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Zumba, Ecuador – Sieben-Zwerge-Berge

Samstag, Januar 7th, 2012

Die Straße wird stetig schlechter. Wechselte sich auf den ersten 30 km noch querrillenreicher Beton mit Schlamm ab, sind die folgenden 100 km nur noch rutschige Piste, die unserem frisch gewaschenen Arminius abwechselnd graue, rote und braune Patina verpasst. Wir sind auf dem Weg nach Zumba und zum Grenzübergang La Balsa mit Peru. Wegen der Straßenverhältnisse ist dies wohl der am wenigsten genutzte Grenzübertritt. Ausreichend Bodenfreiheit braucht man auf jeden Fall, während der Regenzeit kann diese Strecke guten Gewissens nur Fahrzeugen mit Allradantrieb empfohlen werden. Erklimmen schlammiger Steigungen und Durchqueren von Wasserläufen wird alle paar Minuten gefordert. Mit Erdrutschen, Steinschlägen oder Straßensenkungen ist jederzeit zu rechnen.
Eigentlich sollte es noch nicht so nass sein, aber dieses Jahr ist der Veranillo, der kleine Sommer oder Altweibersommer, schlicht ausgefallen. Sein Monaten regnet es fast täglich. Auch die Wege im Podocarpus Nationalpark seien völlig verschlammt, erfahren wir auf nachdrückliche Rückfrage, was vor allem längeren Wanderungen den Spaß nimmt. Wir verzichten auf den Besuch des Parks, dafür entschädigt uns die Natur auf dem Weg nach Zumba. Dramatisch windet sich die Straße durch die Bergwelt, in endlosen Kurven, Steigungen und Gefällen. Zunächst sind die Berge hoch, kantig und grasüberwachsen, so wie ich mir die Sieben-Zwerge-Berge vorstelle. Als sie niedriger und runder werden, holt der Nebelwald sie ein. Noch tiefer schwindet der Nebel und steigen die Temperaturen.
Zumba ist eine einsame Stadt, der letzte Ort vor der peruanischen Grenze in einer abgelegenen Gegend. Hier steht die einzige Tankstelle zwischen Vilcabamba und der peruanischen Grenze bzw. noch ein Stück darüber hinaus. Man sollte unbedingt volltanken, da Kraftstoff in Peru wesentlich teurer ist (ca. das Fünffache). Zum Übernachten vor der Grenze würde sich die Tankstelle (S 04°51’41.4’’ W 79°07’36.2’’) ebenfalls eignen, besser aber und ruhiger seht man in der Nähe des Busbahnhofs, wo es reichlich Freiflächen gibt (S 04°52’11.1’’ W 79°08’03.4’’). Das Zumba River Camp, ein Schotterplatz südlich von Zumba am Fluss, der von früheren Reisenden genutzt wurde, ist mittlerweile umzäunt und abgeschlossen, daher nicht mehr nutzbar. Die Sicherheitslage ist entspannt, nachts ist es ruhig. Einen kleinen Supermarkt gibt es im Ort, wo man das Allernötigste erhält, die letzte gute Einkaufsmöglichkeit auf dieser Strecke bietet sich in der Stadt Loja.

Vilcabamba, Ecuador – Currywurst süßsauer

Freitag, Januar 6th, 2012

Die Halterung unseres neuen Auspuffs ist noch nicht zufriedenstellend. In Vilcabamba finden wir einen Schmied, der uns ein stück Flacheisen zuschneidet, Löcher bohrt, biegt und lackiert – für zwei Dollar. Wir besehen uns die 5000-Seelen-Gemeinde, die von jungen Rucksackreisenden und alternden Hippies eingenommen wird. Außerdem soll es hier die größte Anzahl über 100Jähriger im ganzen Land geben. Ein gesundheitsförderndes, gleichmäßiges Frühlingsklima, ein stressfreies Leben und eine Ernährung mit viel Mais, Bohnen und Gemüse bei wenig Fleisch sowie Milchprodukten sollen das Geheimnis des langen gesunden Lebens sein. Ob die Greise die lokale Spezialität Pan de Bananas („Bananenbrot“, doch ganz klar ein Bananenkuchen) verzehren, ist nicht bekannt. Das Dorf ist alt, hübsch und aufgeräumt, doch wie so oft können wir uns dem vorauseilenden Lob der Reiseführer nicht ganz anschließen. Nett ja, mehr aber auch nicht.
Die hübsche Anlage der Hosteria Izhcayluma und deren großartige Aussicht auf die umliegenden grünen Hügel und das Tal, in dem das Dorf liegt, kann man bei Sonnenschein besser genießen. Für ein Bad im Swimmingpool ist es uns bei ewigen 20° C dennoch zu kühl. Entgegen unserer sonstigen Gewohnheit essen wir noch einmal im Restaurant zu Abend. Einmal Currywurst mit Pommes für 5,50 $. Die (extern gekaufte) Wust ist in Ordnung, die Pommes frites sind o.k. Die Soße ist nicht schlecht, auch wenn sie wenig nach Curry und mehr wie süß-sauere Chinasoße schmeckt. Genauso süßsauer schaut auch der Chef der Anlage, wenn er seinen Touristen begegnet. Er sollte sich besser verstecken, wenn er Gäste nicht leiden kann – groß genug ist die Anlage ja.

Vilcabamba, Ecuador – Die Räder rollen nach Süden

Donnerstag, Januar 5th, 2012

Abschied ist ein Teil des Reisens. So sagen wir Lissi und Mario, Sonia und Paco Lebewohl, danken ihnen für ihre Arbeit und Gastfreundschaft. Auch Ray und Jo lassen wir zurück, die zwar ihren abgebrochenen Fahrgestellrahmen des Mercedes Sprinters schweißen lassen konnten, jedoch noch auf die Metallteller als Ersatz für die verrosteten Teller ihrer zusätzlich eingebauten Luftfedern warten müssen. Wir fahren nach Süden, über Loja nach Vilcabamba. Der Podocarpus Nationalpark, in dem wir wandern wollten, lassen wir zunächst links liegen – der Regen macht heute nicht den Anschein, aufhören zu wollen.
Info Parque Nacionál Podocarpus: Cajanuma-Zufahrt, S 04°05’02.0’’ W 79°12’19.8’’, Eintritt einheitlich 2 US$ pro Person, Camping 3$ pP, ab Zufahrt 8 km Schotterpiste, Torbogen an der Zufahrt bis ca. 4 m Fahrzeughöhe (Schätzung) geeignet. Wanderwege von wenigen Minuten bis zu zwei Tagen eigenständig begehbar, der Westteil des Parks bietet interessante Flora.
Stattdessen fahren wir bis zur vielgelobten Hosteria Izhcayluma in Vilcabamba, Zwischenstopp zahlreicher Reisender, die den bayerischen Brüdern Dieter und Peter gehört. Mag sein, dass das Gästehaus Rucksackreisenden recht guten Komfort und Service zu fairen Preisen bietet. Der Spa-Bereich ist selbst mit kleineren Budgets bezahlbar. Auch wir halten die Preise für durchaus angemessen, aber man bekommt eben, für was man bezahlt. Für 4 US$ pro Person darf man hier campen, Strom-, Wasser-, Duschen- und Toilettenbenutzung inbegriffen. Dafür steht man unmittelbar neben der Straße, die nachts zum Glück nicht stark befahren ist; tagsüber und ab dem sehr frühen Morgen schon.
Leider hat sich hier schon ein Riesenwohnmobil breit gemacht, das die Hälfte des geschotterten Platzes belegt. Die andere Hälfte okkupiert das nicht minder ausladende Vordach des Campers. Dabei sind die Bewohner nicht einmal da. Uns bleibt nur ein Stück unebene, schlammige, von Wasserlöchern übersäte Wiese zwischen dem 30-Fußer und dem Zaun zur Straße. Als wir nach dem Abendessen zu unserem Unimog zurückkehren, steht er so schief da wie vorher: Die Keile haben sich komplett in den Schlamm eingedrückt. Wir müssen noch ein Stück weiter nach vorn fahren, bis fast in die Einfahrt hinein, um wenigstens ein bisschen Schottergrund zu ergattern.
Das Abendessen war auch nicht ganz das, was uns Reiseführer und Erzählungen glauben machen wollten. Ach hier: die Preise sind in für dieses Land Ordnung (Hauptgerichte um Durchschnitt 6,50 $), die Speisekarte ist ausgewogen, und ein wenig deutsche Küche mal gar nicht schlecht. Leider sind die Semmelknödel trotz ihrer vorbildlichen Kugelform nicht ganz frisch und vor allem nicht über heißem Dampf bzw. in heißem Wasser (was bei Semmelklößen möglich ist) erwärmt, sondern in der Mikrowelle. Konsequenz: die Brotbälle sind hart und trocken. Das Gulasch ist pikant und schmackhaft, doch lässt die Fleischqualität zu wünschen übrig: extrem langfaserige Brocken wurden nicht richtig weich gekocht, und außerdem ist mir das Fleisch zu fett. Die Käsespätzle sind genießbar, aber ebenfalls kein unvergessliches Geschmackserlebnis, außerdem triefend vor Fett für füllenden Sättigungsgrad.

Cuenca, Ecuador – Das Facelifting

Mittwoch, Januar 4th, 2012

Das Werkzeug wird eingepackt, die Kabine abgewaschen, die Staufächer abgeschlossen. Die Arbeiten sind beendet und wir machen uns fürs Weiterfahren bereit. Arminius hat ein neues Gesicht bekommen, und die Rückseite sieht ebenfalls anders aus. Neben dem hochgelegten Auspuff ziert jetzt ein Verstärkungsrahmen für den Dachgepäckträger die Front. Da sich die Füße des Gepäckträgers lediglich auf der Dachreling abstützen, befürchteten wir, dass diese irgendwann abbricht. Obwohl wir nur wenig Gewicht auf dem Dach lagern, sind die Querbewegungen beim Offroadfahren doch erheblich. Am hinteren Ende unterhalb des Reserverads legten wir uns einen einziehbaren Unterfahrschutz zu, dessen Querträger gleichzeitig als Abschleppstange dienen könnte. Beides hat uns Mario zusammengeschweißt und lackiert.
Wie in Deutschland auch ist in den meisten Ländern ein Unterfahrschutz für Lkw vorgeschrieben. Der Unimog besitzt zwar eine Ausnahmegenehmigung davon, da dies dem Einsatzzweck des Fahrzeugs widerspricht, aber Argentinien interessiert sich herzlich wenig für eine deutsche Ausnahmegenehmigung bzw. kümmert sich eigentlich sowieso nur um die eigenen Vorschriften, deren Einhaltung man auch von durchreisenden Touristen mit eigenem Fahrzeug verlangt. Dazu gehören eben jener Unterfahrschutz sowie eine Abschleppstange für Lkw. Unerwünscht sind auch über das Fahrzeugende hinausragende Anhängekupplungen. Strafen für Nichteinhaltung der Vorschriften sind deftig. Andere Reisende sollen in Argentinien schon für das Nichtvorhandensein eines weißen Leichensacks Strafe bezahlt haben – wobei wir dieses Gesetz wohl eher der blühenden Fantasie eines unterbezahlten Verkehrspolizisten zuschreiben, der sich auf diese Weise ein Schmiergeld ergattert hat.
Die Zeit in Cuenca ist für Jörg geschäftig gewesen – hier wurde poliert, da ein paar Steinschläge lackiert, dort etwas Unterbodenschutz aufgetragen. Hier wurden Motor- und Vorgelegeöl gewechselt, da ein Dieselfilter ausgetauscht, dort die Tagfahrlichter umgebaut. Und vieles mehr. Die Weihnachtsplätzchen sind fast aufgegessen (Vanillekipferl, diesmal mit Walnüssen statt Mandeln, und Erdnuss-Haferflocken-Plätzchen), der Weihnachtsspeck angelagert. In Cuenca habe ich mir ein paar Kopien meiner diebstahlsicheren (und dahingehend in Panama erprobten!) Handtasche anfertigen lassen, die wir jetzt mit uns führen. So viele Reisende haben uns schon danach gefragt, dass ich jetzt einen Vorrat zur Weitergabe habe.
Wer das attraktive Cuenca besuchen möchte ohne zu reparieren, zu fertigen oder zu lackieren, findet bei der Hosteria Yanuncay Unterschlupf wie so viele andere Reisende. Preis fürs Campen soll bei zwei Personen 10 US$ die Nacht kosten: S 02°54’20.4’’ W 79°01’40.8’’

Cuenca, Ecuador – Brennende Puppen: Silvester in Ecuador

Samstag, Dezember 31st, 2011

Die Puppe geht in Flammen auf. Brennt sie nicht richtig, stochert man etwas in ihrem gefüllten Leib herum, um das Feuer anzuheizen. An der nächsten Ecke denkt man praktischer und nutzt Benzin als Brandbeschleuniger. Augenblicklich flackert das Weichteil lichterloh. Die Verbrennung von lebensgroßen Stoffpuppen am Silvesterabend hat in Ecuador lange Tradition. Sie symbolisieren das Schlechte des vergangenen Jahres, das nun verbrannt und damit vernichtet wird. Im nächsten Jahr soll es besser werden. Dass die Puppen manchmal Ähnlichkeit mit lebenden Männern oder Frauen aus demselben Stadtviertel haben, ist durchaus beabsichtigt. Naturgemäß handelt es sich um die Person, die sich im abgelaufenen Jahr am unbeliebtesten gemacht hat durch Habgier, Neid, Betrug, Boshaftigkeit oder andere Unsitten. Die Stoffpuppen kann man heute bereits Tage vor Silvester an Straßenständen kaufen und muss sie nur noch entsprechend anziehen und dekorieren.

Besonders um Mitternacht, aber auch davor und danach, geht wie bei uns auch ein halbes Vermögen in Rauch und Flammen auf – in Form von Silvesterraketen, Böllern und Knallern. Je mehr Lärm desto besser. Schon bald liegt eine dichte Rauchglocke über der Halb-Millionen-Stadt Cuenca. Auch wir feuern ein paar Raketen ab. Die bunten Großpackungen made in China waren uns zu teuer, so erstanden wir ein Bündel heimgefertigter Raketen aus Bambusrohr, Zeitungspapier, einer bedenklich kurzen Zündschnur und einer unbekannten Schwarzpulvermischung. Nach dem Anzünden muss man schnell rennen können, aber ihre Beschleunigungsleistung und Flugkurve begeistern uns wie die helle Explosion und der laute Knall.

Beliebt bei Einheimischen sind auch Kostümpartys, wo sich Erwachsene wie beim Kinderfasching in fantasievolle und aufwändige Kostüme kleiden. Bei uns geht es etwas ruhiger zu. Jo bäckt knusprige Silvesterkrapfen. Später kocht Ray für uns ein reiches asiatisches Dinner, und wir vergnügen uns mit Sekt, Wein, dem Beobachten des städtischen Feuerwerks von unserem erhöhten Standpunkt aus und dem Hundesitten von Marios Dogge, die die Knallerei zunächst erstaunlich gut übersteht, letztendlich dann aber doch verstört die Toilettentüre bewacht.

Cuenca, Ecuador – Heute koche ich…

Freitag, Dezember 30th, 2011

Nichts ist reizvoller für einen Hobbykoch, in einem fremden Land über den Gemüsemarkt zu laufen oder durch Supermarktregale zu schlendern und nach unbekannten Lebensmitteln Ausschau zu halten. Mangos, Papayas und Maracujas zählen da noch zum in Europa bekannten Standardangebot. Bei Tamarillo (Baumtomate), Taxo (Bananenpassionsfrucht), Pitahaya (Drachenfrucht), Pepino (Melonenbirne) Granadilla, Babaco (Berg-Papayas) oder Naranjilla (Lulo) schweben dann meist schon Fragezeichen über dem Kopf. Manche dieser Früchte reifen sehr schnell und sind extrem schwer zu transportieren, sodass sie einfach nicht in Europa ankommen und daher bei uns unbekannt sind. Andere sind geschmacklich nicht unbedingt eine Reise von mehreren tausend Kilometern wert.

In jeder Filiale der großen Supermaxi-Kette gibt es am Obst- und Gemüsestand einen Ordner, in dem man sämtliche angebotenen Früchte nachschlagen kann, wo deren Geschmack und Verwendungszweck erklärt wird (in Spanisch). Doch führen Supermärkte nur einen Teil der heimischen Gewächse. In einem Coop-Gemüseladen fand ich Mellocos (Olluco, Knollenbaselle). Das ist eine kleine kartoffelartige Sprossknolle mit ähnlichem Verwendungszweck wie dem des großen Bruders. Ich entscheide mich für einen Melloco-Salat. Aufgrund ihrer Größe haben sie eine geringere Kochzeit und man muss sie nicht schälen. Fazit: Melloco schmeckt wie eine „gemüsige“, leicht muffige Kartoffel. Kann man wieder mal essen.

Granadillas gehören zur Familie der Passionsfrüchte und haben ein ähnliches Innenleben wie Maracujas: Unter einer dicken Schale verstecken sich süße schleimummantelte Kerne, in dem Fall in unappetitlichem Grau. Wir mischen sie mit Quark, den es freundlicherweise seit fast zwei Jahren Reise zum ersten Mal zu kaufen gibt (Requesón) und nennen das Ganze Schleimquark. Zum Nachahmen nur bedingt empfohlen. Tamarillos munden eigentlich nur als Saft gut, genau wie die wasserhaltigen, eher geschmacklosen Babacos. Pitahayas sind köstlich, allerdings schmecken am besten die purpurfarbenen mit ebensolchem Fleisch. Schwierig zu bekommen, eigentlich in dieser Sorte nur in Mexiko und Guatemala.

Ecuador und die große Supermarktkette bieten aber auch viel für Heimwehkranke. Da gibt es beispielsweise getrocknete Waldpilze zu günstigem Preis. Eine Bayerin kocht daraus natürlich Semmelknödel mit Schwammerlsoße – lecker, und die Semmelklöße waren und blieben diesmal rund wie ein Babypopo. Im Angebot gibt es auch Salchichas Alemanes, deutsche Würstchen. Hier dürfen sich die Thüringer freuen, denn es sind dicke Schweinsbratwürste, nach Thüringer Art gewürzt, nur etwas feiner. Der saftige Preis von 6,80 US$ für die Packung wird wettgemacht vom Geschmack und dass man mit den vier riesigen Würstchen locker vier Personen satt bekommt. In größeren Filialen gibt es noch weitere Arten von Bratwurst, so nennt man das auch hier, teils kleiner, dünner, aber immer lecker.

Neulich ergatterte ich sogar Pastel Alemán. Dahinter versteckte sich, man glaubt es kaum, Leberkäse. Zum Weiterempfehlen! Aus dem Requesón buk ich übrigens eine delikate Quarktorte. Zum Nachmachen geeignet, allerdings sollte man besser die Hälfte des Quarks mit Sauerrahm ersetzen (Crema Agria) und reichlich Zitrone zugeben, da dem hiesigen Quark das frische, säuerliche Aroma fehlt und er eine recht körnige Konsistenz hat. In Cuenca gibt es drei Supermaxis. Die mit dem Auto am besten zugängliche Filiale befindet sich an der Avenida de las Americas (S 02°53’22.5’’ W 79°01’25.9’’), leider nur mit kleinem Parkplatz. Der Supermarkt in der Mall del Rio direkt an der Panamericana hat zwar ein breiteres Warenangebot (mit Schreibwaren, Bekleidung etc.), aber nur begrenzte Feinkost.

Gasflaschen, die sich beim vielen Kochen und Backen leeren, füllt man in Cuenca bei Austrogas (S 02°50’26.3’’ W 78°53’39.1’’). Propan ist, wie Kraftstoff auch, in Ecuador günstiger als in den meisten anderen Ländern – also vor der Ausreise nochmals nachfüllen. Eine Monats-Haftpflichtversicherung für Fahrzeuge gibt es übrigens auch in Cuenca bei der Seguro Colonial (S 02°54’23.0’’ W 79°00’23.9’’) am Stadion (Estadio), die auch Verlängerungen für einen oder drei Monate vornimmt.

Cuenca, Ecuador – Eine weitere weihnachtliche Knödeldeformation

Sonntag, Dezember 25th, 2011

Weihnachten feiert man in Ecuador in möglichst großem Familien- und Freundeskreis. Sonia und Paco laden uns in ihr Landhaus ein, ein 80 Jahre altes Adobehaus auf einem großen Grundstück, wo sie regelmäßig ihre Wochenenden verbringen. Ihre fast erwachsenen Kinder, Lissi und Marco, deren Kinder, Ray und Jo sind auch mit von der Partie. Später kommen noch Freunde. Lissi als begeisterte österreichische Köchin serviert uns köstliche Frikadellen im Speckmantel mit Champignon-Rotwein-Sahnesoße. Dazu gibt es Semmelknödel, die auch nicht ganz die vorgeschriebene Ballform einhalten. Wir werden die Knödel-Höhen-Physik weiter studieren.

Cuenca, Ecuador – Exotische Weihnacht

Samstag, Dezember 24th, 2011

Der Morgen: Die Thermale
Der Tag beginnt viel zu früh, unchristlich früh, würde ich fast sagen, wenn heute nicht Heiligabend wäre. Paco holt uns um 5 Uhr morgens ab, um uns in Sauna und Thermalbad aufzuwärmen. 20 Minuten später wissen wir, warum wir so früh starteten: Selbst jetzt sind schon jede Menge Leute da; es ist nun mal Wochenende. In einem ehemaligen Nebenort von Cuenca, heute mehr Stadtteil, sprudelt heißes Wasser direkt aus den Vulkanbergen. In dem Ort, der genau wie die anderen berühmten Thermalquellen den Namen Baños trägt, gibt es verschiedene Bäder mit unterschiedlichen Standards und Preisen.

Die Heilquellen bei der Hosteria Duran sind vor allem bei Einheimischen beliebt und kosten $ 3,95 Eintritt pro Person. Die Dampfsaunen werden direkt mit dem heißen Bergwasser beheizt, sind jedoch nicht in einheitlichem Zustand. Die sehr heiße, grottenartige Herren- bzw. Damensauna ist stimmungsvoll, leider ist die Damenabteilung renovierungsbedürftig – der löchrige Fußboden weist echte Verletzungsgefahren auf. Die gemischte Sauna ist o.k., aber steril und weniger heiß. Im angenehm lauwarmen Thermalschwimmbecken drängen sich um 7 Uhr schon 60 Menschen. Zeit zu gehen.

Der Mittag: Der Umzug
Kaum zurück, müssen wir schon wieder los. In Cuenca hat sich die Tradition des Weihnachtsumzuges mehr als in anderen Städten gehalten. Am Morgen des 24. Dezember beginnt ein Festumzug, der bis in den Nachmittag hinein dauert. Hunderte von geschmückten Lkw, Pick-ups und Pkw sowie Tausende von verkleideten oder Trachten tragenden Erwachsenen und vor allem Kindern nehmen am El Pase del Niño teil. Besonders entzückend sind die kleinen Indígenas, in ihren traditionellen Trachten Tänze aufführend; oder die Mestizenmädchen, die in wertvoll bestickten Reitkleidern, spanischen Prinzessinnen nachempfunden, mit perfektem huldvoll-hochmütigem Blick, die Lippen verführerisch geschürzt, stolz auf ihren Pferden sitzen. Das alles findet statt bei wenig weihnachtlichem, strahlendem Sonnenschein und vor historischer Kulisse. Cuencas Innenstadt muss sich vor dem kolonialen Quito nicht verstecken. Zudem ist die Stadt mit 52 wunderschönen Kirchen gesegnet – für jede Woche des Jahres eine.

Der Abend: Das Essen
Am Abend feiern wir zunächst mit Ray und Jo Weihnachten, auch wenn wir keine Ente oder Gans bekamen. Die Puten waren zu groß für den Camperbackofen, also entschieden wir uns für ein Riesenhähnchen. Der selbstgekochte Rotkohl ist prima, nur die Kartoffelklöße wirken ansatzweise wie explodierte Tennisbälle. Die falsche Kartoffelsorte oder mal wieder ein physikalisches Höhenproblem? Da Jo als Nicht-Knödelliebhaber Nachschlag verlangt, kann es ganz so schlimm nicht gewesen sein. Vielleicht war er auch einfach nur hungrig. Oder höflich. Die Plätzchen zum Nachtisch sind aber einwandfrei, trotz der Höhenlage. Nach dem Essen statten wir Lissi und Marco noch einen Besuch auf einen Umtrunk ab. Die beiden haben schließlich nicht alle Tage deutschsprachigen Besuch.

Cuenca, Ecuador – Eine Werkstatt für alle Fälle

Dienstag, Dezember 20th, 2011

Schließlich ist bald Weihnachten, und da uns Arminius im letzten Jahr stets treu war, hat auch er sich ein Geschenk verdient. Er erhält eine weitere „Verschönerung“, die uns in erster Linie zu praktischen Zwecken dient: Wir lassen den Auspuff hochlegen. Lange haben wir darüber nachgedacht und uns schließlich dazu entschlossen. Berichten anderer Reisender und eigenen Beobachtungen zufolge kann es in den extremen Höhenlagen der Südanden problematisch sein, bei Nachttemperaturen von -20° C in über 5.000 m Höhe den kalten Motor morgens zu starten. Dabei ist in erster Linie weniger die Temperatur das Problem als der Sauerstoffmangel in Zusammenhang mit der Temperatur. Um die Maschine morgens nicht ständig mit Starterspray quälen zu müssen, lässt man sie in solchen Ausnahmefällen die Nacht über laufen. Da man nicht alle Fenster dicht verriegeln kann, um nicht zu ersticken, dringt stets ein Teil der Auspuffgase in die Kabine. Zwar ist Kohlenmonoxid schwerer als Luft und sinkt zu Boden, wir stören uns trotzdem an den Abgasen. Mit hochgezogenem Auspuffrohr hoffen wir, das Problem zu minimieren.

Der Auspuffbauer in Cuenca hat zwar nicht alle Materialien, die wir uns vorstellen, dafür stimmt der Preis und die Arbeit wirkt ordentlich. Da Edelstahlrohr in dem Durchmesser nicht erhältlich war, müssen wir das Stahlrohr nun streichen. Die Ofenrohrfarbe dafür bekommen wir von Mario. Mario ist Lackierer aus dem Thüringischen Gotha und zusammen mit seiner österreichischen Frau Lissi selbstständig in Cuenca. Die Karosseriewerkstatt und Lackiererei steht auf dem Gelände von Paco, dem Besitzer einer Kfz-Werkstatt. Paco wurde in Deutschland ausgebildet und erhielt sogar ein Stipendium zur Weiterbildung als Kfz-Mechaniker-Ausbilder. Er und seine Frau Sonia führen das Unternehmen organisiert nach deutschem Vorbild.

Hier wollen wir unseren fälligen Ölwechsel durchführen. Aber natürlich kann man bei Paco auch alle anderen technischen Probleme beheben lassen, falls nötig. Dazu kommt, dass die vier ausgesprochen nett und hilfsbereit sind. Auf dem Geländeparkplatz oberhalb der Basilika dürfen wir kostenlos campen, bei Bedarf gibt es eine Toilette, Wasser und sogar Strom. Und wieder schläft der Zufall zu: Obwohl wir den Tipp mit der Werkstatt von Jo und Ray erhielten, unseren Reisegefährten aus Kolumbien, und die beiden hier ein paar Reparaturen durchführen wollten, konnte niemand ahnen, dass sie gestern Abend nur eine halbe Stunde vor uns eintreffen.

Servicio Automotriz, Cuenca: S 02°53’06.5’’ W 79°00’32.7’’, Calle Humboldt 2-42, hinter der Basilika
Mechanik: Paco (spanisch, deutsch) und Sonia (spanisch): Tel. 07-2848093, Mob. 09-9675942, E-Mail: hectorbravo@yahoo.com
Karosserie: Mario und Lissi (deutsch, spanisch
): Tel. 07-2833108, Mob. 09-9054234, Website: www.visionen.ws, E-Mail: lisiaich@yahoo.com (Achtung: besser anrufen, E-Mails werden nicht regelmäßig beantwortet)

Cuenca, Ecuador – Noch eine Rettungsaktion

Montag, Dezember 19th, 2011

Heute sind wir einmal die Retter. Auf der Panam zwischen Alausi und Cuenca regnet es ununterbrochen und deprimierend, dazu hängen sich die Wolken über die Straße und verringern die Sicht. Bei diesen schlechten Witterungsbedingungen kam ein Sattelzug ins Schleudern. Jetzt steht der Auflieger im 90°-Winkel zur Straße, eine der beiden Stützen ist hinter der hohen Bordsteinbegrenzung gelandet. Die Zugmaschine steht entgegen der Fahrtrichtung und ist komplett im Gras hinter dem Randstein gelandet. Aus eigener Kraft kann sich der Lkw nicht wieder befreien. So etwas wie Abschlepp- und Bergeunternehmen gibt es kaum. Alleine die Organisation der Bergung, vielleicht mithilfe eines Bauunternehmens, würde Stunden in Anspruch nehmen. Jörg zeigt ein gutes Herz und bietet an, den Truck herauszuwinschen.

Die Zugmaschine muss abgekoppelt werden, dann zerren wir sie durch Erde und über die Bordsteine, wobei wir immer wieder die Position des Unimog verändern müssen, damit der Zugwinkel stimmt. Zu unserem Erstaunen schafft es der Sattelschlepper ohne Beschädigungen auf die Straße zurück, trotz seiner geringen Bodenfreiheit und des vielen Plastiks an der Stoßstange. Jetzt ist der Anhänger dran. Da die eine Stütze nicht über den Randstein rutscht und sich und den Auflieger zu verbiegen droht, müssen der Lkw-Fahrer und die umstehenden Neugierigen den Auflieger immer wieder mit einem Wagenheber anheben und die Stütze mit Steinen und Holzbalken unterfüttern, bis sie sich auf Höhe der Oberkante des Bordsteins befindet. Die andere Stütze kratzt beim Ziehen den Asphalt aus der Straße, was nicht einmal die Polizei stört, die mittlerweile eingetroffen ist und halbherzig mithilft, den Verkehr zu regeln.

Nach einer und einer dreiviertel Stunde ist auch der Sattelauflieger in Position gebracht, an die Zugmaschine gekoppelt und unser mitgenommenes Winschseil wieder aufgerollt. Der Lkw-Fahrer ist anständig, er fragt, was er für die Bergung bezahlen muss. Wir lehnen eine Entlohnung ab, vielleicht hilft auch uns einmal jemand in einer Notsituation.

Parque Nacionál Sangay, Ecuador – Der Unsichtbare

Sonntag, Dezember 18th, 2011

Musste das sein? Noch eine Straße über die Ostkordilliere? Es ist die fünfte mittlerweile. Zugegeben, es macht das Reisen und den hier lebenden Menschen das Leben natürlich angenehmer. Problemlos kann man so zwischen Hochland und dem Amazonasbecken hin- und herwechseln. Die neuste verkehrstechnische Errungenschaft ist inzwischen zum Großteil asphaltiert und schneidet den Nationalpark Sangay in zwei Hälften. Was für eine intakte Flora und Fauna kontraproduktiv ist, ist für den Reisenden ein Genuss, zumal die Passüberquerung eine Zufahrt in das sonst extrem schwer zugängliche Naturschutzgebiet bildet.

Kurz hinter Macas beginnt der Park mit dem subtropischen Dschungel des amazonischen Hochlands mit unzähligen mäandernden Flüsschen. Erklimmt man langsam den Andenhöhenzug, findet man sich in kühlerem Nebelwald wieder, wo lange dürre Wachspalmen ihre Krönchen in die Wolken stechen. Unzählige Wasserfälle leiten das gesammelte Regenwasser ab. In den Höhenlagen weichen die Bäume dichten grün-braunen Gräsern und Buschwerk und geben den Blick frei auf die Atillo-Lagunen, die sich zwischen die umgebenden Bergspitzen einkuscheln. Das Páramo-Seengebiet ist der Höhepunkt des von der Straße aus zugänglichen Teils des Sangay Nationalparks.

Der 5.230 m hohe Vulkan Sangay selbst, einer der aktivsten des gesamten amerikanischen Kontinents, lässt sich von der Straße aus nicht erblicken, höchstens mit einem weiten Fußmarsch oder von Weitem mit viel Glück von Baños, der Panam oder Macas aus. Jede weitere Annäherung erfordert einen mehrtägigen Marsch oder Ritt, ohne Führer ist das nicht möglich. Auch die anderen Vulkane und Berge in diesem Nationalpark wie der Altar oder der Soroche, der den hübschen wie passenden Namen „Höhenkrankheit“ trägt, verhüllen sich.

Zum Schlafen ist es an den Seen am schönsten. Entweder auf dem Parkplatz am Aussichtspunkt (S 02°10’34.8’’ W 78°30’12.1’’) oder ein Stück weiter westlich beim Campamento Atillo mit noch besser Aussicht. Man kann auf dem kleinen Schotterplatz an der Straße stehen oder besser und viel ruhiger einen Stock tiefer, zu erreichen über den nach unten führenden Erdweg: S 02°11’16.2’’ W 78°31’14.3’’. Sicherheitsbedenken dürfte es hier keine geben, aber am zweiten Platz steht man sogar in Sichtweite des Dorfes. Wenn man sich dann noch mit seinen Nachbarn bekannt macht, kann fast nichts mehr daneben gehen. In der Nacht und zum Sonnenaufgang ist die Sicht auf die Seen am besten.

Macas, Ecuador – Yuccapuffer: köstliche Kalorienbombe

Samstag, Dezember 17th, 2011

Wie macht man Yuccapuffer? Im Prinzip ähnlich wie Reibekuchen, sie munden auch mindestens genauso gut. Vor allem, wenn man für einen gesteigerten Lecker-Schmecker-Faktor reichlich Butter in den Teig einarbeitet, die Plätzchen dann auch noch mit Käse füllt und anschließend in reichlich Öl frittiert. Während ich mir zeigen lasse, wie man auf kleinstem Raum möglichst viele delikate Kalorien unterbringt, erarbeitet sich Jörg seine Portion, indem er drei Tage lang maschinell Peters großes Grundstück von unnützem Gras befreit. Wir vergessen einfach mal, was der Begriff „Kilojoule“ bedeutet und welche Konsequenzen mit deren Verzehr verbunden sind. Stattdessen lassen wir uns vor allem mit Fleisch in Form von panierten Rinderfilets, Champignonhühnchen und Grillgut mästen. (Peter, wie schaffst Du es, bei Patricias Kochkünsten so schlank zu bleiben?)

Wenigstens können wir uns die Füße vertreten auf Peters Dschungelgrundstück, 20 Minuten von seinem Haus entfernt. Fünf Hektar Sekundärwald – das Tropenholz hat man schon vor Jahren herausgeholt, als es noch erlaubt war – als Bauland ausgewiesen und erschlossen. In Deutschland könnte man da locker samt Zufahrtstraßen um die 100 Häuser unterbringen. Aber vielleicht möchte Peter ja lieber ein Stück Urwald behalten. Abends dann sehen wir fern: die Nachrichten der Deutschen Welle. In Lateinamerika werden sie abwechselnd in Deutsch, Englisch und Spanisch ausgestrahlt. Dankbar saugt der im Ausland lebende Deutsche die Beiträge dieses Senders in sich auf, froh um diese Institution, die sich wohltuend von den meist informationsfreien, seifenoperngetränkten lateinamerikanischen TV-Anstalten abhebt.

Radiosender sind kaum besser, obwohl seit Costa Rica dankenswerterweise of flotte Latino- oder auch internationale Musik gesendet wird. Erträglich ist das trotzdem nur, solange nicht geredet wird. Meist hören die einfach nicht wieder auf, um stundelang ein religiöses oder gesundheitliches Thema (auf dem Niveau: zu viel Fett essen ist schlecht für die Gesundheit, aber vielleicht ist das ja notwendig) zu erörtern. Die Moderatoren plärren wie billige DJs aus der Dorfdisco ins Mikrofon, den Regler für die Musiklautstärke nervtötend wie einen Pumpenhebel auf- und zuziehend.

Am liebsten aber mag ich die Werbesendung. Aufgrund fehlender Werbespotproduktion (zu teuer? keine Idee? nicht vorhanden?) kreischt der Sprecher dümmlich, übertrieben seine spanischen Rrrrrs rollend, wie ein Marktschreier die Ansagen der lokalen Geschäftswelt aus den Lautsprechern. Besonders beliebt scheinen verschönernde Zahnbehandlungen (Bleaching, Implantate), plastische kosmetische Operationen aller Art sowie Prostatakuren zu Steigerung des Urinflusses und besonders der Potenz zu sein. Man hat eben seine Prioritäten. Der ortsansässige Supermarkt informiert uns, dass es bei ihm Brrrot, Eierrr und Rrreis zu kaufen gebe. Werrr hätte das gedacht.

Macas, Ecuador – Die Rettung

Dienstag, Dezember 13th, 2011

Galo lockte uns nach Macas, aber nun sind wir etwas verloren. Galo, den wir mit seiner Reisegruppe unterwegs in Ecuador kennenlernten, und seine texanische Frau verspäten sich um einen Tag wegen eines verschobenen Fluges. Die ruhige Schotterstraße vor deren Grundstück, auf der wir stehen, hat sich unversehens in die Ortsumgehungsstraße verwandelt und produziert mehr Staub, als wir unserem Kabineninnern zumuten wollen. Und als der Naturführer und RhoAnn, die Reiseunternehmerin, endlich eintreffen, sind uns die Ausflüge zu teuer. 100 $ für zwei für einen Tagesausflug in ein Naturreservat der hiesigen Shoar-Indianer sind uns einfach zu viel. Dabei hätten wir weder die Kultur der Shoar noch deren Schrumpfkopfherstellung – wofür sie berüchtigt waren – zu sehen bekommen. Touristengerecht aufbereitete Kostümierung und einstudierte Tänze werden nur bei mehrtätigen Aufenthalten präsentiert.

Doch Rettung naht schon, in Form von Peter. Der deutsche Rentner mit der jungen ecuadorianischen Frau und seiner Tochter, einem versteckten Grundstück mitten im Grünen und Swimmingpool adoptiert uns. Und so wird aus nur einer geplanten Übernachtung in Macas mal wieder ein längerer Aufenthalt.

Macas, Ecuador – Ab an den Amazonas

Montag, Dezember 12th, 2011

Das Amazonasbecken: riesiges Waldgebiet, grüne Lunge unseres Planten, unzugänglicher Dschungel, eines der wenigen nur ansatzweise erforschten Gebiete der Erde. Auch Ecuador hat seinen Anteil am Amazonas – mit über 100.000 km2 immerhin mehr als ein Drittel der Landesfläche. Wir werden im späteren Verlauf unserer Reise, in Brasilien, noch viel vom Amazonas zu sehen bekommen. Doch wollen wir ihn in Ecuador zumindest „ankratzen“, um alle drei Landschaftsformen – die Küstenregion, den Andengürtel und das Amazonasbecken – abzudecken. Das Innere des Dschungels ist hier wie auch in Kolumbien nur mit Kleinflugzeugen und Booten zu erforschen.

Von Baños aus durchschneidet die tiefe Schlucht des Pastaza-Flusses die Ostkordilliere und führt gemächlich hinunter die die Tiefebene. Ruta de las Cascadas wird die Straße genannt der es an landschaftlicher Dramatik nicht mangelt. Wie der Name schon andeutet, reiht sich hier ein Wasserfall an den anderen. Der gewaltigste ist der El Pailón del Diablo. Eine mächtige Wassermasse ergießt sich in einen engen Topf, bevor die Fluten ihren Ausweg finden um schließlich in den Pastaza-Fluss abzubiegen. Bester Aussichtspunkt ist eine schaukelnde Hängebrücke. Aber ganz ehrlich: Es gibt eine ganze Menge Wasserfälle auf unserer Erde, die höher sind oder mehr Wasser ausspeien. Für 1,50 $ ist der zwei Kilometer lange Wanderweg mit hohen Stufen zumindest eine erbauliche Leibesübung.

Ganz in der Nähe gibt es mehrere Seilbahnen, mit denen man sich in korbförmigen Gondeln über den Rio de Pastaza chauffieren lassen kann. Mit denen verfahren wir genauso wie mit den anderen Touristenspektakeln in Baños, den vielbesuchten Thermalbädern (vorher nach den Reinigungstagen erkundigen!) oder den Bungeejumpern an der dortigen San-Francisco-Brücke: Wie schlagen einen weiten Bogen darum. Derweil sinkt die Straße immer tiefer, bis sie in Puyo das Andenhochland verlassen hat. Wir setzen unseren Weg nach Süden fort bis Macas. Denn diesem touristisch noch etwas verschlafenen Städtchen eilt der Ruf voraus, „sauber“ zu sein. Sauber bedeutet in dem Fall, frei von Erdölbohrungen, Auffangbecken, Pipelines und deren schmutzige, zutiefst umweltschädliche Konsequenzen.

Erdöl ist einer der großen Wirtschaftsfaktoren Ecuadors: Mittlerweile macht es 60 % des gesamten Exportvolumen aus. Der größte Teil der Reserven liegt ausgerechnet im Amazonasgebiet, dem unzugänglichen Dschungel, der geologische Forschungen dieser Art nicht gerade erleichtert. Derzeit wird die tägliche Fördermenge von 500.000 Barrel über eine Pipeline aus dem Urwald über die Gebirge bis in den Pazifikhafen Esmeraldas gepumpt. Die ersten Probebohrungen führte Texaco bereits 1963 durch – damals noch auf Schusters Rappen durch die unwirtliche moskitoverseuchte Gegend. Um Rentabilität zu gewährleisten, verwenden die Ölkonzerne billige, alte Technologie und schränken Wartungsarbeiten auf ein Minimum ein. Undichte Ölleitungen und Rohölbecken verseuchen das Grundwasser. Noch schlimmer sind die Kloaken aus Bohrabfällen: Bohrschlämme, Salze, Säuren und Laugen werden bei Regen überflutet und verteilen sich großzügig in die Natur. Folgen bleiben nicht aus. Weitere Ausbeutung der Ölreserven, die nur auf 20 Jahre Dauer geschätzt werden, ist geplant.

Baños, Ecuador – Asche, Rauch und Wolken

Sonntag, Dezember 11th, 2011

Der Vulkan Tungurahua erhält von uns noch einmal zwei Tage Zeit, Aktivität zu zeigen. Das Wetter ist perfekt, auch wenn zum Sonnenuntergang meist Wolken herein ziehen. Aber so zwischen zwei und fünf Uhr morgens lichtet es sich meist, verrät uns ein Anwohner. Stimmt. Auch tagsüber bleibt es heute klar, doch zeigt der Vulkan nur mäßige Aktivität. Ab und an entweichen giftige gelbe Puffwölkchen, ansonsten produziert er große Mengen weißen Wasserdampfs, der sich mit vorbeiziehenden Wolken vereint und sich bei abnehmender Temperatur in den Abendstunden wie ein weißes Toupet über den Krater legt. Während die Bewohner von Baños noch die Asche von den Straßen fegen, die ihnen der Tungurahua in den vergangenen zwei Wochen auf Hausdächer und in die Bäume gepustet hat, legt der Vulkan eine Feuerpause ein und beschränkt sich auf Qualm.

Wir stehen erneut auf dem Hügel Las Antenas, diesmal beim Restaurant Ojos del Volcan auf dem Grünstreifen in der Kurve. Der Besitzer lud uns vor ein paar Tagen bei unserem letzten Besuch ein, hier zu kampieren. Wir essen bei ihm eine gut Magen füllende Portion gebackener Forelle mit Reis, Kartoffeln und frittierten Kochbananen zum fairen Preis. Das Essen ist bis auf eine Tomatenscheibe mit marinierten Zwiebelchen gemüsefrei, so wie es Ecuadorianer am liebsten haben. Dafür spendieren uns Rogelio und seine Frau („Elisabeth Taylor“ nennt er sie auch nach Jahren der Ehe noch, auch wenn der Vergleich abgesehen von der Haarfarbe geringfügig hinkt) einen heißen Canelazo. Das ist eine Art ecuadorianischer Grog aus Fruchtsaft oder wie hier aus heißem Zuckerrohrsaft mit Schnaps (dessen Gehalt wir freundlicherweise selbst bestimmen dürfen). Sehr wärmend.

Tags reichen sie uns immer wieder selbstgemachten Brombeersaft oder Früchte aus Eigenbau zum Kabinefenster herein. Das Restaurant mit ungehindertem Vulkanblick öffnet nur nach Bedarf, Anmeldung ist daher sinnvoll (Rogelio Bastidas mobil 092977530, Elisabeth 095776781, beide Spanisch, S 01°22’57.4’’ W 78°26’03.1’’). Die Zufahrtstraße ist offiziell nicht für Lkw zugelassen, als wichtiger Evakuierungsweg aber in gutem Zustand und für Fahrzeuge bis 4 m Höhe befahrbar. Die Serpentinenstraße ist eng und steil mit kaum Verkehr, der Stellplatz am Restaurant groß für mehrere Fahrzeuge.

Baños, Ecuador – Gulasch am Wasserfall

Freitag, Dezember 9th, 2011

So leicht kommt uns der Vulkan nicht davon. Wir entschließen uns, erst einmal für weitere Bilder in Baños zu bleiben. Für heute Nacht wechseln wir allerdings den Standort. Im Nebendorf Ulba besitzen die beiden Deutschen Regine und Dietrich seit vielen Jahren die Hosteria Finca Chamanapamba mit dem Restaurant Regine’s Café Alemán. Idyllisch gelegen in einem subtropischen Garten mit Kolibris und wunderschönem Wasserfall fühlt man sich hier wie in einer andern Welt. Es gibt genügend Platz, ein Campingfahrzeug abzustellen. Das Highlight aber ist das Restaurant. Zu moderaten Preisen gibt es Ungarisches Gulasch, Steaks und Schokoladenkuchen bei traumhafter Aussicht und origineller Architektur: www.chamanapamba.com, Tel. in Ecuador 03-2742671, S 01°24’02.9’’ W 78°23’58.4’’.

Baños, Ecuador – Der Tungurahua rülpst

Donnerstag, Dezember 8th, 2011

Eine hunderte Meter hohe Rauchfahne entweicht seinem Schlund. Dicker Qualm steigt in die Atmosphäre auf. Mit gemischten Gefühlen betrachten wir den außerordentlich aktiven Tungurahua, wähnen uns aber relativ sicher auf der anderen Seite der tiefen Pastaza-Schlucht, die uns nicht nur einen hervorragenden Beobachtungsposten sichert, sondern hoffentlich ausreichenden Abstand zwischen uns und den Vulkan bringt. Nur für den Fall, dass… Der 5.016 m hohe Tungurahua gehört zu den aktiven Vulkanen Ecuadors. Sein gewalttätigster Ausbruch erfolgte 1777, doch auch in jüngster Vergangenheit machte er von sich reden: 1999 wurde der Ort Baños für mehrere Monate zwangsevakuiert, und 2006, 2007 und 2008 wurden bei Ausbrüchen einige Dörfer am Fuß des Vulkans von heißen Schlamm- und Gerölllawinen überrollt. Erst seit einigen Tagen macht der Tungurahua wieder von sich reden. Außer Rauch spuckt er gelegentlich Lava und glühendes Geröll in die Luft, was nachts bei wolkenfreiem Himmel zu sehen sein soll.

Auf dem Weg nach Baños passieren wir Pelileo, das Zentrum der ecuadorianischen Jeansproduktion. Für Herren bekommt man perfekt imitierte Markenjeans mit „Original“-Label für konkurrenzlose 10 $. Die Damenkollektion spiegelt leider ausschließlich das wider, was modebewusste südamerikanische Frauen tragen. Wer durch diesen Kontinent reist, wird die Erfindung der Leggings als optische Belästigung verfluchen. Mit Lycra verstärkte fußlose Strumpfhosen umfassen gnadenlos die in den meisten Fällen ausladenden Hinterteile der weiblichen Hälfte des südlichen Kontinents. Mit kurzen T-Shirts und Blusen wird sichergestellt, dass nichts davon unnötig verdeckt wird. Ein Paar Highheels oder Stiefel dazu sind natürlich ein Muss. Nein, ich kaufe keine Hosen.

Das mit der Sicht auf den Vulkan ist auch so eine Sache. Die heiße, mittlerweile schneefreie Spitze ist stets umgeben von Wolken, die sich an ihm verfangen oder Wasserdampf, den er selbst produziert. Nach unserer Wanderung am Chimborazo fahren wir nach Baños, dem Städtchen zu Füßen des Vulkans Tungurahua, dem ecuadorianischen Paradies für Rucksackreisende. Wir kommen weniger wegen des bunten Treibens hierher als wegen der Fotos, die wir zu ergattern hoffen. Die Touristeninformation an der Basilika in der Ortsmitte verteilt Stadtpläne und Informationen zu den Aussichtspunkten. Am nahesten dran ist man an der Casa del Arból mitten auf dem Berg. Irgendwie finden wir es für Fotos zunächst nicht optimal hier und außerdem steckt man schon in den Vulkan-Wolken drin. Auf der anderen Seite des tiefen Flusstals, in der Sicherheitszone, fahren wir stattdessen auf den Berg Las Antenas auf 2.600 m Höhe. Die Straße ist neu gepflastert, hat aber einige sehr steile und enge Serpentinen – mit Fahrzeugen länger als ca. 8 m könnte es schwieriger werden.

Am Mirador Ojos del Volcán gibt es ein Restaurant (nicht täglich geöffnet) und in der Spitzkehre eine Art Parkstreifen auf dem Gras. Das Dorf scheint wie ausgestorben, und erst nach längerer Suche entdecke ich einen Bewohner, der sofort anbietet, dass wir stattdessen auf seinem Grundstück stehen bleiben. Der Mann muss nur das Volleyballnetz auf dem Platz entfernen, damit Arminius hier parken kann (S 01°23’02.1’’ W 78°26’14.1’’). Die Sicht auf das Ungeheuer ist perfekt. Gnädig zeigt er sich uns einmalig kurz für wenige Minuten zwischen umherwabernden Nebelschwaden. Zu sehen bekommen wir ihn in der Nacht nicht wieder, aber zu hören. Mitten in die Dunkelheit entlässt der Vulkan einen lauten Rülpser, eine Drohung, ein Donnern wie von einem mächtigen Feuerwerk, dann kehrt wieder Ruhe ein.

Parque Nacional Chimborazo, Ecuador – Die 5000er-Marke geknackt

Donnerstag, Dezember 8th, 2011

Schwer schnaufe ich bei jedem Schritt. Lächerliche 900 m sind zu gehen und dabei 200 Höhenmeter zu überwinden. Ein Klacks – wenn wir uns nicht in 5.000 m Höhe befinden würden. Der Vulkan Chimborazo, der vor etwa 5 Mio. Jahren zum letzten Mal ausgebrochen ist, bietet eine der selten Gelegenheiten für Nicht-Bergsteiger, in diese Höhen zu gelangen. Vom Refugio Hermanos Carrel, der unteres Schutzhütte, steigt man durch tiefen Schnee zum Refugio Edward Whymper auf ziemlich genau 5.000 m auf (S 01°28’21.9’’ W 78°50’18.9’’). Hier bekommt man kleine „Beweis-Aufkleber“ für einen Dollar das Stück. Der einsame Hüttenwart bedankt sich überschwänglich, wenn man ihm etwas von seiner original ecuadorianischen Schokolade oder seinen Keksen zu – in Anbetracht der Lokalität – wohl kaum überhöhten Preisen abkauft.

Die Atmosphäre hier ist ruhiger als am Cotopaxi, noch viel winterlicher und Ehrfurcht gebietend. Nachts sinkt die Temperatur auf unter 0° C. Oberhalb der Hütte kann man noch ein wenig herumlaufen, wir erreichen über 5.100 m Höhe für unser Logbuch. In den Gletscher sollte man als Hobbyandinist nicht einsteigen, zu viele Gedenktafeln an der unteren Hütte erinnern an die zahlreichen tödlich ausgegangenen Versuche, den Gipfel zu bezwingen oder sich ohne ausreichende Erfahrung oder einen Bergführer auch nur zu weit vorzuwagen.

Alexander von Humboldt war übrigens auch auf dem Chimborazo ein Pionier. 1802 war er der erste Mensch, der eine Gipfelbesteigung versuchte. Auch wenn er sein Ziel nicht erreichte und auf – heute geschätzten – 5.900 m umkehren musste, konnte er sich bis zu seinem Tod 1859 rühmen, der einzige Mensch zu sein, der diese Höhe erreicht hatte. 1886 gelang dem Engländer Edward Whymper zusammen mit den italienischen Brüdern Carrel die Erstbesteigung. Erst 1939 konnte die deutsch-italienische Expedition Kühn-Ghilione mithilfe genauer Messgeräte die wahre Höhe des Vulkanriesen bestimmen.

Trotz allen Keuchens ist Laufen noch besser als alles andere. Essen, Trinken und Schlafen gehören neben Schuhe binden zu den dümmsten Tätigkeiten, die man in dieser Höhe durchführen kann. Da man beim Essen und Trinken nicht ungehindert weiteratmen kann, ohne sich zu verschlucken, entsteht unweigerlich Atemnot, die man durch heftiges Luftschnappen wett machen muss. Noch schlechter sind die Nächte. An Schlaf ist kaum zu denken. Konzentriert man sich im Halbwachzustand noch auf eine tiefe und schnelle Atmung, verfällt man beim Einschlafen sofort in die angelernte Flachatmung und man wacht nach Luft ringend sofort wieder auf. Die ganze Nacht fühlt sich an wie ein Stunden anhaltender, leichter Asthmaanfall. Nur Bücken ist schlimmer. Da man dann nicht mehr das Gesamtvolumen der Lunge zur Verfügung hat, ist es unmöglich, seine Schuhe ohne Erstickungsanfall zuzubinden.

Beim Wandern wird die Atmung automatisch schneller und tiefer und an der frischen Luft fühlen wir uns wie befreit. Den Aufstieg im Tiefschnee schaffen wir in einer knappen halben Stunde, abwärts sausen wir in zehn Minuten. Eine entgegenkommende Wanderergruppe, die sich gerade nach oben kämpft, sieht uns verständnislos an, wie wir durch den Schnee sprinten. Als ob wir von einem anderen Planten kämen.

Parque Nacional Chimborazo, Ecuador – Die höchste Erhebung der Welt

Mittwoch, Dezember 7th, 2011

Ich höre Euch aufstöhnen. Was behauptet sie denn jetzt wieder? Der höchste Berg der Erde ist doch der Mount Everest! Stimmt. Und doch habe ich Recht. Der Vulkan Chimborazo ist der Punkt auf unserem Planeten, der am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernt ist. Daher wurde er über lange Zeit für den höchsten Berg der Welt gehalten. Was er paradoxerweise nicht ist. Sein Gipfel ist lediglich 6.310 m von der Erdoberfläche entfernt. Wie geht das jetzt zusammen? Greifen wir zurück auf Galileo Galilei. Der hatte nämlich doch nicht Recht mit seiner Behauptung, die Erde sei eine Kugel. Jedenfalls nicht ganz. Isaac Newton statuierte, dass die Erde aufgrund ihrer Drehung und der dadurch wirkenden Zentrifugalkraft am Äquator ausgebeult und an den Polen abgeflacht sei. Erst später wurde diese Theorie bewiesen. Daher ist auch Meeresniveau nicht gleich Meeresniveau. Die Oberfläche der Ozeane ist am Äquator ebenfalls weiter vom Erdmittelpunkt entfernt als in der Nähe der Pole.

Wenn auch der Chimborazo nicht der höchste Berg der Erde ist, er ist Ecuadors einziger Sechstausender. Sein Gletscher vereist wegen mangelnden Neuschnees, Erderwärmung und steigender UV-Strahlung zusehends und wird daher immer schwieriger zu besteigen. Doch so hoch wollen wir ja gar nicht hinaus. Die gut asphaltierte Straße südlich des Vulkans liegt schon auf über 4.000 m, und so ist es nur noch ein Klacks, die acht Kilometer Staubstraße bis zur Hermanos-Carrel-Hütte auf 4.800 m hochzufahren. Hier gibt es einen Parkplatz und unweit davon eine kostenlose Campingzone (S 01°28’21.0’’ W 78°50’56.6’’, 4.845 m).

In der Rangerstation an der Zufahrt (S 01°29’51.0’’ W 78°52’29.9’’) müssen wir auch diesmal nur 2 $ Einheimischen-Eintritt pro Person bezahlen, selbst der zweite Tag ist kostenlos, obwohl wir angeben, übernachten zu wollen. Zwischen 17 und 8 Uhr soll der Posten nicht besetzt sein, aber wir zahlen die 4 $ gerne, schließlich muss sich der Park finanzieren. Im Campingbereich war schon lange niemand mehr, der Schnee ist wohl zu tief. Arminius fühlt sich da richtig wohl, und wir in der verschneiten Einsamkeit unterhalb des Berggipfels natürlich auch. Nachdem der Motor aus ist, trauen sich auch die Vikunjas wieder heran. Vikunjas sind eine von vier Arten der höckerlosen Neuweltkamele. Zwei davon sind ursprüngliche Wildformen – Guanakos und Vikunjas – die anderen beiden, Lamas und Alpakas, sind Jahrtausende alte Züchtungen. Vikunjas sind mit 80 cm Schulterhöhe die zierlichsten und elegantesten, aber auch seltensten und gefährdeten Andenkamele.

Wegen ihres Fells – des feinsten und teuersten, das wir kennen – wurden sie nahezu ausgerottet. Seit fast 50 Jahren ist ihre Jagd verboten, sie werden nur zur Schur eingefangen und anschließend wieder freigelassen. Ein Tier gibt dabei lediglich ein Pfund Wolle, das Kilo kostet bis zu 500 Euro. Ihr seidenzartes Fell ist gelbbraun bis rotbraun, der Bauch ist weiß. Vikunjas haben sich von allen vier Arten am besten an ihre kalte karge Umgebung angepasst. Sie leben nie unter 3.500 m Höhe, aber über 5.000 m werden sie noch gesehen. Genügsam knabbern sie an Moosgeflechten und Gräsern, ihr Kot düngt die Bergwiesen und wirkt damit der ständig drohenden Erosion entgegen. Dank eines Wiederansiedlungsprojekts der Schweizer Regierung erholt sich der Bestand prima, trotz Gefährdung der Tiere durch wiederkehrenden Ascheregen des benachbarten Tungurahua-Vulkans, Fahrzeugen auf den Straßen und Andenfüchsen, die die Kleinkamele anfallen. Die Bauern der Umgebung bekamen Lamas und Alpakas geschenkt, im Gegenzug zogen sie die gefräßigen Schafe ab, die auch den Vikunjas die Nahrung streitig machten.

Parque Nacional Cotopaxi, Ecuador – Der perfekte Riese und die Physik des kalten Kaffees

Dienstag, Dezember 6th, 2011

Der Cotopaxi lässt uns nicht los. Ecuador ist ein faszinierendes Land von teils harscher Schönheit, aber der Cotopaxi Vulkan hat eine ganz besondere Anziehungskraft. Gestern Abend kehrten wir noch einmal in den Park zurück, da wir diesmal auf mehr Wetterglück hofften. Und tatsächlich, in der Nacht klart es auf, und es bleibt erst mal so – zum Sonnenaufgang und bis in den Morgen hinein. Jörg ist die halbe Nacht auf, um Fotos zu schießen. Wir können sogar die Bergsteiger sehen, die ab etwa ein Uhr morgens mit Stirnlämpchen zum Gipfel klettern. Ab halb neun dann produziert der Berg seine eigenen Wolken. Die Sonne taut zunächst das Gelände auf, dann gewinnt sie an Stärke und beginnt die Feuchtigkeit zu verdunsten. In der kalten Luft and den Gletscherhängen allerdings kondensiert der Dunst sofort und schon haben wir Bodennebel. Ein paar Mal noch klart es auf, dann ziehen die Wolken der nachmittäglichen Regenfront herein. Trotzdem, wir sind glücklich, so schön und nackt zeigt sich der Cotopaxi selten.

Mit Wasser und Dampf hat es noch ein weiteres Problem, über das man zu Hause meist nicht nachdenkt: Der Kaffee ist kalt. Obwohl ich ihn mit kochendem Wasser aufgebrüht habe, ist er nach wenigen Minuten nur noch lauwarm. Wir denken einen Moment nach, dann wird es uns klar. Der Siedepunkt von Wasser liegt zwar bei knapp 100° C, aber nur auf Meeresniveau. Je höher man steigt und der Umgebungsdruck sinkt, desto eher erhält das Wasser die Chance zu sprudeln. Es nützt auch nichts, das Wasser länger auf dem Herd zu lassen, da der Siedepunkt ja den Wechsel des Aggregatszustands angibt und bei längerer Temperatureinwirkung das Wasser eben in gasförmigen Zustand übergeht, sprich verdampft. Das Wasser kocht also früher bei niedrigerer Temperatur und damit kommt der Kaffee einfach schon kälter in die Tasse.

Ein ernstzunehmendes Wasserproblem stellt die trockene Luft dar. Die dünnere Höhenluft kann weniger Wasser aufnehmen. Da die Nebenhöhlen die Atemluft befeuchten, verliert man mit jedem Atemzug Feuchtigkeit. Selbst wenn man bei Schneetemperaturen nicht schwitzt, muss man sich zum Trinken zwingen. An durchschlafene Nächte ist nicht zu denken. Mehrere Stunden ohne Wasserzufuhr hält der Körper kaum aus. Durstig oder hustend wachen wir auf, um nach der Wasserflasche zu greifen.

Machachi, Ecuador – Die Quilotoa-Rundfahrt

Sonntag, Dezember 4th, 2011

Die Kraterwände des Quilotoa stehen frei und alleine im Rund. Mittendrin liegt die smaragdgrüne Lagune, windgeschützt Wolken und Kraterwände widerspiegelnd. Entstünde auch nur an einer stelle ein Riss, würde der See einfach auslaufen. Noch liegt er friedlich da, und wer mag kann auf eineinhalb Kilometer die 400 m Höhenunterschied zur Wasserlinie auf einem Sandweg hinuntereilen und entweder zu Fuß oder auf einem Maultier wieder hoch. Alternativ kann man den See – immer am Kraterrand entlang – in sechs Stunden umwandern. Der Eintritt beträgt je Person 2 $, schlafen könnte man am Parkplatz des Kraterrandes auch (S 00°51’59.7’’ W 78°54’58.5’’). Von Süden kommend erreicht man die Laguna de Quilotoa über Asphaltstraßen, ab hier fährt man etwa 50 km auf einer recht guten Sandpiste durch die Berge. Die Gegend ist bekannt für ihre Künstler, die naive Malerei auf Schafshaut bannen, die mittels eines speziellen Verfahrens enthaart und gereinigt wird. Drei Kilometer hinter Tigua gibt es eine Verkaufsausstellung. Auch unsere Kabine ziert schon ein solches farbenfrohes Bild.

Die Quilotoa-Rundfahrt scheint beliebt zu sein unter selbst fahrenden Globetrottern. Auf dem Weg treffen wir auf Frank aus Baden-Württemberg mit seinem BMW-Motorrad, dessen Urteil nach 14 Monaten Südamerika bereits feststeht: „Die Menschen hier sind dumm und nutzlos.“ Na dann weiterhin gute Reise. In einem winzigen Dorf sehen wir das altbekannte Auto eines englischen Pärchens auf Weltreise, das während der Overland Expo in Amado, Arizona, genau hinter uns stand. Mit einem Getriebeschaden an ihrem Landrover hängen sie schon seit zwei Wochen fest, scheinen sich aber gut in die Dorfgemeinschaft integriert zu haben. Ob Machete schwingen oder Kühe hüten – nichts ist schlimmer als die Langeweile des Wartens auf Ersatzteile. Ihnen gilt unsere Bewunderung. Nahezu ohne Spanischkenntnisse reparieren sie sich fröhlich und unbedarft einmal um die Welt.

Die gesamte Quilotoa-Rundfahrt umfasst 200 km, ein Viertel davon Sandpiste, der Rest Pflasterstein-, Asphaltstraßen und Baustellen in unterschiedlichen Zuständen, doch für die meisten Fahrzeuge absolut problemlos. Die Landschaft besteht aus hohen Bergen, tiefen Schluchten und Landwirtschaft an steilen Hängen, die unsereins nicht einmal hinauflaufen möchte. Erdbebegräben mit senkrechten Wänden durchziehen zickzackförmig die Täler, so breit und tief, dass sie problemlos einen Lkw oder ein ganzes Haus verschlucken können. Die Bevölkerung trägt ihre Trachten selbst zum Arbeiten, und nun löst sich auch das Geheimnis der Schuhe und Strümpfe: Die tirolerbehüteten Frauen tragen weiße Kniestrümpfe, wenn Seidenstrumpfhosen nicht angesagt sind. Ihre Pumps allerdings ziehen sie nur selten aus, außer vielleicht zum Melken oder zum Feldbau. Einzig akzeptable Alternative sind dann Gummistiefel.

Am Ende zurück auf der Pan Am wenden wir uns zurück nach Norden in den Ort Machachi. Der Papagayo Bauernhof wird unsere nächtliche Unterkunft (S 00°33’38.5’’ W 78°35’41.6’’, Zufahrt 1,5 km südlich der Machachi Mautstation Richtung EcoRoses): Zwar verlangt man hier unnachgiebig 5 US$ pro Person fürs Campen, dafür gibt es Toiletten, heiße Duschen und schnelles Internet. Der israelische Besitzer ist sehr nett, hilfsbereit und spricht deutsch. Das Papagayo scheint sein Geld mit Cotopaxi-Bergsteigern zu verdienen und diese Touren auch zu organisieren. Auch wenn nicht alle Kraxler glücklich zurückkehren. Erschöpft sind sie alle, aber nicht jeder hat den Gipfel gemeistert. Mangelnde Höhenanpassung, ungenügender Trainingszustand oder einfach Pech mit der Höhenkrankheit sind die Hauptursachen. „Es ist halt schon steil“, trauert ein unglückliches deutsches Mädel, „da läuft man nicht eben mal so hoch wie auf unsere Alpengipfel“.

Parque Nacional Cotopaxi, Ecuador – Wintereinbruch am nullten Breitengrad

Freitag, Dezember 2nd, 2011

Ich traue meinen Augen kaum: Schnee, überall wo ich hinsehe. Mein Verstand sagt mir, dass selbst am Äquator ab einer gewissen Höhe Niederschlag als Schnee fällt. Trotzdem ist es schwer einzupacken. Die ganze Nacht über regnete es an unserem Schlafplatz, der Gletscher des Cotopaxi dagegen erhielt eine neue Lage Schnee. Auf der Fahrt hinauf zum Parkplatz unterhalb der Schutzhütte José Rivas wird der kohlschwarze Lavasand allmählich überlagert von bläulichem Weiß. Die acht Kilometer lange Piste führt bis auf 4.500 m hoch. Das letzte Stück ist so steil und buckelig, dass die Reisebusse, die sich erstaunlicherweise hier hoch trauen, ein paar Hundert Meter tiefer stehen bleiben müssen. Gestern Abend waren wir schon einmal hier hochgefahren – zum Ausprobieren und Akklimatisieren. Da lag die Schneegrenze noch knapp unterhalb der Schutzhütte.

Vom Parkplatz (S 00°39’23.3’’ W 78°26’19.5’’) aus führt ein einfacher Weg zum Refugium auf 4.810 m. Ober man die kürzere steilere Direktroute oder den längeren Serpentinenweg wählt, bleibt sich in etwa gleich, die Gehzeit beträgt eine Dreiviertelstunde. Allerdings ist das Laufen im weichen Neuschnee schwer; ist er festgetreten wird es dann rutschig. Wir schaffen es gerade vor der ersten von sieben (! Wie mag das erst am Wochenende sein?) Reisebusladungen auf den Berg zu klettern. Die paar wenigen Teens, die uns nahe kommen, reichen uns schon. Laute Musik plärrt aus ihren MP3-Playern (Muss man das beim Bergsteigen wirklich haben? Haben die noch nix von Kopfhörern gehört?) und einige von den Jungs haben dermaßen viel süßliches Parfum aufgelegt, dass mir selbst ohne Höhenkrankheit ganz schwindlig wird. Allerdings muss ich eine junge Dame bewundern, die es in lilafarbenen Lackstiefeln mit sieben Zentimeter hohen Keilabsätzen hier hoch schafft.

Auf der Schutzhütte José Rivas bekommt ein kräftigendes Essen, wer möchte, die „echten“ Bergsteiger übernachten hier vor ihrer Gipfelerstürmung. Der Gletscher oberhalb der Hütte ist nicht anspruchsvoll, dennoch keine Spielwiese für Wanderer. Daher ist hier für uns Schluss. Der Abstieg zurück zum Parkplatz sollte schneller gehen, wenn man nicht wie wir auf eine versprengte deutsche Reisegruppe trifft, mit deren einzelnen Grüppchen wir jeweils ein Schwätzchen halten müssen. Dann fahren wir hinunter in den einsetzenden eiskalten Regen, und hinaus aus dem Cotopaxi Nationalpark zum Südeingang. Unser nächstes Ziel ist die Kraterlagune von Quilotoa. Aus Zeitgründen und weil wir schon einen Übernachtungsplatz im Auge haben, beginnen wir die Quilotoa-Rundfahrt im Uhrzeigersinn statt umgekehrt, was logischer wäre. Im Örtchen Tigua finden wir dann wie erhofft Unterschlupf im hübschen Bauernhof La Posada de Tigua (S 00°56’50.3’’ W 78°51’22.7’’), die Zufahrt ist von der Hauptstraße beschildert. Die Campinggebühr beträgt „normalerweise“ 3,50 $ pro Person, erfahren wir. Da Handeln nahezu erwartet wird, überreiche ich angemessene 5 $.

Parque Nacional Cotopaxi, Ecuador – Die Straße der Vulkane

Donnerstag, Dezember 1st, 2011

“Straße der Vulkane” nannte Alexander von Humboldt das Tal, das sich auf 500 km Länge und 20 bis 30 km Breite in Nord-Süd-Richtung zieht. Auf einer Höhe zwischen 1.800 und 3.200 m schmiegt es sich zwischen die beiden Andenkordillieren, die Cordilliera Occidental und Cordilliera Oriental, die ganz Ecuador durchschneiden. Die beiden Gebirgsstränge sind gespickt mit Vulkanen, doch selbst im Längstal stehen einige der mehr oder weniger schlafenden Riesen. Der herausragende Berliner Naturforscher des 18. und 19. Jh., Alexander von Humboldt, begeisterte sich so für die Vulkane, dass er sich selbst ans Klettern machte. Nach seinen Expeditionen nach Venezuela, Kuba und Kolumbien gelangte er 1802 nach Ecuador, wo er bis heute gültige Theorien aufstellte.

Wir folgen heute seinen Spuren und begeben uns wieder einmal auf die alte rumpelige Panamericana, die hier Ruta de los Volcanes heißt. Und die uns von Quito auf direktem Weg in den Cotopaxi Nationalpark bringt. In der Stadt Sangolqui südöstlich von Quito muss man lediglich den Weg nach Rumipamba finden (teils beschildert bzw. fragen). Ist man einmal auf der Pflastersteinstraße, fährt man einfach 32 km geradeaus zum Nordeingang des Parks. Das Pflaster ist zum Teil ausgerissen und hat tiefe Löcher hinterlassen, die ein Fahrzeug mit Bodenfreiheit erfordern. An einer Stelle ist es etwas eng und die Bäume hängen hier tief, doch außer ein paar Kratzern macht die Strecke sonst keine Probleme.

Die Schranke des Wasserwerks EMAAP öffnet ein Wächter oder man legt selbst Hand an. Die Durchfahrt ist trotz anderslautender Schilder erlaubt, da der einzige Weg. Die Vulkanroute führt durch einsame Páramo-Landschaft mit verstreuten winzigen Indianerdörfern. Auf dem Weg nach Süden passieren wir den abgeflachten Vulkan Pasochoa zu unserer Rechten, dann kommt links der 4.898 m hohe zerklüftete Gipfel des Sincholagua in Sicht. Der Berg Rumiñahui liegt wieder rechts mit seinen drei Zacken, die ihm das Aussehen eines liegenden Gesichts verleihen und ihm den Namen des historischen Inka-Generals eingetragen haben. Vor uns liegt jetzt der Vulkan Cotopaxi, der sich heute genau wie die anderen Berge größtenteils in Wolken hüllt.

Am wenig benutzten Nordeingang des Parks müssen wir unseren Eintritt entrichten. Ausländer blechen 10 $, doch aus unbekannten Gründen bezahlen wir nur den Lokaltarif von 2 $ pP, und da wir campen wollen, kommen noch einmal 2 $ dazu. Öffnungszeiten der Eingänge täglich 8 – 15 Uhr. Bald erreichen wir das brettebene fast vegetationslose Plateau auf 3.800 m, aus dem sich der Cotopaxi völlig frei stehend erhebt. Der Vulkan ist mit 5.897 m nicht der höchste Ecuadors, wohl aber der berühmteste. Das hat er seiner Nähe zu Quito zu verdanken, seiner perfekten Kegelform und der Tatsache, dass sein Gletscher technisch relativ einfach zu besteigen ist.

Die Ebene wirkt etwas spukhaft: Sie ist übersät mit Felsbrocken unterschiedlichster Größe, stumme Zeugen der Vulkanausbrüche der vergangenen Jahrtausende. Besonders aktiv war der Cotopaxi im 18. Jh. Im Jahr 1734 kam es sogar während eines Gefechts zwischen Spaniern und Inkas zu einer lautstarken Eruption, sodass die Kämpfer beider Parteien kopflos auseinander stoben. In der Mitte des 19. Jh. erlebte der Vulkan eine weitere aktive Phase. Der letzte Ausbruch fand 1904 statt. Wissenschaftler konnten in den letzten Jahren ein Aufwärmen des Cotopaxi feststellen, Evakuierungsmaßnahmen wurden vorbereitet.

Der Parkwächter am Eingang erklärt uns, dass es zwei ausgewiesene Campingzonen gebe. Wir entscheiden uns für den Parkplatz an der Laguna Limpiopungo, wo es ganz einsam ist. Später erfahren wir, dass das eigentlich nicht erlaubt ist. Auf dem Weg dahin bekommen wir bereits die Highlights des Wildlebens zu sehen: Wildpferde mit ungezähmten Mähnen und Schweifen bis zum Boden, Bussarde, die von ihren Opfervögeln tapfer attackiert werden und den scheuen Andenfuchs oder Andenschakal, der zwar zu den Hunden zählt, aber weder Fuchs noch Schakal ist und fast die Größe eines Kojoten erreicht. Der See liegt auf fast 3.900 m, das sind gute 1.200 m mehr als unsere letzten Nächte. Bei einer optimalen Höhenanpassung sollte ein Schlafplatz nicht mehr als 800 m höher liegen als der letzte. Größere Höhenunterschiede bezahlt man im Ernstfall mit Kopfschmerzen, zumindest aber mit schlechten Schlaf und geringfügiger Atemnot wegen zu flacher Atmung.

Laguna Limpiopungo: S 00°36’53.9’’ W 78° 28’25.8’’
weitere Campingmöglichkeiten im Park: Tambopaxi Hosteria Richtung Nordzugang
Campingzone 1: S 00°37’38.8’’ W 78°28’30.4’’
Campingzone 2: S 00°38’11.6’’ W 78°28’57.0’’
Entlang der Straße der Vulkane bieten sich reichlich Gelegenheiten zum freien Campen, die Gegend erscheint uns sicher. Anbieten würden sich beispielsweise:
S 00°29’37.1’’ W 78°26’22.7’’
S 00°31’38.2’’ W 78°26’52.7’’
S 00°31’52.0’’ W 78°26’59.6’’
S 00°32’28.2’’ W 78°27’09.3’’

Quito, Ecuador – Pure Physik

Mittwoch, November 30th, 2011

Eine Frage, die sich Physikinteressierte stellen ist, ob sich Wasserstrudel auf der Südhalbkugel tatsächlich andersherum drehen? Jawohl, sie tun es! Aufgrund der Magnetwirkung der Pole dreht sich zum Beispiel aus einem Waschbecken ablaufendes Wasser auf der Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn. Genau am Äquator dreht sich interessanterweise gar nichts, das Wasser läuft völlig unprätentiös auf direktem Wege in den Abfluss. Bewegt man sich weiter in den Süden, wechselt das Wasser seine Laufrichtung entgegengesetzt der Uhr.

Und es gibt noch mehr Physik: Ich kann unseren Gasherd ab etwa 3.000 m nicht mehr mit dem Handpiezozünder anzünden. Das Gas verflüchtigt sich wegen des mangelnden Umgebungsdrucks zu rasch, um mit einem Funken entzündet zu werden. Ergo verwende ich ein Feuerzeug. Ab rund 3.700 funktionieren die meisten Feuerzeuge nicht mehr, da ja auch deren Gas von einem Zündfunken in Brand gesetzt werden muss. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Petra und Klaus, unsere anfänglichen Reisebegleiter in Guatemala, die uns einen Großteil ihres Streichholzbestands überlassen haben und uns damit Kaffee und heiße Mahlzeiten sichern.

Ein weiterer Dank gilt der Familie Carrera, die wir morgen verlassen werden, für ihre Gastfreundschaft und die zahlreichen Einführungen in die ecuadorianische Küche.

Quito, Ecuador – Die Seilbahn zum Hausberg

Montag, November 28th, 2011

Der Hausberg Quitos ist der Rucu Pichincha. Der Weg zum erloschenen 4.698 m hohen Vulkan führt über die Seilbahn. Die Teleférico (Parkplatz bei S 00°11’28.9’’ W 78°31’04.4’’) bringt uns für 8,50 $ (Rückfahrschein) von 3.100 auf 4.000 m mit wunderbarer Aussicht auf Quito. Die wird natürlich von oben noch besser. Zum Gipfel des Rucu oberhalb der Baumgrenze führt ein anfangs breiter, später schmaler und teils recht steiler Pfad. Das letzte Stück auf den Felsen ist mit einer kleinen Kletterei verbunden. „Nur eine 4+, das kriegt ihr hin“, meint locker ein entgegenkommender Bergsteiger, der gerade sein Höhenanpassungstraining absolviert. Wir werden das trotzdem nicht ausprobieren. Da das Wetter heute Morgen nicht so gut aussah, starten wir zu spät. Und während der Wanderung überrascht uns ein Hagelschauer, der die Wege zunächst durch Eis, dann Matsch und schließlich Schlamm rutschig werden lässt. Unter diesen Bedingungen muss man vier Stunden für den Aufstieg (der Twen rannte das mal eben in eineinhalb Stunden) und wegen des steilen Geländes fast genauso viel für den Abstieg rechnen. Wir machen bei 4.600 m kehrt, wo wir bei jedem Schritt keuchen müssen. Außer Sauerstoffmangel scheint uns die Höhe aber nichts anzuhaben.

Quito, Ecuador – Vier Jahreszeiten an einem Tag

Sonntag, November 27th, 2011

Quito gilt schon seit rund 12.000 Jahren als besiedelt, und die Inka machten es ab dem Ende des 15. Jh. zu einem wichtigen Handels- und Machzentrum. Doch zerstörten die Inka die Stadt, bevor die Spanier sie auch nur gesehen hatten. Ende 1532 trafen die Südeuropäer auf ihrem unaufhaltsamen Eroberungszug Südamerikas in der Stadt Cajamarca im heutigen Peru ein und nahmen den regierenden Inkakönig Atahualpa gefangen. Mitte des darauffolgenden Jahres wurde der letzte Herrscher des mächtigen Volkes von den Spaniern heimtückisch hingerichtet, obwohl er die geforderten Lösegeldzahlungen – ein Raum gefüllt mit Gold, zwei mit Silber – herbeigeschafft hatte. So nahm nicht nur das Inkareich ein rasches und unerwartetes Ende. Der Inkageneral Rumiñahui – damals wie heute ein Volksheld – ließ aus Rache für den Tod des Sonnenkönigs und in Voraussicht auf den unabänderlichen Vorstoß der Spanier Quito niederbrennen, doch zuvor sämtliches Gold wegschaffen.

Ein Jahr später erreichte der erste völlig enttäuschte Spanier die zerstörte Stadt. Die Schätze wurden bis heute nicht wiedergefunden und werden in den unzugänglichen Llanganatis-Bergen vermutet. Eine erste provisorische Stadtneugründung erfolgte kurz darauf, und am 6. Dezember 1534 wurde das eigentliche San Francisco de Quito an seiner heutigen Stelle offiziell errichtet. Dieses Jubiläum wird gerade groß gefeiert. Eine Woche lang herrscht in der Altstadt von Quito und an anderen Plätzen Feststimmung. Musiker und Artisten treten auf, Ausstellungen und Feuerwerke finden statt. So ist die Atmosphäre am heutigen Sonntag im kolonialen Quito besonders heiter.

Das historische Zentrum birgt eine Unmenge von katholischen Kirchen, Kapellen, Basiliken und Kathedralen, aber auch Regierungsgebäude und Privatpaläste. Viele Gebäude wurden im Laufe der Zeit von Erdbeben zerstört, das meiste ist aber restauriert und in hervorragendem Zustand. So wie die Calle La Ronda, die älteste Gasse von Quito. Auch die Plaza Grande ist umgeben mit Gebäuden von geschichtlicher Bedeutung. Der Bischofssitz zum Beispiel beheimatet ein kleines Einkaufszentrum mit Andenkenläden und Restaurants im schönen überdachten Innenhof. Hier treffen wir zufällig auf Ray und Jo wieder, mit denen wir die ersten Tage in Kolumbien unterwegs waren. Welch ein Zufall! Von der Plaza Grande aus hat man auch einen guten Blick zum Panecillo-Hügel mit der etwas unförmigen Schutzherrin Virgen de Quito aus Aluminium, der schon immer strategische Bedeutung hatte und der heute beliebter Aussichtspunkt ist.

Quito ist berüchtigt für seine teils mit Rasiermessern bestückten Taschendiebe. Das geht so weit, dass empfohlen wird, Kameras nicht sichtbar mit sich zu führen und Rucksäcke am Bauch statt Rücken zu tragen. Wir bleiben aufmerksam und die einzige zweifelhafte Begegnung beschert uns ein junger Schwarzer, der auf Jörg zustürmt und ihm die Hand reichen möchte. Jörg hält stattdessen lieber seine Kamera fest, da verschwindet der junge Mann auch schon wieder. Nachdem die Spanier die indigene Bevölkerung mit harter Zwangsarbeit und eingeschleppten Seuchen fast ausgerottet hatten, holten sie sich widerstandsfähige Sklaven aus Afrika. Die schwarze Bevölkerung lebt heute in Mittel- und Südamerika bevorzugt an den Küsten, doch in Ecuador haben sich die Ethnien gut durchmischt.

Wir teilen die oft knapp bekleideten dunkelhäutigen Frauen in Gefahrgutklassen ein. Auf einer Skala von eins bis fünf treffen wir heute zwei Fünfen. Eine der jungen Frauen mit geschätzter Kleidergröße 50 trägt eine weiße Hotpants, in die sie ausschließlich mit einem Sprung aus dem dritten Stockwerk hineingeraten sein konnte. Dabei wirken ihr riesiges Hinterteil und die taillendicken Schenkel keineswegs fett und schwabbelig wie das bei uns Weißen der Fall wäre. Sie wirkt einfach nur massig, bullig und schrecklich furchteinflößend. Viel freundlicher dagegen erscheinen die Indígenas, die in Ecuador einen beachtlichen Bevölkerungsanteil bilden und die hier oft noch ihre traditionellen Trachten tragen.

Je nachdem aus welcher Region tragen die Frauen lange dunkle Röcke, eine Art Wickelrock, weiße bestickte Blusen und einen Überwurf, der aus zwei rechteckigen Stück Stoff besteht, einmal über der einen und einmal unter der anderen Schulter geknotet. Noch eigenwilliger wirkt eine Kombination, die schon an Peru erinnert. Ein damenhaft knielanger, schmaler glänzender Taft- oder Samtrock wird stets von Seidenstrümpfen und eleganten Halbschuhen mit Blockabsatz ergänzt. Als Reminiszenz an die Moderne dürfen es auch schon mal Netzstrümpfe und Highheels sein – was haben die nur vor Erfindung der Strumpfhose getragen? Dazu gibt es die unvermeidliche Strickjacke und ein Schultertuch mit oder ohne Fransen. Natürlich geht Frau nie ohne Hut aus dem Haus. Hier handelt es sich um einen astreinen Tirolerhut aus meist dunkelgrünem Filz, selbst die Feder darf nicht fehlen.

Quito steht in dem Ruf, alle vier Jahreszeiten an einem Tag zu bieten. Und tatsächlich, am Morgen ist es meist sonnig und mild, mittags dagegen sommerlich warm mit intensiver Sonneneinstrahlung. Am Nachmittag bricht oft ein Regenschauer oder ein bösartiges herbstliches Gewitter herein. Zum Glück sitzen wir schon im Bus zurück nach Conocoto, als es losbricht. Busfahren ist in Ecuador äußerst günstig, für die gut halbstündige Fahrt zahlen wir 30 US-Cent. Danach wird es so kalt, dass man sich nur noch einkuscheln möchte. Nachts sinkt die Temperatur auf unter 10° C.

Volcán Pululahua, Ecuador – Suppe im Kessel

Samstag, November 26th, 2011

Noch einmal genießen wir dieses wunderbar fette Frühstück, das Angel Paz jeder Besuchergruppe serviert. Gestern Abend sind wir nochmals zum Reserva de la Paz bei Nanegalito hochgefahren, um hier zu übernachten und Angel noch einmal zu treffen. Das einzige, das hier nervt, sind die täglichen Erdbeben, also mehr die nächtlichen, die mich jedes Mal erschreckt aufwachen lassen. Ich denke, es klettert jemand auf Arminius herum. Nur, da ist niemand, die Kabine wackelt ganz von alleine. Werde ich mich jemals an die Erdbeben gewöhnen?

Auf dem Weg in Richtung Quito kommen wir am erloschenen Vulkan Pululahua vorbei, der nur wenige Kilometer westlich von Mitad del Mundo liegt. Sein Krater ist gut 600 m tief und misst etwa fünf Kilometer im Durchmesser. Das Besondere daran ist, dass man über eine serpentinenreiche, etwa 12 km lange Schotterpiste (keine besonderen Anforderungen) bis auf den Kraterboden fahren kann, wo seit Urzeiten Landwirtschaft betrieben wird. Camping wird angeboten, aber wir machen an der Zufahrtstraße bei N 00°02’42.7’’ W 78°28’40.7’’ Halt, da der von hier schon sichtbare Torbogen zu niedrig für uns ist. Um Punkt 12 Uhr bietet sich ein ganz besonders Schauspiel. Dichte Wolken klettern über den Rand der Steilwände und stürzen sich engagiert in die Tiefe. Innerhalb von einer halben Stunde ist der gesamte Talkessel mit suppigem Nebel angefüllt.

Wir sehen zu, dass wir hier rauskommen und fliehen nach Quito. Der Welt höchste Hauptstadt – noch vor dem bolivianischen Sucre – liegt auf 2800 m Höhe und ist in den letzten Jahrzehnten auf vergleichsweise bescheidene 2,5 Mio. Einwohner gewuchert. Leider ist das Wetter in Quito nicht besser. Der Sonnenschein von vor einer Minute wandelt sich in ein heftiges Gewitter mit senkrechten rosafarbenen Blitzen und einem Hagelschauer, der uns bei jedem Einschlag zusammenzucken lässt. Innerhalb von Minuten können Autos in den steilen eisbedeckten Nebenstraßen nicht mehr anfahren. Aber es kommt noch besser. Quito liegt in einem Hochtal. Die umliegenden Hänge sammeln den Niederschlag und leiten ihn zuverlässig nach unten, wo die Wassermassen die Straßen in reißende Flüsse verwandeln. Trotz eines halben Meters Wassertiefe und aus den Gullys sprudelnden Wasserfontänen kämpfen sich Kleinwagen und Mopeds tapfer weiter.

Zum Glück ist auf der Ostseite von Quito der Spuk ganz schnell vorbei und wir finden im Tal von Conocoto weitere Verwandte von Walt und Lidia, die ein großes Grundstück mit Wohnhäusern für die ganze Familie und eine Fabrik besitzen. In der Fabrik werden Spezialtextilien hergestellt, zum Beispiel Gurtbänder für Rucksäcke und andere Gepäckstücke oder Putzschwämme und -lappen.

Nanegalito, Ecuador – Verbrechen ist real

Freitag, November 25th, 2011

Langsam nagt die Sonne an Arminius. Der Lack bleicht an exponierten Stellen marginal aus, und die UV-Strahlung zersetzt so langsam die Dichtungsmasse an unseren Kabinenfenstern. Jörg baute zwei der Fenster aus und dichtete sie neu ab. Währenddessen versuchte ich, ein Quinoabrot zu backen. Hätte ich vorab im Internet recherchiert, hätte ich gewusst, dass man aus reinem Quinoamehl kein vernünftiges Ergebnis zustande bringt. Quinoa ist eine uralte Getreidesorte, die schon vor Jahrtausenden in dieser Gegend zum Brotbacken verwendet wurde. Für eine Zeitlang war das eiweißreiche Korn in Vergessenheit geraten, bis es vor einigen Jahren von der Reformkost wiederentdeckt wurde. Mein Brot ging nicht richtig auf und ist brüchig. Wenigstens blieb es dabei weich. Geschmack und Farbe erinnern flüchtig an Gras (Jörg meint Schweineschrot), wenn auch nicht unangenehm.

Bevor wir heute Morgen abfahren, erreicht uns eine E-Mail, die uns wieder einmal vor Augen führt, dass Verbrechen real ist. Unsere Bekannte Margie im mexikanischen San Miguel de Allende, amerikanische Ex-Lehrerin und entzückende ältere Dame, wurde in ihrem eigenen Haus überfallen. Ihre beiden großen respekteinflößenden, aber nicht zu Wachtieren ausgebildeten Hunde wurden erschossen, sie selbst mit vorgehaltener Waffe ausgeraubt. Das ist keine Einzelfall: Das Haus und das Auto unserer Freundin Tessa aus der gleichen Stadt waren während ihrer Jahre in Guatemala immer wieder beraubt worden, vor wenigen Monaten ist ihr das gleiche an ihrem mexikanischen Wohnsitz passiert. Ihre Freundin Patricia, die wir im guatemaltekischen Panajachel besuchten, war in der dortigen Hauptstadt an einer Ampel unter vorgehaltener Waffe gezwungen worden, aus ihrem neuen Pick-up auszusteigen.

Viele andere unserer Freunde, ob in Mexiko, Guatemala, Panama oder anderen Ländern, hatten mehr Glück. Doch auch sie schützen sich mit vergitterten Fenster, abgedunkelten Autoscheiben, Alarmanlagen oder gar Leibwächtern. Julius’ ecuadorianischer Frau wurde das Handy dreimal per Rasierklinge aus der Handtasche herausgeschnitten, seitdem möchte sie keines mehr. Selbst Julius machte schon seine Erfahrungen: Die Polizei versuchte, Schutzgeld von ihm zu erpressen. Er bot ihnen an, gerne von Zeit zu Zeit auf einen Kaffee oder ein Bier vorbeizuschauen, aber Geld gebe er keines. Er bekam mehrfachen Besuch, aber schließlich ließen sich selbst die korrupten Beamten überzeugen, dass es Julius ernst ist, und dass der ehemalige Leibwächter mit seinem umfangreichen Waffenarsenal durchaus in der Lage und vor allem willens ist, sich und seine Familie zu verteidigen. Er hatte bislang keine Probleme.

Es scheint, dass vor allem alleinlebende, scheinbar wehrlose Frauen bevorzugtes Opfer von Gewaltkriminalität werden. Und dass oft schon die Bereitschaft und Fähigkeit zur Verteidigung abschreckende Wirkung zeigen. Auf jeden Fall aber macht Margies schreckliches Erlebnis klar, dass die Welt, vor allem nicht in Lateinamerika, so heil ist wie sie sich – glücklicherweise – dem gemeinen Reisenden meistens präsentiert.

Mompiche, Ecuador – Der Fluch der erfolgreichen Aquakultur

Dienstag, November 22nd, 2011

Angel ist ein Goldstück. Er lädt uns noch einmal zum Bauernfrühstück ein, als er mit seiner 14-köpfigen amerikanischen Besuchergruppe zur Kaffeepause hereinkommt. Dann müssen wir aber wirklich los, der Weg hinunter an die Pazifikküste ist weit. Ecuador ist etwa so groß wie die alte Bundesrepublik, hat aber nur 14,5 Mio. Einwohner, wovon sogar 3 Mio. im Ausland leben. Aufgrund seiner topografischen Gestalt gilt es als eines der variantenreichsten Länder der Erde. Das Höhenprofil bedingt, dass fast sämtliche Klimazonen vertreten sind: Die Tierra Caliente ist das tropische „heiße Land“ der Pazifikküste und des Amazonasbeckens bis etwa 1000 m Höhe. Die Tierra Templada stellt das „lauwarme Land“ mit subtropischem Klima bis 2000 m dar, während die „kalte“ Tierra Fria bis 3000 m gemäßigtes Klima aufweist. Bis ungefähr 4800 m bildet die Tierra Helada das kalte „eisige“ Hochland, und ab da herrscht in der Tierra Nevada der ewige Winter des „Schneelandes“. Im „vertikalen“ Land Ecuador kommt es also fast ausschließlich auf die Höhenlage an, in welcher Klimazone man sich befindet. Heute ist uns nach Tropen.

In Mompiche in der Provinz Esmeraldas bekommen wir heute unseren Privatstrand. Das kam so: Walt und Lidia, ein Paar aus Kalifornien, hatte unsere Website gefunden und uns zu sich eingeladen. Da waren wir leider schon in Mexiko, doch stattdessen boten sie an, ihren Sohn und Schwiegertochter in Ecuador zu besuchen, Geburtsort von Lidia und für sechs Jahre die Heimat der beiden. Sohn Ron ist leider gerade verreist, aber wir suchen dessen Frau Monica im Dorf Mompiche. Nachdem uns eine ganze Reihe der befragten überwiegend schwarzen Einwohner scheel, ja fast bösartig angesehen hat, verrät uns ihre skeptische Mutter, wo wir sie finden. Es herrscht eine seltsame feindselige Stimmung in diesem Ort, aber Monica ist ein Schatz, und nachdem wir sie mehrfach durchs Städtele gefahren haben, ist plötzlich alles anders: Die Leute winken, manche lächeln sogar, wenn auch lange noch nicht alle.

Mompiche soll den schönsten Strand des ecuadorianischen Festlands besitzen, trägt aber sonst den Ruf, nicht der sicherste Ort zu sein. Nachts spazieren zu gehen sei weniger empfehlenswert. Monica besitzt ein einsames Grundstück irgendwo mitten am sieben Kilometer langen grauen Pazifikstrand. Es sei sicher, meint sie, und wenn etwas vorkomme, würde man den Schuldigen schon finden. Wir glauben ihr, was sollen wir auch tun, und genießen die Einsamkeit des Strandes. Der ist bei Flut fast verschwunden und dann unpassierbar, aber bei Ebbe breit und fest, dass nicht nur Autos, sondern auch Mopeds und sogar Fahrräder hier entlang fahren. Das Wasser hat erträgliche, für Südamerikaner aber lauschige 25° und ist einer der wärmsten Spots an der Westküste.

Etliche der Einwohner von Mompiche leben mittlerweile vom Tourismus, wenn auch längst nicht alle. Surfer und Backpacker sind häufig gesehene Gäste. Ein Gutteil der Küstenbewohner ist arbeitslos, was die Kriminalität mal wieder erklärt. Einer der Gründe, wenn auch nicht der einzige, ist die Formel „Viele Shrimps = wenige Fische“. Schon auf der Herfahrt sind uns Unmengen von Aquakulturen in den Buchten aufgefallen. Leider ist die Aufzucht der Schalentiere extrem wenig personalintensiv, sodass der Großteil der Bewohner keine Arbeit erhält. Dazu kommt, dass die zahlreichen wertvollen Mangrovenwälder den Shrimpszuchten weichen mussten. Unglücklicherweise sind diese die Kinderstube von vielen Fischen. Und so gibt es kaum noch Fische, die gefangen werden können. Eine Trendwende hat mittlerweile eingesetzt, der Wert der Mangrovenwälder wurde erkannt und ihre Restbestände geschützt, ja es gibt sogar Wiederaufforstung.

Reserva de la Paz, Ecuador – Der Vogelflüsterer

Montag, November 21st, 2011

„Manuela, Pancho, Maria” ruft Angel, und dann mit hoher Stimme erneut „Manuelita, Panchito, Maria”. Was dann passiert, ist eigentlich unglaublich. Zwei der schon als ausgestorben geglaubten Riesenameisenpittas – Maria und Pancho – kommen aus dem Gebüsch gelaufen und lassen sich von Angel mit einer Art Holzwurm füttern. Diese knapp 30 cm großen, braunen, am Boden lebenden Vögel sind extrem selten und so scheu, dass sie sich stets unsichtbar im dichten Unterholz des tropischen Nebelwalds verstecken. Maria ist die Großmutter, Manuela, die sich heute nicht zeigt, die Tochter und Pancho der erst acht Monate alte Enkelsohn, der seinen Baby-Bettelruf noch nicht abgelegt hat.

Angel Paz ist der Mann, der dieses kleine Wunder vollbracht hat. Er ist Mitinhaber des privaten Naturschutzgebiets Reserva de la Paz und unser Führer. Angel hat noch weitere Vögel angefüttert, darunter eine ganze Reihe von verschiedenen, etwas kleineren, ebenfalls Insekten fressenden Ameisenpittas und vegetarischen Schwarzrückenwachteln; alles Vögel, die zwar fliegen können, aber meist verborgen im Dickicht am Boden nach Nahrung suchen. Für Bird Watcher, Vogelbeobachter wie die beiden Amerikanerinnen, die uns begleiten, und Naturliebhaber ist das eine kleine Sensation.

Das Anfüttern scheint den Pittas ungefähr so wenig zu schaden wie Meisenknödel im Winter nach draußen zu hängen. Während ihrer Fortpflanzungsperiode ziehen sich die Vögel für zwei Monate in höhere Lagen zurück und sind nach ihrer Rückkehr bis zum Ende der etwa vier Monate andauernden Regenperiode nur schwer anzulocken, da sie dann selbst leicht genug Futter finden. Außerdem muss man solche Initiativen schlicht begrüßen, denn sie bewahren die letzten Stücke Primärwalds vor dem Abholzen.

Andere Vögel lassen sich schon von Angels reichem Repertoire an Lockrufen (bzw. von dem mit dem iPod aufgenommenen und per Aktivlautsprecher abgespielten) anziehen oder von einem der Unterstände an der passenden Stelle beobachten. So wie die ebenfalls seltenen bis zu 40 cm großen Andenfelshähne mit ihrem auffälligen Federkleid: quietschrote Puschelkopfhaube, die sich bis über den halben Oberkörper zieht, schwarzer Bauch und graue Flügel. Die Weibchen sind eher unscheinbar braun. Auch unzählige Arten von Kolibris und anderen Vögeln erfreuen den Fotofreund. Trotz eines lichtstarken Teleobjektivs ist diese Art Tierfotografie in dem dunklen Wald schwierig. Ganz billig ist das Vergnügen zudem nicht: 20 $ nimmt Angel mittlerweile, besucht man anschließend noch das Grundstück seines Bruders, um zwei weitere seltene Ameisenpittaarten zu sehen, kommen weitere 5 $ hinzu.

Dafür bekommen wir ein siebenstündiges Programm (von 5:30 bis 12:30 Uhr) mit einer Kaffeepause und deftigem Frühstück zwischendurch, das aus einem großen frittierten Kochbananenknödel mit Hühnchenfüllung (ecuadorianische Spezialität) und einer ebenfalls ausgebackenen Empanada, die hier ausnahmsweise aus einem großen, zusammengeklappten Mehlfladen (statt Mais) mit Käsefüllung besteht. Der Kaffee ist stark, aber erstaunlicherweise nicht bitter und einfach köstlich. Außerdem machen wir Bekanntschaft mit Angel Paz und seiner Familie, einem supernetten, Natur liebenden, waschechten Indígena, der beim Suchen und Anlocken der Vögel echte Arbeit leistet, unterstützt von einem Bruder. Bei den vielen Männern, die sich im Laufe des gestrigen Abends und heute als sein Bruder vorstellen, verliere ich ein wenig den Überblick. Als mir Angel erzählt, dass sie insgesamt neun Brüder sind, mache ich mir weiter keine Gedanken. Am Ausgangspunkt der Wanderung gibt es eine Küche, Toiletten und Esstische. Wir dürfen hier kostenlos campen, solange wir wollen, sogar Küchenbenutzung wird uns angeboten.

Eine Anmeldung für den Besuch des Reserva de la Paz ist unabdingbar, da der Reservatsstützpunkt nicht ständig besetzt ist. Das geht entweder über einen Touranbieter oder direkt per Telefon, wenn man Spanisch spricht: +593 (0)87 253674. Auf der Straße # 28 nach Los Bancos biegt man von Quito kommend 10 km hinter Nanegalito kurz nach km 65 (bei N 00°01’59.0’’ W 78°43’14.7’’) nach links in einen Fahrweg ein. Nach 4,5 km erreicht man den kleinen Parkplatz (N 00°01’12.3’’ W 78°42’26.0’’). Wer den steilen Pfad nicht selbst fahren will, kann in Nanegalito bei Angels Finca übernachten. Ein wenig mehr Bodenfreiheit sollte jedoch bei Trockenheit genügen. Wer der Brücke nicht traut, kann direkt durch den seichten Fluss fahren. Im nächsten Jahr sollen auf dem Berg sogar Cabaña-Unterkünfte gebaut werden. Der Übernachtungsplatz verdient fünf Sterne, da er so einsam und ruhig ist, dass man weder Verkehr noch bellende Hund hört.