Archive for April, 2011

Malarrimo, Baja California Sur – Im größten Naturschutzgebiet Lateinamerikas

Samstag, April 30th, 2011

In Mexiko Leitungswasser zu trinken ist nicht empfehlenswert. Auch das Wasser, das man auf Campingplätzen erhält, ist meist höchstens zur Körperreinigung geeignet, sofern man keine Filter- und Desinfektionssysteme besitzt. Doch selbst dann kann brackiges Wasser zu viel Salz enthalten als für den Menschen gesund ist. Selbst Leitungswasser steht oft in Tanks, die unseren Hygieneansprüchen nicht genügen und in denen als harmloseste Variante Algen sprießen. Oft wird vergessen, die Deckel zu schließen, und die unterschiedlichsten Tiere fallen auf der Suche nach Süßwasser in die Tanks und ertrinken dort. Besser ist, sich Wasser frisch aus einem Brunnen füllen zu lassen, wenn man sich sicher ist, dass es weder zu salzhaltig ist, noch landwirtschaftlicher Ackerbau in der näheren Umgebung betrieben wird. Eine noch sicherere Alternative ist, Wasser in großen Behältern bei einer Wasserreinigungsanlage zu kaufen, die es in jeder Stadt gibt. Beim ersten Mal zahlt man Pfand für das Fass, später tauscht man leer gegen voll. Viele dieser Anlagen haben einen Schlauch mit Wasserzähler, sodass man sich seinen Tank befüllen lassen kann. Das kostet etwa 15 Eurocent die Gallone.

Nach dem Auffüllen sämtlicher Vorräte begeben wir uns wieder ins Abseits: Erst ein Stück auf der MEX 1 Richtung Süden, dann nach Westen auf die Halbinsel El Vizcaíno. Die Landzunge ist eine einsame Gegend mit einer interessanten Mischung aus Wüste, Bergen und Küstenlandschaft. El Vizcaíno ist extrem trocken mit durchschnittlich 70 mm Regen pro Jahr, in manchen Jahren fällt nicht ein Tropfen. Pflanzen und Tiere beziehen Feuchtigkeit oft nur aus den für den Pazifik typischen Küstennebeln. Die Straße nach Bahía de Tortugas ist schon größtenteils asphaltiert, wenn auch nicht immer gut. Wir fahren in das Vizcaíno Biosphärenreservat, ein  Wüstengebiet, das südlich des 28. Breitengrades 2,5 Mio. ha von der Westküste Bajas bis zur Ostküste umfasst, darunter auch das Walschutzgebiet Laguna Ojo de Liebre. Es gilt als das größte Naturschutzgebiet Lateinamerikas.

Die äußerst raren Berrendos leben hier, Wüstenspringböcke, die Sukkulenten fressen um ihren Wasserhaushalt auszugleichen, und von denen es auf der ganzen Erde nur noch hier 200 Exemplare gibt. Die seltsamen Elephant Trees mit den überdicken Stämmen beginnen bereits purpurrot zu blühen. Kurz vor Bahía de Tortugas biegen wir zur Nordküste der Landzunge ab nach Malarrimo und dann weiter am Strand entlang, wo wir uns auf einem Kliff über dem im kühlen Wind tosenden gar nicht Stillen Ozean ein lauschiges Plätzchen für die Nacht suchen.

Guerrero Negro, Baja California Sur – Hundetheorien

Freitag, April 29th, 2011

Das Verhältnis von Mensch und Haustier ist immer auch ein Ausdruck von Kultur. Schließlich domestiziert sich der Mensch schon seit Tausenden von Jahren meist vierbeinige Gesellen. Interessant ist es, die verschiedenen Verhaltensweisen zu beobachten. In Kanada zum Beispiel halten viele Menschen Hunde. Das Verhältnis scheint mir geradezu ideal: Die Tiere werden gut und freundlich behandelt, sind aber fast immer gut erzogen und respektieren Herrchen oder Frauchen als Leithund.

In den USA nimmt die Beziehung zwischen Hund oder Katz und Besitzer eine leider allzu oft fast krankhafte Ausprägung an. Die Anzahl von Hundesalons überschreitet die von Autowerkstätten, und das arme Tier muss dort nicht nur sein Haar lassen, sondern oft genug Schönheits- und Spa-Behandlungen über sich ergehen lassen, auf die es sicher getrost verzichten könnte. Hündchen trägt Pulloverchen oder Westchen, Kettchen oder Schleifchen und sitzt beim Autofahren auf der Fahrerseite völlig fehl am Platze hinterm Lenkrad auf dem Schößchen von Frauchen. Und wenn’s dann mal ein Unfällchen gibt, fliegt Wuffi durchs Fensterchen und ist dann vielleicht tötchen.

Auch viele Mexikaner halten sich Hunde. Sie sind selten an der Leine oder Kette und laufen frei herum, ihrer Aufgabe als Wachhund nachkommend. Auffällig ist aber, dass Hund den Mensch nicht nur respektiert, sondern zu fürchten scheint. Die Behandlung muss nicht so schlecht sein, dass das Tier wegläuft, aber die Disziplinierungsmaßnahmen scheinen doch so weit zu gehen, dass der Hund bei einem Fremden zwar anschlägt, aber gleichzeitig furchtvoll den Schwanz einzieht. Insgesamt scheinen die Vierbeiner eher ignoriert zu werden und nicht mit, sondern neben dem Menschen her zu leben.

Guerrero Negro, Baja California Sur – Wale zum Anfassen

Donnerstag, April 28th, 2011

In drei Buchten entlang der Baja California sammeln sich alljährlich die Grauwale, um ihre Kälber zur Welt zu bringen oder sich zu paaren. Die nördlichste und größte Bucht, in der gleichzeitig die größte Anzahl Grauwale zu finden ist, heißt Laguna Ojo de Liebre und liegt vor den Toren Guerrero Negros. Man kann die Wale mit einem Fernglas vom Strand aus beobachten, aber das wahre Erlebnis gibt es nur mit einem Boot.

Wir entscheiden uns für einen der renommierten Veranstalter mit zweisprachigem Personal, Mario’s Tours, der auch einen Campingplatz führt. Der Ausflug beginnt pünktlich um 8 Uhr und führt uns zunächst mit einem Kleinbus auf das Salinengelände, das einen Großteil des hiesigen Küstenareals belegt. Die Salzgewinnungsanlage fördert 7 Mio. Tonnen pro Jahr und gehört gemeinschaftlich dem Staat und der Firma Mitsubishi. Die Saline kann gesondert besichtigt werden, aber schon während der Fahrt über das Areal sieht man riesige Arbeitsmaschinen zur Salzgewinnung oder Lkw, die bis zu 120 t Salz laden.

Mit einem kleinen Speedboot fahren wir in die flache Bucht hinaus. Das Wetter ist perfekt am oft so ungemütlichen Pazifik, denn es ist windstill und die Sonne hat den Nebel aufgelöst. Es sind nur noch wenige Grauwale hier, die meisten sind bereits auf dem Weg zu ihren Jagdgründen im hohen Norden. Aber entscheidend ist nicht die Anzahl, sondern das intensive Erlebnis. Der geschulte Bootskapitän nähert sich den Meeressäugern äußerst langsam und stoppt das Boot mindestens 100 m vorher. Den Rest erledigen die Wale, wenn sie Lust haben. Heute haben sie, es ist unglaublich. Sie umschwimmen das Boot, drehen sich zur Seite, um uns mit einem Auge betrachten zu können, recken ihren Kopf aus dem Wasser und ja, sie lassen sich anfassen und streicheln. Ihre Haut ist dick, aber ganz weich und mit vielen harten Verkrustungen übersät, wo Seepocken wachsen. Die Delfine, die in der Bugwelle surfen, wetteifern um unsere Aufmerksamkeit. Wenn die Wale an der Wasseroberfläche ausatmen, spritzen sie uns alle und unsere Kameras mit ihrem Blas voll. Wenigstens sind sie so rücksichtsvoll, gebührenden Abstand zu halten, wenn sie weit aus dem Wasser springen, um sich mit einem lauten Platschen wieder hineinfallen zu lassen.

Es handelt sich durchgehend um einige späte Mütter mit ihren Kälbern, die sich noch in der Laguna Ojo de Liebre aufhalten. Die meisten andern, die Männchen und die Jungtiere sind bereits auf ihrer zwei- bis dreimonatigen Reise in die Beringsee, wo sie sich während des Sommers mit Krill eine dicke Fettschicht anfressen, um im nächsten Winter wiederzukommen. Ein Weibchen bringt alle zwei Jahre ein Junges in der Lagune zur Welt, die ihnen Schutz vor Orcas und Haien bietet, eine für Wale kuschelige Wassertemperatur und – so zumindest die Theorie – einen höheren Salzgehalt, der den Babys das Schwimmen erleichtern soll. Die Mutter zeigt dem Kalb einmal den Weg in die Beringsee und zurück, danach trennt sie sich von ihm. Anschließend paart sie sich erneut und gebärt nach einer Tragezeit von elf bis 12 Monaten ein weiteres Kalb. Grauwale werden bis zu 50 Jahre alt, in seltenen Fällen bis zu 60 Jahre. Sie ziehen jährlich 16.000 bis 19.000 km, das ist die längste bekannte Migration eines Säugetiers.

In den letzten Jahren verschob sich die Walsaison meist etwas nach hinten, sodass sie jetzt von Anfang Dezember bis Ende April dauert, mit ihrem Höhepunkt im Februar und März. Die Touren starten morgens und dauern etwa drei Stunden zuzüglich An- und Abfahrt. Eine weitere Möglichkeit der Walbeobachtung ist, südlich von Guerrero Negro auf das Salinengelände zu fahren (kleine Eintrittsgebühr) und sich vor Ort ein Boot zu mieten. Das kann etwas günstiger sein, eventuell aber weniger professionell als bei den etablierten Veranstaltern.

Guerrero Negro, Baja California Sur – Temperatursturz

Mittwoch, April 27th, 2011

120 km Piste sind es noch einmal von San Francisquito über El Arco zur MEX 1. An einer der Ranchs füllen wir unseren Wassertank voll. Sie werfen extra ihre Wasserpumpe an, der Großteil läuft wegen des zu dicken Schlauchs und des hohen Pumpendrucks daneben und wir müssen wieder nichts bezahlen. Ich frage mich, von was die Rancher leben. Von den paar Gästen im Jahr, die sich möglicherweise hierher verirren und etwas essen oder ein paar Nächste bleiben, sicher nicht. Überall gibt es ziemlich magere Kühe, die frei herumlaufen und an den Kakteen nagen. Sollte die Hamburgerindustrie so einträglich sein? Oder gibt es doch irgendwo das versteckte Kokainfeld?

Noch einmal durchqueren wir den langgestreckten Parque Natural del Desierto Central, wo Millionen von Saguaros in voller Blüte stehen. Immer wieder huscht ein Kojote oder Roadrunner über die Straße. In der Wüste messen wir bei Starkwind 40° im Schatten, als wir am Nachmittag in Guerrero Negro am Pazifik angelangen, hat es gerade noch 23°. Damit sind wir in Baja California Sur angelangt, einem weiteren von 31 Staaten der Vereinigten Mexikanischen Staaten, wie der offizielle Name lautet. Wir haben eine Zeitzone in Richtung Osten überschritten und dank unserer Wüstenfahrt den landwirtschaftlichen Kontrollposten an der MEX 1 umgangen, wo man uns möglicherweise einige Obst- und Gemüsesorten abgenommen hätte, die man in den Südteil der Halbinsel nicht einführen darf. Bei einem der örtlichen Veranstalter buchen wir für morgen Früh eine Walbeobachtungstour.

Bahia San Francisquito, Baja California Norte – Bierbüchsen und Zahnstummel am Schildkrötenstrand

Dienstag, April 26th, 2011

Meine Hoffnung auf frischen Fisch erfüllt sich nicht. Die Fischer fuhren erst im Morgengrauen los und kehren bis zu unserer Abfahrt nicht zurück. Als ich Pancho meine Enttäuschung kundtue, deutet er aufs Meer hinaus und sagt: „Da gibt’s jede Menge Fisch. Kannst dir einen fangen.“ Stattdessen schnappen sich die Kormorane, die sich aus Dutzenden von Metern Höhe ins Wasser stürzen, die Fische. Oder auch die Pelikane, die im Formationsflug zentimeterdicht ohne einen Flügelschlag über die Wasseroberfläche gleiten und der Szenerie ein wenig tropisch-exotisches Flair verleihen.

Die restlichen 56 km bis San Francisquito rattern wir bis Mittag ab. Wir landen zunächst im „Hafen“, einer kleinen flachen Seitenbucht und treffen Jim aus San Diego, der die Hälfte des Jahres hier unten verbringt. Unsere Wasservorräte gehen zur Neige, daher schickt er uns einige Meter weiter zu Alfredo. Der füllt uns großzügig und kostenlos ein paar Gallonen Wasser ab, obwohl er es selbst von einer mehrere Kilometer entfernten Ranch, die einen Brunnen hat, holen muss.

Die attraktive Bucht von San Francisquito an der Cortes-See hat einen knapp vier Kilometer breiten, von Felsen eingerahmten Sandstrand, der steil abfällt und beliebtes Schildkrötenbrutrevier ist. Bis vor ein paar Jahren war hier ein Urlaubsresort in Betrieb. Es war in den 60er Jahren erbaut worden und hatte so illustre Gäste wie John Wayne und Kirk Douglas beherbergt. Wie so oft in Entwicklungsländern wurde nicht nachinvestiert und die Anlage dem Verfall anheim gegeben. Nachdem es geschlossen worden war, kaufte 2008 ein mexikanischer Investor das Land mit dem Vorhaben, ein Luxusresort zu errichten. Eines Tages. Vielleicht.

Bis dahin kann man hier campen oder sich eine der gammeligen Hütten mieten. Die Campinggebühren betragen 5 US$ pro Person, in Anbetracht des Services ein recht amerikanischer Preis: Es gibt ein paar verfallene Sonneschirme, Toiletten und Duschen in adäquatem Zustand. Als wir ankommen, liegen trotz ausreichend großer Müllbehälter Dutzende von Bierdosen von der vergangenen Osterparty herum, genau wie mit Nägeln bestückte Palmwedel, die von irgendeinem Dach abgefallen sind, und die man sich prima in Fußsohle oder Reifen stechen kann. Man hatte wohl nicht mit Besuchern gerechnet, und nach unserem Strandspaziergang ist zumindest aufgeräumt. Mamacita Rosa kocht täglich für Familie und Gäste, die Mahlzeiten werden gemeinsam eingenommen. So viel Familienanschluss hat seinen Preis: 9 US$ fürs Frühstück, 10 $ das Mittag- und 12 $ das Abendessen. Auch wenn der nächste Supermarkt weit und die Versorgung daher nicht einfach ist: die Preise sollen wohl ein wenig an die mondäne Vergangenheit erinnern.

Beim Lagerfeuer sitzen wir mit zwei amerikanischen Privatpiloten aus Sacramento zusammen, die mit ihren Frauen für ein paar Tage hier herunter gekommen sind. Ihre beiden winzigen Propellermaschinen stehen am Rande des Flugfelds. Der echte und der Hühnerfarmer gehören dem Rotary Club an. Deren lokale Vereinigung hat zum Ziel, die Bewohner der abgelegenen Region von San Francisquito zu unterstützen. Die Piloten fliegen gewöhnlich Ärzte und Zahnärzte hierher. „Wir können den Mexikanern das Trinken von Coca-Cola nicht verbieten“, meint der Hühnerbaron, „aber wir können behandeln, was sie von den Zähnen übrig lässt“.

Bahia de San Rafael, Baja California Norte – Panchos Gastfreundschaft

Sonntag, April 24th, 2011

Vor genau einem Jahr sind wir zu unserer Reise aufgebrochen und nach London geflogen. Heute bleiben wir nur kurz auf der MEX 1, aber wenigstens gibt es bis Bahia de los Angeles an der Cortes-See Asphalt. Der Ort in der gleichnamigen Bucht hat schon bessere Tage gesehen, aber immerhin gibt es eine Tankstelle mit Diesel, ein paar Minimärkte und einen Supermarkt, wo sich vor dem umfangreichen Schnapsregal die Mehrheit der ortsansässigen amerikanischen Gringos versammelt hat. Wir kaufen ein paar teure Kleinigkeiten, doch wenigstens Kraftstoff hat einen staatlich festgelegten Einheitspreis, und alle Tankstellen gehören der staatlichen PEMEX-Kette an. Das Highlight in Bahia de los Angeles soll die Meeresschildkrötenforschungsstation sein. Sie wurde 1979 aus einer umgewandelten Schildkrötenfischerei entwickelt. Heute liegt sie verlassen da, die Tanks sind trocken, die Wasserleitungen nicht mehr angeschlossen.

Da wir Näheres nicht herausfinden können, begeben wir uns wieder auf die Spuren der Rallye Baja 1000 und folgen der Rumpelpiste in langsamem Tempo Richtung Bahia San Francisquito für 130 km. Etwa auf halbem Weg berührt der Track das Ufer bei Bahia de San Rafael. Am hübschen Sandstrand leben ein paar Heilbuttfischer, darunter auch Pancho, der seit 26 Jahren hier lebt. Der frühere Haifischer hat meist ein Bier kalt, das er für einen in Anbetracht der einsamen Lage fairen Preis abgibt. Sofern er gerade den Schlüssel für die Tür findet und zwischenzeitlich nicht vergisst, dass er eigentlich ein Bier holen wollte. Pancho als exzentrisch zu bezeichnen ist geringfügig untertrieben. Sein Englisch ist genauso schwer zu verstehen wie sein Spanisch. Was möglicherweise am dauerhaften Konsum von Corona, Pacifico und Tequila liegt, der ihn nicht nur den Großteil seiner unteren Zahnreihe gekostet hat, sondern möglicherweise ein paar völlig unbedeutende Areale von Hirnzellen.

Das urige Original wühlt noch einmal in seiner solarbetriebenen Eisbox und bringt etwas zu Essen zutage, von dessen Verzehr alle amerikanischen Reiseführer einhellig warnen: Ceviche. Der Grund liegt auf der Hand: Ceviche besteht gewöhnlich aus rohem Fisch oder Jacobsmuscheln. Die mariniert man in Limonensaft mit Chilis, Zwiebeln, Knoblauch, Paprikaschoten, Tomaten, Avocados, Korianderkraut, Salz, Pfeffer und braunem Zucker. Panchos Version ist etwas improvisiert, aber die Grundzutaten Jakobsmuscheln, Zwiebeln, Limone und Chilis sind da. Pancho bringt eine Schüssel und einen Löffel. Er versichert, dass letzterer gewaschen ist, aber vielleicht sollten wir diesem unwichtigen Detail keine besondere Bedeutung beimessen. Wir essen alle aus derselben Schüssel mit demselben Löffel. Ich hätte es aber als hochgradig unhöflich empfunden abzulehnen. Bis zum Abend stellen sich keine Anzeichen einer Lebensmittelvergiftung ein.

Pancho bietet uns an, bei ihm am Strand kostenlos zu übernachten. Auf der Baja ist es durchaus üblich, dass Einheimische ein kleines Entgelt fürs Campen am Strand verlangen, auch wenn es nicht deren Privatbesitz ist. Als Gegenleistung halten sie den Strand sauber. Wir nehmen das Angebot an, denn der Sand und das klare, kühle Wasser laden uns zum Schwimmen ein.

Coco’s Corner, Baja California Norte – Boxenstopp mit kalten Bier

Samstag, April 23rd, 2011

Die Straße ab Puertecitos nach Süden bis zur MEX 1 war berüchtigt. So berüchtigt, dass nur wenige Unentwegte die Mühen auf sich nahmen, die katastrophale Piste im Schneckentempo entlang zu rumpeln. Heute arbeitet die mexikanische Regierung mit Hochdruck an vielen Straßenprojekten, unter anderem auch daran, diesen Schandfleck mangelnder Zivilisation in die Neuzeit einzuführen. Bis kurz hinter Campo Cinqo Islas ist die MEX 5 mittlerweile asphaltiert. Was danach kommt, stellt höchste Ansprüche an Reifen, Federung und Dämpfung, sowie an die Geduld des Fahrers. Nur wenige Stellen sind „gutes“ Waschbrett und so breit, dass man mit ausreichender Geschwindigkeit über die Wellen „fliegen“ kann. Der Rest wiederum ist so schlecht, dass man im Schneckentempo mit kaum mehr als 15 km/h entlang kriecht. Und das über 92 km.

Da kommt eine Erholungspause recht, zum Beispiel an der Bahia San Luis Gonzaga. Die weitläufige Bucht hat Sandstrand, ein paar winzige Siedlungen, eine PEMEX-Tankstelle mit Benzin, aber ohne Diesel, einen Minimarkt, wo man alles Mögliche, vor allem aber Bier kaufen kann, ein Restaurant und einen einfachen Campingplatz am Strand. Außerdem gibt es eine Buschlandepiste, wo die Besitzer der rustikalen Strandhäuschen mit ihren eigenen Propellerflugzeugen einfliegen können. Wir quälen uns weiter über den Track, der zum Teil von der Rallye Baja 1000 mitbenutzt wird. Manche klagen, dass das Rennen die Piste zerstört. Andere sagen, dass die Rennfahrzeuge Spuren ausfahren, die andere dann benutzen können. Die Offroad-Rallye findet alle zwei Jahre statt, die letzte im November 2010.

Wie die Rennteilnehmer legen wir einen Boxenstopp ein an Coco’s Corner, das sogar auf den meisten Landkarten verzeichnet ist. Das Café ist eine Institution, der Besitzer eine Legende. Seit Coco 1990 als Folge eines Arbeitsunfalls ein Bein verlor, zog er sich in die Wüste zurück und bietet seitdem abgeschlagenen Reisenden kaltes Bier, Erfrischungsgetränke, manchmal ein paar Burritos und einen Platz zum Übernachten. Schon von Weitem glitzern und klappern tausende von Bierdosen, die Coco an den Zäunen entlang seiner Grundstückgrenzen aufgehängt hat. Vor kurzem musste auch sein zweites Bein amputiert werden und gerade unterzog er sich einer erneuten Operation, von der er sich zurzeit in Ensenada erholt. Ein Freund kümmert sich um das Café, der auch dafür sorgt, dass sich Besucher in das umfangreiche Gästebuch eintragen. Wir finden jedoch nur wenige Einträge von Weltreisenden.

Dafür überschlage ich, dass mindestens die Hälfte aller Vorbeikommenden anhält, um sich ein Bier oder gar ein Sixpack zu schnappen. Bier ist das mexikanische Nationalgetränk. Wegen seines meist nur geringen Alkoholgehalts kann man bedenkenlos anscheinend auch während der Fahrt eines schlürfen. Die letzten 12 km Piste bis zur MEX 1 und entlang der Straße liegt der Parque Natural del Desierto Central. Das Naturschutzgebiet läuft auch unter dem Namen Valle de Cirios. Neben abertausenden von Saguaros wachsen hier Orgelpfeifenkakteen, Josuabäume, Agaven, Cylindropuntien, Mesquitebüsche, die speziellen Elephant Trees und vor allem Cirios, meterhohe Stängel, die aussehen, als wären sie mit Barthaaren bewachsen. Die ganze Pracht kostet keine Pfennig Eintritt.

Puertecitos, Baja California Norte – Rommel und die Kakteen

Freitag, April 22nd, 2011

Das Valle des los Gigantes ist ein privates Naturschutzgebiet. Hier findet man Saguaros oder Cardón, wie sie in Mexiko heißen, die größten Kakteen der Erde. Diese Exemplare sind noch weit größer als in Arizona. Das größte steht gleich am Anfang des Kakteenfeldes: 18 m hoch, 12 t schwer und mehrere hundert Jahre alt. Ab hier geht es im stellenweise weichen Sand nur noch mit Vierradantrieb oder per pedes weiter. Einen anderen, fast ebenso großen Kaktus, hatte die mexikanische Regierung 1992 aus diesem Park zur Expo ins spanische Sevilla anlässlich des 500. Jahrestages der Entdeckung Amerikas schaffen lassen. Die Pflanze lebt in ihrer neuen Heimat als Symbol für Mexiko weiter.

Zur weiteren Flora des Parks gehören Ocotillos, Parkinsonien, Mesquitebüsche und Cylindropuntien. Die Einfahrt zum Valle des los Gigantes befindet sich bei km 14 südlich von San Felipe auf der Westseite der Straße. Pro Fahrzeug werden 10 US$ Eintritt erhoben. Das ist nicht wenig, aber die Baja ist bekannt für ihre amerikanisierten Preise. Wer nicht weiter in den Süden fährt, sollte den Park besuchen. Für alle anderen gibt es weiter südlich noch genügend Gelegenheit, Kakteen – kostenlos – zu bewundern. Der Park befindet sich auf dem Gelände der Rancho Punto Estrella, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite Campingmöglichkeiten am Strand bietet.

Kurz vor der Ausfahrt, als wir ein letztes Foto schießen wollen, treffen wir doch noch Rommel. Das ist kein Scherz, der Mann heißt wirklich so, sein Vater war ein Fan des deutschen Kriegsgenerals, der im Ausland erstaunlich viele Anhänger besitzt. Er hat ein schweres Erbe zu tragen, klagt der Mexikaner, sein erster Vorname lautet David, sein zweiter Rommel. Dabei wirkt er nicht allzu niedergeschlagen. Rommel wohnt eigentlich in Tecate und ist sowohl ein Freund von Fritz als auch von Werner und Gabi, die wir ebenfalls in Tecate kennenlernten, aber Ostern verbringt er auf dem Besitz seiner Familie, der Rancho Punto Estrella. Was für ein Zufall, dass wir uns hier treffen, meine ich. Rommel freut sich auch, „aber nein“, meint er gedankenschwer, „Zufälle gibt es im Leben keine“.

Und noch etwas finden wir heute: den einsamen Strand bei Cinqo Islas, wo wir frei campen und im erstaunlich temperierten Wasser des Golfs von Kalifornien schwimmen gehen. Seit Beginn unserer Reise ist es das erste Mal, dass wir im Meer baden.

San Felipe, Baja California Norte – Die Baja – heute Halb-, morgen Insel?

Donnerstag, April 21st, 2011

Von Punta Banda und Ensenada an der Westküste fahren wir über MEX 3 und 5 nach San Felipe and der Ostküste der Baja California. Die Halbinsel ist 1300 km lang, misst an ihrer breitesten Stelle im Norden zwischen Tijuana und Mexicali 193 km und an ihrer schmälsten im Süden zwischen La Paz und dem pazifischen Ozean 45 km. Niederkalifornien, wie sie auf Deutsch heißt, ist Teil der pazifischen Platte und driftet nördlich vom mexikanischen Festland weg, das selbst Teil der nordamerikanischen Platte ist. Erst vor etwa 5 Mio. Jahren war der Spalt so groß geworden, dass sich eine Meeresstraße öffnete. Anfangs nannte man sie zu Ehren des legendären spanischen Eroberers des 16. Jahrhunderts Mar de Cortés (Cortes-See). Da der Spanier in Mexiko keinen uneingeschränkt guten Ruf besitzt, benannte die Regierung das Gewässer Anfang des 20. Jahrhunderts in Golfo de California (Golf von Kalifornien) um. Beide Namen sind aber in Landkarten gebräuchlich. Im Norden fließt der Colorado River hinein, 669 km südlich grenzt der Golf knapp unterhalb des Wendekreises des Krebses an den Pazifik. Die Baja ist maximal 250 km vom Festland entfernt, wird aber eines Tages eine Insel sein. Sie ist zu 65 % von Wüste bedeckt, und insgesamt 23 Bergketten erheben sich bis über 3000 m über den Meeresspiegel.

Wir passieren zwei Militärkontrollen auf unserem Weg, die zweite an der Einmündung MEX 3 / 5 ist sehr gründlich und wir müssen eine halbe Stunde warten. Der Soldat interessiert sich für unsere Mehlbüchse. Ob da nicht doch Drogen drin wären? Er kann ja mal eine Linie schnüffeln, wenn er möchte. In San Felipe ist dank des bevorstehenden Osterfestes der Bär los. Wir haben keine Lust auf eine schlaflose Campingnacht und schlagen uns im Süden der Stadt in die einsame Wüste, wo mangels landwirtschaftlicher Nutzbarkeit endlich einmal keine Zäune stehen.

Punta Banda, Baja California Norte – Die Boilerreparatur

Mittwoch, April 20th, 2011

Unsere Heizung leckt. Aus einem kleinen Loch im Boiler spritzt Wasser, außerdem rinnt es aus einer unsauberen Schweißnaht rund um eine Schraube. So viel zu guter deutscher Qualität. Das Gerät ist ein Jahr alt. Zum Glück bietet sich Alfredo, der freundliche Besitzer des Campingplatzes El Refugio in Punta Banda, auf dem wir gestern eingekehrt sind, sofort an, uns mit seinem Auto zu fahren und nach Hilfe zu suchen. Das stellt sich als schwierig heraus. Der Boiler ist aus Edelstahl, aber so dünn, dass es fast niemand schweißen kann. Wir müssen die 30 km bis nach Ensenada fahren, um eine Werkstatt zu finden, die es sogar innerhalb einer Stunde reparieren will. Alfredo ist so nett, uns während der Wartzeit zum nächsten Supermarkt zu fahren, damit wir einkaufen können. Er erklärt uns nicht nur sämtliche Obst- und Gemüsesorten, die uns noch unbekannt sind, sondern auch den Schärfegrad der einzelnen Chilisorten. Außerdem gibt uns der Hobbykoch gleich noch einen Schnellkurs in mexikanischer Küche.

Heute Mittag noch verstand ich die Welt nicht. Warum spricht ein Campingplatzbesitzer, der ständig mit Touristen zu tun hat, kein Wort englisch? Ein technisches Problem in einer Sprache zu erläutern, die man kaum beherrscht, ist höchster Schwierigkeitsgrad, finde ich. Mein Spanischlehrer würde sich schämen für mich, aber der Kursus ist schon ein Jahr her ohne Praxis. Alfredo besteht bis in die Stadt hinein darauf, unsere Unterhaltung auf Spanisch zu führen. Er ist der gleichen Meinung wie ich: Das Mexiko-Desaster sei politisch motiviert und von Medien gemacht. Gewalt gegen Außenstehende finde nur selten statt und selbst dann meist nur, wenn diese in Gangkämpfe hineingeraten. Und niemand spreche über den hohen Gewaltpegel in Los Angeles oder New York! Im Laufe des Nachmittags sickern langsam ein paar englische Worte aus Alfredo. Gegen Abend dann spricht er ein erstaunlich flüssiges Englisch. Was den Wandel verursacht hat, kann ich nur vermuten.

Der Boiler ist pünktlich fertig, die Spezialreparatur zu einem günstigen Preis erledigt und als wir ihn zurück am Campingplatz ans Wasser anschließen, hält er dicht.

Parque Nacional San Pedro Mártir, Baja California Norte – Das Riesenteleskop

Dienstag, April 19th, 2011

Am Ende der 18 km langen Stichstraße in den Nationalpark liegt das Observatorio Astrónomico Nacional. Das größte Himmelsobservatorium Mexikos zählt zu den besten unseres Planeten. Drei Teleskope mit 84 cm, 1,5 und 2,1 m Durchmesser stehen auf einem 2830 m hohen Berg frei von Licht- und Luftverschmutzung. Die mexikanische Regierung ließ die Teleskope 1975 nicht nur zur Sternenbeobachtung aufstellen, sondern auch zu Messungen der Helligkeit des Himmels, des Status der Atmosphäre und einer langen Liste meteorologischer Daten. Seine Wagen muss man vor dem verschlossenen Tor abstellen und die letzten drei Kilometer Straße den steilen Berg hoch laufen. Dafür sehen wir Kojoten. Einer davon beobachtet uns lange Zeit und lässt sich fotografieren. Als wir seinen Sicherheitsabstand unterscheiten, läuft er in aller Ruhe aus unserem Sichtfeld.

Die Öffnungszeiten des Observatoriums, für das kein zusätzlicher Eintritt erhoben wird, sind begrenzt; momentan 10 bis 13 Uhr. Trotzdem ist am obersten und größten Teleskop niemand. Ob man einfach reingehen kann? Wir warten lieber. Da kommt auch schon ein Wissenschaftler im Mexiko-Käfer angebraust. Auf Nachfrage ist er bereit, uns die Räumlichkeiten zu zeigen. Er spricht sogar einigermaßen englisch – die erste Person, die wir treffen. Ein deutscher Astronom arbeitet ebenfalls hier, aber der schläft wohl gerade. Das Teleskop ist keines zum Hindurchsehen, sondern eine Kamera empfängt über zwei Spiegel die Himmelsbilder und leitet die Daten an Computer weiter, die so alt aussehen wie das Teleskop ist. Die Hochleistungs-Infrarotkamera kann sogar tagsüber Bilder aufnehmen und muss mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden. Das Dach über der Riesenlinse wird elektrisch geöffnet und gedreht. Von der Gangway rund um das Dach hat man eine fantastische Sicht bis zu Pazifik im Westen und der Sea of Cortez im Osten.

Auf dem Rückweg tauchen sie dann doch noch auf: die Kondore. Einzeln oder in kleinen Gruppen schweben sie majestätisch am Himmel, geschickt die Thermik nutzend. Sie sind gut zu identifizieren anhand ihrer weitgespreizten Schwungfedern und natürlich ihrer Spannweite bis zu 2,70 m. Charakteristisch ist auch ihr Flügelschlag, wenn sie überhaupt einen tun, wobei sich die Flügelspitzen fast unter der Brust berühren. Damit sind sie deutlich von den gewöhnlichen Truthahngeiern zu unterscheiden.

Unser Plan, über Mike’s Sky Ranch nach Osten zurück auf die MEX 3 zu fahren, scheitet. Die Piste wurde bei den letzten Regenfällen einfach fortgespült. Zwar warnten uns die Parkranger vor, doch wir überzeugen uns persönlich, dass der Weg unpassierbar ist. Mike’s Sky Ranch bietet Zimmer, Campingmöglichkeiten und ein Restaurant und ist vor allem bei Geländemotorradfahrern beliebt. Die Ranch ist seit Jahren Checkpoint der bekannten Baja 500 und Baja 1000 Rallyes und hat eine bessere Zufahrtstraße von der MEX 3 aus. Da wir nicht noch einmal die buckelige Staubstraße von gestern fahren wollen und es kaum Ost-West-Verbindungen auf der Baja California gibt, begeben wir uns zurück Richtung Ensenada.

Parque Nacional San Pedro Mártir, Baja California Norte – Schnee in Bajas Bergen

Montag, April 18th, 2011

Es ist einer der einsamsten Parks in ganz Mexiko: Wohl wegen seiner abseitigen Lage wird er so selten besucht. Dabei ist die 78 km lange bergige Straße ab MEX 1 zum Parque Nacional San Pedro Mártir mittlerweile asphaltiert. Das Naturschutzgebiet umfasst einen Teil der höchsten Bergkette der Baja California, die Sierra San Pedro Mártir und deren höchsten Gipfel Picacho del Diablo mit 3095 m. Bereits auf der Zufahrtstraße bekommt man Blicke bis zum Pazifik. Der Parkeingang befindet sich auf 2700 m Höhe, selbst Mitte April liegt in schattigen Senken noch Schnee. Es gibt etliche Wandermöglichkeiten, aber nur wenige gekennzeichnete. Ambitionierte Hiker sollten ein GPS, topografische Karten und ein paar Spanischkenntnisse mitbringen, um sich mit den monolingualen Rangern abzustimmen. Der Park ist bekannt für seine endemischen San Pedro Mártir Zypressen, Küsten-Kiefern und Zitterpappeln. Die seltenen Dickhornschafe leben in den Bergen, und seit einigen Jahren versicht man den äußerst gefährdeten Kalifornischen Kondor, der hier vor 60 Jahren ausgestorben war, wieder anzusiedeln. Der Eintritt in den Park kostet 50 MXN pro Person für 24 Stunden, de facto zwei Tage, und schließt eine Übernachtung auf den einfachen Campingplätzen mit ein. Gleich nach der Rangerstation an der Zufahrt wurden mehrere Areale zum Campen freigegeben, ausgestattet mit Toilettenhäuschen, Bänken und Tischen, sowie Grills oder Feuerkuhlen. Die Stellplätze sind großzügig zwischen den riesigen Bäumen angelegt. Wir sind die einzigen Camper hier.

Heute essen wir Jícama. Das ist eine kohlrabiartige Wurzelknolle. Hat man die braune Schale entfernt, kommt weißes, knackig-zartes und sehr saftiges Fruchtfleisch zutage, das ein ganz leicht süßliches Aroma besitzt. Deshalb essen die Mexikaner Jícama als Obst zum Nachtisch. Mit Chili bestreut, versteht sich. Ich aber finde, dass es ein prima Gemüse abgibt und hervorragend in Salate passt.

La Bufadora, Baja California Norte – Thermalquellen und Meeresgeysir

Sonntag, April 17th, 2011

Die Rancho San Carlos schmiegt sich in ein grünes Tal tief in den Bergen. Der Besitzer legte zwei große und drei kleine Pools mit unterschiedlichen Wassertemperaturen an. Die Betonbecken sind keine ausgesprochenen Schönheiten, aber das ständig zufließende Thermalwasser ist angenehm und riecht gesund leicht Schwefel. Touristen sind momentan keine hier, dafür füllt sich der Platz mehr und mehr mit einheimischen Familien. Fast keine der Frauen badet. Und wenn, dann sind sie, genau wie die Mädchen, mit einem Kleid oder T-Shirts und Shorts bekleidet. Interessant dabei ist, dass sie in der gleichen (manchmal zu) knappen Bekleidung in der Stadt ihre Speckröllchen durchaus nicht ohne Selbstbewusstsein präsentieren, beim Baden aber schamhaft sind. Einen Markt für Bikinis und Badeanzüge scheint es hier nicht zu geben. Die Männer und Jungen tragen weite Badeshorts, enge Badehosen kommen ebenfalls nicht zum Einsatz.

Für viele ist es nur ein Sonntagsausflug, doch etliche Familien richten sich für die Semana Santa, die Heilige Woche, häuslich ein. Ostern ist nicht nur der höchste christliche Feiertag, sonder im katholischen Mexiko mindestens so wichtig wie Weihnachten. Während der gesamten Karwoche wird gefeiert, viele Mexikaner nehmen sich Urlaub und kommen in Scharen vom Festland auf die Baja California herüber, um Strandferien zu verbringen.

Zurück auf der MEX 1 biegen wir nur wenig südlich auf die Halbinsel Punta Banda ein. Im Örtchen La Bufadora am Ende der Stichstraße gibt es das zweitgrößte Blowhole bzw. Blasloch der Welt. Die Brandung drückt die Wellen in eine unterirdische Schlucht und durch ein Loch im Fels nach oben. Wasser und Gischt spritzen explosionsartig bis zu 30 m in die Höhe. Man stellt sein Fahrzeug für 20 MXN Parkgebühr am Ortseingang ab und läuft eine Straße lang, die rechts und links gepflastert ist mit Souvenirshops und Essständen. Die Verkäufer sind freundlich, viele bedanken sich, dass man hergekommen ist.

Seit vor ein paar Jahren die Zunahme der Drogengewalt und die Weltwirtschaftskrise den Touristenstrom aus den USA nur noch spärlich fließen lassen, ist es für viele Mexikaner schwierig geworden, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Verstärkt wird das durch die Medien, die – in den Staaten noch mehr als in Europa – die wenigen Ereignisse tatsächlicher Angriffe aus Ausländer maßlos hoch pushen – von welchen Interessensgruppen auch immer finanziert. Gewalt findet in den meisten Fällen in Kämpfen der Drogengangs untereinander statt. Gerät man als Reisender zwischen die Fronten, war man wohl zur falschen Zeit am falschen Ort. Zum Glück trifft das selten zu. Als am meisten gefährdet gilt das Grenzgebiet zu den USA, die Baja soll sicherer sein als das Festland.

Wir unterstützen derweil die Lokalökonomie und laben uns an den von Spanien bekannten Churros. Diese Sünde besteht aus in Fett ausgebackenem Spritzgebäck, in Zucker und Zimt gewälzt. Zugunsten der interessanteren Streckenführung fahren wir im Zickzack über eine Staubpiste durch das Küstengebirge und schlagen irgendwo zwischen den Büschen unser Nachtlager auf, wo wir uns heute Abend Nopales selbst zubereiten. Die Kaktusblätter wurden an einem Stand im Supermarkt frisch entstachelt und für knapp über einem Euro das Kilo als so ziemlich günstigstes Gemüse verkauft.

Ensenada, Baja California Norte – Internet Hurra!

Samstag, April 16th, 2011

Obwohl nicht allzu viele Autos an der Laguna Hanson campten, zählte die vergangene Nacht nicht zu meinen ruhigsten. Eine zum Glück etwas entfernte Partei ließ die Musik bis morgens um 8 Uhr (!) dröhnen, dazu heulte immer mal eine Frauenstimme mit den Coyoten um die Wette. Mexikaner campen und feiern eben etwas anders. Wir verlassen Parque Nacional Constitución de 1857 nach Süden zur MEX 3, was etwas schneller geht als gestern, und begeben uns in die Touristenhochburg Ensenada. Dabei passieren wir eine weitere Militärkontrolle. Diesmal will ein Soldat kurz in das Fahrzeug hinein und öffnet ein, zwei Schränke. Zwar soll es möglich sein, Soldaten und Polizisten vom Begehen des Campers abhalten zu können, wenn wir darauf hinweisen, dass es sich um unser Haus handelt. Dann bräuchten sie einen Durchsuchungsbefehl. Momentan sehen wir keinen Handlungsbedarf, die Kontrollen sind nur kurz, freundlich und nicht störend.

Wir wollen uns in Ensenada nicht aufhalten, sondern lediglich Vorräte aufstocken. Für die nächsten 600 bis 800 km soll es keine ernstzunehmenden Versorgungsmöglichkeiten geben, kleine Supermärkte aber sehr wohl. In der drittgrößten Stadt Baja Californias gibt es sogar einen Costco, der aber mit seinen amerikanischen Preisen mit dem niedrigeren mexikanischen Niveau nicht mithalten kann. Den Wal-Mart – einen von 600 in Mexiko – lasse ich gleich links liegen und stöbere lieber in den lokalen Großmärkten Soriana Super, Calimax oder Comercial Mexicana.

Eine Internetverbindung zu etablieren ist einfacher und unbürokratischer als in den „zivilisieren“ Ländern Kanada und USA. Der Mann hinter dem Schalter, der zu meiner Erleichterung etwas englisch spricht, nickt eifrig: Ich muss nur einen Internetstick kaufen (leider ist keines unserer bisher erstandenen Modelle kompatibel, trotz Entsperren des SIM-Locks), habe dafür 30 Tage oder 3 GB freien Internetzugang über das Mobilfunknetz des größten mexikanischen Anbieters Telcel und kann dann im Prepaidsystem nachladen. Man braucht weder eine mexikanische Adresse, noch eine lokale Kontoverbindung, eine Ausweiskopie genügt. Die Preise sind sogar günstiger bzw. die Leistungen besser als in den nördlichen Nachbarländern.

Der Abend naht, daher fahren wir südlich am Baja Country Club vorbei auf einer 18 km langen Piste zur Rancho San Carlos. Insgesamt sieben Mal durchqueren wir einen ordentlich tiefen Wasserlauf. Gerade als wir uns selbst auf die Schulter klopfen wollen wie prima, wir das mit unserem Unimog hinbekommen haben, donnern ein schneeweißer VW Golf und ein 60er-Jahre Chevy durch den Fluss, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken – mit Zweiradantrieb und geringer Bodenfreiheit. Viel Mitleid kennen die Muchachos mit ihren Autos nicht.

Unterwegs werben viele Ranchs mit mehr oder weniger vertrauenswürdigen Campingmöglichkeiten, wir aber wollen zu den heißen Quellen, Aguacaliente. Der Tageseintritt beträgt 60 MXN pro Person, für 90 MXN pro Besucher darf man campen und bis zum Abend des nächsten Tages bleiben. Man kampiert etwas unprätentiös am Wegesrand der Ranch, immerhin findet kein Durchgangsverkehr statt, und ein paar Grills, Tische und Bänke wurden ebenfalls aufgestellt.

Parque Nacional Constitución de 1857, Baja California Norte – Campen an der Laguna Hanson

Freitag, April 15th, 2011

Heute fahren wir nach Laguna Hanson – das hatten wir eigentlich schon vor vier Tagen geplant. Der See liegt zusammen mit seinem kleineren Schwestersee Laguna Chica im Naturschutzgebiet Parque Nacional Constitución de 1857 im wenig besiedelten Dreieck zwischen den Städten Tecate, Mexicali und Ensenada. Der Nationalpark befindet sich auf 1600 bis 1800 m Höhe in der Sierra de Juárez, die als Fortsetzung der kalifornischen Sierra Nevada gilt. Die Anfahrt erweist sich als langwieriger als gedacht. Von den 145 km über die Straße MEX 2 ab Tecate sind 120 km Staubpiste in unterschiedlichem Zustand. Manchmal recht gut, doch teilweise verursachten die schweren Regenfälle der letzten Wochen starke Auswaschungen. Dafür blühen die Wildblumenwiesen wunderschön. Etliche Wasserläufe müssen durchquert werden, die Piste ist trotzdem für normale Fahrzeuge mit ausreichender Bodenfreiheit geeignet, es dauert nur etwas: Wir brauchen insgesamt sechs Stunden.

Nach etwa 20 km stoßen wir auf eine Militärkontrolle. Der junge Soldat in Tarnuniform mit Maschinengewehr ist freundlich und möchte in die Kabine sehen. Wir öffnen kurz die Tür, das war’s auch schon. Der Weg zum Park ist nicht ganz einfach zu finden – trotz guten Kartenmaterials von National Geographic und anderen. Fragt man vorbeikommende Autofahrer nach dem Weg zur Laguna Hanson, bekommt man stets eine Antwort, die meist sogar stimmt. Wichtige Orientierungspunkte sind die alteingesessenen Ranchs, deren Namen sogar in den Landkarten verzeichnet sind. Die letzten Kilometer in den und im Park sind doch eine kleine Herausforderung. Wasserlöcher bis zu einem halben Meter Tiefe dürften Fahrern kleinerer Fahrzeug ein wenig Kopfzerbrechen bereiten. Die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 40 km/h besitzen angesichts dessen hohen Unterhaltungswert.

Die Laguna Juarez, wie der See auf Spanisch heißt, befindet sich auf einem subalpinen Hochplateau umgeben von Gelkiefern und runden Granitfelsen, die auch als Inseln im See stehen. Insgesamt zehn Campingareale wurden rund um das Gewässer ausgewiesen, ausgestattet mit Plumpsklos, Müllbehältern und hin und wieder gemauerten Grillöfen. Feste Stellplätze gibt es nicht, man bleibt einfach, wo es einem gefällt. Das Schalterhäuschen am Eingang war nicht besetzt. Nach wenigen Minuten schon düst ein Ranger mit seinem Quad heran, um die Gebühren zu kassieren. Tageseintritt kostet 50 Peso (MXN) pro Person bzw. 65 MXN für eine Übernachtung. Gekennzeichnete Wanderwege gibt es im Park keine, stattdessen kann man am See entlang oder einfach durch den Wald laufen.

Der einzige Radiosender, den wir hier empfangen, spielt mexikanische Humtata-Musik. Melodie und Instrumentierung mit Blasinstrumenten und Akkordeon haben viel mit bayerischer Bierzeltunterhaltung gemein. Nur der Gesang will nicht recht dazu passen. Der meist männliche Sänger jammert wie Karel Gott völlig atonal ins Mikrofon, sodass man den Eindruck bekommt, dass der Künstler a.) sowieso nicht singen kann und b.) zur Melodie eines gänzlich anderen Liedes jault. Um das schön zu finden, brauche ich wohl noch ein paar Tequilas.

Tecate, Baja California Norte – Ein Kaktus zum Essen

Donnerstag, April 14th, 2011

Fritz besitzt ein nahezu unerschöpfliches Wissen über die Baja California und Routen, die wir fahren könnten. Während wir uns eifrig Notizen machen, kocht uns Fressia ein typisch mexikanisches Essen: Fleischbällchen in Chipotle-Soße mit Reis. Chipotle ist nur eine von zahlreichen Chilisorten, die es in diesem Land gibt. Sie zählt zu den schärferen Sorten, wird getrocknet oder in Dosen verkauft und erhält durch Rösten ein intensives Raucharoma. Als Beilage gibt es Nopales, das sind Kakteen. Die kann man tatsächlich essen und sind auch noch lecker. Es handelt sich um die scheibenförmigen jungen Triebe, die „Blätter“ des Feigenkaktusses, die – entstachelt natürlich – in Streifen geschnitten und gedünstet werden. Hat so was von grünen Bohnen.

Tecate, Baja California Norte – Duschen und Waschen

Mittwoch, April 13th, 2011

Jörg installiert uns eine Außendusche, da wir die Hoffnung besitzen, dass wir bald in wärmerem Klima reisen. Auch wenn es heute nicht danach aussieht. In den Bergen in Bajas Norden ist der Winter kühl, der Sommer mild. Heute Nacht gab es sogar Frost. Meine Wäsche trocknet trotzdem prima im Wind, anstatt statisch aufgeladen und muffig riechend aus dem Trockner zu kommen. Natürlich erst, nachdem sie in Fresias deutscher Waschmaschine endlich einmal richtig sauber wurde.

Tecate, Baja California Norte – Grenzstadtgefahren

Dienstag, April 12th, 2011

Fritz fährt uns mit seinem alten Mercedes in die Stadt, um uns den Bierhandel, den Gemüseladen und den modernen großen Supermarkt zu zeigen. Hier sieht Käse wie Käse aus und nicht wie Plastik, Obst darf auch mal Flecken haben und die Backwaren wirken, als ob sie durchaus in der Lage wären, innerhalb angemessener Zeit zu verschimmeln. Da man sich nach US-amerikanischen Aussagen aus Sicherheitsgründen nicht in den Grenzstädten aufhalten sollte, machen wir uns gemeinschaftlich auf die Suche nach den gefährlichen Mexikanern. Das gefährlichste, das wir finden können, sind die uniformierten Schulmädchen mit weißen oder schwarzen Kniestümpfen und verboten kurzen Karoröckchen, die den Schulkameraden den Kopf verdrehen müssen.

Wir gehen zusammen ein Eis essen, das gefährliches Suchtpotential birgt: Mango mit Chili, cremig-fruchtig statt fettig-süß. Später kocht Fresia uns ein leckeres Abendessen. Zum Nachtisch gibt es Ananas – mit Chili selbstverständlich. Hier wird einfach alles mit Chili serviert: Wassermelonen, Erdbeeren, Mango. Aus dem selbstgezüchteten Obst kocht Fresia Marmeladen und verkauft sie. Wundert es jemanden, dass sie auch Chilimarmelade herstellt? (Köstlich auf Käse!) Die deutsche Staatsbürgerschaft hat sie von ihrem Vater, die mexikanische von ihrer Mutter, und die amerikanische per Geburt. Sie spricht alle drei Sprachen fließend.

Tecate, Baja California Norte – Illegal in Mexiko?

Montag, April 11th, 2011

Wir dachten, sich den ruhigsten Grenzübergang zur Baja California auszuwählen, wäre eine clevere Idee. Aber es geht schon mal damit los, dass es kein US-Grenzgebäude bei der Ausreise gibt. Ich muss aber die Visumskärtchen aus dem Pass an einen amerikanischen Grenzbeamten abgeben. Der nette Border Patrol Officer, den ich nach dem Weg zum Einreisegebäude frage, nimmt mir die Karten freundlicherweise ab. Dann fahren wir einfach durch die sich öffnende Schranke und sind in Mexiko. Wir stehen sofort mitten in der Stadt. Keine Kontrolle, keine Grenzbeamten, aber auch kein Stempel im Pass, kein Importaufkleber fürs Auto. Hilfe, wir sind Illegale! Die Baja California bietet bei der Einreise ein paar vereinfachende Besonderheiten – momentan zu einfach für uns. Man darf sich hier sieben Tage ohne Touristenkarte aufhalten und die Genehmigung für den vorübergehenden Import eines Fahrzeugs benötigt man gar nicht, wenn man die Baja nicht verlässt.

Ich sehe Handlungsbedarf für uns und bewege Jörg zum Anhalten. Es gibt etwas Chaos, bis der Sicherheitsdienst des Grenzgebäudes ein paar Pylone zur Seite räumt, um einen Platz für Arminius frei zu machen. Aber wo ist das Büro? Ein paar tarn-uniformierte Soldaten sprechen nur spanisch und fuchteln herum, doch schließlich finde ich den Eingang. Der diensthabende Beamte muss erst mal den Fernseher leiser drehen, damit er mich versteht. Immerhin spricht er englisch. Meinem Ansinnen, eine Touristenkarte zu bekommen, begegnet er mit Unverständnis: „Aber die kostet 23 $!“ Schließlich stellt er mir doch zwei Zettel aus und schickt mich zur Bank zum Bezahlen „die Straße runter“. Von einer Genehmigung fürs Auto weiß er nichts, will aber seinen Vorgesetzten fragen, wenn ich wiederkomme. Diese Ausrede kenne ich, also hake ich das Auto ab. Das können wir auch noch in La Paz erledigen, bevor wir aufs Festland verschiffen.

Kaum bin ich einen Kilometer gelaufen, finde ich auch schon die Bank, die rappelvoll ist an einem Montagmorgen. Ich stehe eine geschlagene Stunde an, bis ich meine Gebühren bezahlen kann. Kein Mensch spricht englisch. Zur allgemeinen Unterhaltung läuft auch hier der unverzichtbare Fernseher. Ich fühle mich zurückversetzt nach Ägypten. Eigentlich fühle ich mich hier wie zu Hause. Ein Kind beginnt zu schreien und alle anwesenden Babys brüllen aus Solidarität mit. Die Erwachsenen bleiben entspannt, und nach einer Minute hat sich alles wieder beruhigt. Ob sich Jörg, der beim Auto geblieben ist, Sorgen macht, wo ich bleibe? Der nette Wachmann hat ihn zwischenzeitlich beruhigt und ihm zu verstehen gegeben, dass das montags einfach dauern kann. Bereits zweieinhalb Stunden später haben wir unsere Touristenkarten. Ob das an einem reger frequentierten Grenzübergang vielleicht doch schneller gegangen wäre?

Und noch etwas muss man wissen: Überquert man die Grenze nach Mexiko und zeigt die Ampel grünes Licht, darf man weiterfahren. Zeigt sie rot, was bei jedem zehnten der Fall ist, muss man rechts heranfahren und wird kontrolliert. Nur steht das in Tecate nirgends dran und Beamte sind auch keine zu sehen. Was dazu führt, dass Unwissende ungeachtet der Ampelfarbe einfach weiterfahren, sobald die Schranke sich hebt, nur um sofort von einem Grenzfahrzeug mit Sirenengeheul verfolgt zu werden. Ein lustiges Land. Das ist das organisierte Chaos.

Dann tanken wir noch Diesel auf für 57 Eurocent pro Liter und machen von jetzt an alles falsch, was man im tödlich gefährlichen Mexiko falsch machen kann. Der paranoide Amerikaner, der noch den Mut besitzt, in sein südliches Nachbarland zu reisen, kennt zwei Regeln. Erstens: Lasse keinen Mexikaner wissen, wo du bist und wo genau du hinfährst. Zweitens: Fahre am frühen Morgen über die Grenze und lege mehrere hundert Meilen zurück, um möglichst weit aus dem Grenzgebiet herauszukommen. Wir schaffen gerade mal zehn Kilometer und haben uns den Weg zu Fritz Senior von Fritz Junior ganz genau beschreiben lassen. Jetzt fahren wir auf einer Staubstraße hinter Tecate in einsame Berge. Was, wenn das eine Falle ist? Lächerlich!

Fritz Junior mit dem deutschen Namen und dem südländischen Aussehen sprach uns heute Morgen vor der Bücherei an. Anschließend verabredeten wir uns an der Bank direkt vor dem Grenzübertritt, wo seine Schwester Fresia arbeitet, die uns eine Skizze anfertigt, damit wir das Grundstück, wo sie und ihr Vater wohnen, finden. Da winkt schon Fritz der Ältere und hier steht auch sein Unimog 406. Das Schwäbische kommt dem Heidelberger auch nach Jahrzehnten in den USA und in Mexiko noch fließend über die Lippen. Und so endet unser erster Tag in Mexiko mit einem Rundgang über die 10 ha große Farm, wo es ein paar Kartoffeln und Obstbäume, viele Hunde und noch mehr Wildnis gibt.

Portrero, Kalifornien – Ermüdende Ratschläge

Sonntag, April 10th, 2011

Die Landschaft entlang der mäßig befahrenen I 8 verändert sich langsam von einer mit Kakteen und Büschen bestandenen Halbwüste in eine „richtige“ Wüste. Saharaartige Sanddünen erstrecken sich bis zum Horizont, wo nicht bewässert wird. Auf einem kurzen Zwischenstopp in El Centro machen wir allerletzte Besorgungen. Hier klingt nicht nur alles spanisch. Wenn man sich mit dem üblichen „excuse me“ irgendwo vorbeidrängelt, erntet man Blicke, als ob man in einer fremden Sprache reden würde. Der Übergang nach Mexiko und in die romanischsprachige Kultur ist fließend.

Wie überall erhalten wir auf den Parkplätzen die Aufmerksamkeit der des Englischen mächtigen Weißen mit den üblichen Fragen nach dem Woher und Wohin. Ich kann es nicht mehr hören: „Mexiko? Oh, da ist es gefÄÄÄhrlich, da müsst ihr AUFpassen!“ Obwohl diese Menschen natürlich nicht ganz unrecht haben, empfinde ich es als ermüdend. Genauso wie das uniforme Geplapper über die bösen Moslems und das Gejammer über Obamas Politik. Wer nur hat die Gehirnwäsche aller Amerikaner veranlasst? „Ja“, antworte ich, „man muss überall aufpassen. Es gibt so viele gefährliche Plätze. Zum Beispiel Los Angeles“. Ich ernte einen erstaunten Blick. Aber es ist doch so viel bequemer, in Schubladen zu denken, nicht wahr? Tucson klagt, dass es nur wenig Wasser aus dem Colorado River bekommt, da es am Ende des Flusses liegt und die flussaufwärts liegenden Städte so viel Wasser entnehmen. Nun, werfe ich ein, Tucson liegt nicht ganz am Ende des Colorado. Dahinter komme schließlich noch Mexiko. Ob die nicht vielleicht auch Wasser brauchen?

Auf dem Hwy # 94 nähern wir uns der Grenze über hohe Berge und gewundene Straßen. Auf der Suche nach einer Übernachtungsgelegenheit stoßen wir auf einen Campingplatz, der sich als Obdachlosenunterkunft herausstellt. Wir verdrücken uns ganz schnell und landen im County Park in Potrero. Wir vergaßen, dass wir in Kalifornien sind: Die 24 $ für eine Camp-Übernachtung sind uns einfach zu viel. Wir hoffen, die Border Patrol wird uns nicht allzu sehr behelligen und bleiben für unsere letzte Nacht in den USA an der Bücherei stehen, wo ein wunderschöner blühender Kaktusgarten angelegt wurde.

Bard, Kalifornien – Johnnys Oldtimermuseum

Samstag, April 9th, 2011

Die schönste Überraschung bereiten uns heute Steve, Virginia, Travis und seine Freundin Kelly. Sie statten uns einen Abschiedsbesuch ab und kommen dafür extra aus dem 350 km entfernten Hemet angefahren. Nur wirklich gute Freunde machen sich solche Mühen. Wir treffen uns bei Steves Cousin Johnny im kalifornischen Bard. Johnny besitzt ein Privatmuseum, das eine Fundgrube für Oldtimerfans ist. Über 120 Fahrzeuge aus den Jahren 1914 bis 1936 hat er gesammelt und ausgestellt. Nur etwa 25 davon sind restauriert, der Rest konserviert sich in der trockenen Wüstenluft von alleine. Aber alle Maschinen springen an, sobald sie ein wenig Benzin und eine Batterie bekommen. Das ist Johnnys Passion – er bringt sie alle zum Laufen: Die vielen Ford T- und A-Modelle, die Dodges, Grandbrother Trucks, Chevrolets, den Studebaker, Chrysler oder REO. Ob Limousine, Roadster oder Coupé, ob Truck, Traktor oder Cabriolet. Daneben hat Johnny landwirtschaftliche Maschinen, Minenfahrzeuge und alte Haushaltsgeräte wie Öfen, einen automatischen Salatschneider oder einen Eierkartonmacher gesammelt. Das kurioseste Gefährt aber dürfte ein altes Wohnmobil sein, das er den Lehrern seiner Mutter abkaufte. Leichte Campingausstattung gab es damals noch nicht. Darin steht ein Küchengasherd, die Porzellantoilette befindet sich direkt neben dem Bett. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von rund 50 km/h fuhren die Lehrer sogar bis nach Kanada. Für 5 $ Eintritt kann man Cloud’s Museum in Bard, Kalifornien, 1398 York Road, besuchen.

Organ Pipe Cactus National Monument, Arizona – Orgelpfeifen mit süßen Früchten

Freitag, April 8th, 2011

Lehrpfade und erklärende Broschüren dazu gibt es in vielen Nationalparks und -monumenten. Man läuft oder fährt die Trails ab, hält an den gekennzeichneten Punkten und liest die Erklärungen dazu. Das geht meist ungefähr so: „Schließen Sie die Augen und riechen Sie den würzigen Duft des Kreosotbuschs. Hören Sie, wie sich seine Zweige sanft im Wind wiegen. Stellen Sie sich vor, wie Indianer durch das Land streiften auf der Suche nach Beeren und Früchten…“ Hallooho! Muss man mir sagen, was ich mir vorstellen soll, was ich zu denken habe? Ich will INFORMATIONEN! Im Organ Pipe Cactus National Monument hat man den unterschiedlichen Mentalitäten auf interessante Weise Rechnung getragen. Das Lehrheft ist zusätzlich in Deutsch erhältlich (gibt es häufiger, manchmal gegen kleinen Obolus; danach fragen). Es ist jedoch ausnahmsweise keine Übersetzung des Englischen, sondern eine eigenständige, informative Ausgabe mit einigermaßen detaillierten Auskünften.

Auf dem 21 Meilen langen Ajo Mountain Drive (Schotter, keine großen Camper) gibt es sogar unterschiedliche Haltepunkte: weiß mit brauner Schrift für Englisch, braun mit weiß fürs Deutsche. Wir lernen, dass Saguarokakteen, die jetzt langsam zu blühen beginnen, ihre cremeweißen Blüten nachts öffnen und von Fledermäusen bestäubt werden. Sie schließen die Nektartankstelle jedoch erst gegen Mittag, um auch Bienen und Vögel an der Bestäubung teilhaben zu lassen. In der deutschen Ausgabe ist das präzisiert: Es handelt sich um weißgeflügelte Tauben, was ich sehr interessant finde. Tauben als Nektarlutscher und Pollenträger? Das dürfte hochgradigen Seltenheitswert besitzen.

Der Ajo Mountain Drive führt kurvig durch die wüstenartige Kakteenlandschaft am Rande der schroffen Ajo Mountains. Außer vielen verschiedenen Kakteenarten und Büschen gibt es einen schönen großen Arch in den Bergen. Die Parkverwaltung hat außerdem einige kurze Wanderwege angelegt. Der beste ist der zwei Kilometer lange Desert View Trail, der auf einen Hügel hinaufführt, von dem aus man nicht nur einen schönen Überblick über die Kakteenlandschaft bekommt, sondern auch weit nach Mexiko hineinsehen kann. Startpunkt ist der Campingplatz.

Auch wenn es nicht die vorherrschende Pflanzenart im Park ist, sieht man dennoch überall die Orgelpfeifenkakteen, die dem Naturschutzgebiet zu seinem Namen verholfen haben. Aus einem Stamm an der Basis wachsen zahlreiche dicke Arme mehrere Meter in die Höhe, die im Aufbau etwa den Saguaros entsprechen. Die kugelrunde purpurfarbene Frucht reift im Juli und ist saftig und essbar. Unter dem Namen Pithaya ist sie manchmal auch in unseren Supermärkten zu bekommen. Orgelpfeifenkakteen wachsen in den Vereinigten Staaten nur im Umkreis von etwa 130 km um das Nationalmonument, sie sind häufiger in Mexiko anzutreffen.

Organ Pipe Cactus National Monument, Arizona – Die Border Patrol zu Besuch

Donnerstag, April 7th, 2011

Ein Hubschrauber kreist über dem Gelände, Fahrzeuge der Grenzpolizei durchkämmen das Areal. Eigentlich ist der große Campground ruhig, es gibt nur wenige Fahrzeuge hier. In den Morgenstunden aber setzt reger Verkehr ein. Da ist wohl mal wieder was im Gange, was aber niemanden wirklich beeindruckt, zu alltäglich ist das. Wir finden den Platz trotzdem schön und verlängern unseren Aufenthalt um eine Nacht, um erst mal einen Bürotag einzulegen. Gegen Mittag beruhigt sich dann alles. Wer aber denkt, man kann hier in Ruhe arbeiten, irrt. Schließlich gibt es auf einem Campingplatz stets Kontakt suchende Nachbarn.

Und dann ist da noch die Border Patrol. Der Officer, der seine Runden hier dreht, wird von Arminius und der deutschen Flagge magnetisch angezogen. Natürlich ist auch Jorje mal in Deutschland stationiert gewesen (unser Land scheint 50 % der männlichen amerikanischen Bevölkerung zeitweise beherbergt zu haben). Er ist fasziniert, neugierig und hat Zeit. Er inspiziert (ohne Hintergedanken) Technik und Kabine, im Gegenzug dürfen wir uns in seinem Dienstwagen und der winzigen klimatisierten Gefängniszelle für acht unglückliche Mexikaner umsehen. Jorje hat keine Scheu, sich fotografieren zu lassen und schenkt uns schließlich zwei Challenge Coins. Am besten könnte man das sich mit Werdaruf-Medaillen übersetzen. Das sind Münzen oder Medaillen, die die Insignien oder das Emblem einer (meist militärischen) US-Organisation tragen und von deren Mitgliedern bei sich geführt werden. Sie dienen dem Beweis der Zugehörigkeit, wenn danach gefragt (Wer-da-Ruf) und als Anerkennung zur Förderung der Moral.

Der Ursprung und die Anwendung des Medaillons haben jeweils etwas mit Deutschland zu tun. Die (nicht bewiesene) Legende besagt, dass während des zweiten Weltkriegs ein wohlhabender US-Leutnant für die Mitglieder seiner Staffel kleine Bronzemünzen anfertigen ließ zur Erinnerung an ihren gemeinsamen Dienst. Einer der Piloten musste später hinter feindlichen Linien notlanden und wurde von Deutschen in Kriegsgefangenschaft genommen. Zwar konnte er in der gleichen Nacht in Zivil gekleidet fliehen, wurde aber von einer französischen Patrouille aufgegriffen, die ihn für einen verkleideten deutschen Soldaten hielt und standrechtlich exekutieren wollte. Da die deutsche Armee dem Amerikaner sämtliche Papiere abgenommen hatte, konnte er lediglich die Medaille vorweisen, um sich auszuweisen, die er in einem unentdeckten Lederetui um den Hals trug. Einer der Franzosen erkannte das Staffelemblem und man ließ den Gefangenen so lange am Leben, bis seine Identität verifiziert war.

Eine weitere Tradition geht auf die Zeit der US-Besatzung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Ein Pfennig entsprach wegen des Wechselkurses nur einem Bruchteil eines US Cents und war somit nicht wert, aufgehoben zu werden – es sei denn der US Soldat war pleite. Wenn sich Militärangehörige auf ein Bier trafen und jemand „Pfennig-Check“ ausrief, mussten alle Soldaten ihre Taschen ausleeren, um zu zeigen, ob sie Pfennige aufgehoben hatten. War das der Fall, bedeutete das, der Mann war blank. Umgekehrt hieß es, wenn ein Soldat keinen Pfennig vorweisen konnte, hatte er genügend Geld und musste sich nicht mit Pfennigen abgeben. Dieser musste die nächste Runde ausgeben.

Diese Tradition wird heute mit den Challenge Coins fortgesetzt. Wird das Mitglied einer Organisation aufgefordert, seine Medaille vorzuweisen und er kann das nicht, muss er dem Herausforderer das nächste Getränk bezahlen. Kann er sich ausweisen, bekommt er einen Drink spendiert. Erschwert wird das Ganze dadurch, dass die Medaille nicht beschädigt oder verändert werden darf. Ein Tragen als Kettenanhänger um den Hals oder Gürtelschnalle kommt nicht in Frage, sie darf auch nicht in der Geldbörse untergebracht werden. Wir hoffen, Officer Jorje wird heute nicht herausgefordert. Das täte uns wirklich Leid.

Why, Arizona – Flächendeckende Grenzüberwachung

Mittwoch, April 6th, 2011

Nur noch wenige Tage verbleiben uns, bevor wir die Vereinigten Staaten verlassen müssen. Von Tucson aus fahren wir quer durchs Reservat der Tohono O’odham Indianer, um ein weiteres Naturschutzgebiet zu besuchen: das Organ Pipe Cactus National Monument. Das Reservat grenzt an Mexiko und somit ist die Polizeipräsenz auf dieser Straße enorm. Immer wieder passieren wir mobile Kontrollstationen, doch niemand hält uns an. Häufig steht am Straßenrand ein ganzes Aufgebot an Einsatzfahrzeugen, das ein einzelnes verdächtiges Auto, meist ein geschlossener Transportvan, unter die Lupe nimmt. Polizeiflugzeuge patrouillieren im Tiefflug das Gelände. Amerikaner, die behaupten, Obama würde nichts gegen illegale Einwanderer aus Mexiko tun, können nicht hier gewesen sein. Als wir nach dem Örtchen Why nach Süden zum Nationalmonument abbiegen und direkt auf die Grenze zufahren, wird die Präsenz amerikanischer Staatsmacht noch intensiver. In maximal 30-Sekunden-Abständen fahren Pick-ups der Border Patrol, der Grenzpolizei, in der einen oder anderen Richtung vorbei. Eine kleine mobile Gefängniszelle haben sie auf der Ladefläche dabei. Die Kosten für diese intensive Überwachung müssen unvorstellbar sein. Obwohl wir uns auf öffentlichem BLM-Land befinden, bevor wir in den Park einfahren und wir hier frei campen dürften, verzichten wir auf diese Möglichkeit. Die Aussicht, dass nachts selbst auf einer Schotterpiste alle paar Minuten eine Grenzkontrolle vorbeikommt und möglicherweise immer mal an unsere Tür klopft, ist nicht verlockend. (Schließlich haben wir von der kalifornischen Stadtpolizistin gelernt, dass wir Menschen in unserer Kabine schmuggeln könnten.) Wir nutzen stattdessen den Campingplatz auf dem Parkgelände für 12 $ die Nacht.

Tucson, Arizona – Naturidylle

Dienstag, April 5th, 2011

Richard besitzt ein 16 ha großes Grundstück in den Santa Rita Mountains, eine knappe Stunde von Tucson entfernt, das er bereits als junger Mann erwarb. Auf dem bergigen Areal baute er sich eine Hütte, die mit Solarstrom und Regenwasser betrieben wird. Er schuf eine Wildtränke und installierte je eine Foto- und Videokamera, die von Bewegungssensoren gesteuert werden. Täglich entstehen so Bilder von Hirschen, Falken, Eulen, Halsbandpekaris, Luchsen oder gar Pumas. Wir wandern auf den von Richard selbst angelegten Pfaden und setzen unseren Weg dann auf öffentlichem Gelände, public land, querfeldein in die Berge fort. Nach fünfeinhalb Stunden Laufen haben wir uns alle im farbenfrohen Sonnenuntergang die gegrillten Burger mit Salat verdient.

Tucson, Arizona – Die gekürzte Krawatte

Montag, April 4th, 2011

Noch einmal versuchen wir, den Puderstaub der vergangenen heißen windigen Tage aus den Ecken zu fegen. In Tucson erwartet uns unser Wanderkumpan Richard bereits. Er führt uns zum Abendessen in ein typisches Restaurant aus, in das wohl Amerikaner Touristen einladen. Das ganze Gelände ist recht witzig im Westerstil gehalten. Neben dem Restaurant gibt es Schießbuden, Souvenirshops und kostenlose Gun Stunt Shows, wo sich ein paar originalgetreu kostümierte Akteure prügeln und laut herumballern.

Krawatten sind im Restaurant strikt verboten, und somit ist es erklärtes Ziel, den Touristen zum Tragen einer solchen zu bewegen. Mit großem Tamtam werden selbige im Restaurant abgeschnitten und samt Visitenkarte – sofern vorhanden – an Wand oder Balken getackert. Das Ganze ist eine riesige Gaudi, Jörg hält sich tapfer und zeigt den angebrachten Humor. Es war sowieso nicht seine Krawatte. Das Essen ist gut und typisch south-western. Man isst Steaks oder Hamburger oder noch typischer das langsam gegarte slow cooked Fleisch. Meist ist es Rind, das bei niedrigen Temperaturen für viele Stunden (hier sollen es 15 sein) in einen Smoker gepackt wird bis es fast zerfällt. Dann wird es in hauchdünne Scheiben geschnitten und als shaved meat, rasiertes Fleisch, oder scraped meat, Schabefleisch, serviert. Der Trick ist, langfaseriges Fleisch zu verwenden und längs statt quer zur Faser zu schneiden, sonst hat man nur einen Fleischbrei auf dem Teller. Dazu gibt es die üblichen Beilagen mit der endlosen Fragerei: Salat mit welchem Dressing? Ranch, Thousand Island, Cäsar, italienisch, Senf-Honig oder blue cheese? Gemüse: Bohnen, coleslaw genannter Weißkrautsalat oder doch lieber Mais? Pommes frites, Kartoffelpüree, Backkartoffel, die fetten Makkaroni mit Käse oder Tortillas? Welche Soße: Barbecue, dunkle Fleischsoße oder helle Béchamel? Das Essen wird dann aber doch ziemlich rasch serviert.

Amado, Arizona – Der Ausklang

Sonntag, April 3rd, 2011

Wir geben Interviews für die Medien, stecken Mikrofone in unsere Münder und unsere Nasen in Foto- und Filmkameras. Vielleicht wird Arminius ja bald berühmt. Das hat Lois Pryce bereits geschafft. Die zierliche junge Engländerin fährt mit ihrem Geländemotorrad alleine in der Welt herum und schreibt darüber. Ihr heutiger Diavortrag kann mit Präsentationen in Deutschland nicht mithalten – technisch gesehen. Ihre Bilder sind eindrücklich, aber einfach, die Diatechnik erfrischend schlicht. Der Vortrag lebt von ihrer Persönlichkeit, mit ihrem Enthusiasmus schlägt sie die meisten ihrer hauptsächlich männlichen Kollegen. Ihr Sprachwitz und ihre Selbstironie, die ihre Bücher zu einem Dauerlacher machen, kommen live genauso rüber – sofern man ihren deftigen britischen Akzent versteht.

Den Abschluss des Tages bildet ein Barbecue für alle Aussteller und Teilnehmer der Expo, auch wenn die meisten bereits abgereist sind, da sie morgen vielleicht schon wieder arbeiten müssen.

Amado, Arizona – Staubige Hosen aus Wind und Stoff

Samstag, April 2nd, 2011

Ozon ist ein interessantes Phänomen. Es bildet sich in der Atmosphäre aus den vielen Abgasen in Ballungsräumen wie z.B. Phoenix/Tucson. Die höchsten Ozonwerte werden aber nicht dort gemessen, sondern im Umland. Staub, Ruß und andere Partikel, die in Großstädten in den Himmel gepustet werden, zersetzen das Ozon. Die Partikel aber fehlen in den Randgebieten und somit brennen die Augen in Amado besonders unangenehm. Das wird nicht besser durch den trocken-heißen Wüstenwind, der täglich um die Mittagszeit auflebt, heute aber besonders stark weht. Windhosen fegen über das staubige Ausstellungsgelände, das sich im Überschwemmungsgebiet eines Flusses befindet, und nehmen alles mit was nicht angekettet oder zu schwer ist inklusive des getrockneten Feinstschlamms und laden alles an anderer Stelle wieder ab. Besonders gerne in unserer Camperkabine, da wir wegen der Hitze die Fenster nicht schließen wollen. Dust Devils, Staubteufel, nennt man sie hier. Der Dreck haftet auch wunderbar auf der Kleidung, in den Haaren, und sogar auf der Haut, vor allem wenn man sie vorher mit Sonneschutzmittel behandelt hat. Das verleiht eine hübsche Sonnenbräune, die zudem abwaschbar ist. Alternativ könnte ich in der Pfanne als Wiener Schnitzel durchgehen, paniert bin ich ja schon.

Das scheint unsere zahlreichen Besucher nicht zu stören. Wir tauschen Informationen mit anderen Langzeitreisenden, schließen nützliche Kontakte und erhalten Einladungen zu Orten, an denen wir bereits waren oder die wir erst besuchen werden wie Santiago de Chile.

Amado, Arizona – Rekordhitze

Freitag, April 1st, 2011

Am ersten Tag der Ausstellung bekommen wir geplanten und überraschenden Besuch. Simon aus Kanada kommt zur Veranstaltung, den wir vor einem guten halben Jahr in der Nähe Vancouvers besuchten. Das schweizerische Paar Regine und Walter, mit dem wir uns hier verabredeten, taucht bald auf. Wir hoffen, sie bald wieder auf der Baja California wiedersehen zu können, da wir erst einmal die gleiche Reiseroute einschlagen. Ganz überraschend sehen wir Richard wieder, unseren Wanderfreund von Dienstag. Kurz entschlossen fuhr er von Tucson hierher, um sich das Spektakel anzusehen. George von der Ostküste, der uns vor Monaten anschrieb, kommt herübergeflogen. Martin aus Arizona, den wir aus Zeitgründen nicht besuchen konnten, schaut herein. Claude und seine Frau Lynn aus Alberta in Kanada mussten ihren Überraschungsbesuch leider absagen wegen eines Krankheitsfalls in der Familie.

Die Kehle wird langsam heiser. Nicht nur vom vielen Reden mit alten und neuen Bekannten sowie Interessenten und Neugierigen. Es ist der heißeste erste April in Südarizona seit Dekaden. Wir messen 40° C im Schatten.