesehen und fragt jetzt danach?“, sage ich. Und so kommt es.

Doch der Officer sagt guten Tag, ist sehr freundlich und will dann ganz von alleine wissen, ob wir das Fahrzeug importiert haben. Die Touristen-mit-eigenem-Fahrzeug-Erklärung versteht er auf Anhieb und innerhalb von Millisekunden. Er will den Fahrzeugschein sehen, aber keine Pässe. Er kommt zu Beifahrerseite, um das Papier in Empfang zu nehmen, wirft nur einen flüchtigen Blick darauf, um dann zum eigentlichen Thema zu kommen: Ob wir eine Fotosession mit ihm wollen. Natürlich! Ich bin begeistert. Er bittet uns auszusteigen. (Bei einer Verkehrskontrolle in Nordamerika sollte man niemals ohne Aufforderung sein Fahrzeug verlassen.) Er heißt Rick und hat wie so viele deutsche Vorfahren. Wir fotografieren uns gegenseitig vor unseren Autos. Wir dürfen uns sogar ins Polizeiauto setzen und ein paar Knöpfe drücken. Das umfangreiche Waffenarsenal des Officers steckt vertrauensselig zwischen den Sitzen. Der Afroamerikaner von der anderen Straßenseite, der das Geschehen interessiert beobachtet und irgendein interessantes Schauspiel erwartet hat, schüttelt ungläubig den Kopf. „Ihr habt’s geschafft!“ wiederholt er ständig. Wir glauben wieder an das Gute im kalifornischen Polizeibeamten. Danke Rick!

Nachdem wir uns in der Cottonwood Ranger Station am Südeingang des Parks das Informationsmaterial abgeholt haben, machen wir uns auf den langen Weg zur Lost Palm Oasis. Die Wanderung führt abwechslungsreich über viele Hügel auf und ab durch die Landschaft der Colorado-Wüste, die wiederum Teil der weit größeren Sonora-Wüste ist, die sich vom südlichen Arizona bis nach Mexiko spannt. Hier befindet sich der tiefer gelegene östliche Parkteil zwischen 300 und 900 m Höhe, wo würzig duftende Kresosotbüsche, Yuccas und diverse Kakteen wachsen. Darunter befinden sich Cylindropuntia, die wegen ihres „kuscheligen“ Aussehens im Englischen viel anschaulicher auch Teddy Bear Cholla genannt werden – Schmusen dennoch nicht empfohlen.

Ein paar Schopfwachteln rasen über den Weg und auch der kalifornische Eselhase hat es eilig. In einem zwischen Ästen gesponnenen Kokon schlüpfen Schmetterlingsraupen aus ihren Eiern, was eher unappetitlich aussieht. Viele Kakteen stehen in Blüte. Endlich erwachen auch die Reptilien aus ihrem Winterschlaf. Der Chuckwalla, eine Leguanart, wird bis zu 45 cm groß, wovon nur knapp die Hälfte auf den Körper entfällt, der Rest ist Schwanz. Bei Gefahr pumpt er seine Lunge auf und verklemmt sich so in einer Felsspalte, wo er nicht herausgezogen werden kann. Wir sehen sogar eine Wüstenschildkröte, die in dem steilen Gelände mit bröseligem Granitsand auch so ihre Probleme hat. Da macht es durchaus Sinn, dass sie sich nur langsam bewegt, denn würde sie ernsthaft abrutschen und auf dem Rücken landen, wäre das ihr Todesurteil.

Die Wanderung beginnt in einer Oase aus Fächerpalmen und Baumwollpappeln. Gleich dahinter findet man ein paar Steine mit tief eingegrabenen Mahllöchern, in denen Generationen von Indianern ihr Getreide mahlten. Am Ende erreicht man die Lost Palm Oasis, eine natürliche Fächerpalmenoase, die größte im Park, mit an die Oberfläche tretendem Grundwasser. Entlang von Verwerfungen, die sich durch Erdbeben bilden, steigt Wasser zur Erdoberfläche und ermöglicht das Entstehen von Oasen. Die Wanderung ist 13 km lang. Man sollte mindestens ein, zwei Kilometer mehr einplanen für das Erkunden des Canyons, in den man zum Ende steil hinabsteigt.

Etwa in der Mitte des Parks befindet sich der Cholla Cactus Garden, wo tausende Cylindropuntia wachsen. Dann beginnt die Suche nach einem Campingplatz. Trotz allgemeiner Aussagen, es wäre reichlich Platz, ist das nicht so. Ergebnislos landen wir im hintersten Eck selbst des großen Jumbo Rock Campgrounds, wo sich eine Frau fast vor Arminius wirft. „Wir kennen Euch, wir wissen, wer Ihr seid. Wir haben schon von Euch gehört von Leuten, die Ihr bald kennenlernen werdet.“ Wie bitte?!? Ein Schweizer Ehepaar hatte sein Wohnmobil mit der gleichen Fähre nach Halifax / Kanada verschifft wie wir. Wir sind uns nie begegnet, doch es hatte sich unsere Webadresse notiert. Erst vor Kurzem nahmen die Globetrotter Kontakt mit uns auf und wir vereinbarten ein Treffen Ende des Monats auf der Outdoormesse Overland Expo in Amado, Arizona. Dieses Paar hatte vor Kurzem die vierköpfige schweizerische Weltreisefamilie getroffen, die jetzt vor Arminius steht und die wiederum mit einer anderen Familie aus der Schweiz Freundschaft geschlossen hat, die auf dem Nachbarplatz parkt. Sie laden uns ein, einfach bei ihnen stehen zu bleiben, da die Campingregeln Doppelbelegung der Plätze zulassen. Es gibt Lagerfeuer, selbstgebackenen Kuchen und viel zu erzählen.

Palm Desert, Kalifornien – Sommerhitze

Dienstag, März 15th, 2011

Es gibt auch nette Polizisten in Kalifornien. Zum wiederholten Male stoppt ein Dienstfahrzeug der nahen Polizeistation an unserem Unimog. Stets aber versichern die Beamten, nur neugierig zu sein und unser Fahrzeug zu bewundern. Dann machen wir uns auf den Weg, bevor uns unsere Kleider nicht mehr passen. Irgendwie müssen wir über die San Jacinto Mountains drüber, um ins nächste Tal zu kommen. Durch den grünen Bautista Canyon führt eine kurvige Straße, zunächst asphaltiert, später Schotter, die dann in die Berge hineinführt. Auf halber Höhe steht das Bautista Camp, ein Gefängnis für minder schwere Kriminelle wie Scheckbetrüger oder andere. Zwischen den Bäumen ducken sich die Wohnhäuser, der niedrige Zaun soll eher Außenstehende vom versehentlichen Eindringen abhalten. Die Insassen kümmern sich um Straßenwartung und dergleichen. Im Tal hinter den Bergen hat man den kühlenden Einfluss des Pazifiks hinter sich gelassen. Es hat drückende 35° C, die sich erst langsam abkühlen, als wir auf der anderen Seite wieder hochfahren und am Rande des Joshua Tree National Park hoffen, Kühlung zu bekommen.

Hemet, Kalifornien – Wiener Schnitzel statt Hotdog

Montag, März 14th, 2011

Wiener Schnitzel kommen auch in Amerika gut an. Das gesamte Fleisch verschwindet zusammen mit eineinhalb Kilo Kartoffeln, ein paar Gurken und anderem ratzeputz in fünf hungrigen Mündern. Übrigens serviert die amerikanische Fast-Food-Kette wienerschnitzel – falls dort jemand aus Versehen landet – lediglich Hotdogs und Burger und keine Schnitzel.

Hemet, Kalifornien – Was ist ein Kalb?

Sonntag, März 13th, 2011

Die Männer wünschen sich ein deutsches Essen. Ich mache ein paar Vorschläge, aber bei Wiener Schnitzel leuchten die Augen auf. Die amerikanische Familie hat noch nie welche gegessen, weiß nicht einmal, was das ist. Vielleicht so was wie Hotdogs? Zusammen mit Kartoffelsalat soll das unser morgiges Abendessen werden. Zunächst aber nehmen uns John und Virginia mit auf einen Sonntagsausflug. So weit das Auge reicht erstrecken sich Zitrusfelder: Orangen-, Zitronen- und Grapefruitbäume attraktiv vor schneebedeckten Bergen, die alle voller bunter Früchte hängen, reif zur Ernte. Was mir völlig unbekannt war ist, woher Grapefruits – wörtlich Traubenfrüchte – ihren Namen haben. Im Gegensatz zu anderen Zitrusarten hängen sie nicht einzeln, sondern in Trauben am Baum.

Da es in den USA keine gesetzlichen Ladenschlusszeiten gibt, haben die meisten Geschäfte auch sonntags geöffnet, viele Lebensmittelläden sogar 24 Stunden am Tag. Ich will meinen Einkauf für morgen erledigen. Ich möchte die Originalversion mit Kalbfleisch servieren. An der Fleischtheke gibt es kein Kalb, also frage ich den jungen Verkäufer hinter der Theke. Der sieht mich an, als hätte ich Hundekiemen oder Schlangeschenkel verlangt. „Kalb? Was war das doch gleich mal – Schwein? Nicht? Ich hab’s gleich…das war Lamm, oder?“ „Nicht ganz“, kläre ich ihn auf, „das ist mehr so etwas wie eine Babykuh. Junges Rindfleisch sozusagen“. Das Licht der Erleuchtung umflort ihn, als er mich stolz zum Tiefkühlregal führt und mir die Kalbsleber präsentiert. Das war nun nicht genau das, was ich mir vorgestellt hatte. Zum Glück hat der junge Man einen etwas erfahreneren Kollegen, der weiß, dass im Kühlregal eine einzige Sorte Kalbfleisch liegt: Es sind Schnitzel.

Hemet, Kalifornien – Eigenreparatur

Samstag, März 12th, 2011

Jörg repariert unseren Kabinenschaden mit einem Glasfaserreparaturset und lackiert das Ganze mit von uns mitgebrachter Farbe über. Den langen Kratzer poliert er so gut wie möglich aus. Danach sieht alles so gut wie neu aus. Da in Steves Werkstatt das meiste vorhanden war, belaufen sich unsere Materialkosten auf ganze 7 $.

Hemet, Kalifornien – Schnee in Südkalifornien

Freitag, März 11th, 2011

Jörg kann in Steves Werkstatt ein paar Kleinigkeiten schweißen, während uns Virginia mit pochierten Eiern zum Frühstück, dicken Sandwiches zu Mittag und abends Chilibohnen mästet. Trevis arbeitet intensiv an seinem Pick-up-Truck, damit er ihn für unseren nachmittäglichen Ausflug fertig bekommt. Auf einem Off-Road-Trail fahren wir in die San Jacinto Mountains bis auf über 2000 m Höhe, wo es im Vergleich zum Tiefland ausnehmend kühl ist und sogar noch Schnee liegt. Der Pfad ist eng zwischen vielen Bäumen, nichts was wir mit Arminius unbedingt machen wollten.

Das Künstlerdorf Idyllwild ist ein hübsches, wenn auch teures Bergressort mit gut ausgebauter touristischer Infrastruktur. Durch dichten Hochwald, der selbst im Sommer Kühlung verspricht, geht es hinauf bis an den Fuß des knapp 2500 m hohen Tahquitz oder Lily Rock, einem einzeln stehenden Granitblock, der bei Wanderern und Kletterern sehr beliebt ist.

Hemet, Kalifornien – Rinderbraten und Vietnamkrieg

Donnerstag, März 10th, 2011

Nachdem wir Camilles Gastfreundschaft für eine ganze Woche in Anspruch genommen und endlich alles erledigt haben, verlassen wir die Küste. Doch ein weiterer Besuch steht auf unserem Programm: Steve und Virginia in Hemet sind weitere Freunde von Malcolm aus Colorado. Virginia serviert uns ein ganz unamerikanisch selbstgemachtes Abendessen mit auf der Zunge schmelzendem Rinderbraten, Kartoffelpüree, Bohnen und Brownies. Steve hat eine Maschinenwerkstatt und einen Werkstatttruck, mit dem er und Sohn Travis stationär und mobil so ziemlich alles reparieren, was nicht mehr funktioniert. Der Vietnamveteran zeigt uns unglaubliche Bilder aus dem Krieg, die er mutig mit seiner kleinen versteckten Kamera geschossen hat.

Immer wieder fallen wir mit Arminius auf. Wir werden beobachtet. Ein Nachbar aus Hemet sieht uns am Nachmittag am Erdbeerstand vor der Stadt. Später findet er den Unimog vor Steves und Virginias Haus wieder. Er zählt eins und eins zusammen und fragt den völlig perplexen Steve, wie die Erdbeeren geschmeckt haben.

 

Irvine, Kalifornien – Das glückliche Ende eines Versicherungsfalls

Mittwoch, März 9th, 2011

Die Prozedur in der Bank ist ein wenig umständlich und langwierig, aber freundlich wie stets. Ich muss zwei verschiedene Ausweise vorlegen und einen Fingerabdruck vorlegen. Dann endlich halte ich das Geld aus dem Versicherungsschaden vom Death Valley National Park in der Hand, bar und ohne Gebühren. Der Scheck war pünktlich bei Camille eingetroffen. Wir decken uns mit Dingen ein, von denen wir nicht sicher sind, wie gut sie in Mexiko und zu welchen Preisen erhältlich sind: Jeans, Sommerwanderschuhe und andere Kleinigkeiten. Am Abend trifft dann endlich das letzte erwartete Paket mit einem neuen Satz Visitenkarten ein.

Costa Mesa, Kalifornien – Studentenhaarschnitt

Dienstag, März 8th, 2011

Mein Friseurbesuch lässt sich nicht länger hinauszögern. Camille hat die großartige Idee, es bei einer Friseurschule zu versuchen und ich bekomme einen Termin bei Paul Mitchell The School in Costa Mesa. Paul Mitchell war ein bekannter und äußerst erfolgreicher britischer Hairstylist, der später in den USA eine Haarsalonkette eröffnete, ein Unternehmen für Haarpflegeprodukte gründete und 1989 in Los Angeles verstarb. Ein duales Ausbildungssystem wie in Deutschland kennt man in den USA nicht. Will man einen Beruf erlernen, der nicht zwangsweise ein Universitätsstudium erfordert, geht man, je nach Geldbeutel, auf ein privates oder staatliches College. Es gibt hochdotierte Colleges, die unseren Hochschulen entsprechen, und solche mit geringerem Renommee. Man kann hier Lehrer werden (mit Bachelorabschluss) oder auch Friseur. Die private Paul Mitchell Friseurschule verlangt für ihren 11-monatigen Lehrgang satte 21.000 $, dazu müssen die Studenten für rund 2.000 $ ihr eigenes Handwerkszeug erstehen – von Paul Mitchell Systems natürlich. Nach nur wenigen Wochen Grundausbildung üben sich die Schüler an lebenden Probanden.

Ich bin heute einer davon. Obwohl ich nur einen unerfahreneren Phase-1-Schüler gebucht habe, was sich ggf. in etwas langsamerem Service auswirkt (Phase 2 wäre etwas teurer gewesen), bekomme ich eine Friseuranwärterin, die schon sieben Monate dabei ist. Diverse Dozenten patrouillieren auf und ab, überwachen, beraten und helfen. Die Kleidervorschrift für alle Schüler und Lehrer ist schwarz-weiß, und die teure und stylische Aufmachung des Instituts setzt sich in den kurzen Kleidern und hohen Stiefeln vieler Schülerinnen fort. Am Ende zahle ich 40 $ plus Trinkgeld für Haare färben und schneiden und ein Ergebnis, das nicht schlechter ist und wenig länger dauert als anderswo. Die verwendeten Produkte sind hervorragend, teuer und entsprechen neuester Technologie, und niemand versucht einem irgendetwas aufzuschwatzen. Für unerschrockene Kunden eine super Idee.

Irvine, Kalifornien – Der Wunschtraum ewiger Jugend

Montag, März 7th, 2011

Wir warten immer noch auf ein paar Pakete, Bestellungen, die wir tätigten. In der Zwischenzeit räumen wir unsere Winterdecken und -bekleidung im Austausch gegen die Sommervariante um. Wer braucht noch Wollpullover? Es hat jetzt konstant 25 – 30° C, auch wenn es sich nachts fühlbar abkühlt. Wir stehen vor Camilles Haus und immer wieder halten neugierige Menschen an, um uns anzusprechen. In Kalifornien trifft noch weit mehr die Beobachtung zu, dass es in den USA wenig mehr als zwei Körpertypen gibt: Die fast magersüchtig dünnen, völlig durchtrainierten Sportfreaks, deren Lebensinhalt in der (natürliche, oft aber auch plastisch-chirurgischen) Jungerhaltung ihres Körpers liegt. Das andere Extrem bilden die fettleibigen Fast-Food-Konsumenten, die ein völlig bewegungsfreies Leben führen. Insbesondere in Kalifornien fehlt, was wir als normal oder durchschnittlich bezeichnen würden.

Los Angeles, Kalifornien – Echte und Möchtegernstars in Hollywood

Sonntag, März 6th, 2011

Einmal in der Gegend, kommt man an einem Besuch Los Angeles’ nicht vorbei. Da die einzelnen Stadtteile und damit Attraktionen wie schon erwähnt völlig verstreut sind, entscheiden wir uns für den Klassiker: Hollywood. Camille chauffiert uns und ihre Freundin Theresa aus Chicago, die wir ebenfalls bereits in Utah kennengelernt haben und die extra herübergeflogen ist. Am Hollywood Boulevard steht Graumanns Chinese Theater. Auf dem Platz davor verewigten sich auf Betonplatten zahlreiche Stars mit ihren Hand- und Fußabdrücken und einem Spruch für Sid Graumann, dem Gründer des Chinesischen Theaters, das heute Kino und Restaurant beherbergt. Hier beginnt auch der Walk of Fame. In den Bürgersteig wurden zu beiden Seiten bislang 2400 Bronzesterne eingelassen, die Stars, Sternchen und andere Berühmtheiten des gesamten Showbusiness ehren.

Das ganze ist eine einzige Showarena. Möchtegern-Artisten führen ihre Künste als Musiker oder Rap Dancer vor und versuchen dabei, möglichst viel Geld aus den Zuschauern herauszupressen. Andere stehen als Darth Vader aus der Star Wars Saga oder Tom Cruise als Top Gun-Marineflieger als Fotomodelle – gegen Gebühr natürlich – zur Verfügung. Und dann gibt es da noch die völlig durchgeknallten, die vermutlich denken, sie sind Paris Hilton oder Britney Spears, die sich so kleiden, bewegen und verhalten und scheinbar unbeeindruckt umher flanieren – in der Hoffnung, irgendeiner nimmt ihnen diese Nummer ab.

Am Hollywood Boulevard gibt es ein mehrstöckiges Einkaufzentrum, von dessen oberen, offenen Stockwerken man den berühmten Hollywood-Schriftzug an den Hügeln der Stadt besonders gut fotografieren kann. Im Griffith Park kann man den ganzen Berg hoch wandern bis hin zu den großen weißen Buchstaben. Von hier oben aus hat man zudem einen hervorragenden Blick über fast ganz Los Angeles.

Irvine, Kalifornien – Das ausgeraubte Paket

Samstag, März 5th, 2011

Aus Deutschland ließen wir uns privat ein Paket an Camilles Adresse schicken. Das Paket ist da, aber Inhalte fehlen. Bei näherer Untersuchung stellen wir fest, dass es aufgeschlitzt und wieder säuberlich verklebt wurde. Gestohlen wurden natürlich nur „wertvolle“, wieder verkäufliche Sachen: Bremsbeläge und hochwertige Polier- und Reinigungsmittel. Ob das ein Versicherungsfall für die Post ist?

Irvine, Kalifornien – Kaliforniens wild gewordene Polizei

Freitag, März 4th, 2011

Die kalifornische Polizei scheint allgemein etwas hyperreaktiv zu sein. Camille erzählt, dass sie zu Trainingszwecken mit 13 weiteren Freunden auf ihrem Fahrrad unterwegs war. Sie fuhren einen steilen Berg hoch, auf dessen Kuppe sich ein Stoppschild befindet. In den USA gibt es keine Rechts-vor-Links-Regelung. An Nebenstraßenkreuzungen findet man meist eine 4-Way-Stop– bzw. All-Way-Stop-Regelung. Alle aufeinandertreffenden Straßen sind mit einem Stoppschild gekennzeichnet. Man fährt an die Kreuzung, hält an der Haltlinie an (was streng zu beachten ist) und fährt in der Reihenfolge der Ankunft an der Linie weiter ungeachtet der beabsichtigten Richtung. Immer schön der Reihe nach.

Natürlich verleitet diese Regelung zum Überfahren der Haltlinie wenn weit und breit kein anderes Fahrzeug in Sicht ist. Umso mehr, wenn man Radfahrer ist, hinter sich einen Pulk weiterer Radler hat, die dann alle gezwungen wären, mehrfach am steilen Berg halten und wieder anfahren zu müssen. Also fuhren die 14 Biker im Schritttempo über die verkehrsfreie Kreuzung, als sie hinter sich das unmissverständliche Aufheulen einer Polizeisirene hörten. Der Sheriff, der sich im Kreuzungsbereich versteckt gehalten hatte, ließ die ganze Gruppe anhalten und stellte jedem von ihnen einen Strafzettel aus über – man lese und staune – 487 $ pro Radfahrer. Das hat sich doch gelohnt.

Die Sportfreunde gehen nun gemeinschaftlich vor Gericht. Nicht, um ihre offensichtliche Schuld abzustreiten, sondern um eine geringere Strafe oder stattdessen gemeinnützige Arbeitsstunden einzuklagen.

Los Angeles, Kalifornien – Der Moloch

Donnerstag, März 3rd, 2011

Der Kompass steht weiter auf Süd. Wir fahren nach Solvang, einem Städtchen, das wie aus Dänemark ausgestanzt und in Kalifornien wieder eingepflanzt wirkt. Es wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von dänischen Einwanderern gegründet, was sich nicht nur in den vielen Anderson- und Petersen-Namensschildern widerspiegelt. Der einmal begonnene südskandinavische Baustil wurde bis heute konsequent weitergeführt. Entsprechende Souvenirshops und Restaurants dürfen da nicht fehlen. Santa Barbara dagegen wirkt wie aus einem mexikanischen Bilderbuch. Die hier befindliche Wetterscheide macht sich unmittelbar in steigenden Temperaturen bemerkbar.

Weiter geht es auf der Panamericana nach Malibu, einem dieser Strandbäder für Reiche und Prominente. Dann kämpfen wir uns durch Los Angeles, mit 15 Mio. Einwohnern nach New York City der größte Ballungsraum der USA. Eigentlich handelt es sich um eine dicht gepackte Ansammlung einer Unzahl von Ortschaften, für die man stellvertretend den Namen einer Stadt herausgepickt hat. Sechs-, sieben-, bis 12-spurige Autobahnen durchschneiden den Moloch. Das hervorragend ausgebaute Schnellstraßennetz galt lange Zeit als vorbildlich. Leider hatten die Stadtplaner wenig vorausschauend einseitig auf den Individualverkehr gesetzt. Nachdem vor rund 20 Jahren das System kollabierte und wegen der konstanten Erdbebengefahr vom Bau mehrstöckiger Autobahnen abgesehen werden musste, fand man sich mit einer ganztägigen, nicht enden wollenden Rushhour ab. Um der bedrohlichen Smoggefahr entgegenzuwirken, gibt es in Kalifornien strengere Vorschriften als andernorts bezüglich der Emissionen. So findet man in Los Angeles eine überdurchschnittliche Anzahl an Hybridfahrzeugen.

Dank Lissy ist die Navigation durch unzählige Autobahnkreuze entspannt und schließlich erreichen wir unversehrt Irvine. Wir besuchen Camille, die super-sportliche Iron-Woman, die wir beim Wandern in Grand Staircase – Escalante kennengelernt haben.

Santa Maria, Kalifornien – Gestörte Nachtruhe

Mittwoch, März 2nd, 2011

Auf dem Weg zum Strandausgang müssen wir erneut einen Bach durchqueren. Nur dass der heute vielmehr Wasser führt als gestern. Er sieht tief aus, und auf der Wasseroberfläche kräuseln sich schon Wellen. Die Flut liegt nicht lange zurück und drückt noch in die Flussmündung hinein. Der nächtliche Regen hat den Bach zusätzlich anschwellen lassen. An beiden Uferseiten stehen mehrere Fahrzeuge, darunter auch vier Ranger-Pick-ups. Die Fahrer tun so, als wären sie schwer beschäftigt: Sie essen Pausenbrote oder beobachten die Gegend, scheinbar uninteressiert am Fluss. Jörg sieht sich das Gewässer kurz an und fährt einfach los. Als wir ohne Probleme durch sind, setzt urplötzlich reger Verkehr ein und alle überqueren den Bach. Die haben wohl nur auf den ersten Deppen gewartet, der sich traut, den Fluss zu durchfahren.

Will man sich in den Staaten Freunde oder zumindest nicht unnötig Feinde schaffen, sollte man stets positiv sein. Der gemeine Amerikaner liebt seine Heimat und ist überzeugt, dass es das schönste Land der Welt ist und dass sie das beste System haben. Nichts wird ihn vom Gegenteil überzeugen, warum also Energie darauf verschwenden? Nachdem ich den netten Kassierer überzeugt habe, dass ich, selbst wenn ich wollte, keine Wal-Mart-Kreditkarte bekommen würde, da wir Reisende sind, und nicht mal amerikanische, fragt er, ob es denn in unserem Land keine Wal-Marts gebe. Der Verkäufer ist überdurchschnittlich gebildet, denn als ich andeute, dass es eine zeitlang Wal-Marts gegeben habe, diese aber nicht erfolgreich waren, weiß er sofort, dass wir aus Deutschland sind. Wie uns Kalifornien gefalle? Ich liebe die Landschaft, insbesondere die Küste, das Klima und die Menschen. Der Mann hört, was er hören will und ist’s zufrieden.

Kurz nach Mitternacht donnert es an die Türe, zum Glück sind wir zufällig wach. Es ist der Sicherheitsdienst, der uns mitteilt, auf diesem Wal-Mart-Parkplatz dürfe man nicht übernachten. Das steht leider, wie sonst in solchen Fällen, nicht dran. Da es lediglich einen Hinweis auf „Privatgelände“ gibt, scheint dieses Problem öfter vorzukommen und der Wachmann überreicht uns einen vorgedruckten Zettel mit den Parkregeln. Der nächste Truck-Stopp ist um die Ecke, so müssen wir wenigstens nicht weit fahren. Und die zahlreichen quakenden Frösche im nahen Teich übertönen fast die laufenden Motoren, Kompressoren und Generatoren der Lkw.