Archive for the ‘Nicaragua’ Category

Nuevo Arenal, Costa Rica – Pures Leben

Freitag, September 9th, 2011

Die Ausreise aus Nicaragua am Grenzübergang Peña Blanca ist etwas aufwändiger als aus den bisher bereisten Ländern, aber in einer halben Stunde geschafft. Zunächst müssen wir am ersten Kassenhäuschen 1 US$ pro Person Sonderabgabe bezahlen (was auch immer das ist, es gibt eine Quittung), ein Stück weiter bei der Migracion weitere 2 US$ pP für den Ausreisestempel. Hinter dem Gebäude, wo wir parken, läuft der Mann von der Aduana herum und prüft, ob das ausgeführte Fahrzeug dem Importpapier entspricht. Das muss anschließend von der Polizei bestätigt werden. Die Beamten laufen so durch die Gegend, man muss warten, bis einer vorbeikommt.

Einer dieser Grenzhelfer hat was mit den Ohren. Er versteht ein freundliches „nein, danke“ nicht. Er versteht zehn freundliche „nein, danke“ nicht. Ich muss den Ton verschärfen, woraufhin er zwar beleidigt ist, aber abzieht. Als Geldwechsler wählten wir uns einen sehr lieben, älteren Herrn, der nicht nur einen hervorragenden Umtauschkurs nicaraguanischer Colón zu costaricanischer Colón bietet, sondern anschließend stets in unserer Nähe bleibt und uns den nächsten Schritt zuflüstert – ganz kostenlos – was die Sache natürlich vereinfacht. Beim Verlassen des Nica-Territoriums werden die Pässe noch einmal überprüft und das Fzg-Importpapier einbehalten.

Das so zivilisierte Costa Rica hat bisher den am schlechtesten organisierten Grenzübergang mit völlig fehlender Beschilderung und nicht unmittelbar ausgesuchter Freundlichkeit. Wir nehmen trotzdem keinen Grenzhelfer (dieser hat keinen Gehörschaden) und schaffen das Procedere mit viel Gerenne in eineinhalb Stunden. Wir fahren durch eine Desinfektionsschleuse (5 US$) und verpassen dadurch das Versicherungsbüro, das wir mangels Beschriftung sowieso nicht erkannt hätten. Der Zöllner in seinem kleinen Häuschen, der ständig verschwindet, weil er das Gepäck der Busreisenden alleine kontrollieren muss, schickt uns zu Fuß zurück. Das stiftet etwas Verwirrung, da er mal wieder rechts und links verwechselt (eine mittelamerikanische Krankheit). Neben dem Büro der netten Versicherungsfrau (14 US$ für drei Monate) kann man die vom Zöllner geforderten Kopien erstellen. Kaum zurück, schickt uns der Mann zur Migracion wegen des Einreisestempels und anschließend zurück zum Kopierer, da er auch von dem Stempel (angeblich nur Fahrzeuginhaber) eine Ablichtung braucht. Diesmal packen wir unseren eigenen Kopierer aus, das geht schneller.

Dann füllt man ein Formular aus, wobei in Costa Rica sämtliche Fahrer eingetragen werden müssen. Es ist das erste Mal, dass ein Zöllner unsere Kabine betritt, doch nicht für lange. Ob wir einen Laptop haben? Klar. Keinen Kühlschrank? Doch, ich öffne kurz die Tür, der Inhalt interessiert nicht. Was hinter der Tür sei? Das Bad. Ach so. Sehen will er es nicht, da ist er auch schon wieder draußen. Wo sind die berüchtigten Drogeninspektionen? Das Gebäude der Aduana befindet sich etwas abseits rechter Hand. Hier stellt sich heraus, dass auch der zweite Fahrer eine Pass- und Stempelkopie beibringen muss, die Kopierstation liegt zum Glück gegenüber. Das temporäre Fahrzeugpapier wird ausgehändigt und ein handgeschmiertes Notizzettelchen. Das darf man keinesfalls wegwerfen, es wird bei der Ausfahrt eingesammelt, wo Pässe und Importbescheinigung noch einmal kontrolliert werden. Nun werden wir doch noch nett mit dem Landesmotto „Costa Rica – pura vida“, pures Leben, auf den Weg geschickt. Der komplette Vorgang war kostenlos.

Der Straßenzustand auch der Panamericana hat sich seit unserem letzten Besuch vor rund 15 Jahren erheblich gebessert. Die Attraktionen liegen jedoch abseits, sodass wir uns rasch auf ebenfalls akzeptable Nebenstraßen begeben. In Nuevo Arenal am Arenalstausee gibt es ein Freizeitgelände, das von der Stadt verwaltet wird, wo man picknicken, baden, fischen und kostenlos campen kann. Achtung: Von 18 bis 6 Uhr ist das Zufahrtstor geschlossen, dann ist das Gelände bewacht. Die Krokodilwarnschilder sind eher als Witz aufzufassen. Die Reptilien, die hier einmal ausgesetzt worden sind, sollen in dem klaren kühlen Bergwasser nicht überlebt haben. Der Blick auf See und Berge ist traumhaft, auch wenn der Arenal-Vulkan von hier aus nicht zu sehen ist (N 10°32’13.7’’ W 84°53’36.6’’).

San Juan del Sur, Nicaragua – Der Strafzettel

Donnerstag, September 8th, 2011

Ich bin ja Tierfreund. Sämtliche Hunde und Katzen in meiner Umgebung schließen spontan Freundschaft mit mir oder versuchen es zumindest. Allerdings muss ich einschränken, dass sich meine Liebe auf Tiere mit maximal vier Beinen erstreckt. Mehr sind einfach nicht gut, wenn auch praktisch. Doch trotz nur zwei Vogelbeinen werde ich zwar als Bewunderer wohl nie wahrhafter Freund dieser Tierart werden. Ihre unbestreitbar wichtigste Aufgabe ist das Dezimieren von Insekten (sofern sie keine Vegetarier sind); das ist auch gut so. Ansonsten finde ich einige Sorten auch in der Pfanne prima. Selbst wenn ich einigen Ornithologiefreunden auf die Zehen trete, fürchte ich, dass sich die meisten einem schöngefärbten Idealbild hingeben und sich niedliche Blaumeisen vorstellen oder, wenn’s etwas exotischer sein darf, trällernde Kanarienvögel. Das entspricht der Realität nur ansatzweise. Lediglich eine Minderheit der Federtiere ist ausgesprochen bunt oder hübsch. Noch schlechter ist es um ihre stimmlichen Qualitäten bestellt. Singvögel sind eine seltene Spezies. Die meisten Piepmätze sind froh, wenn sie eine einzige Tonfolge aus vielleicht nur zwei Tönen beherrschen, die sie dann mit fröhlicher Grausamkeit ohne Unterlass praktizieren, um sie ja nicht wieder zu vergessen. (Später finden wir einen Vogel der gleichen Art, der sogar drei Töne kann.) Insbesondere vor Tagesanbruch, wenn sie beschlossen haben, die Nacht sei vorbei, was sich nicht zwingend mit meiner Ansicht decken muss.

Irgendwann geben wir nach, stehen auf und fahren auf der Panamericana nach Süden, wo es doch noch zu einer Begegnung mit der Polizei kommt. Allerdings werden wir nicht herausfinden, ob sie ein Bestechungsgeld gewollt hätten, denn die Situation entwickelt sich anders als angenommen. Sie halten uns an, weil Jörg eine durchgezogene Linie überfahren hat. Das stimmt. Auf einem zwei Kilometer langen Stück gerader Straße wurde eine sinnlose durchgezogene Linie eingemalt. Alle überholen wir, um endlich ein paar langsame Lkw loszuwerden, so auch wir. Natürlich wird mit Vorliebe der Ausländer rausgezogen, wogegen man nichts machen kann. Wir trauen den Beamten trotzdem nicht und händigen nur Kopien der Fahrzeugpapiere aus. Der Fahrzeugschein wird als solche nicht erkannt, wohl aber der Führerschein. Der Polizist verlangt das Original zu sehen, doch Jörg behauptet, das sei das Original. Als der Beamte versucht, den Führerschein zu zerreißen, kommen ein paar Spannungen in die Situation. Wir schreiben uns die Dienstnummern der Beamten auf, bringen die Deutsche Botschaft ins Gespräch, dann wird es plötzlich dienstlich-sachlich. Jörg bekommt einen ordentlichen Strafzettel ausgestellt, den wir in einer Bank in der nächsten Stadt bezahlen (8,70 € umgerechnet). Mit der Einzahlungsquittung erhalten wir auch den leicht beschädigten Führerschein zurück, womit das Problem erledigt ist.

Kurz vor der Grenze zu Costa Rica stellt sich die Übernachtungsfrage. Das La Flor Naturschutzgebiet ist mit 45 US$ teuer (10 $ pP Eintritt, 25 $ Campen), am Strand etwas zu finden oft schwierig. In der Nähe von San Juan del Sur finden wir Richtung Norden am Pazifikstrand Playa Madera gleich zwei Möglichkeiten. Der Strand hat zwei Zugänge. Hält man sich am Kreuzungspunkt N 11°17’51.2’’ W 85°53’19.6’’ links, gelangt man nach wenigen hundert Metern an einen kleinen Parkplatz (max. Zufahrtshöhe 3,5 m), auf dem man kostenlos übernachten kann; es soll sicher sein. Auf Nachfrage könnte man auch auf dem bewachten Parkplatz des Restaurants nebenan stehen, dessen Surferbar jedoch bis Mitternacht geöffnet hat. Außerdem ist der Strandabschnitt grobsteinig.

Fährt man am Kreuzungspunkt stattdessen rechts, erreicht man bei N 11°17’51.5’’ W 85°54’53.1’’ das Camping Matilda. Es ist zwar kein Campingplatz in dem Sinne, aber es gibt ein leeres Grundstück direkt am Meer, wo man parken kann. Im Hostel gegenüber befinden sich die sanitären Einrichtungen. Mit etwas Bodenfreiheit ist die Piste gut zu meistern, allerdings ist die Einfahrt zum Camping mit engem 90°-Winkel kaum für größere Fahrzeuge als einen Unimog geeignet. Mit Dusche und Toilette sollten wir 200 NIO bezahlen, nur Parken bekommen wir für 100 NIO. Der Strand ist sandig, einsam und zum Baden gut geeignet, obwohl noch ein paar Wellen hereinrollen. Einfach toll hier! Gefährliche Unterströmungen gibt es nicht.

Granada, Nicaragua – Koloniale Romantik, Bettler und Klebstoffschnüffler

Mittwoch, September 7th, 2011

Das Gewitter heute Nacht war gewaltig. Seen ziehen so was ja an. Ein Dauerblitzen erhellt die Nacht für eine Stunde. Ich zähle mit: Die längste Pause zwischen zwei Blitzen liegt unter zwei Sekunden. Derjenige, der fast zeitgleich mit einem ohrenbetäubenden Donnerkrachen in unmittelbarer Nähe einschlägt, lässt die Erde und Arminius erbeben. Schön zu wissen, dass auch eine Camperkabine (mit hochgezogener Leiter) ein Faradayscher Käfig ist.

Am Morgen herrscht wieder eitel Sonneschein und wir können Granada besichtigen. Das unbestrittene Zentrum des nicaraguanischen Tourismus hat ein historisches Zentrum mit aufwändig restaurierten Kolonialgebäuden, darunter die sonnengelbe Kathedrale mit den roten Kuppeln, das Wahrzeichen nicht nur der Stadt, sondern des ganzen Landes, ein paar weitere Kirchen und Paläste. Auf den Glockenturm der Kirche La Merced darf man für 1 US$ / 20 NIO die enge Wendeltreppe hochsteigen und hat von dort einen wunderbaren 360°-Blick auf die Stadt und den See. Unweit der Kirche liegt das zu La Merced gehörende, religiös jedoch unabhängige Tio Antonio Centro Social. Die soziale Institution hat eine Manufaktur für Hängematten mit behinderten und sozial ausgegrenzten Jugendlichen eingerichtet. Die Türen stehen jederzeit offen, sodass man die Produktion hochwertiger Hängematten aus organisch gefärbter Baumwolle live erleben kann. Selbst wenn man keinen Stauraum für eine Hängematte hat, lohnt sich der Besuch. Wenn man etwas kauft, kommt das natürlich den Kindern der Stiftung zugute.

Eine weitere Spezialität Granadas sind Pferdekutschen, mit denen man Stadtrundfahrten (nicht billig ab 20 $) unternehmen kann. Doch Vorsicht: Man sollte sich nicht von der romantischen Beschaulichkeit und Ruhe im historischen Distrikt täuschen lassen. Verlässt man den Touristenbereich, zeigt sich eine lebendige, quirlige Stadt mit 120.000 Einwohnern. Vermeintlich wohlhabende Touristen ziehen natürlich auch Bettler an, vor allem Kinder können enervierend sein. Dabei wird man in allen Reiseführern und sogar auf den Speisekarten von Restaurants darum gebeten, Kindern nichts zu geben, sein Geld besser lokalen Hilfsorganisationen zu spenden, die es dann sinnvoll verwenden. Viele Kinder werden von ihren Eltern zum Betteln angehalten, mitunter sogar gezwungen, da sie mehr Geld ergattern als Erwachsene. Das produziert auf längere Sicht nur eine weitere Generation Bettler. Warum sollten sie etwas lernen, wenn das Leben so einfach ist? Andere Kinder haben schlicht keine Lust auf Schule, schwänzen den Unterricht und streunen herum. Mit dem erbettelten Geld kaufen sie sich dann etwas Hübsches, z.B. eine Dose Klebstoff. So wie der Jungendliche, den wir treffen, der sich etwas Kleber in ein kleines Marmeladenglas abgefüllt hat, das er sich beim Laufen, den Deckel leicht geliftet, ans Gesicht presst, um keinen Atemzug zu verpassen. Sein Leben ist eigentlich schon vorbei, bevor es richtig angefangen hat.

Trotz der dunklen Seiten ist Granada eine wunderschöne Stadt. Leider liegt der Nicaraguasee auf nur 20 m üNN und somit ist es das ganze Jahr heiß. Wer nach einer kühlen Nacht strebt, ist am Mirador de Catarina gut bedient, ca. 20 km südwestlich von Granada an der Laguna de Apoyo gelegen. Mit 540 m Höhe ist das einer der kühlsten Orte in der Umgebung. Der Aussichtspunkt beim gleichnamigen Dorf gilt als der beste Nicaraguas. Von hier überblickt man Granada, den Nicaraguasee, den Vulkan Mombacho und natürlich die Laguna de Apoyo. Dies ist der größte und einer der ältesten Kraterseen des Landes. Seine kreisrunde Form ist perfekt, er misst sechs Kilometer im Durchmesser und ist 200 m tief mit klarem blauem Wasser.

Ruhig steht man allerdings hier nicht. Wie üblich macht man aus so etwas eine Touristenattraktion (für Einheimische) mit zahlreichen lauten Restaurants (um 22:30 Uhr ist Zapfenstreich) und Souvenirshops. Man lässt uns auf dem Parkplatz kostenlos campen, doch das Eintrittsgeld müssen wir verhandeln. Die 100 Córdoba für einen Reisebus scheinen mir dann doch übertrieben. So groß sind wir schließlich nicht, und zudem nur zu zweit. Die Dame reduziert auf 50. Allerdings braucht der Sicherheitsmann noch ein Trinkgeld, damit er ein Auge auf uns hält. Von meinen 1 $ entsprechenden 20 Córdoba zeigt er sich wenig begeistert, akzeptiert aber. Mirador de Catarina: N 11°54’47.7’’ W 86°04’11.9’’.

Granada, Nicaragua – Gigantisch, einmalig: der Nicaraguasee

Dienstag, September 6th, 2011

Die Emissionen des Vulkans ließen heute morgen tatsächlich etwas nach, sodass wir ohne größere Gesundheitsgefährdung zu einigen Aussichtspunkten und zum San Fernando Krater hoch laufen können, der mit seinem grünen Wald im Inneren so ganz anders aussieht. Der Santiago im Vergleich dazu hat kahle farbige Wände und ein Riesenloch, aus dem es mächtig dampft. (Zusatztipp für Reisende: Der Supermarkt Econo Market auf der Straße von Masaya nach Managua ca. 7 km nach dem Nationalpark in Richtung Managua hat nicht nur einen großen Parkplatz und vernünftige Auswahl, sondern auch ein offenes, gutes WiFi-Netz.)

Die Stadt Granada nur 30 km östlich liegt am Lago de Nicaragua, einem See der Superlative. Er ist der größte See Mittelamerikas mit 8100 km2 und damit 16-mal größer als der Bodensee. Er beherbergt die Insel Ometepe, die mit ihren zwei Vulkanen die Form einer Acht hat und die weltweit größte Insel in einem Süßwassersee darstellt. Damit nicht genug: Der Nicaraguasee ist das einzige Gewässer der Erde, in dem Süßwasserhaie leben. Man nimmt an, dass die Haie aus der Karibik über den San Juan Fluss in den See eingewandert sind und sich nach und nach an den mangelnden Salzgehalt gewöhnt haben.

Während der Nicaraguasee von zahlreichen Zuflüssen gespeist wird, fließt er über den mächtigen Rio San Juan ins Karibische Meer ab. Zwischen Nicaraguasee und Pazifik dagegen liegen nur wenige Dutzend Kilometer. Das machte Nicaragua in der Vergangenheit zu einer strategisch wichtigen Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik. Schon lange zeigte Nicaragua Interesse am Bau eines Kanals zur Verbindung der beiden Meere, die immer wieder scheiterten. Als 1848 der Goldrausch in Kalifornien begann, war diese Engstelle dennoch die schnellste Verbindung ins gelobte Land: Ab Atlantikhafen Greyton 190 km mit dem Dampfschiff über den Fluss und See, dann weiter mit der Kutsche; in San Juan del Sur ging es mit dem Schiff nordwärts an der Pazifikküste entlang. Der wohl berühmteste Passagier war Mark Twain, der anschließend die Schönheit der Route beschrieb.

1850 sicherten sich die USA vertraglich die Rechte am Kanalbau, ohne ihn jemals ernsthaft hier errichten zu wollen. Hauptgrund war, wie für alle anderen Investoren, dass Nicaragua in einer äußerst aktiven Erdbebenzone liegt und die Haltbarkeit eines Kanals keine günstige Prognose erhielt. Nur wenig später wurde der als sicherer geltenden Engestelle in Panama der Vorzug gegeben. Doch Nicaragua verfolgt seine Kanalbaupläne bis heute weiter. 1999 erließ es ein Gesetz zur Landenteignung. Prompt kam es zu Grenzkonflikten mit Costa Rica, dessen Grenzverlauf das südliche Ufer des Rio San Juan ist, nicht die Flussmitte. Erst zehn Jahre später konnte der Internationale Gerichtshof in Den Haag den Streit beilegen. Er bestätigte die nicaraguanische Territoriumshoheit, sicherte aber Costa Rica ein unbefristetes kommerzielles Nutzungsrecht des Wasserweges zu.

Wie in den meisten Städten ist Campen in Granada schwierig. Das travellerbekannte Turicentro am See gewährt für 50 Córdoba pro Fahrzeug Eintritt und erlaubt Campen. Leider gibt es dazu eigentlich keine Möglichkeit. Die Einbahnstraße ist zu schmal zum Parken. Das Ganze ist eine einzige Restaurantmeile, man könnte höchstens vor einer der Fressbuden parken. Der angegebene Parkplatz am Ende der Turicentro-Straße liegt hinter einer Freiluft-Livediskothek. Abgesehen vom zu erwartenden Lärm würde man vermutlich auch in Europa nicht an einem Discoparkplatz campen. Der Betreiber selbst bezeichnet den Platz als absolut nicht sicher. Wir fahren ein Stück weiter an der Bootsanlegestelle vorbei, bis am Straßenrand ein breiter Seitenstreifen mit Seeblick auftaucht. Hier ist es genauso wenig bewacht wie im Turicentro, und kostenlos wäre es auch gewesen. Die größte Gefahr scheint von den wilden Mangobäumen auszugehen, denn die reifen Früchte fallen einfach ab, hoffentlich nicht auf unser Dach. Wir lesen ein paar vom Boden auf. Sie sind zwar klein, doch süßere und aromatischere Mangos haben wir nie gegessen.

Turicentro Granada, unbewacht, N 11°55’31.9’’ W 85°56’30.1’’, 50 NIO, oder kurz danach am See, kostenlos, an der Straße, N 11°54’50.4’’ W 85°56’00.3’’.

Volcán Masaya, Nicaragua – Wie fotografiere ich Qualm oder: Vulkane stinken

Montag, September 5th, 2011

In den Morgenstunden gesellt sich zu den brüllenden Affen und den vielen anderen unbekannten Geräuschen ein Vogel vom Typ „elektronischer Wecker“. „Tililit, tililit, tililit.“ Drei Mal, genau wie beim Wecker; nach einer genau bemessenen Pause: „Tililit, tililit, tililit.“ Kann nicht mal einer auf den Aus-Knopf drücken? Da mir keiner den Gefallen tut, muss auch ich einsehen, dass die Nacht vorüber ist. Geräuscherfinder müssen im Urwald studiert haben, diese Ähnlichkeiten können kein Zufall sein. Wir wollten sowieso aufstehen, um die Papageien nochmals bei Sonnenschein zu besuchen. Diesmal dürfen wir ohne Guide und ohne nochmals Eintritt zu bezahlen rein. Und siehe da, wenn man nicht wie ein Irrer durch den Wald hetzt, verscheucht man auch nicht alle Tiere und bekommt etwas zu sehen. Die Annäherung an den Chocoya-Brutplatz kann man an der Geräuschkulisse erkennen, Papageien sind ja nicht gerade für ihren lieblichen Gesang bekannt. Wie so ziemlich alle Papageien sind auch die grünen Elfenbeinsittiche monogam. Doch nicht nur das: Sie verbringen das ganze Leben zusammen, fliegen zusammen los, kehren gemeinsam zurück. Nicht ohne das jeweils lautstark anzukündigen.

Keine 30 km entfernt liegt der Nationalpark Volcán Masaya mit zwei Vulkanen und insgesamt fünf Kratern. Einer davon, der Santiago, ist der einzige permanent aktive Krater Nicaraguas. Aus seinem 450 m im Durchmesser großen Schlund entweichen permanent giftige Schwefel- und Salzsäuregase, hin und wieder spuckt er auch größere Brocken aus, weshalb das Auto am Parkplatz direkt am Kraterrand in Fluchtrichtung geparkt werden muss. Manchmal kann man Lava oder glühende Steine im Inneren sehen, vor allem während der geführten Nachtwanderungen, doch momentan ist die Oberfläche – vielleicht wegen der Regenzeit – stärker ausgekühlt und dunkel. Alleine die Rauch- und Gasproduktion ist schon enorm. Man soll sich aus gesundheitlichen Gründen maximal 20 Minuten oben aufhalten, lautet die Parkvorschrift, aber heute bleibt keiner freiwillig länger hier. Der Wind steht ungünstig und bläst uns den Qualm ins Gesicht. Die Augen beginnen zu tränen. Er dringt in die Lungen und löst Hustenreiz aus. Man kann den Rauch schmecken, ein seltsames Gemisch aus Schwefel, Batteriesäure und dem parfümierten Beigeschmack essigsaurer Tonerde, dann rinnt er die Kehle hinunter in den Magen. Der Kopf beginnt zu schmerzen. Alle Hirnzellen schreien im Chor „weg hier“.

Da die Sicht entsprechend vernebelt ist, halten wir es kurz, laufen nur an der Mauer am Rand des Santiago-Kraters entlang und die Stufen zum Aussichtspunkt am großen Kreuz über die lavasteingesprenkelte Umgebung und zum Masaya See. Die Wanderung zu ein paar weiteren Aussichtspunkten – die einzige, die man alleine unternehmen darf – verschieben wir auf morgen in der Hoffnung auf günstigeren Wind. In den Wänden des gasenden Kraters hausen und brüten Elfenbeinsittiche in äußerst giftiger Umgebung. Im Laufe der Zeit gewöhnten sich die Papageien an die Gase, die gleichzeitig einen äußerst effektiven Schutz gegen natürliche Feinde bieten.

Der Krater blickt auf eine lange Tradition künstlich herbeigeführter Tode zurück. Die hier lebenden Chorotega-Indianer sollen Jungfrauen in die Lava geworfen haben, um sie der Göttin des Feuers zu opfern und diese zu besänftigen. Die Spanier nutzten das Magmaloch, um Ungläubige und Verbrecher loszuwerden. Besonders perfide trieben es die Somoza-Diktatoren. Regimegegner wurden mit Hubschraubern über den Santiago geflogen und abgeworfen.

Auf den beiden Parkplätzen neben dem Besucherzentrum ein paar Kilometer unterhalb des Kraters mit mäßig interessantem Museum darf man campen. Pro Person 100 NIO Eintritt plus 50 NIO fürs Übernachten. Parque Nacionál Volcán Masaya, N 12°00’11.3’’ W 86°08’54.6’’.

Ticuantepe, Nicaragua – Papageien und Star-Wars-Frösche

Sonntag, September 4th, 2011

Das Lächeln verblasst. Schon in Honduras fanden wir die Menschen weniger fröhlich. In Nicaragua schauen sie uns einfach nur an, als wären wir das achte Weltwunder. Was sie keineswegs daran hindert, Fotos von Arminius zu machen oder auf den Truck zu klettern – ohne zu fragen, versteht sich. Gehen wir mit einem Lächeln in Vorlage, wird es zwar erwidert, aber es ist nur ein kurzes Aufleuchten. Dabei sind die Menschen nicht unfreundlich, eher gehört es zum guten Ton, etwas missmutig zu kucken. Grinst man weiter, schauen sie einen an wie: Was ist mit der los? Hat die was genommen? Ausnahmen gibt es natürlich immer.

Bewundern muss ich dagegen, wie viele Menschen laufen, und in welcher Geschwindigkeit. Gezwungenermaßen, sicherlich, mangels Fahrzeug. Dennoch: Leicht werden auf dem Weg zur Schule, zur Arbeit oder zur Kirche mehrere Kilometer zurückgelegt. In billigen Plastiklatschen, über Stock und Stein, steile Berge hoch und runter. Dabei zeigt man sich äußerst praxisorientiert und transportiert ganz nebenbei noch einen Klafter Brennholz oder einen Sack Kaffeebohnen auf dem Kopf oder der Schulter, Erwachsene wie Kinder. In der freien Hand wird dabei die 1,5-Liter-Colaflasche getragen, ohne die keiner aus dem Haus geht. Das Baby hat Hunger? Kein Problem. Das Top wird ein wenig heruntergezerrt, das Kind angelegt, Stillen kann man auch unterwegs. Kein Grund, im Lauf innezuhalten.

Auf der anderen Seite gibt es dann die (Männer), die sonntagmorgens um 10 Uhr im Graben liegen und den Schlaf des Gerechten – oder vielmehr des Betrunkenen – schlafen. Wer weiß, ob sie noch von der Samstagabendsause übrigblieben oder heute Morgen frühzeitig anfingen? Bei der Insektendichte auf diesem Breitengrad halte ich den Straßengraben für einen eher ungemütlichen Ort. Das Alkoholproblem tauchte schon ab Mexiko verstärkt auf, insbesondere in Guatemala, scheint sich aber weiter nach Süden zu erstrecken. Und nicht nur sonntags.

Betrunkene Autofahrer gibt es tagsüber zum Glück wenige, und so kommen wir trotz sturzbachartigen Regens sicher an den Managua-See, zweitgrößter See Zentralamerikas, aber von den Abwässern der Hauptstadt verpestet. Das schöne an Managua ist, dass man nicht hinmuss, wenn man nicht möchte. Keines der in schlechter Qualität gebauten Kolonialhäuser konnte die zahlreichen Erdbeben überstehen, daher setzen sich Managuas Hauptattraktionen aus dem See und zahlreichen Museen zusammen. Wir biegen zwischen Managua und Masaya in Richtung Süden nach Ticuantepe ab, wo das El Chocoyero – El Brujo Naturreservat im Regenwald liegt. Die sieben Kilometer lange ungeteerte Zufahrtstraße besteht aus einem eigentümlichen schwarzen Dreck, der auch bei Regen nicht aufweicht und daher kaum schmierig und rutschig wird.

Leider ist das Erdreich nicht immun gegen Auswaschungen durch Wasserläufe. Quer stören sie weniger, aber längs mag ich sie nicht, wenn der Unimog mit einem Rag im eingefressenen Rinnsal in absurder Schräglage dahin kriecht. Und man weiß nie: Bleibt es so oder wird es noch schlechter? Umkehren geht nicht, die Straße ist einspurig. Dann gibt es da noch die Bäume, die bei Regen besonders tief hängen. Unempfindlich geworden, fahren wir meist einfach unten durch. Nur ein gut oberarmdicker Ast muss dann doch weichen, mit ihm ein Drittel der Baumkrone. Unsere eigene Machete mit finnischer Hochleistungsstahlklinge liegt seit neuestem für derartige Aktionen parat. Die eignet sich für weiches, wassergetränktes Holz sogar besser als eine Axt. Wir erreichen auf dem Stück einen Geschwindigkeitsdurchschnitt von 5,6 km/h.

Am Parkzugang bezahlen wir je 50 Córdoba pro Person für Eintritt und den Guide, ohne den man uns nicht rein lässt. Außer dass eine Familie mehr zu essen hat, halte ich diese Bestimmung für sinnlos, denn ohne den rasenden Führer hätten wir vielleicht mehr Tiere gesehen, den Weg findet man auch alleine. Die Hauptattraktion sind sowieso die Chocoyas, eine kleine Papageienart, die wir Elfenbeinsittiche nennen, die in Löchern in einer Lehmwand am Wasserfall El Chocoyero hausen. Es ist Nistsaison, daher sind alle zu Hause und es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Zum Fotografieren regnet es leider zu stark.

Im Park gibt es (kostenpflichtige) Zeltplätze, jedoch dürfen wir auf dem Parkplatz vor der Haustür frei campen, bei tiefster Dunkelheit und beeindruckender Geräuschkulisse. Grillen und Zikaden veranstalten ein tropisches Konzert, dem ich wenig Romantisches abgewinnen kann. Das elektrische Sirren klingt, als ob man sich in dem Umspannwerk einer Kleinstadt befände. Was ist daran romantisch? Brüllaffen verteidigen ihr Revier, ihre schlechte Laune und was auch immer mit dem lautesten Geräusch der gesamten Tierwelt. Und dann sind da noch die Star-Wars-Frösche, so haben wir sie getauft. Erstaunlicherweise klingen sie, als würden sie sich gegenseitig mit futuristischen Laserkanonen beschießen. Doing, doing, doing-doing-doing, doing-doing. Nach einer Weile machen sie Pause, zum Nachladen wahrscheinlich. Doing, doing-doing-doing-doing-doing, doing-doing…
Riserva Natural El Chocoyero – El Brujo, N 11°58’46.0’’ W 86°15’26.7’’

Matagalpa, Nicaragua – Wo ist die Post?

Freitag, September 2nd, 2011

Zurück in Estelí versuchen wir, das Postamt zu finden. Interessante Entdeckung: acht von zehn Menschen kennen es nicht. Man schickt wohl keine Briefe oder Pakete. Leider gibt die Mehrheit ihr Unwissen nicht zu, woraus viele verschiedene Richtungsangaben resultieren. Ich vermute sogar, dass es ob der Unterschiedlichkeit der Aussagen zwei Postämter geben mag. Doch auch die wissenden 20 % bringen uns nur in die grobe Richtung, das „Feintuning“ stimmt nicht. Nach einer halben Stunde haben wir uns so weit angenähert, dass uns mit einer letzten Frage der entscheidende Coup gelingt und wir vor der Post stehen. Der Tarif für einen Europabrief ist schnell gefunden das Wechselgeld wird sorgfältig, wie meist in Mittelamerika, mit dem Taschenrechner errechnet. Aber mal ehrlich: Wer kann bei uns schon noch Kopfrechnen?

Als die Beamtin fast schon verzweifelt in ihren Briefmarken herumwühlt und erst zwei mal zwei, später nochmals zwei – zugegeben äußerst hübsche bunte – Marken herauswühlt, ohne den Rechner zu Rate zu ziehen, gehen meine Alarmglocken an. Ich zähle die Markenwerte zusammen und frage unschuldig, ob es ein Problem wäre dass weniger Marken auf dem Brief klebten als ich bezahlt habe. „Oh, das ist ein Fehler.“ Irgendwie ist es der Postfrau doch peinlich, und sie kramt noch eine Briefmarke heraus. Vorsichtshalber bitte ich sie, den Brief gleich abzustempeln. Man könnte ja eventuell die Marken wieder ablösen und den Brief in den Müll werfen. Aber die Dame meint, gestempelt würde nicht hier. Ob der Brief wohl ankommt?

Im Städtchen Matagalpa etwas abseits der Panamericana gibt es das Centro Girasol, wo man Kaffe, Kuchen, ein paar Souvenirs und hausgemachte Milchprodukte wie Joghurt, Frischkäse und Eis bekommt. (Erste südliche Einfahrt in die Stadt, großes Eckhaus auf der rechten Seite.)Alle Einnahmen kommen Familien mit behinderten Kindern zugute. Außerdem kann man für eine kleine Gebühr Karten mit Wegbeschreibungen für Themenwanderungen kaufen, z.B. Wandern auf den Spuren der Revolutionshelden oder Petroglyphen der Maya suchen. Es handelt sich um Tageswanderungen, die in Matagalpa starten und ggf. eine Übernachtung im Ort (Campen schwierig) nötig machen.

Ein weiteres schönes Wandergebiet ist die Selva Negra, der Schwarzwald nördlich der Stadt Richtung Jinotega. Zugang erfolgt über die Kaffeefinca gleichen Namens (von Deutschen gegründet), die Campen nicht gestattet. Uns werden alternativ zwei Betten für 15 US$ angeboten. Alternativ kann man für 3 US$ als Tagesgast wandern. Eine andere Möglichkeit ist Finca Esperanza Verde, die ebenfalls Kaffeeanbau und eine Ecolodge betreibt. Eine Anmeldung im Büro in San Ramón ist sinnvoll, da die Park- und Wendemöglichkeiten recht begrenzt sind. (Erste Parallelstraße nördlich zur Durchgangsstraße bis zum Ende der Sackgasse fahren.) Nach weiteren 15 km Schotterpiste, die letzten vier Kilometer besser nur mit Allradantrieb, werden wir in der Finca erwartet. Fürs Campen möchte man satte 7 $ pro Person, aber 7 $ fürs Auto tun es schlussendlich auch. Ein paar Wanderwege wurden ebenfalls angelegt. (N 12°56’23.4’’ W 85°46’48.4’’)

Estelí, Nicaragua – Iran? Contras? Da war doch was…

Donnerstag, September 1st, 2011

Allzu viel kann man im Naturreservat Miraflor auf eigene Faust nicht unternehmen. Für die meisten Wanderungen wird ein Guide vorausgesetzt, den man natürlich buchen kann. Das mag seinen Ursprung haben in Problemen mit Kriminalität, die es früher hier gab, die sich seit Einrichtung einer Polizeistation jedoch weit gebessert haben soll. Die Gegend um Estelí war früher schon Schauplatz der traditionsreichen Auseinandersetzungen zwischen Liberalen und Konservativen gewesen, die bereits im 19. Jahrhundert begannen.

Der liberale Freiheitskämpfer Augusto C. Sandino wurde schließlich 1934 vom Führer der von den USA eingerichteten Nationalgarde, Anastasio Somoza, umgebracht. Der schanzte sich 1936 durch Wahlbetrug ins Präsidentenamt, womit die die 50jährige Somoza-Diktatur begann. Nach der Ermordung Somozas übernahmen seine Söhne die Macht. Ernsthafter Widerstand regte sich nach 1972, als bei einem gewaltigen Erdbeben die Hauptstadt Managua zerstört wurde, tausende Menschen starben und hunderttausende obdachlos wurden. Die ausländischen Hilfsgelder flossen derweil in die Taschen der Somozas. Sowohl die Sandinisten als auch die demokratische Befreiungsunion formierten sich, doch wurden die Führer beider Organisationen getötet.

1978 und 79 schließlich eskalierte die Lage. Im ganzen Land begannen Generalstreiks, der Nationalpalast wurde vorübergehend besetzt und die Sandinisten nahmen Managua ein. Somoza floh in die USA, dennoch unterstützte US-Präsident Jimmy Carter die neue Menschenrechts- und Freiheitspolitik Nicaraguas. Sein Nachfolger Ronald Reagan dagegen sah darin kommunistische Tendenzen, baute die Konterrevolutionstruppe der Contras auf und finanzierte sie, um vor allem Anschläge gegen die Infrastruktur des gebeutelten mittelamerikanischen Landes zu führen und es weiter zu schwächen. Erst da suchte Nicaragua um Unterstützung Kubas und der Sowjetunion an. 1985 lehnte der US-Kongress weitere militärische Unterstützung für die Contras ab. Eigenmächtig beschaffte Reagan Geld durch den Verkauf von Waffen an den Iran zu überhöhten Preisen: Da haben wir sie, die Iran-Contra-Affäre.

1988 wurde ein Waffenstillstand zwischen Regierung und Contras vereinbart. Die Sandinisten brachten die am Boden liegende Wirtschaft nicht wieder auf die Füße, woraufhin sie die nächsten Wahlen gegen eine neue Koalition aus liberalen Oppositionsparteien verlor. Und dann geschah etwas, das zeigt, dass am Ende auch die Guten die Bösen sind. Zwischen Wahlniederlage und Machtübergabe plünderten sie 1990 das verbliebene Staatsvermögen und übertrugen sich Großgrundbesitz und Staatsunternehmen. Darunter hat das Land heute noch zu leiden. Zehn Jahre später – wir schreiben mittlerweile das Jahr 2000 nach Christus – geht diese Farce weiter. Ein Teil des inzwischen auseinander gebrochenen liberalen Parteienbündnisses stellt den Präsidenten Arnoldo Alemán. Der paktiert mit den Sandinisten und ändert – vielkritisiert zwar – die Verfassung, um die dauerhafte gemeinschaftliche Herrschaft über alle staatlichen Institutionen zu sichern.

Zwar wurde Alemán wegen seiner Finanzverbrechen 2002 zu 20 Jahren Haft verurteilt, sein Hausarrest aber nach nur drei Jahren von einem Gericht wieder aufgehoben. 2006 kamen die Sandinisten wieder an die Macht, und prompt wirft man Präsiden Ortega vor, sich persönlich zu bereichern. So weigerte sich die Regierung, den Verbleib von 1,1 Mrd. Unterstützungsgeldern aus einem Wirtschaftsabkommen mit Venezuela offenzulegen. Da wundert es nicht, dass zahlreiche internationale Geldgeber, darunter Deutschland und die EU, ihre Hilfsgelder an Nicaragua eingefroren oder eingestellt haben.

Estelí, Nicaragua – Amerika, nicht Afrika

Dienstag, August 30th, 2011

Nicaragua – ein Land, das so klingt als müsse man es in Afrika und nicht in Amerika suchen. Dabei markiert es die Mitte des Isthmus und bietet ein paar schöne und weniger positive Superlative: Es ist das flächenmäßig größte Land Mittelamerikas, obwohl nur gut ein gutes Drittel genutzt werden kann, der Rest ist unzugänglicher Regenwald – von Abholzung bedroht wie überall. Nicaragua gilt als das ärmste Land Zentralamerikas, ja sogar als zweitärmstes Land – nach Haiti – ganz Lateinamerikas. Gleichzeitig soll es das sicherste Reiseland der Kontinentalbrücke sein.

Doch der Tag beginnt mit Schwierigkeiten, die Einreise verzögert sich. Zunächst müssen wir feststellen, dass unsere elektronische Karte für Nicaragua nicht funktioniert. Doch unsere bewährte Kombination aus klassischer Kartennavigation, Schilder lesen, Intuition, Einheimische fragen und Autonavigationssystem ist uns so lieb geworden, dass wir auf letzteres ungern verzichten. GPS-Karten sind im Internet bei www.gpstravelmaps.com für sämtliche Garmin-Geräte herunterzuladen inkl. Installationsanleitung (z.B. Nicaragua für nicht ganz günstige US$ 49,95). Bei der Navigation funktionieren weder Adresseingabe noch Ortsuche, aber man kann in die Karte zoomen und einen Ort auf dem Touchscreen per Finger auswählen.

Als nächstes verweigert die Tankstellenkasse in El Paraiso sämtliche meiner Kreditkarten. (In Mexiko ist der Diesel am günstigsten, dann wird er nach Süden hin über Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua stets, wenn auch geringfügig teurer. In Honduras sind wir bei ca. 0,80 € pro Liter Diesel). Mein Bargeld reicht so kurz vor der Grenze nicht mehr aus. Dann kommt die Kassiererin auf die Idee eines Betraglimits bei Kartenzahlungen und rechnet die Summe auf zwei Mal ab. Unmittelbar vor dem Grenzübergang Los Manos (ca. 500 m) befindet sich im Übrigen eine steuerbegünstigte Tankstelle, die Kraftstoff zu günstigeren Preisen anbietet.

So weit kommen wir aber nicht mal. Die Zufahrtsstraße zur Grenze ist rechts und links mit wartenden Lkw zugeparkt, der einzige Fahrstreifen in der Mitte wird von einem liegengebliebenen Bus blockiert, der anscheinend nicht abgeschleppt werden kann. Mehr als eine Stunde vergeht, bis die parkenden Fahrzeuge auf einer Seite so weit vor oder zurück rangiert sind, dass sich eine Lücke zum Vorbeifahren am Hindernis ergibt. Von da an geht es zügig. An der Aduana gibt es einen Stempel in den Pass, der die Ausfuhr des Fahrzeugs bestätigt. Ich muss die Zöllnerin lediglich bitten, mir den Rest der an der letzten Grenze zusammen getackerten Papiere zurückzugeben und nur das honduranische Formular einzubehalten. Das ordentliche Formular aus El Salvador leistet stets gute Dienste als Vorlage, daher möchte ich es behalten. An der Migración erhalten wir einen Ausreisestempel, Kosten entstehen nicht.

Ein penetranter junger Grenzhelfer möchte 20 US$ für seine Dienste bei der Einreise, aber irgendwann kapiert auch er das simple, nur aus den zwei Buchstaben N und O bestehende Wort no. Irgendwie leuchtet mir der Sinn von Grenzhelfern nicht ein (außer, dass sie damit natürlich zum Familieneinkommen beitragen, was positiv zu bewerten ist). Wenn man kein Spanisch spricht, kann man sich auch mit ihnen nicht verständigen. Spricht man Spanisch, schafft man die Formalitäten auch alleine. Ob es wirklich eine Zeitersparnis gibt, ist dahingestellt. Kurz vor dem Verlassen honduranischen Territoriums gibt es noch eine Tierkontrolle, doch wir führen weder Haus- noch Schlachttiere mit uns. Die Geldwechsler bieten auch hier einen fairen Umtauschkurs Lempira zu Córdoba an (100 nicaraguanische Córdoba / NIO entsprechen derzeit 2,90 €).

Die Einreise beginnt mit einer Fahrzeugdesinfektion (68 NIO). Nicaragua verlangt für die zunächst gewährten 30 Tage Aufenthaltsdauer den Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung (12 US$ oder äquivalent). Die herumwuselnden Versicherungsvertreter sind offiziell, am besten erledigt man das gleich hier. Die Dame an der Aduana findet die salvadorianische Vorlage hilfreich und lässt sich auch so gerne helfen. Es wird nur das Kennzeichen überprüft, nicht einmal die Fahrgestellnummer, und wie immer von außen (!) ein Blick in die geöffnete Kabinentür geworfen, um die Angabe „Wohnmobil“ zu bestätigen. Auch diesmal kommen wir völlig ohne Fahrzeugdurchsuchung davon. Dieser komplette Vorgang ist kostenlos, nicht jedoch die Einreisekarte für den Reisepass an der Migración. Dafür sind mittlerweile 12 US$ pro Person (oder äquivalente NIO) fällig. Als letztes überprüft die Grenzpolizei die Richtigkeit und Vollständigkeit der Papiere, will je eine Kopie von Fahrzeugschein und Fahrzeugbrief (wir führen eine hübsch gemachte farbige Kopie auf dokumentenähnlichem Papier mit uns), vergisst dann aber, diese einzusammeln. Auch hier gibt es bislang nichts zu mokieren über Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft mittelamerikanischer Grenzen, und zügig ging es auch noch.

Nach 40 km erreichen wir die Panamericana, einzige Durchgangsstraße in Nicaragua. Erste größere Stadt ist Estelí. Im Büro der UCA Miraflor (ggf. durchfragen) erkundigen wir uns nach Übernachtungsmöglichkeiten im Naturreservat Miraflor (kein Eintritt), wo es neben Wander- und Reitgelegenheiten (biologische) Landwirtschaft gibt. Man bestätigt uns, dass wir die Schotterstraße befahren können. Auf dem knapp 30 km langen Weg wird schnell klar, warum in der Regenzeit ein Allradfahrzeug gefordert wird. Reißende Bäche (es regnet gerade) von bis zu einem halben Meter Tiefe müssen durchquert werden. Doch die Lkw und umfunktionierten Schulbusse, die die Piste regelmäßig frequentieren, lassen das Abenteuer schon wieder lächerlich erscheinen. Die haben keinen Allradantrieb.

Die Finca Lindos Ojos ist nach Studium unseres Reiseführers sowieso unsere bevorzugte Übernachtungsoption gewesen. Sie wird uns auch bei UCA empfohlen, da die Platz zum Parken hätten. Mit der erhaltenen Karte und Erklärung finden wir den Weg leicht, nur sind die deutschen Besitzer heute nicht da. Das nicaraguanische Arbeiterpärchen, das auf dem Grundstück lebt, lässt uns hier problemlos campen: N 13°14’30.2’’ W 86°15’21.7’’, www.finca-lindos-ojos.com, 5 US$ pro Nacht.