Archive for Januar, 2012

Playa Gramadal, Peru – Frischfisch

Dienstag, Januar 31st, 2012

Ganz einsam ist der Strand wirklich nicht. Ein Pick-up kommt mit vielen leeren Plastikkisten, die Fischer abzuholen, die heute Morgen mit dem großen Ruderboot ausgefahren sind. Natürlich schafft der Zweiradantrieb es nicht über die Dünen, aber er ist ausgerüstet: mit Schaufeln, Brettern und Männern. Trotzdem sinkt er immer tiefer. Um der unvermeidlichen Frage nach Herausziehen vorzubeugen, (es nervt, jedes Mal wieder alles Verstauen zu müssen), trabt Jörg mit unseren Sandbrettern los. Der Pick-up kommt frei, der Fisch ist schnell versprochen, aber da ist ja noch der Rückweg, von diesem Strand führen alle Wege durch die pausenlos verändernden Wanderdünnen. Noch tiefer sinkt er, jetzt beladen, doch Jörg ist schon auf dem Weg. Zwei Fische gibt’s als Lohn, Makrelen, fast zu groß für den Teller, wenigstens sind sie schon tot. Entschuppen und ausnehmen müssen wir sie schon selbst. Dafür sind sie köstlich, im Ganzen gebraten, frischer geht’s nicht.

Carpa Pastoruri + Gramadal, Peru – Blühende Riesenananas und der ultimative Campingstrand

Montag, Januar 30th, 2012

Sie darf sich nicht nur die weltgrößte Blütenpflanze nennen, sondern wohl auch die ungewöhnlichste: Puya raimondii ist ein Mitglied der Ananasfamilie, das in 3.000 bis über 4.000 m tropischer Höhe wächst. Die bis zu 15 m große Pflanze wird 40 bis 100 Jahre alt. Erst dann bringt die kugelartige Staude mit den spitzen langen Blättern den hohen zigarrenartigen Blütenstand hervor, aus dem durchschnittlich 8.000 weiße lilienartige Blüten mit 8 bis 12 Mio. Samen entspringen. Diese Leistung erbringt die seltene und gefährdete Blume nur einmal im Leben, danach stirbt sie ab. Puya raimondii ist in den peruanischen Anden zu finden, in der Nähe von Huaráz gibt es mehrere Bestände.

Sieben Kilometer südlich von Cátac biegt man nach Osten in einen Schotterweg zum Nationalpark Huascarán Sector Carpa Pastoruri ein (beschildert). Man folgt einem typischen u-förmigen ehemaligen Gletschertal stromaufwärts und erreicht nach 13 km die Zahlstation (5 PEN / Person). Aber hier passiert man nach 2 km eine gashaltige Quelle, die nur so vor sich hinblubbert, deren Wasser aber ungenießbar ist. Nach weiteren 2 km wachsen die seltsamen Puya raimondii direkt neben der Straße, eine Aussichtsplattform erlaubt einen Blick in einen tiefen klaren Quelltopf. Neben jungen und schon abgestorbenen Stauden kämpfen kleine Blümchen und winzige Kakteen ums Überleben – in 4.500 m Höhe. Bei km 22 könnte man noch einen Gletscher auf 4.900 m ansehen (500 m Reiten, 500 m Laufen, Betreten des Gletschers nicht erlaubt), doch kommen aus der Richtung tiefdunkle Wolken gezogen.

Die Flucht gelingt uns zunächst nicht, eiskalter Starkregen und 7° C Lufttemperatur holen uns ein. Wir rauschen aus 4.500 m der Küste entgegen Richtung Barranca, den Regen im Schlepptau. 4.500 m immer bergab, dem Rio Fortaleza folgend. (Wird man in umgekehrter Richtung nicht höhenkrank?) In den Dörfern, die wir passieren, wird hektisch die Wäsche abgenommen. Irgendwo verfängt sich der Regen, wir ereichen die Wüste, nur unterbrochen von dem schmalen bewässerten Streifen entlang des Flusses, der Wassermelonen, Avocados und gelbe Pflaumen hervorbringt. Menschen laufen in Sonnentops und Shorts umher statt in dicken Wollpullovern und Ponchos. Doch als wir die PanAm erreichen, spüren wir den Einfluss des kalten südlichen Pazifiks. Wir biegen für 40 km nach Norden ab, um genau diesen einen Strand zu sehen: Playa Gramadal.

Er erscheint in keinem Reiseführer, er ist völlig unbekannt, daher hier die verrückte Geschichte: Vor dem Schreibwarenregal in Trujillos Supermarkt stehend sieht Jörg auf der Verpackung des Druckerpapiers das Foto geheimnisvoller kleiner Wanderdünen und dazu das Zauberwort: Playa Gramadal. In den Kopf gesetzt, genau diesen Strand zu sehen, wurden wir schließlich bei Google Earth fündig und entdeckten den Ort Gramadal schließlich auf unseren Karten. Gesagt, getan, das „Dorf“ besteht aus je zwei Häusern rechts und links der Straße, aber den Weg zum Strand kann man uns weisen. Hier kommt das Beste: Die Zufahrt ist bretthart, nicht lang, und am Ende steht in sicherer Entfernung vor der Flut ein planes Betonfundament, wie gemacht zum Campen: Der optimale Strand für Wohnmobile aller Art, die auch mal gerne einsam stehen wollen.

Völlig einsam ist es hingegen nicht: Ein paar Fischerleute gehen ihrem Beruf nach und ein 30 Jahre alter Toyota Landcruiser kämpft sich durch die Dünen direkt an den Strand. Drin befindet sich eine gar lustige Dreiergruppe auf Männerausflug, einer davon spricht etwas Englisch, einer anderer sogar Deutsch: Er ist Missionar und arbeitete acht Jahre in Nürnberg. Der Männerverein zieht weiter, wir machen die Pazifikwasser-Fußprobe, die weiteres Eintauchen anderer Körperteile vereitelt. Playa Gramadal: S 10°23’53.6’’ W 78°00’03.3’’.

Chavín de Huántar + Cátac, Peru – Labyrinth unter der Erde

Sonntag, Januar 29th, 2012

Noch einmal klettern wir auf ein sanftes Hochplateau mit unangenehm feuchtkaltem Klima auf 4.360 m, wo kaum noch Menschen wohnen. Kein Wunder: Hier wächst nichts mehr, und da die meisten Landbewohner auf Eigenanbau von Lebensmitteln angewiesen sind, ist das Leben hier oben besonders hart und arm. Alle, die es trotzdem wagen, betteln die Vorbeifahrenden an. Das kleine Mädchen, das seinen Hut ab- und die Mitleidsmine aufsetzt und hofft, Passanten werfen in den hingehaltenen Hut etwas hinein, genau wie die jungen Männer, die die Löcher in der Straße voll schütten und dafür auf ein Trinkgeld hoffen.

Die Trachten in Peru ähneln sich etwas, auch wenn wie überall vor allem Frauen die Traditionsbewahrer sind. Der große Hut darf nirgends fehlen, in manchen Gegenden schlicht und aus Stroh, in anderen aus Filz und verziert. Strickjacken oder Ponchos helfen gegen die Kälte. Diverse Lagen knielanger Röcke und Unterröcke übereinander getragen (der oberste kann wertvoll bestickt sein) betonen die ohnehin ausladenden Hüften der Indígenas fast wie ein Petticoat. Statt Knie- oder Seidenstrümpfe wie in Ecuador trägt man hier eine dicke fußlose Wollstrumpfhose drunter, wohl der Vorläufer der jetzt so beliebten Leggings.

Kurz vor Huari gibt es plötzlich Autos, Taxen und Privatfahrzeuge, untrügliches Zeichen für eine nahe Asphaltstraße. Richtig, ab Stadteinfahrt Huari verlässt uns der Asphalt nicht mehr so ganz, auch wenn sich die Straßendecke langsam auflöst und die nächsten 120 km von unendlich vielen Schlaglöchern zerbombt sind, die das Fahren unangenehmer und langsamer machen als auf einer ordentlichen Schotterpiste. Sensible Naturen sollten Huari nicht im Oktober besuchen. Dann wird Fiesta de los Gatos gefeiert, eine Fiesta, bei dem die ganze Stadt in Aufregung gerät wegen des Festbratens, der dann serviert wird: Katzen. Niemand weiß, woher die Tradition kommt, aber sicher hat einst eine Notlage oder Missernte die Bewohner gezwungen, ihren Proteinbedarf auf diese ungewöhnliche Weise zu stillen. Schnell wurde aus der Not eine Tugend gemacht, und in einem Jahr musste der Braten sogar ausfallen: Exzessiver Katzengenuss des Vorjahres hatte das Überleben der städtischen Stubentigerpopulation nicht gestattet.

Nach 40 km folgt Chavín de Huántar, ein Dorf mit einer archäologischen Ausgrabung, die zu den ältesten Kulturen Perus zählt. Aus Norden kommend erreicht man zuerst das Museum, das gemeinsam von der peruanischen und japanischen Regierung erbaut wurde. Genau so wirkt es auch: schlicht, elegant, unterkühlt und irgendwie perfekt. Die sparsame Beleuchtung dient dem Schutz der Exponate: fein gemeißelte Stelen und Steinreliefs, äußerst kunstvoll gearbeitete Keramik und mit geometrischen Formen verzierte Muschelschalen, die als Blasinstrumente dienten. Auch einige der skurrilen behauenen Steinköpfe, die einst die Außenmauern des Heiligtums zierten, sind hier ausgestellt. Immer wiederkehrendes Motiv sind kombinierte Mensch-Tiergestalten, oft Menschengesichter mit Schlangenhaaren und Jaguarzähnen. Der Eintritt zum Museum ist frei (S 09°34’35.0’’ W 77°10’38.1’’).

Die Ausgrabung selbst liegt am südlichen Ortsende (S 09°35’33.8’’ W 77°10’43.2’’) und kostet 10 PEN Eintritt. Die Anlage besteht aus mehreren Tempeln, erbaut zwischen 1200 und 800 v.Ch. mit einem ausgeklügelten Drainagesystem, das Regenwasser in den Fluss ableitete und groß genug war, als Geheimgang zu dienen. Zwar hat der überirdische Teil des Heiligtums durch Baumaßnahmen, Entwenden der Steine und einen Erdrutsch infolge eines Erdbebens stark gelitten, doch bekommt man noch einen Eindruck von den Ausmaßen des Geländes. Der interessanteste Teil jedoch sind die unterirdischen Gänge und Labyrinthe mit ihren unzähligen Sackgassen, Fensterchen, Schall- und Belüftungsöffnungen.

Forschungen ergaben, dass möglicherweise Ungläubige mit dem halluzinogenen San Pedro Kaktus betäubt und dann ins Kellerlabyrinth geschickt wurden. Mit den Muscheln erzeugten Priester unheimliche Laute, die sich auf geheimnisvolle Weise durch Gänge und Öffnungen fortpflanzten und von überallher zu kommen schienen. Als Höhepunkt landete der zu Bekehrende vor einer größeren Fensteröffnung und vor ihm stand plötzlich die unheimliche, grausame Mensch-Tier-Gottheit, von flackernden Fackeln zum Leben erweckt. Selbst heute noch ist es ein Moment des Erstaunens, wenn man die große, sorgfältig behauene Steinstele erblickt. Um in die unterirdischen Gänge zu gelangen, muss man über riesige Stufen bei gleichzeitig niedriger Decke krabbeln. Die Anlage ist gut ausgeschildert und kann auch ohne Führer besucht werden, Zeitbedarf ein bis zwei Stunden.

Die restlichen knapp 70 km zurück bis zur Hauptstraße sind ebenso zerfressener Asphalt, von wo aus man schließlich in schnellen 25 km Huaráz im Norden erreichen könnte. 47 km vor Erreichen der Hauptstraße führt die Straße durch einen schnurgeraden Tunnel in über 4.500 m Höhe. Kommt man von Westen, fährt man genau auf eine Christusstatue zu, die auf einem Hügel gegenüber dem Tunnel aufgestellt wurde. Das Heiligtum Chavín de Huántar kann schneller von Huaráz angefahren werden, am günstigsten und Camper schonendsten sogar mit einer organisierten Tour.

Der von den wenigsten Reisenden besuchte Rundweg Carhuaz-Chacas-San Luis-Huari-Chavín de Huántar-Recuay/Cátac ist eine wunderbare Andenrundfahrt durch spektakuläre Landschaften für Allradfahrzeuge. Die Asphaltierung schreitet voran, sodass die Route bald allen Fahrzeugen zugänglich sein dürfte. Die beschriebene Strecke ist 280 km lang und in zwei Tagen zu bewältigen. Die ersten 100 km bis San Luis sind teilweise asphaltiert, teils raue Piste mit einem Pass auf 4.900 m. Die folgenden 60 km sind gut zu befahrender Schotter / Erde, ab Huari bis zum Ende zieht sich die unangenehm aufgelöste Asphaltstraße.

Campen kann man in Chavín de Huántar weder am Museum (nicht erlaubt), noch an den Ruinen (kein Platz). Es bietet sich die Plaza gegenüber der Polizeistation an (S 09°35’02.0’’ W 77°10’39.4’’), oder ruhiger, weil nördlich außerhalb auf einer großen Schotterfläche, dafür unbewacht (S 09°33’48.4’’ W 77°10’29.9’’). Wir fahren durch bis Cátac und schlafen an der Grasplaza gegenüber der Polizei vor der (also solcher kaum erkennbaren) Kirche, was wegen der Straße nicht unbedingt eine ruhige Nacht verspricht (S 09°47’53.3’’ W 77°25’54.6’’).

San Luis, Peru – Traumroute der Cordillera Blanca

Samstag, Januar 28th, 2012

Die Straße ist auf meiner Karte nicht einmal eingezeichnet. Und doch entwickelt sie sich zum Besten, was wir auf dieser Reise bislang gesehen haben. Früh losfahren, lautet der Ratschlag, den wir mehrfach erhalten haben, damit man den Pass mittags überquert. Dann ist der Schnee der letzten Nacht schon weggetaut, der nachmittägliche Regen, der in höheren Lagen als Schnee fällt, hat noch nicht eingesetzt, und die Nebelwolken sind auch noch nicht eingefallen. Dieser Rat gilt für alle hohen Pässe, insbesondere in der Regenzeit, und wir halten uns daran. Unser Plan ist, ein paar Kilometer zurück nach Norden zu fahren, die Cordillera Blanca auf der Straße von Carhuaz nach Chacas zu überqueren, an der Ostseite des Gebirges nach Süden weiterzureisen und die Ruinenstätte Chavín de Huántar von hinten „anzugreifen“ – eine von Touristen äußerst selten benutzte Route.

Allerdings bleiben wir gleich hinter Carhuaz erst mal stecken. Die Straße ist wegen Bauarbeiten gesperrt und wird um 9:30 wieder geöffnet – eine Stunde Warten. Weiter oben soll es eine weitere Sperrung geben, die erst um 12 Uhr aufgelöst wird, wie ein Bauarbeiter und ein Schild verkünden. Da alle warten – Busse, Lkw und Taxen – warten wir auch. Von einer auf Ausflug befindlichen Adventistengemeinde (evangelikaler Glaube direkt importiert aus den USA) – das biedere dunkelblaue Kostüm mit dem Rock in Ladylänge, das sorgfältig gekämmte Haar mit dem biederen Pony, das frömmelnde Gehabe mit devoter Kopfneigung und ständig gefalteten Händen und die irgendwie ätherische Stimme bestätigen dies – bekomme ich ein Büchlein mit den gedruckten Worten Gottes geschenkt. Ich füge es meiner Sammlung hinzu: zwei kleinen neuen Testamenten aus Yellowstone (von der gleichen Clique?), eine Mormonenschrift, zwei Heftchen über Yoga und Reinkarnation der Bhagwan-Sekte aus Kalifornien und einem Blättchen der Zeugen Jehovas aus Mexiko. Um 9:25 Uhr steigen alle in ihre Autos ein, um 9:28 Uhr starten sie optimistisch ihre Motoren und nach meiner Uhr um Punkt 9:30 öffnet die Baustelle zur Durchfahrt – schier unfassbar, wir sind schließlich in Südamerika.

Von Peruanern hatten wir im Vorfeld gehört, dass sie sich selbst als „Schweiz Südamerikas“ bezeichnen. „Bei uns ist alles ordentlich und geregelt“, so das Selbstverständnis. Vielleicht ist da sogar etwas dran. Etwas. Laut Weltbank ist Peru ein Schwellenland, kein Entwicklungsland mehr. Auch das hat sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt. „Wir sind wie Mexiko“, behauptete kürzlich einer unserer Gesprächspartner. Nun, jedes noch so winzige Dorf hat Strom, und fast alle ebenso fließend Wasser. Wichtige Themen sind Kampf gegen Analphabetismus, Gesundheitsversorgung und Arbeitsschutz. Trotzdem: Es gibt jede Menge Ungleichverteilung, Ungerechtigkeit, Armut, und vielleicht sogar Hunger. Immer noch lebt die Hälfte des Volkes unterhalb bzw. am Rand der Armutsgrenze.

Und noch etwas ist verbesserungsfähig: die Führerscheinregeln. Obwohl ein Fahrer uns heute doch Respekt abnötigt. Es ist natürlich ein Busfahrer, einer dieser furchtlosen Desperados, der sich mit seinem Gefährt über die schlechten Straßen kämpft, der im Schlamm schlitternd mutig bergauf fährt und trotz der Reihe entgegenkommender Fahrzeuge nicht den Fuß vom Gast nimmt. Der flotteste – um nicht zu sagen riskanteste – Fahrer in der Kolonne ist aber der Taxifahrer aus der Adventistengemeinde. Aber der fährt ja auch mit Gott, wie der Schriftzug auf seiner hinteren Scheibe verkündet. Da kann nix schiefgehen.

Die landschaftliche Schönheit dieser Route ist vergleichbar mit der bei den Lagunas Llanganuco, nur dass hier die Straße breiter ist. Wir fahren in ein grünes Hochtal mit blauem Fluss zwischen hohen Felswänden. Die Schneegrenze liegt bei rund 4.600 m, nun sind wir auf Höhe der umgebenden Gletscher. Noch ein bisschen weiter oben liegt Schnee auf der Straße, lediglich die Reifenspuren haben sich frei gefahren, dann fahren wir zwischen zwei senkrechten Schneewänden durch. Der Olympic Pass liegt auf 4.900 m, dahinter haben die Gletscher grüne und türkisfarbene Seen mit ihrem Schmelzwasser gefüllt.

Die Regierung ist bemüht, diese wichtige Passüberquerung auszubauen und zu asphaltieren. So erklären sich die unzähligen Baustellen, an denen wir immer wieder warten müssen, obwohl eine weitere vormittägliche Sperrung ausbleibt. Die Straße ist stellenweise schon asphaltiert oder zumindest zweispurig verbreitert und geschottert. Der Pass, wo sich die Piste zwischen den Felsen zweier Berge durchdrängt, ist noch nicht gemacht. Die Fahrbahn ist hier eng mit ein paar Ausweichstellen und in halbkatastrophalem Zustand. Tauwasser von den umliegenden Gletschern, das über die Straße läuft, hat Erde und Schotter weggespült und die großen Grundsteine freigelegt, über die man nun rumpeln muss. Sobald man die Passhöhe überwunden hat, wird die Straße jedoch wieder breiter und besser.

Der kleine Ort Chacas auf der anderen Seite hat alte Häuser mit kunstvoll geschnitzten Holzbalkonen aufzuweisen. Im weiteren Verlauf wird die Straße extrem schlammig und rutschig. Da sämtliche Bergstraßen in Peru mit nur mäßigen Steigungen dem Bus- und Schwerverkehr bzw. dem Leistungsverlust von Verbrennungsmotoren in der Höhe angepasst sind, kommen wir trotzdem voran. Die Spitzkehren sind nichtsdestotrotz sehr eng. Während wir uns noch ernsthaft überlegen, ob die maroden Holzbrücken uns tragen, donnert ein 40-Tonner Baulaster, voll beladen mit großen Steinen, ungeniert über eine davon. Uh – Gänsehaut.

Einige Kilometer hinter San Luis finden wir ein Kirchlein mit großem Platz davor (S 09°06’43.1’’ W 77°18’45.9’’, 3.370 m) und einem einzelnen Haus daneben. Kampiert man irgendwo in der Nähe einer Ansiedlung, ist es nicht nur ein Gebot der Höflichkeit, jemanden über sein Ansinnen zu informieren, es ist auch eine Sicherheitsfrage. Lernt man seine Nachbarn kennen, haben sie durchaus ein Auge auf die Fremden. In dem Haus finde ich zwei Hunde und eine alte Frau. Nur mit der Verständigung klapp es nicht so wie gewohnt. Es dauert ein wenig bis ich es registriere: Die Frau spricht kein Spanisch, jedenfalls deutlich weniger als ich. Sie spricht Quechua.

Etwa 31 % von Perus 29,5 Mio. Einwohnern sind Indigene. Einen derart hohen Anteil an der Bevölkerung haben in Lateinamerika lediglich Bolivien und Guatemala aufzuweisen. (Die anderen wichtigen Bevölkerungsgruppen Mestizen, also Mischlinge, und Kreolen, Spanischstämmige.) Die Sprache der Inka war Quechua. Da diese bei ihren ausgedehnten Feldzügen den eroberten Völkern ihre Kultur, ihre Götter und ihre Sprache aufdrängten, sprechen auch heute noch mindestens 13 Mio. Menschen Quechua als Muttersprache und in den meisten Fällen Spanisch als Zweitsprache. Einige Völker am Titicacasee und im Amazonastiefland haben sich ihre eigenen Sprachen bewahrt.

Huaráz, Peru – Wal-Mart versus Mercado municipál

Freitag, Januar 27th, 2012

Manchmal, wenn auch selten, vermisse ich zwischen all dieser Exotik, dem Reiz des Neuen, dem südamerikanischen Lebensstil einen ganz plötzlich verlockend attraktiv erscheinenden Wal-Mart. Ihr habt Euch nicht verlesen. Ein ganz profanes amerikanisches Wal-Mart Supercenter mit seinen vollgestopften Regalen, seinen schmuddeligen Toiletten, seinem billigen Fraß und dem ganzen anderen Ramsch made in China. Einkaufen im Wal-Mart ist eben so schön bequem. Abseits großer Städte kann man das vom Süden dieses Kontinents nicht immer behaupten. Die beiden Supermärkte in Huaráz’ Stadtmitte, Mercado Ortíz und Trujillo Mart (beide auf Fitzcarrald / Luzuriaga) sind mäßig bestückt und nicht billig (letzterer ist etwas ordentlicher mit besserer Auswahl). Einfachste Dinge wie Mehl gibt es in der ganzen Stadt nicht.

Da wir auch noch Obst, Gemüse und Brot wollen, nichts, was so ein Dorfsupermarkt führen würde, müssen wir doch noch zum Mercado municipál, dem Markt laufen (drei Blocks westlich des Zentrums). Parken ist so gut wie unmöglich. Toilettenartikel muss man bis auf wenigste simple Dinge in einer der zahlreichen Apotheken kaufen – zu Apothekenpreisen, versteht sich. Am Ende des Tages freue ich mich dann aber doch, trotz der Schlepperei, trotz des Aufwands: über einen leckeren Ein-Kilo-Käselaib für weniger als 4 €, über den Spitzkohl, den ich zum ersten Mal auf dieser Reise entdeckte, über Gemüse zu Cent-Preisen, die zwei Kilo Weizenmehl und über das bunte Treiben. All das kann ein Wal-Mart eben nicht bieten.

Monterrey, Peru – Die Katastrophe von 1970

Dienstag, Januar 24th, 2012

Es sollte ein Unglückstag werden, dieser 31. Mai 1970, ein schwarzer Tag in Perus jüngerer Geschichte. Am Ende dieses Tages mussten 70.000 Tote beklagt werden, große Teile Zentralperus waren zerstört worden. Ein Erdbeben der Stärke 7,7 auf der Richterskala erschütterte die Cordillera Blanca. Huaráz, ein charmantes indigenes Städtchen mit 30.000 Einwohnern, hatte sehr enge Straßen gehabt. Mit den Jahren waren die Menschen mutig geworden und hatten zwei- oder gar dreistöckige Häuser gebaut, ohne groß über Statik nachzudenken. „Ich spürte das Grollen, ich sah, wie die Erde sich bewegte, ich sah die Gebäude zusammenfallen wie Kartenhäuser, aber bei uns passierte nichts.“ José beobachtete das Ereignis aus nur wenigen Kilometern Entfernung. Egal mit wem wir hier reden, das Beben von vor über 40 Jahren ist allen noch glasklar im Gedächtnis und das Bedürfnis groß, sich das Erlebte von der Seele zu reden.

So viel Glück wie Monterrey hatte Huaráz nicht. Die Stadt wurde bis auf zehn Prozent zerstört, die Hälfte der Einwohner kam in den engen Straßen unter den Trümmern ums Leben. Viele andere Dörfer blieben wie durch ein Wunder verschont, während die Nachbarorte der Katastrophe zum Opfer fielen. Später stellte sich heraus, dass einige der überlebenden Siedlungen in ehemaligen Flussbetten gebaut waren. Der darunter liegende Sand hatte das Erdbeben abgepuffert. Auch Yungay, 60 km nördlich von Huaráz, wurde nicht durch das Beben zerstört. Es fühlte sich auch sonst sicher, geschützt vor Lawinen durch einen vorgelagerten Berg, der es vom mächtigen Huascarán trennte. Doch es kam anders.

Das Erdbeben löste 15 Mio. m3 Granit und Eis vom Nordgipfel des Superberges. Die unvorstellbare Masse fiel mit über 300 km/h drei vertikale Kilometer hinunter, klatschte in einen See, den sie ebenfalls mitnahm, und raste weiter auf das 14 km entfernte Yungay zu. Den vorgelagerten Berg fegte die Lawine einfach weg und begrub das Dorf mit seinen 18.000 Einwohnern. Das herannahende Grollen hatten alle vernommen, doch nur wenige waren in der Lage, sich auf den Friedhofshügel, der wie ein Wunder stehen blieb, zu retten. Es sollten die einzigen Überlebenden sein. Heute ziert eine Heiligenfigur den Hügel, die Hände flehend in Richtung Huascarán erhoben.

„Familie, Verwandte kamen von überall her und rückten mit Schaufeln an, ihre Toten auszugraben. Die Regierung wartete, bis es nicht mehr ging, bis der Gestank unerträglich wurde. Dann kamen die Bagger.“ Marco weiß noch mehr zu berichten: „Mit Flugzeugen wurde DDT gespritzt – wegen der Seuchengefahr. Tausende von Tieren kamen ums Leben. Die Vögel kehrten zurück, viele andere nicht.“

Yungay steht heute zwei Kilometer weiter nördlich, und auch Huaráz wurde wieder aufgebaut. Hässlich zwar, in der zweckmäßigen Architektur der 70er Jahre, und das mit wenig Geld, aber die Überlebenden haben wieder eine Heimat. Immer noch sprenkeln hausgroße Felsbrocken als Erinnerung an das Jahrhundertbeben die Landschaft. „Die noch größeren“, erzählt Marco, „wurden zerteilt. Daraus bauten wir die neuen Häuser.“

Monterrey, Peru – Von Platten und Märkten

Montag, Januar 23rd, 2012

86.000 km, 21 Monate, 12 Länder, ein Satz Reifen. Und heute, der allererste platte. Irgendwann musste ja auch die erste Reifenpanne kommen, zumal das Profil doch langsam abnimmt. Zumindest stehen wir bereits. Jörgs Untersuchungen ergeben, wir haben uns eine Schraube eingefahren. Mit unserem Lkw-Reifenreparaturset flickt er das Loch. Wir hoffen auf Dichtigkeit.

In der Zwischenzeit begleitet mich Gastgeber José zum Markt in Huaráz, dem nächsten größeren Ort, wo man so ziemlich alles kaufen kann: Wollstrümpfe, Obst, Gemüse, Brot, Käse, Forellen, Hühnerfüße, Rinderkutteln und andere Delikatessen. Ich lerne, dass es auf dem Frischmarkt unüblich ist zu handeln. Man erfragt den Preis, ist einverstanden oder nicht. Meine Befürchtungen, als offensichtliche Ausländerin übervorteilt zu werden, bestätigen sich nicht. So weit ich es mit Supermarktpreisen vergleichen kann, ist alles reell. Peru und ansatzweise auch Ecuador stehen bei Reisenden etwas in Verruf, dass man Ausländern gerne mehr abnimmt. Bislang zumindest hat sich Peru uns gegenüber diesbezüglich von seiner besten Seite gezeigt. Mit dem Collectivo-Bus fahre ich zurück nach Monterrey – eine halbe Stunde Fahrt für 1 Sol.

Monterrey, Peru – Pisco Sour

Sonntag, Januar 22nd, 2012

Schnaps wird in den meisten Ländern aus allem gebrannt, was im Überfluss vorhanden ist. Zuckerrohr wird auch in Peru zu Rum und Aguardiente verarbeitet, aber hier wachsen auch schon Trauben, aus denen man einen klaren Brandy herstellt. Dieser Pisco – den Namen hat er von der Küstenstadt, einem wichtigen Anbaugebiet – war früher eine raue Angelegenheit mit Katergarantie am nächsten Morgen. Heute ist er bekömmlicher und es gibt ihn unter anderem in der Version Italia mit weicherem Geschmack, dem Grappa ähnelnd. Aus dem Traubenschnaps entstand auch das Nationalgetränk Pisco Sour, für den es unzählige Rezepte gibt, der aber immer aus den Grundzutaten Pisco, Limonensaft, Zucker und Eis besteht. Man darf dafür gerne eine geschmacklich kräftigere Sorte des Schnapses verwenden, nur sollte man sich vor den hübschen bunten Flaschen mit den Inkaverzierungen hüten, die taugen – so mein Reiseführer – nur zur Dekoration im heimischen Wohnzimmer.

Hier ein klassisches Pisco Sour Rezept, bei dem man nach Geschmack Zutaten weglassen kann. Für zwei Drinks:
3 Schnapsgläser Pisco, 1 Schnapsglas Limonensaft, 2 TL Zucker, ½ Eiweiß, einige Spritzer Angostura Bitter mit reichlich Eis im Mixer aufschäumen, in zwei Gläser abfüllen, mit je einer Prise Zimt bestreuen. Wohl bekommt’s!

Monterrey, Peru – Tolle Knollen im Kartoffelland

Samstag, Januar 21st, 2012

Der alte José ist wirklich bemüht, alle unsere Wünsche – viele sind es ja nicht – zu erfüllen. Auf meine Frage nach einer Wäscherei (die es im Weiler nicht gibt, nur in Huaráz) holt er seine Nichte, die all unsere Wäsche wie hier üblich von Hand wäscht – mit kaltem Wasser und Seife. Sie hat ähnlich wenig Ahnung von einer angemessenen Entlohnung wie ich und mag keinen Preis nennen. Ich überschlage, was mich die Wäscherei, deren Preise ich kenne, gekostet hätte und bezahle die junge Frau. Ihre überschwänglichen Dankesbezeugungen versichern mir, dass es nicht zu wenig war.

Zum Abendessen koche ich uns heute schwarzen Mais. Der sieht genauso aus wie normaler gelber oder weißer, nur eben dunkel. Wir kennen maíz morada bereits von unseren peruanischen Bekannten aus Costa Rica. Das dunkle Maismehl wird für fruchtige Süßspeisen verwendet bzw. wird aus den Körnern ein Erfrischungsgetränk zubereitet. Ich fand die schwarzen Kolben im Gemüseregal und dachte, ich könne sie kochen. Weit gefehlt. Auch nach einer Stunde Kochzeit sind sie noch steinhart und ungenießbar. Es gibt Tomatensalat.

Mehr Glück habe ich mit den Kartoffeln. Das Kartoffelregal im Supermarkt schien kein Ende zu nehmen und ich griff mir eine großknollige Sorte heraus, die zwar violette Schalen hat, nach dem Schälen aber gelbes Fruchtfleisch. Die Kartoffel ist aromatisch und fest kochend. Bei der Auswahl and Erdäpfeln ist das nicht immer klar. Peru hat eine unüberschaubare Anzahl an Kartoffelsorten, alleine 3.000 (!) davon sind endemisch. Viele Sorten werden bis 4.000 m Höhe angepflanzt, wo sonst in klimatisch begünstigten frostfreien Lagen lediglich noch Mais gedeiht. Diese Kartoffelpflanzen sind an die besonderen Lichtverhältnisse (Tag-/Nachtstunden) angepasst und können kaum woanders wachsen.

Peru hat nicht nur weltweit die meisten Kartoffelsorten, lange Zeit galt es auch als Ursprungsland der Knollenfrucht, die jedoch auch seit Jahrtausenden in Bolivien und Chile angebaut wird. Die Spanier brachten das Nachtschattengewächs um 1565 nach Europa, in Deutschland wurde es erstmalig 1647 im oberfränkischen Pilgramsreuth angepflanzt, wenn auch zunächst als Zierpflanze wegen ihrer hübschen Blüten. Erst als man die Problematik mit der unterschiedlichen Sonnenstundenzahl verstand und neue Sorten züchtete, konnte man auch in Europa Ernteerfolge erzielen. In Deutschland wurden Kartoffeln in größerem Stil anfangs in Sachsen (1716) und in Preußen (1738) angebaut. Der internationale Feldzug der Kartoffel war nicht mehr aufzuhalten. Heute wird die tolle Knolle weltweit mit Ausnahme tropischer, arktischer und subarktischer Zonen angepflanzt.

Lagunas Llanganuco, Peru – Berge in Vollendung

Freitag, Januar 20th, 2012

Hätte ein Maler diese Landschaft erfunden, man würde sein Kunstwerk als puren Kitsch abtun. Hier fasste Mutter Natur ganz tief in ihre Dramakiste. Vom Nationalparkeingang führt die Straße hinauf in ein Tal, das auf beiden Seiten von gigantischen 1.000 m hohen tiefschwarzen Wänden bedroht wird. Zwei gleißend türkisfarbene Seen liegen inmitten sattgrüner Gräser, Sträucher und Bäume. Ein hellblauer Fluss schlängelt sich durchs Tal, und allmählich ragen die gletscherbedeckten Spitzen Perus höchster Berge hervor: Der Huascarán, mit 6.768 m der allerhöchste im Land, und weitere strahlend weiße Sechstausender. Der Hl. Petrus meint es mal wieder gut mit uns, beschert Sonnenschein und den einen oder anderen wolkenfreien Gipfel. Auch dieses Eckchen Perus gehört zum Besten, das eine Weltreise bieten kann.

Die Cordillera Blanca ist nicht nur die höchste Bergkette der Welt innerhalb der Tropen, sie beherbergt auch einige der höchsten Andengipfel. Auf winzigen 20 mal 180 km erreichen mehr als 50 Berge eine Höhe von 5.700 m und mehr (Nordamerika hat drei, Europa keinen), 25 davon sind über 6.000 m hoch. Der Parque Nacionál Huascarán umfasst praktisch alle Höhen über 4.000 m und ein paar tiefer liegende Gebiete, 600 Gletscher und fast 300 Seen. Das wunderbare Fleckchen Erde, das wir heute besuchen, nennt sich Sector Lagunas Llanganuco. Der erste See, Laguna Chinacocha, folgt sieben Kilometer nach dem Parkeingang, die Laguna Orconcocha nach elf Kilometern.

Die besten Blicke auf die Killerberge bekommt man, wenn man noch ein paar Kilometer hinter die Seen fährt, wo die Straße bald höher in die Cordillera Blanca führt, enger wird und Wendeplätze rar sind. Der Vormittag ist die beste Besuchszeit, nicht nur wegen der klareren Sicht, auch wegen des Verkehrs, der erst ab Mittag zunimmt, die Nacht über anhält und gegen Morgen einschläft. Tageseintritt in alle Sektoren des Nationalparks Huascarán kostet 5 Nuevo Soles. Möchte man im Park campen, benötigt man ein Monatsticket, das man für 65 PEN (17,50 €) kaufen kann. Wegen des nächtlichen Verkehrs steht man auf den ausgewiesenen Campingarealen im Park nicht ruhiger als auf dem Parkplatz davor.

Da Nachtplätze auf weit über 3.000 m meist mit Einbußen in der Schlafqualität verbunden sind, fahren wir zurück zur Asphaltstraße zwischen der Cordillera Blanca und Negra und weiter südlich in Richtung Huaráz. Der staubige Parkplatz an der noch staubigeren Piste hinter den Thermen Chancos bei Marcará eignet sich zum Übernachten höchstens bei Regen. Auch die warmen Quellen von Monterrey besitzen nur einen äußerst schiefen Parkplatz. Während ich mir vom überheblichen Thermenpersonal noch eine 10-Soles-Forderung fürs Übernachten um die Ohren klatschen lasse (zum Vergleich: Eintritt in die Thermen 3 PEN), bietet ein Restaurantbesitzer sein großzügiges Gartengrundstück mit separater Toreinfahrt Jörg zum Campen an. Der alte Mann fing wohl schon öfter Camper ab und ist äußerst liebenswürdig. Für 5 PEN pro Nacht gibt es einen ruhigen sicheren Schlafplatz, Wasser und Toiletten. Die Einfahrt ist 3 m breit, erfordert aber etwas Bodenfreiheit. Restaurant Floresta in Monterrey schließt um 18 Uhr: S 09°28’09.5’’ W 77°32’12.2’’.

Cañon del Pato, Peru – Ein Reisehighlight

Donnerstag, Januar 19th, 2012

Es wird steiniger, trockener und heißer. Baumwolle wird hier angebaut und Chilis, die spätestens seit Ecuador Ají heißen, außerdem Reis und Wassermelonen. Die Dörfer sind teils so arm, dass sie sich keine Lehm-, geschweige denn gebrannte Ziegel leisten können. Die Häuser bestehen hier lediglich aus Bastmatten – das Klima erlaubt derartige Bauweise. Langsam folgt die Straße dem Rio Santa flussaufwärts in Richtung Anden, immer unwirtlicher und unfruchtbarer wird der Grund, bis die Vegetation völlig verschwindet. Vermutlich kann der Fluss nicht zum Bewässern genutzt werden. Aufgrund umfangreicher Minentätigkeiten gilt er als hochgradig verschmutzt. Ob die eklige schlammbraune Farbe damit zu tun hat, ist uns nicht bekannt.

Spätestens im Ort Chuquicara kann man sich an der Polizeikontrolle nochmals nach den Straßenverhältnissen erkundigen. 70 Asphaltkilometer nach Verlassen der PanAm startet hier eine staubige Schotterpiste für die nächsten 77 km. Sie wird auch von Bussen und Schwerlastfahrzeugen der Minen benutzt, daher sind Breite, Zustand, Höhe der Tunnel und Tragfähigkeit der abenteuerlichen Holzbrücken entsprechend. Etwas Bodenfreiheit und Resistenz gegen Holperpisten kann bei Wohnmobilfahrern nicht schaden.

Immer enger wird die Schlucht, die sich Straße und Fluss teilen. Die Windstärke nimmt zu, wo soll der heiße Küstenwind auch hin. Stockdustere Tunnel wurden grob von Hand in den Stein getrieben, um Platz für die Straße zu schaffen. Die Berge dazwischen leuchten in den schönsten Braun-, Rot- und Gelbtönen. Erst bei 1000 Höhenmetern lässt sich wieder erste Vegetation blicken. Es wird kühler und feuchter. Das Flusstal knickt nach Süden ab zwischen zwei Andenketten: die westliche Cordillera Negra und die östliche Cordillera Blanca. Unser Ziel ist der Nationalpark Huascarán, spektakulärstes Berggebiet Perus mit den höchsten Gipfeln in enormer Dichte, Vorzeige-Bergsteigergebiet und 1A-Touristenziel.

Zunächst aber führt die Straße durch den Cañon del Pato, die Entenschlucht, wo sich die beiden Kordilleren bis auf 15 m nähern mit bis zu 1000 m hochragenden Wänden. Da hier kaum Platz für eine Straße blieb, wurden insgesamt 35 Tunnel in den Berg gehauen. Die einspurigen kurvigen Höhlen sind äußerst spannend, da man eventuellen Gegenverkehr vor dem Einfahren nicht ausmachen kann. Hupen heißt die Devise. Leider erlauben zwischen den Tunneln nur kurze Unterbrechungen Ausblicke in den Canyon. Ausweichstellen gibt es nur wenige, die ein Anhalten erlauben würden.

Jörg hat sämtliche Scheinwerfer inklusive der vier Fernscheinwerfer auf dem Dach eingeschaltet, damit wir gesehen werden. Ein entgegenkommender Pkw-Fahrer ignoriert standhaft sämtliche Ausweichstellen, obwohl wir bergauf fahren und das größere Fahrzeug besitzen. Jörgs Geduld mit peruanischen Fahrern schwindet. Erst als wir Stoßstange an Stoßstange gegenüberstehen, hebt er bittend die Arme, wir sollen ihn nicht über den Haufen fahren. Rückwärtsgang einlegen macht mehr Sinn. Ob der Fahrer tatsächlich nur doof bis zwei Meter vor seine Stoßstange schaut oder nach dem Motto: „Ich hab’n’fettes SUV, soll doch der blöde Lkw abhauen“ handelt, wissen wir nicht.

Nachdem uns kurze Zeit später ein Taxifahrer in einer ähnlichen Situation begegnet und der Nationalparkwächter zum Abschluss des Tages meine Fragen zwar freundlich beantwortet, mich aber sonst deutlich merken lässt, dass er seine Nase zwei Stufen höher trägt als ich, muss ich einfach mal zugeben: Peruaner machen es mir nicht ganz einfach, sie aus vollstem Herzen liebenswert zu finden.
Der Sektor Lagunas Llanganuco des Huarascán Nationalparks ist von Yungay aus über eine 17 km lange raue, aber breite Piste zu erreichen. Auf dem Parkplatz vor dem Parkeingang kann man kostenlos campen, man sollte aber den Wächter um Erlaubnis fragen (S 09°06’22.2’’ W 77°41’01.3’’).

Trujillo, Peru – Eingegraben I und II und: Die zerflossenen Moche-Pyramiden

Mittwoch, Januar 18th, 2012

Eingegraben I
Ich bin noch im Nachhemd, als ein Pärchen uns treuherzig durchs Fenster ansieht. Sie hätten ihren Bus im Sand versenkt und möchten herausgeschleppt werden. Der Fahrer fuchtelt mit einem höchstens zwei Meter langen Seil in Bindfadenstärke. Wir machen unseren üblichen Spruch, dass es eine Weile dauert, bis wir den Camper aufgeräumt und abfahrbereit haben, aber der Mann möchte niemand anderen fragen, sondern lieber warten. Der Bus steht neben der Schotterpiste im weichen Sand, weiß der Himmel, warum der Fahrer da rein gefahren ist. Wir packen unseren Bergegurt aus und schlingen ihn um die Busvorderachse. Alles andere an der Front ist bereits weggerostet. Anschleppen müssen wir ihn auch noch, da die Starterbatterie leer ist und der Bus nicht mehr anspringt. Zumindest fragt auch dieser Fahrer, was er uns schuldig ist. Aber was soll man den armen Kerlen schon abnehmen.

Die Moche-Pyramiden
Zwei Lehmziegelpyramiden der Moche-Kultur liegen im Süden Trujillos, die zu großen Teilen vom Regen einfach weggewaschen und von Sand zugeweht wurden. Die Huaca de Luna und die Huaca del Sol – die Namen wurden frei erfunden – sind etwa 700 Jahre älter als Chan Chan. Es gibt Vermutungen, dass es sich um das gleiche Volk handelte, das jedoch aufgrund einer möglichen Naturkatastrophe oder anderer Unbill seine Priester verantwortlich machte, tötete, dann den Ort verließ und mit neuen Ideen und neuen Göttern eine andere Stadt erbaute.
Die Huaca del Sol, die als größtes präkolumbisches Gebäude Perus gilt, ist noch nicht erforscht und ihre Überreste können nur von außen begutachtet werden. Die Huaca de Luna wurde bereits zu Teilen vom Sand befreit, ihr Inneres kann besichtigt werden. Es muss sich um ein Zeremonialzentrum und Gruft gehandelt haben. Insgesamt wurden im Laufe der Generationen fünf Pyramiden übereinander gebaut, eine jeweils die andere vollständig überdeckend. Dadurch wurden die detaillierten farbigen Friese teils hervorragend erhalten.
Im Eintrittspreis von 10 PEN ist der Guide bereits enthalten, ohne den man nicht hinein darf. Ein Trinkgeld wird dennoch erwartet. Unser Führer ist lustlos, überheblich und erkältet, keine gute Kombination, unsere Guide-Allergie zu lindern. „Die Spanier nahmen uns alles weg“, greint der offensichtlich reinrassige Moche/Chimú (jedenfalls sieht seine Nase genauso aus wie die auf den Friesen). Das stimmt zwar. Dass Grabräuber aus eigenen Reihen bis heute ihr Unwesen treiben, verschweigt er. Restfundstücke aus den Gräbern befinden sich im gegenüber liegenden Museum, 3 PEN. Frühere Reisende übernachteten auf dem Ruinenparkplatz (S 08°08’12.7’’ W 78°59’31.5’’).

Eingegraben II
Auf der PanAm geht es weiter gen Süden. Bevor wir uns wieder in die Berge schlagen, wollen wir noch einmal den Pazifik genießen. Wir biegen einfach nach rechts ab durch die Wüste in Richtung Meer. Wir finden Spuren, denen wir folgen können und witzigerweise im Nichts einen Wegweiser: wir entscheiden uns für Las Brisas. Nach Kilometern hören sämtliche Spuren plötzlich auf, zwischen uns und dem Meer liegt ein Friedhof dürrer Äste und Stämme, zum Teil in die Luft ragend, die den Zugang zum Wasser fast unmöglich machen. Es ist schwer zu glauben, dass es Treibholz sein soll. Vielmehr scheint es sich um eine Plantage gehandelt zuhaben, die aufgeben wurde und vertrocknete.
Als wir meinen, eine Passage gefunden zu haben, sinken wir auch schon bis fast zu den Achsen im Sand ein. Er ist so weich, dass alle Tricks nichts helfen. Jörg schaufelt die halbe Wüste um und die Sandbretter müssen erstmalig ausgepackt werden. Leider funktioniert es beim ersten Versuch nicht und wir müssen nochmals die Schaufel schwingen. Sonst sieht man uns regelmäßig am Wegesrand knien und den Reifendruck anpassen – etwas mehr für sparsames Rollen auf Asphalt, etwas weniger für mehr Grip und Komfort im Gelände.
Dass wir diesmal erst im Sand versinken müssen und einen Fehlversuch mit den Sandboards brauchen, um uns daran zu erinnern, den Reifendruck zu senken, ist uns selbst nicht erklärlich. Jedenfalls wollen wir plötzlich gar nicht mehr ans Wasser, sondern drehen lieber um in die Wüste. Das Areal heißt Pampa Blanca, vielleicht wegen des hellen, gut befahrbaren Streifens, der sich durch die dunkleren Sandschichten zieht. Pampa ist es in jedem Fall. Auch diese Stelle ist zum Nachahmen nur mit Allradantrieb zu empfehlen: S 08°48’10.7 W 78°41’08.2’’.

Trujillo, Peru – Chan Chan: Weltstadt der Wüste

Dienstag, Januar 17th, 2012

Eine Stadt schier unvorstellbaren Ausmaßes muss Chan Chan gewesen sein, ein erhabener Anblick. Sie gilt mit 36 km2 als größte präkolumbische Siedlung Südamerikas, und mit ihren 60.000 bis 100.000 Einwohnern im 13. und 14. Jh. beherbergte sie die meisten Menschen ihrer Zeit. Selbst heute noch ist sie die größte aus Lehmziegeln erbaute Stadt. Natürlich war auch dieses Bauwerk so gut befestigt, dass die Inkas es nicht einnehmen konnten. Doch der Ort mit den herrlichen Gärten war in die Wüste an der Pazifikküste gebaut, die Bewässerung erfolgte über Kanäle des umgeleiteten Rio Moche. Die Inkas hatten 1460 leichtes Spiel: Sie drehten den Chimú, wie diese Kultur genannt wird, einfach das Wasser ab und warteten. Die äußerst geschickten Goldschmiede und Handwerker wurden nach Cuzco verschleppt, was aus dem Rest des Volkes wurde, ist nicht bekannt.

In den vergangenen Jahrhunderten setzten vom Klimaphänomen El Niño verursachte sintflutartige Regenfälle dem Bauwerk so zu, dass die Mauern wirken wie geschmolzenes Eis in der Sonne. Wirklich viel ist davon nicht mehr zu sehen. Besichtigen kann man nur einen winzigen Teil von Chan Chan, den Nik An Palast (früher Tschudi-Palast), der so etwas wie einen Stadtteil darstellt mit Mauern, Gängen, Plätzen und Hallen. Besonders schön sind die vielen fein gearbeiteten Adobereliefs, teils original, teils rekonstruiert, die Fische, Pelikane und andere Vögel oder geometrische Figuren darstellen. Die Anlage kann ohne Führer besichtigt werden, Zutritt kostet 10 PEN. Der Eintritt gilt innerhalb zweier Kalendertage für das Museum oben an der Hauptstraße (am interessantesten ist das Satellitenbild der gesamten Chan Chan-Anlage) sowie zwei weitere kleinere Ruinenstätten. Übernachten am Parkplatz ist nicht möglich, da das Gelände nachts abgesperrt wird (S 08°06’31.0’’ W 79°04’30.6’’).

Der Tottus Supermarkt im Norden Trujillos (S 08°06’07.9’’ W 79°02’46.6’’) hat eine gute Auswahl, wenn auch keine so erlesene Feinkostabteilung. Es gibt Müsli (in der Diätabteilung, nicht bei den Cerealien), Dosentomaten (beim Dosengemüse zum halben Preis von denen beim Tomatenmark) und Jägermeister für 18 € die Flasche. Nördlich von Trujillo in der Nähe des Flughafens liegt das Fischerdorf Huanchaco, das sich eines sonnigen Tages im Mittelpunkt touristischen Interesses wiederfand. Zu viele Busladungen Touristen, zu viele Reggae-Bars und zu viele Tattoos und Rastas für meinen Geschmack.

Der Ort ist bekannt für seine traditionellen Reetboote, mit denen Fischer bereits vor 2000 Jahren auf See fuhren. Die schmalen geflochtenen Wassergefährte werden auch Caballitos genannt, Pferdchen, da man mit ihnen über das Wasser „reitet“, ein Bein auf jeder Seite herunterhängend. (Bei den Wassertemperaturen müssen die Beine abfrieren.) Nur hier ist noch bekannt, wie man diese Boote flicht und benutzt, die nach wenigen Monaten mit Wasser vollgesogen und unbrauchbar sind. Im Dorf sind einige am Strand gelagert. Am nördlichen Ortsende kann man kostenlos am Strand parken (fest, geeignet für Fahrzeuge jeglicher Art, S 08°04’19.9’’ W 79°07’12.8’’) und ist dabei mitten im Ort mit seinen Restaurants, Bars und Geschäften.

Ruhiger, aber nicht wesentlich hübscher steht noch weiter im Norden außerhalb von Huanchaco. Zunächst durchquert man eine ökologische Zone, in der das Schilfgras in gegrabenen Löchern unterhalb Meeresniveaus ohne Bewässerung angepflanzt, getrocknet und zu Caballitos geflochten wird. Dann folgt ein weiterer öffentlicher Strand, an dem die Bevölkerung fröhlich mit Müll um sich schmeißt. Um den loszuwerden, müssen wir viele Kilometer weiterfahren. Dazu gibt es drei Möglichkeiten: auf einer guten Schotterstraße ganz rechts, auf einem Sandweg in der Mitte oder direkt am Strand ganz links. Dabei passieren wir Kilometer um Kilometer Grundstücksmauern, auf denen „Eigentum der Familie soundso“ steht und die ein leeres Stück Land umschließen. Alles schon verkauft, an die Zukunft gedacht, und vielleicht auf lukrativen, nie eintreffenden Massentourismus hoffend.

Das Klima ist zwar herrlich hier, 30° am Tag, kühlend im Schatten und im Wind, gut 10° weniger in der Nacht ausschließlich während der Sommermonate Dezember bis März. In der übrigen Zeit senkt sich bleischwerer grauer Nebel über die gesamte Küstenlandschaft und verwandelt sie in ein deprimierendes kühles Nichts. Am Ende der künftigen Häuserreihe liegt eine Geflügelfarm, deren Fliegenheer noch lästiger ist als der ausströmende Geruch. So machen wir kehrt und campen bei S 08°02’42.7’’ W 70°08’53.1’’.

Puerto Malabrigo, Peru – Das andere Peru: die Wüste

Montag, Januar 16th, 2012

Die Straße fällt und fällt, immer tiefer in Richtung Meer. –die Temperatur steigt auf angenehme, halbschattige 30°. Der Himmel lichtet sich von dunkel- zu hellgrau. Die Bananen kommen wieder und die Palmen, Mangos, Reis und Trauben. Es wird trockener, der Fluss dünner, ein Stausee hat schon viele Meter seines Wasserstands eingebüßt. Kakteen tauchen auf, bis selbst diese nicht mehr genügend Wasser finden. Sand sammelt sich an den umgebenden Hügeln. Als wir auf die Panamericana nach Süden einbiegen sind wir vollends in der Wüste. Nicht einmal mehr Gräser gibt es hier, Dünen türmen sich auf und Sand weht über die Straße. Wir fühlen uns wie „zu Hause“ auf der wöchentlichen Fahrt von Quseir nach Hurghada. Das Licht ist stets trüb und der Himmel zeigt milchiges Blau.

Es ist erst früher Nachmittag, aber wir können nicht widerstehen. Bei Paiján biegen wir rechts ab und erreichen bei Puerto Malabrigo nach weniger als 20 km den Pazifikstrand. Unterwegs kaufen wir noch ein paar der köstlichen roten Trauben von einem Stand an der Straße. Um den besten Surfstrand Perus zu erreichen, der auch unter dem Namen Puerto Chicama bekannt, ist, fährt man vor der Stadt in nördliche Richtung dem Sandweg folgend an der ganzen stinkenden Reihe von Fischfabriken vorbei. Vor der letzten Fabrik hält man sich links und kann anschließend eine der Zufahrten direkt an den Strand nehmen und hier weiterfahren. Aber Achtung, der Sand ist stellenweise weich, mit 4-Rad-Antrieb und Differentialsperre ist man besser bedient. Kilometerlang zieht sich der einsame windige Strand hin. Zum Übernachten sollte man weit weg von den Fischfabriken fahren und sich eine höher gelegene Stelle zwischen den Dünen suchen, da die Flut manchmal den gesamten flachen Bereich überspült.

Zwischen März und Juni soll bei guten Bedingungen eine bis zu zwei Kilometer lange und zwei Meter hohe Welle entstehen. Dann werden auch die Nationalen Surfmeisterschaften hier ausgetragen. Erträgliche Temperaturen hat das Wasser allerdings nur jetzt, zwischen Dezember und März, im hiesigen Sommer. Wir probieren es aus, unser Zehenthermometer gibt 18 frostige Grad an.
Strand Puerto Malabrigo, S 07°39’13.4’’ W 79°26’41.3’’

Cajamarca, Peru – Weißwürste und Otuzcos Begräbnisfenster

Sonntag, Januar 15th, 2012

Starren – das ist auch etwas, das dieses Volk prima kann. Kleine Grüppchen bilden sich, stellen sich mit höchstens zwei Meter Abstand vors Auto und glotzen. Sie unterhalten sich nicht, auch nicht miteinander, sondern begaffen das achte Weltwunder der Neuzeit. Sind sie fertig – das kann eine Weile dauern – gehen sie wortlos davon. Dieses Eindringen in die persönliche Intimsphäre ist nicht immer leicht zu ertragen. Peru ist kein einfaches Reiseland für Hellhäutige.
Nach einer Woche im Land – der letzte Großeinkauf liegt schon länger zurück – müssen wir aufstocken. In Cajamarca folgen wir den Mi Metro-Schildern und landen an einer scheunentorgroßen Einfahrt ohne Balken vor einem riesigen Parkplatz, der zu 5 % belegt ist (S 07°08’58.6’’ W 78°30’31.3’’): Perfekt, denke ich doch der Sicherheitsmann will uns nicht reinlassen. Unser Auto wäre zu groß. Bitte? Lächerlich ist, dass zwei Reihen weiter ein Dodge RAM parkt, dessen Grundfläche größer ist als unsere. Unser Wohnmobil ist zwar hoch, erkläre ich dem Parkplatzwächter, aber weder besonders breit noch lang. Ein normaler Parkplatz genüge uns. „Das Auto ist zu groß.“
Ich bin geringfügig erbost und verberge das nicht. Der Wachmann darf das ruhig wissen. Ich steige aus: „Wir sind Reisende und möchten Lebensmittel kaufen.“ Geringfügig erboste 1,77 m können durchaus überzeugend sein, wenn man nur 1,50 ist. Mit Hut. Wir können rein.
Der Supermarkt wirkt riesig, aber viel Auswahl gibt es in den weiten Reihen nicht. Selbst an Basisdingen wie Müsli, Dosentomaten oder Cola light hapert es. Dafür bleibt uns in der Feinkostabteilung die Spucke weg. Ein reichhaltiges Sortiment an Wurst und bezahlbarem Käse, wie wir es seit Mexiko nicht mehr gesehen haben, überwältigt uns. Im Regal stehen Rotkohl, Rote-Beete-Kugeln und Hausmachersenf deutscher Hersteller. Wozu man Hausmachersenf benötigt, wird schnell klar: zu den Weißwürsten. Die Salchicha Blanca kosten atemberaubende 1 € das Stück. Trotzdem: Unser Widerstand ist bereits gebrochen, und am Abend werden wir feststellen, dass die Würste aussehen, riechen und schmecken wie die Originale, und zwar frisch und vom Feinsten.
Spannend finde ich, dass des Cocamehl zu kaufen gibt. Später ärgere ich mich, es nicht genommen zu haben. Coca ist in Peru absolut legal. Da hätte ich doch mal ein paar anregende Plätzchen backen können. Oder wie wär’s mit einem Cocabrot? Allerdings ist Coca (z.B. als Tee) höchstens für einen verstimmten Magen gut, er soll gegen Hungergefühl, Kälte und Höhenkrankheit gut sein. Eine weitergehende Wirkung ist dem Kräutertee ohne chemische Behandlung nicht abzugewinnen. Genauso ungewöhnlich ist das Nationalgetränk Inca Kola, das außer dem Nachnamen und dem Zuckergehalt nichts mit dem nordamerikanischen Zahnkiller gemein hat. Das nukleargelbe Gebräu mit Kaugummigeschmack kann man am ehesten mit Almdudler vergleichen.
Obwohl es einige günstige Waren (Brot, Käse, Gemüse, Obst) gibt, ist das Preisgefüge nicht ganz niedrig. Wir müssen tanken. Die Preise im Land sind nicht einheitlich, aber große Unterschiede gibt es kaum. Heute zahlen wir 14,45 PEN pro Gallone, das entspricht 1,03 € pro Liter, wie erwähnt das Fünffache des Preises in Ecuador.
Cajamarca selbst mag für Leute, die seit Mexiko noch nicht genügend koloniale Städte gesehen haben, einen gewissen Reiz besitzen. Die bedeutendste archäologische Fundstätte im Raum jedoch ist Otuzco, rund acht Kilometer nördlich der Stadt (S 07°07’35.4’’ W 78°27’25.1’’). Hier wurden viele kleine Fensternischen in den Fels gehauen, daher der Name Ventanillas de Otuzco, Fensterchen von Otuzco. Der Ort diente vor 1400 Jahren vermutlich als Begräbnisstätte. Der Eintritt beträgt 5 PEN pP.
Wegen des anhaltenden Regens entscheiden wir uns, die Asphaltstraße nach Trujillo am Pazifik zu nehmen statt der Piste durch die Berge. Die Gefahr von Erdrutschen ist noch immer präsent und die Fernsicht gleich Null. Auf dem Weg zur Küste halten wir auf irgendeinem schlammigen Parkplatz an, um zu übernachten: bei Contumaza, S 07°16’15.2’’ W 78°37’22.5’’.

Baños del Inca (Cajamarca), Peru – Die „gelbe Zitrone” des Autofahrens und: Der letzte Inka

Samstag, Januar 14th, 2012

Berge über Berge. Die Anden scheinen nicht aufhören zu wollen, obwohl wir sie nur überqueren. Heute Morgen liegt die Wolkendecke wie ein weißer Wollteppich unter uns. Mit steigender Temperatur beginnen auch die Wolken nach oben zu krabbeln, und wir machen uns auf den Weg. Es hat weitere Erdrutsche gegeben, die schon beseitigt wurden. Nur an einer Stelle ist das Einsatzteam noch bei der Arbeit: zwei Männer mit orangefarbenen Warnwesten, eine Schaufel. Dann wird das Gelände fester, die Berge bestehen aus gewachsenem Stein, die Erdrutsche hören auf. Leider ist auf solchen dem Fels abgetrotzten Straßen nicht allzu viel Platz. Arminius passt noch gut auf diesen einspurigen Weg, aber pausenlos in einen Übelkeit erregenden, anderthalb Kilometer tiefen Abgrund schauen zu müssen – es geht doch hoffentlich niemand davon aus, dass es hier Leitplanken gibt? – und zu hoffen, dass niemand entgegen kommt, ist doch anstrengend.

Es wird talwärts immer trockener, was ich sehr begrüße. Kakteen tauchen auf, Büsche und Bäume, die mich sehr an Mexiko erinnern. Schließlich landen wir im heißen Tal des Rio Marañón auf unter 900 m, die Sonne sticht erbarmungslos. Rundherum herrscht wüstenhafte Trockenheit, aber der Fluss erlaubt äußerst fruchtbare Landwirtschaft. Millionen von Mangos hängen von den Bäumen, einige davon auf idealer Fensterhöhe – es ist ja nur Mundraub.

Im Dorf Balzas, wo es früher auch eine Fähre gegeben hat, öffnet ein Polizist die Schranke für die Hängebrücke. Auf der anderen Seite muss man etwas unglücklich unter den Seilen hindurch fahren; mit größeren Fahrzeugen könnte das spannend werden. Dann klettern wir wieder die Berge hoch, Kakteen kommen und schwinden, Nadelbäume kommen und schwinden. Was bleibt ist Grasland und Landwirtschaft. Alleine auf dieser Fahrt durchqueren wir dutzende von Klimazonen. In der Stadt Celendín ist das Abenteuer vorbei. Zwar bleibt die Straße unasphaltiert, aber sie wird breit genug für zwei Fahrzeuge. Dafür ist sie mit Schlaglöchern durchsetzt.

Auch die Berge zeigen ein völlig anderes Gesicht. Wir müssen einen Pass, den Abra Gran Chimú, in rund 3800 m überqueren, aber davon merkt man eigentlich nichts mehr. Wir fahren durch sanftes Bergland, eine riesige Hochebene, die für Ackerbau und Viehwirtschaft genutzt wird. Hinter Kuélap trafen wir so gut wie keine anderen Fahrzeuge. Hat der Verkehr ab Balzas erheblich zugenommen, wir er ab Celendín rege. Es beginnt wieder zu regnen. Zeigten in Mexiko die Autofahrer bei flotter Fahrweise noch recht viel Geschick, nimmt dieses bei gleicher Fahrgeschwindigkeit in Südamerika rasant ab. Würde es eine „gelbe Zitrone“ nicht nur für das schlechteste Fahrzeug des Jahres geben, sondern auch für Autofahrer eines Landes, ich müsste für Peru stimmen.

Ein Tuktuk rast auf einspuriger Bergpiste ohne Licht durch dichte Wolken, das Kofferradio auf volle Lautstärke gedreht. Wir müssen eine Vollbremsung machen und, obwohl Lkw und obwohl in Bergauffahrt begriffen, rückwärts setzen. Das Tuktuk hat keinen Rückwärtsgang. Später auf der breiten Straße sind wir sogar mehrfach zu Vollbremsungen gezwungen. Entgegenkommende Fahrzeugführer rasen in der Mitte der Straße. Entdecken sie uns, lenken sie nach rechts mit einer Reaktionsgeschwindigkeit, die jahrtausendelangem zu Fuß gehen angepasst ist. Pferde kennen sie ja auch erst von den Spaniern. Und Autos…Wir müssen völlig unnötig stehen bleiben, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Ein Pkw-Führer aus Celendín sieht es nicht ein, hinter einem Lkw (uns) hinterher zu fahren, kommt aber auf der rauen Straße kaum nach. Vor Frust hupt er dauernd, wir sollten doch gefälligst langsamer fahren und ihn vorbeilassen, damit er vorweg fahren kann.

Die Krönung intelligenten Fahrverhaltens zeigt das nächste Dorf. Hier war Markttag, und als die Riesenparty vorbei ist, wollen alle gleichzeitig los, in unterschiedliche Richtungen natürlich. Die Straße ist rechts und links zugeparkt, in der Mitte gerade Platz für ein Fahrzeug und nun stehen sich die Lenker wie Stiere entgegen. Man muss dazusagen, dass bei solchen Feiern immer jede Menge Alkohol im Spiel ist. Irgendwie quetschen sich die meisten Entgegenkommenden und die vor uns in irgendwelche Lücken, bis ein Taxifahrer vor uns steht, der eindeutig zu tief ins Glas geschaut hat. Oder einfach einen Schatten hat. Er fährt vor unsere Vorderräder und hupt und hupt und hupt. Wir sollten gefälligst rückwärts fahren oder uns noch besser in Luft auflösen. Selbst ersteres geht schon nicht, da sich hinter uns eine Fahrzeugschlange befindet. Schließlich legt Jörg den Rückwärtsgang ein, um einen halben Kilometer Autos hinter uns zum Rückwärtssetzen zu bewegen und rangiert zur Seite, um den Taxifahrer vorbei zu lassen. Doch der Wicht weigert sich schlicht. Er kennt seine Fahrzeugmaße nicht, er hat Angst, keine Ahnung, oder alles auf einmal. Er hupt aggressiv weiter und gestikuliert wild mit den Händen. Er findet das jetzt lustig, den dummen ausländischen Lkw-Fahrer mitsamt der Schlange dahinter vor sich herzuscheuchen.

Jörg gibt nochmals nach, setzt weiter zurück, bis rechts eine Lücke erscheint, in die wir vorwärts hineinziehen könnten. Das geht nur nicht, da der Depp vor uns bis an unsere Stoßstange aufgefahren ist. Erneut weigert er sich, auch nur einen Zentimeter rückwärts zu fahren. Vielleicht kann er es nicht? Er geht in Dauerhupen über. Nun, unsere Hupe ist lauter. Ich überlege schon, ob ich den Zwerg vor uns mit körperlicher oder auch mit Waffengewalt zum Bewegen des Taxis zwingen muss, da verliert auch mein besonnener Fahrer die Geduld. Er lässt Arminus ein paar Mal einige Zentimeter vorspringen und droht so, den Pkw von der Straße zu schubsen. Irgendwann merkt selbst der bedudelte oder anderweitig beschränkte Taxifahrer, dass der Spaß vorbei ist und fährt zur Seite. Jungs, ihr beginnt zu nerven.

Apropos Zwerge: Die Andenbewohner hier tragen fast schon albern riesige Strohhüte mit einer wagendradgroßen Krempe, gekrönt von einem zylinderartig hohen Topf. Regenschirme brauchen die hier jedenfalls keine. Ich beobachte eine Gruppe Männer, die stehenden Fußes mitsamt Hut in einen Minibus einsteigt. Wenn nochmals einer frech wird, nehme ich ihm einfach den Hut weg.
35 km vor Cajamarca beginnt Asphalt. Ein paar Kilometer vor der Stadt liegt das Nationaldenkmal Baños del Inca. In diesen Thermalquellen soll der letzte Inkakönig Atahualpa gebadet haben, bevor die Spanier sich ihn schnappten. Heute laben sich täglich Hunderte in den dampfenden Becken. Selbst zu dieser Abendstunde sind es noch so viele, dass Jörg den Besuch verweigert mit dem Hinweis auf die fragwürdigen hygienischen Zustände. Auf dem Schotterplatz hinter dem Hauptparkplatz kann man ruhig nächtigen, die Restaurants schließen gegen 18 Uhr (S 07°09’43.3’’ W 78°27’51.6’’).

Dem Inka wird’s egal sein, der ist schon lange tot, gemeuchelt von den Spaniern. Den entscheidenden strategischen Fehler hatte wohl Atahualpas Vater begangen, der das mächtige Inkareich in zwei Hälften teilte, die er den jeweils ältesten Söhnen seiner zwei Frauen vermachte. Huáscar, der reinblütige „legitime“ Erbe aus dem Süden, begann daraufhin 1527 einen Krieg. Zwar ging Atahualpa 1532 als Sieger hervor, doch war das Reich so geschwächt, das es den gleichzeitig eindringenden Spaniern wenig entgegenzusetzen hatte. In Baños del Inca kampierte der König, so sagt man, um seine Kriegsverletzungen auszukurieren. Auf der Plaza von Cajamarca traf er ahnungslos – wenn auch mit seiner Leibgarde und 40.000 Soldaten im Hintergrund – auf den in lächerlicher Unterzahl befindlichen spanischen Eroberer Francisco Pizarro.

Doch die nicht einmal 200 Spanier hatten Feuerwaffen und Kanonen, die den Inkas noch unbekannt waren. Erstere ballerten ein wenig herum, woraufhin letztere kopflos flohen. Pizarro nahm Atahualpa gefangen, der die Kolonialisten für reine Schatzjäger hielt – ein fataler Fehler. Er bot ihnen als Lösegeldzahlung an, einen Raum mit Gold und zwei weitere mit Silber zu füllen. Nachdem die Schätze herbeigeschafft waren, ließ Pizarro den Sohn des Sonnenkönigs kein Jahr nach seiner Gefangennahme in einem Schnellverfahren aburteilen und – trotz Proteste aus eigenen Reihen – hinrichten. Damit nahm eine Jahrhunderte alte, äußerst erfolgreiche Hochkultur ein jähes, unerwartetes Ende.

Leimebamba + Achupas, Peru – Der Erdrutsch

Freitag, Januar 13th, 2012

An einem Freitag, dem 13., fragt man sich schon beim Aufstehen, was der Tag wohl bringen mag. Es regnet Bindfäden, was in den peruanischen Anden einfach kein gutes Gefühl erzeugt, sonst verlaufen die 38 km zurück bis zur PE 08 und die folgenden 54 km bis Leimebamba ereignislos. Einige Kilometer südlich des Ortes hat die Österreichische Archäologische Gesellschaft ein ganz erstaunliches Museum erbaut (S 06°43’27.1’’ W 77°47’53.9’’). Schon die Architektur und das aufwändige Dach mit den vielen Giebeln sind preisverdächtig. Die Exhibitionen sind professionell und teilweise sogar mehrsprachig beschriftet.

Gezeigt werden Alltagsgegenstände wie Keramik, Kämme und Schmuck aus der Chachapoyas-Kultur sowie die einmaligen Quipus. Das sind mathematische Knotenschnursysteme, mit denen Fachleute Zahlen, Daten und Statistiken festhalten konnten. An einer dickeren Hauptschnur hingen unterschiedlich gefärbte und verschieden lange Nebenschnüre, die Bestände wie Lamas, Ernteerträge, Edelmetalle oder Steuern symbolisierten. Unterschiedliche Knoten und ihre Lage auf der Schnur kennzeichneten Einer, Zehner, Hunderter und Tausender. Die Spanier, die das System möglicherweise nicht durchschauten, verboten die Knotenschnüre und vernichteten die Bestände. Weltweit verblieben nur etwa 800 Exemplare, die Hälfte davon im Ethnologischen Museum in Berlin.

Ein paar Quipus sind auch in Leimebamba zu sehen, der Höhepunkt aber sind Mumien, die bei der nahegelegenen Laguna de los Condores gefunden wurden. Die Toten wurden nach Chachapoyas-Art beigesetzt in Hockstellung und in Tücher eingewickelt. Außen wurde ein stilisiertes Gesicht aufgemalt, gestickt oder mit dünnen Schnüren aufgenäht. Die Mumien sind in einem Klimaraum hinter Glas ausgestellt. Einige von ihnen wurden, um das Grausen perfekt zu machen, ausgewickelt, sodass man sogar ihre perfekten Gebisse bewundern kann. Eintritt in dieses wunderbare Museum, das in dem Hinterweltsdorf so fehl am Platz wirkt wie ein Springbrunnen in der Wüste, kostet 10 PEN pro Person (€ 2,70). Gegenüber befindet sich der Zugang zum Kentikafé, das einem Mitglied der österreichischen Baukommission gehört. Kuchen gibt es heute leider keinen, aber einen Capuccino bereitet man uns zu.

Die Straße wird schmäler und etwas schlechter, als wir weiterfahren, das Flusstal verlassen, wo das Gewässer bereits über die Ufer tritt, und wir uns zur ersten Passüberquerung aufmachen. An einer Engstelle kommen uns zwei Busse entgegen. Wir müssen zurücksetzen, um Platz zu machen, deuten das aber als gutes Zeichen, dass die Straße noch offen ist. Obwohl uns klar ist, dass sich das in Minuten, ja Sekunden, ändern kann.

15 Minuten später: Wir haben den ersten Höhenzug, den 3680 m hohen Abra Barro Negro überquert, als uns plötzlich ein frischer Erdrutsch den Weg versperrt. Hier ist noch keiner durchgekommen, das kann maximal Minuten her sein. Was tun? Umkehren und hunderte, viele hunderte Kilometer Umweg fahren? Sicher nicht. Warten, bis ein Bagger kommt und die Straße frei schiebt? Das könnte dauern. Aller Wahrscheinlichkeit nach rücken schlicht ein paar Männer an und schaufeln den Weg frei. Also packt Jörg den Spaten aus und macht sich selbst an die Arbeit (Es fragten uns schon einige Leute, wozu wir einen Spaten mithaben). In über 3000 m Höhe kein Pappenstiel. Nun ist das mit einem frischen Erdrutsch nicht so einfach. Obwohl der Untergrund weich-schlammig ist, enthält er viele Steine und lässt sich nur schwer bewegen. Für zwei weg geschaufelte Ladungen rutscht mindestens eine nach.

Zwei Passanten, eingewickelt in blaue Plastikplanen, die hier als Regenponchos dienen, kommen von hinten: Männer, die von irgendwoher kommen, auf dem Weg nach irgendwohin. „Wollt Ihr da rüber?“ Wir zucken mit den Achseln: „Ja, vielleicht…“ Wir sind uns selbst noch nicht schlüssig. Sofort bieten die Männer ihre Hilfe an und das Schaufeln zu übernehmen. Geschickt befestigen sie den hangseitigen Fahrbahnrand mit großen Steinbrocken. Irgendwann wirkt die Schlammlawine auf der Straße nicht mehr so schrecklich schief, nur noch wie ein Riesenhügel Schlamm und Steine.

Zwei Probleme gibt es dennoch: So ein frischer Erdrutsch ist äußerst fragil, beweglich und flüssig. Er hat sich noch nicht gesetzt und gibt selbst beim darüber Laufen nach. Wird er Arminius tragen oder rutscht er weiter zur Seite? Womit wir beim nächsten Problem wären: Rechts der nur einspurigen Straße lauert ein 500 m tiefer Abgrund. Jörg setzt sich mutig ins Auto und fährt los. Langsam zuerst, aber dann beginnt er erwartungsgemäß auf der Abhangseite mehr einzusinken. Er gibt Gas und die zwei Männer und ich sprinten davon, uns in Sicherheit zu bringen, dann ist auch schon alles vorbei. Arminius steht wieder auf festem Grund. Nur das Herz klopft noch eine Weile weiter. Wie zum Hohn lugt die Sonne durch die Wolkendecke.

Was machen wir mit unseren beiden Helfern? Sie wollen in den nächsten Weiler, etwa fünf Kilometer weiter. Wir haben nur zwei Sitze, wollen uns aber revanchieren. Die beiden Männer sind schmutzig, wie – ehrlich gesagt – die meisten Dorfbewohner hier, und das letzte Bad liegt auch schon eine Weile zurück. Ich quetsche die beiden auf den Beifahrersitz und klettere selbst hinten in die Kabine. Während der Fahrt kommen die Dörfler aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie finden nicht nur alle Talismane in unserer Fahrerkabine, das Engelchen und den Hl. Christophorus. Heiligenfiguren spielen eine große Rolle im katholischen Lateinamerika. Am faszinierendsten ist das Navigationssystem, das offensichtlich diese Hinterweltstraße kennt, auf der sich ein kleines blaues Auto bewegt und sogar den Weg markiert, den es bereits gefahren ist. „Ach, diese Deutschen“ meinen sie kopfschüttelnd, das Gesehene nicht begreifend, als sie aussteigen.

Zum Sonnenuntergang finden wir im Nest Achupas einen planen Sportplatz. Ein Nachtlager verweigert einem hier niemand. Wo soll man auch sonst hin? (S 06°47’13.0’’ W 77°55’08.3’’)

Kuélap, Peru – Die Festung der Rundhäuser

Donnerstag, Januar 12th, 2012

Das größte Bauwerk Südamerikas soll es sein. Für seinen Bau sollen mehr Steine verwendet worden sein als für die ägyptische Cheops-Pyramide. In seiner Erhabenheit werde es nur von Macchu Picchu übertroffen. Ohne Macchu Picchu (noch) zu kennen, melden wir zumindest Zweifel an. Kuélap ist sicher eine imposante Festung, eine interessante und sehenswerte Ausgrabung, ob sie aber dem Inka-Prunkstück das Wasser reichen kann, sei dahingestellt. Erbaut zwischen 1200 vor und 900 nach Christus von der Chachapoyas-Kultur, über die relativ wenig bekannt ist, konnte die hervorragend befestigte Anlage von den Inkas nie eingenommen werden. Zwar besiegten sie andere Chachapoyas-Städte, unterwarfen die Kultur aber nie vollständig. Demzufolge taten sich die Chachapoyas mit den eindringenden Spaniern zusammen und verrieten die Inkas, wie viele andere unterworfene Völker. Ob ihnen das im Endeffekt besser bekam, ist fraglich.
Kuélap wurde auf einem 3100 m hohen Felsplateau mit weitem Blick in die Umgebung errichtet. Das 700 m lange ovale Fort ist von einer bis zu 12 m hohen Mauer umgeben. Lediglich drei schmale Eingänge führen ins Innere – ein geniales Sicherungssystem, das Eindringliche zu leichten Opfern machte. Die Anlage beheimatete 400 kreisrunde Steinhäuser innerhalb der Festungsmauern, in denen etwa 3500 Menschen gelebt haben sollen. Einige der Häuser sind mit geometrischen Mustern verziert. Eines der Rundhäuser, von denen sonst nur Mauerreste vorhanden sind, wurde von Archäologen rekonstruiert samt des extrem steilen Strohdachs, das die starken Regenfälle ableiten musste. Ein Beobachtungsturm und ein umgekehrt konisches Gebäude, das vermutlich Tieropferungen diente, sind die auffälligsten architektonischen Strukturen zwischen den mit Nebelwald und Bromelien überwucherten Ruinen, die wie ein verwunschener Garten wirken. Am Boden wachsen bekannte Lupinen, Klee und Butterblümchen.
Der Eintrittspreis für die Ausgrabung wurde kürzlich für Einheimische wie Ausländer gleichermaßen in den meisten Anlagen auf 10 PEN gesenkt. Führer stehen auf Wunsch beim Kassenhäuschen meist zur Verfügung. Von hier bis zum Eingang der Anlage läuft man etwa 2,5 km bergauf. Allzu viele Touristen besuchen die Anlage noch nicht. Zurück auf dem Parkplatz lernen wir, wie die lokale Bevölkerung des etwas tiefer liegenden Dorfs sich in diesem abgelegenen Teil Perus versorgt. Einmal die Woche kommt ein Lkw mit Lebensmitteln zum Parkplatz an den Ruinen, der einzigen flachen Stelle in weitem Umkreis. Das ganze Dorf ist in Aufruhr, und so will auch ich wissen, was es zu kaufen gibt. „Alles“, erhalte ich zur Antwort. Na, dann wollen wir mal sehen. Als Gemüse gibt es Tomaten und Zwiebeln. Punkt. Cola und andere Süßgetränke hat es dagegen reichlich, ich erstehe lieber ein paar Flaschen Bier. Grundnahrungsmittel wie Nudeln und Reis, Seife und Zahnpasta gibt es aber durchaus. Nur Schokolade hat der Lieferwagen diesmal keine mitgebracht, wie die Dorfmädels enttäuscht feststellen.
Die Peruaner scheinen nicht so die ganz großen Leuchten bei Autofahren zu sein. Sie sausen auf den engen Erdpisten of herum, als wären sie alleine unterwegs. Die Mutigen von ihnen hupen frech, wenn sie uns entgegenkommen, dass wir mit unserem Dicken zu Seite fahren sollen. So etwas wie Rücksicht oder Respekt vor dem größeren Fahrzeug gibt es kaum. Die Angsthasen machen eine Vollbremsung, bleiben mitten auf der Straße stehen und kneifen die Augen zu, um das Unglück nicht mit ansehen zu müssen. Selbst der Lkw-Fahrer, der die Strecke sicher öfters fährt, legt wenig Geschick an den Tag. Beim Wenden fährt er so tief ins Gras, dass die Räder durchzudrehen beginnen.
Anstatt sofort den Vorwärtsgang einzulegen, fährt er weiter rückwärts, gräbt sich tiefer in den Schlamm und rutscht auf der schrägen Wiese schließlich langsam ab. Eine andere Idee, als immer mehr Gas zu geben, kommt ihm nicht. Als ein paar Leute zu schieben beginnen, ist es längst zu spät. Nach einer halben Stunde klopft der Fahrer an die Türe, ob wir ihn vielleicht rausziehen könnten. Können wir, aber es dauert 20 Minuten, den Camper aufzuräumen und fahrfertig zu bekommen. Vielleicht könnte er ja in der Zwischenzeit Sand und Steine unter die Räder schaufeln und versuchen, so rauszukommen? Das hilft sogar, aber beim Herunterfahren von der Wiese ist der Lkw so flott, dass der Fahrer – vor Überraschung? Vor Schreck? – auf der anderen Seite des Weges in den Graben fährt und das Gefährt fast noch umschmeißt. Die Helden der Piste.

Chachapoyas + Kuélap, Peru – Sanfte Riesen

Mittwoch, Januar 11th, 2012

Die Versicherungsfrage klärt sich fast problemloser, als wir annahmen. In der Tienda hinter der Flussbrücke wartet ein Umschlag auf uns mit den erforderlichen Unterlagen: dem Versicherungsschein sowie dem Aufkleber für die Windschutzscheibe. Die nächste Polizeikontrolle kann kommen. In der Stadt Chachapoyas erstehen wir einen Claro Internetstick, der uns auch in Peru online halten soll (109,- Nuevo Soles incl. 500 MB / 1 Monat). Der Ort ist einer der ältesten im Land mit unverkennbar kolonialem Ambiente, hat aber sonst selbst wenig zu bieten, die Umgebung dafür umso mehr. Ich frage einen Herumstehenden, wie wir nach Kuélap kommen. „Mit dem Auto kann man da nicht hinfahren!“ erhalte ich zur Antwort. „Warum nicht?“ frage ich. „Da fahren nur kleine Autos hin, Pkw und Minibusse.“ Ah ja.
Mal so gesagt: Ein Unimog sollte imstande sein, eine Straße zu meistern, die von Pkw und Minibussen befahren wird. Es sei denn, es gibt Höhenbegrenzungen, aber Bäume gibt es in diesen Bergen kaum mehr. Und dass der Weg nur so breit ist, dass ein Minibus gerade hindurchpasst, halte ich für ein Gerücht. Der Junge ist von einer Agentur und soll Touren verkaufen. Als er meine unbeeindruckte Reaktion realisiert, meint er: „Na ja, ihr könnt es ja versuchen.“ Von Chachapoyas fahren wir zurück bis zum Abzweig Leimebamba, wo ich einen Anwohner nach der Straße nach Kuélap befrage. „Kein Problem, die ist breit.“ Gut zu wissen.
Ab der Kreuzung ist die PE 80 nicht mehr asphaltiert. Wir folgen einem Fluss 20 km durchs Tal bis zwei große Schilder auf die Ruinen von Kuélap aufmerksam machen (S 06°22’09.0’’ W 77°55’08.6’’). Hier biegen wir rechts ab und folgen der Schotterstraße (einspurig mit Ausweichstellen) für 38 km bis zum Ende. Ob Ruinenfan oder nicht, diese Straße ist der Hammer. Berge von ausnehmender Schönheit ragen 3000 m hoch in den Himmel. Trotz ihrer massiven Höhe wirken sie sanft, sind mit sattem grünen Gras bewachsen, nur unterbrochen von Abbruchstellen, an denen das schiere Gestein hervorlugt. Die Täler dazwischen sind beängstigend tief. 2000 m weit haben sie sich zwischen die Riesen eingeschnitten. Irgendwo dazwischen quetscht sich die Straße an den Hang, Stück für Stück Höhe erklimmend. Leute mit Höhenangst sollten rechts sitzen.
Genau so dramatisch habe ich mir Peru vorgestellt. Nach einigen wenigen Bergdörfern erreichen wir die bereits geschlossene Zahlstation von Kuélap, einen einsamen Snack- und Souvenirstand und eine fürchterlich schiefe Grasfläche, auf der Ausnivellieren zur echten Aufgabe wird. Dafür campt man hier kostenlos (ohne Service), einsam und ruhig, wenn alle gegangen sind. Auf 3000 m Höhe ist es dunkel und kühl: S 06°25’37.3’’ W 77°55’36.3’’.

San Pablo, Peru – Das ist mal ein Wasserfall!

Dienstag, Januar 10th, 2012

Wie konnte das der Weltöffentlichkeit, der peruanischen Regierung, dem interessierten Auge des Touristen so lange entgehen? Trotz flächendeckender Satellitenüberwachung, trotz Google Earth und trotz Kommunikationszeitalter? Wir schreiben das Jahr 2004. Der Deutsche Stefan Ziemendorff stattet eine Expedition aus mit ein paar Einheimischen und einigen Landvermessungsingenieuren. Das Ergebnis ihrer Messungen ist erstaunlich: Der Gocta-Wasserfall nördlich von Chachapoyas ist einer der höchsten der Erde. Die momentane für korrekt gehaltene Messung stellt ihn mit 771 m auf Rang drei hinter den Angel-Fall in Venezuela und den Tugela-Fall in Südafrika.
Man muss schon ein Stück laufen (oder reiten), will man die Fälle in Augenschein nehmen. Im Tourismusbüro zahlen wir 5 Nuevo Soles (1,35 €) Eintritt pro Person und 20 für Alvaredo, der uns als Führer zugeteilt wird. Man findet den Weg auch ohne Guide, obwohl dieser natürlich kundig ist in Botanik, Zoologie und Geschichte. Die Fälle sind ehrlich beeindruckend. Die obere Fallstufe ist 231 m hoch, die untere 540 m. Selbst die Wassermassen machen Staunen, auch wenn es sonst nur in der Regenzeit (März – Mai) so viel Wasser gibt. Die letzte „Sommer“ genannte Trockenzeit (August – Dezember) fiel aus, seit Monaten regnet es kontinuierlich, was man am Wasserstand der braunen gurgelnden Flüsse ablesen kann. Einige Brücken wurden schon weggespült.
Alvaredo ist sehr lieb, passt seine Geschwindigkeit an, auch wenn er natürlich so schnell läuft, wie man es zulässt. Der Tourismus, erzählt er auf Nachfrage, habe Leuten wie ihm, den Guides, den Hotels und Restaurants neue Verdienstmöglichkeiten eröffnet. Unausgesprochen bleibt, dass viele nicht daran partizipieren können. Selbst sein Einkommen, mit dem er lediglich sich, seine Frau und seinen studierenden Sohn unterstützen muss (der ältere ist bereits verheiratet), reicht gerade fürs Leben. Die berühmten Inkastätten Perus oder die anderen Naturschönheiten wird er nie im Leben zu Gesicht bekommen. Wir müssten wohl sehr reich sein, meint er. Die Wahrheit ist schwer zu erklären und noch schwerer zu begreifen. Für ihn werden wir immer die unvorstellbar reichen Gringos bleiben. Die Fälle in ihrer gesamten Pracht kann man nur von einem einzigen Aussichtspunkt auf dieser Wanderung sehen, alle Fotos von Gocta entstehen hier. Anschließend laufen wir noch zum ersten Fallbecken, in das die obere Stufe hineinrauscht und lassen uns nass spritzen.
Für die, die doch lieber alleine laufen wollen, hier die Anleitung: Wo die Straße in San Pablo an der Plaza (S 06°02’33.2’’ W 77°55’10.3’’) endet, wendet man sich dem Hauptweg entlang nach rechts. Diesem folgt man, bis sich am Ende des Dorfes der Pfad Y-förmig gabelt, in der Mitte steht ein Haus. Hier den linken Zweig nehmen und dann immer der Nase nach. Man kommt an drei überdachten Aussichtspunkten vorbei, von denen man in die grüne Bergwelt und vom letzten auf den oberen Teil des Wasserfalls schauen kann. Nach eineinhalb Stunden bei zügiger Gehweise erreicht man eine weitere Gabelung. Geht man zunächst für wenige Minuten nach rechts unten, kommt man an einer natürlichen Plattform heraus, wo die gesamten Fälle überblickt werden können. (Ein Pfad nach weiter unten führt in acht bis neun Stunden zum Fuß der unteren Stufe und zurück bis zur Hauptstraße.)
Man benötigt weitere 35 Minuten zurück bis zum Abzweig, dann nach rechts und bis zum Ende des Weges. Nach 5 km kommt man an einem Betonfundament vorbei, das einmal ein Hotel werden soll und hoffentlich nie fertig gestellt wird. Ab hier hält man sich im Zweifelsfall links, die rechten Zweige führen zu Badebecken am Fuß der oberen Fallstufe. Am Ende des Weges, nach 5,8 km, ist man dem unteren Ende des Falls ganz nahe. Mutige klettern noch über zwei leiterartige Treppen und einen schmalen Grat, um sich die ultimative Dusche abzuholen. Den Rückweg kann man in flotten 1,5 Stunden schaffen. Die Gocta-Fälle können auch von der anderen Flussseite vom Dörfchen Cocachimba (hinter der Brücke links abbiegen) besucht werden. Der Hinweg dauert hier 3,5 Stunden und ist wesentlich steiler. Zwar kann man den Wasserfall über weite Strecken sehen, aber stets nur den unteren Teil, nie im Ganzen.
Zurück im Dorf sehe ich, dass es eine gute Idee war, mein Handy der Obhut der Tourismusbeauftragten zu überlassen. Sie hat meine Anrufe entgegengenommen und inzwischen organisiert, dass der Collectivo-Fahrer den Umschlag mit unserer Versicherungspolice in dem kleinen Laden an der Brücke abgibt. Ich bitte sie, dort anzurufen und anzukündigen, dass wir den Brief erst morgen abholen werden, denn wir wollen noch eine Nacht im friedlichen San Pablo bleiben. Unsere Versicherungslegalität in Peru rückt näher.

San Pablo, Peru – Die Versicherungsfrage

Montag, Januar 9th, 2012

Weit kommen wir nicht. Kurz hinter Bagua stoppt uns eine Polizeikontrolle. Dem Wunsch nach den Fahrzeugpapieren und dem internationalen Führerschein können wir problemlos nachkommen, dann wird’s schwierig: Eine peruanische SOAT, eine Kfz-Haftpflichtversicherung, haben wir noch nicht. Da ich nicht sicher bin, ob der Mann Verständnis dafür hat, dass wir am gestrigen Sonntag aus einer einsamen Ecke Perus eingereist sind und noch keine Chance hatten, uns darum zu kümmern, händige ich geistesgegenwärtig die grüne Versicherungskarte aus. Unglücklicherweise sind die Länder des Gültigkeitsbereichs hinten aufgeführt, Peru ist natürlich nicht darunter.
Ich muss hinzufügen, dass fast alle südamerikanischen Länder Versicherungspflicht haben und dass es bekannt ist, dass es in einigen davon für Ausländer schwierig ist, eine abzuschließen. Ein Dilemma, das man entweder lösen kann, indem man sich schon zu Hause um eine Police für ganz Südamerika kümmert (die mittelamerikanischen Länder bestehen auf ihren eigenen Versicherungen) oder per Internet (bzw. persönlich in Buenos Aires z.B.) eine der internationalen Vor-Ort-Agenturen konsultiert. Wir haben uns bewusst aus experimentellen Gründen für den „schwierigen“ Weg entschieden und wollten versuchen, Versicherungen jeweils pro Land abzuschließen. Möglicherweise wird sich unsere Meinung nach diesem Tag ändern.
Die beiden Polizeibeamten, die abwechselnd auftauchen, sind sehr nett und erklären mir glaubhaft, dass wir eine peruanische oder südamerikanische SOAT benötigen. Ich bin der naive unwissende Tourist, der in gutem Glauben mit der grünen Versicherungskarte umherfährt und einer Missinformation erlegen ist. Nur beim Thema internationaler Führerschein kommen wir nicht so richtig zu einer Einigung. Die Uniformträger besitzen ein Anleitungsbuch, das ihnen eine Abbildung des gewünschten Ausweises zeigt, aber nach ihrem Muster muss „Internationaler Führerschein für Peru“ draufstehen. Versicherung wie Führerschein würden wir in Lima erhalten. Wie wir dahin kämen ohne die erforderlichen Papiere bei den zahlreichen Polizeikontrollen, wüssten sie auch nicht.
Ich lasse beim Thema Führerschein nicht locker. „Wir sind nur Touristen im Transitverkehr ohne Wohnsitz in Peru“, dann erkläre ich ihm die spanischen Übersetzungen in unserem Ausweis. Er kommt zumindest ins Grübeln und gibt nach. Ob Peruaner auch nach Lima zum Versicherungsabschluss müssten, frage ich? Das gehe natürlich in jedem Ort. Das will ich auch versuchen, die nächste Stadt ist Bagua Grande. Ich versichere dem Beamten mehrfach, dass wir keinerlei Schwierigkeiten mit der Polizei wünschen, bedanke mich für ihre Hilfe und schüttle kräftig Hände. Falls der Mann jemals über ein Bußgeld nachgedacht haben sollte, er erhält keine Chance dazu. Schon bin ich eingestiegen und wir brausen davon.
In Bagua Grande bietet sich einer von den Hunderten Tuktuk-Fahrern an, uns zum Versicherungsbüro zu bringen. Geld will er keines dafür. Die Versicherungsmaklerin ist sehr hilfsbereit kann aber selbst nichts entscheiden und muss mit ihrer vorgesetzten Stelle sprechen. Über Stunden nervt sie dutzende Male ihre Chefin, ohne dass uns jemand einen Tarif nennen kann. Zumindest eine der angefragten Versicherungen ist willig, uns eine Haftpflicht zu verkaufen, nur existiert die Klasse „Wohnmobil“, die in unseren Zollpapieren vermerkt ist, nicht in ihrem System. Daran droht die Sache zu scheitern. Mit Nachdruck erkläre ich schließlich, dass das Fahrzeug eine Camionetta ist (in Südamerika ein Pick-up, während man in Mexiko damit einen kleinen Lkw bezeichnete), die lediglich durch die aufgesetzte Kabine zu einem Wohnmobil geworden ist. Beweisen kann ich das mittels der Versicherungsverträge aus Kolumbien und Ecuador, die ähnliche Probleme hatten, aber weniger bürokratisch waren.
Die Versicherungsfrau packt kurzerhand ihren Scanner aus dem Umzugskarton, schickt alle Beweise an ihre vorgesetzte Stelle und telefoniert entschlossen hinterher. Nach vier Stunden des Wartens, dem Kauf einer SIM-Karte fürs Handy bei Claro (12 PEN, ein Internetstick war nicht vorrätig) und dem Aufsuchen eines Geldautomaten (max. 700 PEN auf einmal, Karte kann mehrfach eingeschoben werden), erfahren wir den Fantasiepreis der Versicherung: 247,50 Nuevo Soles (67 €) für drei Monate, die Maklerin selbst zahlt 225 PEN für ihren Pick-up fürs ganze Jahr. Das wäre so, weil wir Ausländer seien, wird uns gesagt. Ausländerzuschlag ist in Peru sehr gängig, wie wir von anderen Reisenden wissen. Letzten Sommer wäre auch ein Deutscher mit einem Pick-up mit Wohnkabine dagewesen, der konnte keine akzeptable Fahrzeugklasse vorweisen. Der musst 135 € für drei Monate zahlen. Wir sind wenig begeistert, stimmen aber zu, denn Lima ist weit.
Doch das nach wie vor amüsante Abenteuer ist noch nicht vorbei. Wir erhalten lediglich eine temporäre Bescheinigung, die Originalpolice trifft erst morgen mit der Post ein. Die Versicherung sieht sich außerstande, den Brief an eine andere Adresse zu senden. Wir haben jedoch keine Lust, in dieser schwülen, 35° heißen, hässlichen, lauten Stadt noch eine Minute länger zu verbringen. Die Bürodame ist einfallsreich. Sie bietet an, den Umschlag einem Collectivo-Fahrer (Sammelbus) zu übergeben, den wir morgen Mittag am Busbahnhof in Chachapoyas treffen sollen – weitere Absprachen sollen am Telefon erfolgen.
Wir fahren weiter, ausgestattet mit weitergehenden Informationen von der plauderbegeisterten Versicherungsmaklerin zu unserem nächsten Ziel, dem Gocta-Wasserfall; unsere Reiseführer geizen diesbezüglich mit Auskünften. Auf der Straße # 8A finden wir zwischen Pedro Ruiz und Chachapoyas die Brücke über den Rio Utucumba, biegen davor links ab und folgen dem Staubweg für sechs Kilometer. Die Straße ist mangels Gegenverkehr auch für größere Fahrzeuge befahrbar. In San Pablo endet der Weg direkt an der Plaza und gleich rechts befindet sich das Tourismusbüro. Die Bewohner dieses 200-Seelen-Dorfes (Kinder mitgerechnet, Hunde nicht) sind alle so entzückend, dass wir morgen die Wanderung zum Gocta-Fall – trotz unserer Guide-Allergie – mit Führer unternehmen wollen. Tourismus gibt es hier erst seit 2008, auf der anderen Flussseite zwei Jahre länger. Schaden hat der bislang nicht angerichtet. Man freut sich noch über jeden einzelnen. Campen können wir vor dem Gesundheitszentrum neben der Kirche (S 06°02’33.2’’ W 77°55’10.3’’).
Es gibt nur ein Problem: Wir müssen morgen Mittag unsere Versicherungspolice in Chachapoyas entgegennehmen. Die Tourismusbeauftragte und der anwesende Guide überreißen die Situation schnell und helfen. Wir sollen den Minibusfahrer stattdessen unten an der Brücke treffen. Ich rufe die Versicherungsmaklerin an und erkläre mein Anliegen. Ob wir unsere Police jemals erhalten?

Bagua, Peru – Eine rustikale Grenze

Sonntag, Januar 8th, 2012

„Warum kommen alle Touristen immer am Wochenende, wo nichts funktioniert?“ mokiert sich der peruanische Grenzbeamte. Nun, so viele werden es auf dieser einsamen Strecke schon nicht sein, dass ihm das echtes Kopfzerbrechen bereiten müsste. Auch die letzten 25 km von Zumba nach La Balsa führen abenteuerlich und rutschig durch nicht enden wollende grüne Berglandschaften. Der ecuadorianische Zollbeamte begrüßt uns mit ausgesprochener Höflichkeit. Sein Internet funktioniert allerdings nicht, wenigstens kommt er mit seinem Satellitentelefon (seinem einzigen Kommunikationsmedium) nach dem zehnten Versuch durch, um sich bei seiner vorgesetzten Behörde zu erkundigen, ob er uns auch ohne die vorgeschriebene Prozedur ausreisen lassen kann. Das ist kein Problem, doch da gibt es noch etwas: Ob er unseren Camper sehen dürfte? Kein Problem, der Inhalt interessiert nicht, wir müssen ihn nur mit seinem Handy vor, hinter und im Auto fotografieren. Allzu oft bekommen die Grenzbeamten hier Gringos wohl nicht zu sehen.
Das macht sich vor allem bei der Migración bemerkbar. Der Grenzpolizist versteht bis zum Schluss nicht, ob wir eigentlich ein- oder ausreisen. Obwohl ich es ihm mehrfach –wie ich zumindest annahm – in verständlichem Spanisch erklärte. Schließlich behält er vorschriftsmäßig unsere Einreisekarten ein, einen Ausreisestempel gibt es selbst auf Nachfrage nicht. Da es in einigen Ländern keinen Ausreisestempel gibt, mache ich mit weiter keine Gedanken. Gegenüber wechselt der kleine Laden US-Dollar in Nuevo Soles, die peruanische Währung. Ein PEN entspricht ungefähr 0,27 €. Die blutjunge Kassiererin sieht Jörg verträumt an. Ihr Traumprinz müsste nicht einmal besonders hübsch oder reich sein – wenn er sie nur aus diesem verlassenen Nest herausbrächte.
Auf der 2004 eingeweihten internationalen Brücke überqueren wir den gurgelnden Grenzfluss, früher musste man eine Fähre nehmen – la balsa. Daher der Name der beiden winzigsten Grenzorte: La Balsa auf ecuadorianischer und La Balza auf peruanischer Seite. Hier erwartet uns ein heftigst Zuckerrohr kauender Zöllner. Er verleibt sich den Baumstamm ein wie ein Mahlwerk, mit beängstigender Geschwindigkeit verschwindet Stück für Stück in seinem Schlund. Wir sollen erst zur Migración, weist er uns an. Dank Microsoft befindet sich auf allen PCs weltweit das Kartenspiel Solitaire und rettet damit gelangweilten Grenzbeamten das Leben. Gnade gibt es trotzdem keine: ohne Ausreisestempel kommen wir hier nicht rein.
Also laufen wir zurück über die Brücke und suchen die Leuchte von Grenzpolizist erneut auf mit der Bitte um den entsprechenden Stempel. „Reisen Sie ein oder aus?“ Zuviel Sonne, zuviel Rum oder zuviel Coca, das ist hier die Frage. Der Beamte hat zwei Stempel zu Auswahl, die er interessiert begutachtet, ohne zu einem Schluss zu kommen. Heiliger Manitu, hilf mir! Nein, besser hilf ihm! Ich suche mir den Stempel aus, auf dem Salida steht und zeige mit dem Finger genau auf die Stelle, wo der Stempel hin soll, da die Beamtenhand schon bedrohlich über eine jungfräulichen Reisepassseite schwebt.
Ausgestattet mit dem passenden Stempel steht unserer Einreise nach Peru nichts mehr entgegen. Auch wenn wir uns ellenlange Vorträge über die Vorzüge peruanischer Sehenswürdigkeiten und die Anzahl der Mikroklimas (108) anhören müssen. Dauerlächeln und interessierter Gesichtsausdruck bewirken auch hier Wunder: Die Einreise, die normalerweise für maximal 90 Tage bewilligt wird und später gegen Gebühr auf sechs Monate verlängert werden kann, wird von vorneherein auf die Maximalzeit von 183 Tagen festgelegt. Ob wir das brauchen werden, ist dahingestellt.
Der Zöllner raspelt noch schnell ein Stück Zuckerrohr ab, spuckt die Fasern durchs Fenster aus und legt den Rest des Stängels mit bedauerndem Blick zur Seite. Sogenannte Zuckerameisen, sehr kleine und extrem flinke sechsbeinige Tropenbewohner sausen zu Hunderten begeistert in dem Büro umher. Ihre vermutlich sonst hörbaren Freudenschreie werden nur übertönt vom fußballfeldgroßen Flachbildschirm, auf dem abwechselnd die Übertragung der diesjährigen Dakar-Rallye, die am 15. Januar in Lima endet, und Reportagen über touristische Attraktionen flimmern. Das Internet geht auch hier nicht, wie immer am Wochenende, klagt der Zollbeamte. Wieder und wieder versucht er, eine Verbindung mit dem Browser herzustellen – vergeblich. Das kommt davon, wenn man in einem Entwicklungsland geduldiges und zuverlässiges Papier abschafft und sich an moderner Technologie versucht.
Auf der anderen Seite geht das Internet auch nicht, versuche ich ihn zu trösten, doch er winkt ab. „Da drüben funktioniert sowieso nichts. Und außerdem sind die eh alle plemplem.“ Soso. Er erzählt uns von seinen 16 Kindern. „Aber nicht mit einer Frau“, meine ich schelmisch. „Nein, mit vielen!“ Alleine mit seiner jüngsten Frau habe er vier Kinder: drei, vier, sieben und 12 Jahre. Vermutlich hat er den gesamten, nicht verheirateten weiblichen Bevölkerungsteil des Weilers geschwängert. Als er uns schon anbietet, ein manuelles Zollpapier auszustellen, startet er einen letzten Versuch, und plötzlich klappt die Internetverbindung. Umständlich muss er die temporäre Importbescheinigung ausdrucken, die allerdings nur für drei Monate gilt. Beide Grenzabfertigungen sind kostenfrei. Nun kann sich der Zöllner behaglich dem Rest seines zuckersüßen Knabberstabs widmen. Trotz technischer Schwierigkeiten sind wir in 1:45 Stunden durch.
Die Erdstraße verbessert sich bis San Ignacio zusehends, wo nach 48 km auf peruanischer Seite die erste Tankstelle steht: eine auf der Nordseite (S 05°08’45.0’’ W 79°00’33.1’’), mehrere am Südende. Bis zum Begin einer perfekten Asphaltstraße, der Carretera Marginal de la Selva, vergehen weitere 100 km, macht insgesamt rund 245 km Piste. Die Natur ist jedoch alle Mühen wert: Die Berge sind äußerst massiv, aber grün bewachsen, ein wilder Fluss schlängelt sich durchs manchmal sehr enge Tal, das er sich mit der Straße teilt. Über Jaén fahren wir bei Chamaya auf die Carretera Transandino # 5 nach Osten, wo wir kurze Zeit später auf die erste Mautstation stoßen.
Lkw zahlen pro Achse so viel wie ein ganzer Pkw, immerhin 5,10 PEN (1,40 €). Freundlich fragen wir, wie viel wir zahlen müssten, da wir doch ein Wohnmobil seien. Die Dame ist ratlos, verlangt die Quittung der letzten Zahlstelle, die wir nicht haben können, fragt Kollegen, verlangt schließlich die Fahrzeugpapiere, was sie auch nicht weiterbringt. Schließlich zuckt sie die Achseln und lässt uns weiterfahren ohne zu bezahlen. Welch Unterschied zu Kolumbien, wo alles immer eine schwierige Diskussion war. Östlich des Ortes Chamaya bei Bagua gibt es eine Lkw-Waage, die hier nicht mehr bascula, sondern balanza heißt. Auf Nachfrage dürfen wir hier übernachten. Entgegen unserer Befürchtungen wird die Nacht doch ruhiger, da der Lkw-Verkehr einschläft und die Waage demzufolge ihren Betrieb niederlegt, ihre Lautsprecherdurchsagen einstellt und sogar den Stromgenerator abschaltet. Der nachts einsetzende Regen kühlt die 30° hinunter, wir befinden uns nur noch auf 450 m.
Vorher jedoch beobachten wir eine Szene, die so typisch ist für diese Länder, die es nie geschafft haben, Korruption im Zaum zu halten. Ein Viehtransporter muss zur Nachkontrolle, da seine Ladepapiere offensichtlich nicht mit seinem Gewicht übereinstimmen. Auf dem Parkplatz strömt zunächst eine erstaunliche Anzahl Passagiere aus dem Fahrerhaus. Von einer zweiten Ebene über der Ladefläche, versteckt unter einer Plane, klettern mehr und mehr Menschen, insgesamt ein gutes Dutzend, und laufen in Richtung Straße auf der Suche nach einer neuen Mitfahrgelegenheit. Der Fahrer und der Wagenkontrolleur pressen sich ganz eng an die Mauer des Kontrollhäuschens. Ein paar Scheine wechseln den Besitzer, dann macht sich der Viehtransporter wieder auf den Weg.
Staatliche Wiegestation Bagua, S 05°43’52.6’’ W 78°38’19.4’’, Toiletten vorhanden

Zumba, Ecuador – Sieben-Zwerge-Berge

Samstag, Januar 7th, 2012

Die Straße wird stetig schlechter. Wechselte sich auf den ersten 30 km noch querrillenreicher Beton mit Schlamm ab, sind die folgenden 100 km nur noch rutschige Piste, die unserem frisch gewaschenen Arminius abwechselnd graue, rote und braune Patina verpasst. Wir sind auf dem Weg nach Zumba und zum Grenzübergang La Balsa mit Peru. Wegen der Straßenverhältnisse ist dies wohl der am wenigsten genutzte Grenzübertritt. Ausreichend Bodenfreiheit braucht man auf jeden Fall, während der Regenzeit kann diese Strecke guten Gewissens nur Fahrzeugen mit Allradantrieb empfohlen werden. Erklimmen schlammiger Steigungen und Durchqueren von Wasserläufen wird alle paar Minuten gefordert. Mit Erdrutschen, Steinschlägen oder Straßensenkungen ist jederzeit zu rechnen.
Eigentlich sollte es noch nicht so nass sein, aber dieses Jahr ist der Veranillo, der kleine Sommer oder Altweibersommer, schlicht ausgefallen. Sein Monaten regnet es fast täglich. Auch die Wege im Podocarpus Nationalpark seien völlig verschlammt, erfahren wir auf nachdrückliche Rückfrage, was vor allem längeren Wanderungen den Spaß nimmt. Wir verzichten auf den Besuch des Parks, dafür entschädigt uns die Natur auf dem Weg nach Zumba. Dramatisch windet sich die Straße durch die Bergwelt, in endlosen Kurven, Steigungen und Gefällen. Zunächst sind die Berge hoch, kantig und grasüberwachsen, so wie ich mir die Sieben-Zwerge-Berge vorstelle. Als sie niedriger und runder werden, holt der Nebelwald sie ein. Noch tiefer schwindet der Nebel und steigen die Temperaturen.
Zumba ist eine einsame Stadt, der letzte Ort vor der peruanischen Grenze in einer abgelegenen Gegend. Hier steht die einzige Tankstelle zwischen Vilcabamba und der peruanischen Grenze bzw. noch ein Stück darüber hinaus. Man sollte unbedingt volltanken, da Kraftstoff in Peru wesentlich teurer ist (ca. das Fünffache). Zum Übernachten vor der Grenze würde sich die Tankstelle (S 04°51’41.4’’ W 79°07’36.2’’) ebenfalls eignen, besser aber und ruhiger seht man in der Nähe des Busbahnhofs, wo es reichlich Freiflächen gibt (S 04°52’11.1’’ W 79°08’03.4’’). Das Zumba River Camp, ein Schotterplatz südlich von Zumba am Fluss, der von früheren Reisenden genutzt wurde, ist mittlerweile umzäunt und abgeschlossen, daher nicht mehr nutzbar. Die Sicherheitslage ist entspannt, nachts ist es ruhig. Einen kleinen Supermarkt gibt es im Ort, wo man das Allernötigste erhält, die letzte gute Einkaufsmöglichkeit auf dieser Strecke bietet sich in der Stadt Loja.

Vilcabamba, Ecuador – Currywurst süßsauer

Freitag, Januar 6th, 2012

Die Halterung unseres neuen Auspuffs ist noch nicht zufriedenstellend. In Vilcabamba finden wir einen Schmied, der uns ein stück Flacheisen zuschneidet, Löcher bohrt, biegt und lackiert – für zwei Dollar. Wir besehen uns die 5000-Seelen-Gemeinde, die von jungen Rucksackreisenden und alternden Hippies eingenommen wird. Außerdem soll es hier die größte Anzahl über 100Jähriger im ganzen Land geben. Ein gesundheitsförderndes, gleichmäßiges Frühlingsklima, ein stressfreies Leben und eine Ernährung mit viel Mais, Bohnen und Gemüse bei wenig Fleisch sowie Milchprodukten sollen das Geheimnis des langen gesunden Lebens sein. Ob die Greise die lokale Spezialität Pan de Bananas („Bananenbrot“, doch ganz klar ein Bananenkuchen) verzehren, ist nicht bekannt. Das Dorf ist alt, hübsch und aufgeräumt, doch wie so oft können wir uns dem vorauseilenden Lob der Reiseführer nicht ganz anschließen. Nett ja, mehr aber auch nicht.
Die hübsche Anlage der Hosteria Izhcayluma und deren großartige Aussicht auf die umliegenden grünen Hügel und das Tal, in dem das Dorf liegt, kann man bei Sonnenschein besser genießen. Für ein Bad im Swimmingpool ist es uns bei ewigen 20° C dennoch zu kühl. Entgegen unserer sonstigen Gewohnheit essen wir noch einmal im Restaurant zu Abend. Einmal Currywurst mit Pommes für 5,50 $. Die (extern gekaufte) Wust ist in Ordnung, die Pommes frites sind o.k. Die Soße ist nicht schlecht, auch wenn sie wenig nach Curry und mehr wie süß-sauere Chinasoße schmeckt. Genauso süßsauer schaut auch der Chef der Anlage, wenn er seinen Touristen begegnet. Er sollte sich besser verstecken, wenn er Gäste nicht leiden kann – groß genug ist die Anlage ja.

Vilcabamba, Ecuador – Die Räder rollen nach Süden

Donnerstag, Januar 5th, 2012

Abschied ist ein Teil des Reisens. So sagen wir Lissi und Mario, Sonia und Paco Lebewohl, danken ihnen für ihre Arbeit und Gastfreundschaft. Auch Ray und Jo lassen wir zurück, die zwar ihren abgebrochenen Fahrgestellrahmen des Mercedes Sprinters schweißen lassen konnten, jedoch noch auf die Metallteller als Ersatz für die verrosteten Teller ihrer zusätzlich eingebauten Luftfedern warten müssen. Wir fahren nach Süden, über Loja nach Vilcabamba. Der Podocarpus Nationalpark, in dem wir wandern wollten, lassen wir zunächst links liegen – der Regen macht heute nicht den Anschein, aufhören zu wollen.
Info Parque Nacionál Podocarpus: Cajanuma-Zufahrt, S 04°05’02.0’’ W 79°12’19.8’’, Eintritt einheitlich 2 US$ pro Person, Camping 3$ pP, ab Zufahrt 8 km Schotterpiste, Torbogen an der Zufahrt bis ca. 4 m Fahrzeughöhe (Schätzung) geeignet. Wanderwege von wenigen Minuten bis zu zwei Tagen eigenständig begehbar, der Westteil des Parks bietet interessante Flora.
Stattdessen fahren wir bis zur vielgelobten Hosteria Izhcayluma in Vilcabamba, Zwischenstopp zahlreicher Reisender, die den bayerischen Brüdern Dieter und Peter gehört. Mag sein, dass das Gästehaus Rucksackreisenden recht guten Komfort und Service zu fairen Preisen bietet. Der Spa-Bereich ist selbst mit kleineren Budgets bezahlbar. Auch wir halten die Preise für durchaus angemessen, aber man bekommt eben, für was man bezahlt. Für 4 US$ pro Person darf man hier campen, Strom-, Wasser-, Duschen- und Toilettenbenutzung inbegriffen. Dafür steht man unmittelbar neben der Straße, die nachts zum Glück nicht stark befahren ist; tagsüber und ab dem sehr frühen Morgen schon.
Leider hat sich hier schon ein Riesenwohnmobil breit gemacht, das die Hälfte des geschotterten Platzes belegt. Die andere Hälfte okkupiert das nicht minder ausladende Vordach des Campers. Dabei sind die Bewohner nicht einmal da. Uns bleibt nur ein Stück unebene, schlammige, von Wasserlöchern übersäte Wiese zwischen dem 30-Fußer und dem Zaun zur Straße. Als wir nach dem Abendessen zu unserem Unimog zurückkehren, steht er so schief da wie vorher: Die Keile haben sich komplett in den Schlamm eingedrückt. Wir müssen noch ein Stück weiter nach vorn fahren, bis fast in die Einfahrt hinein, um wenigstens ein bisschen Schottergrund zu ergattern.
Das Abendessen war auch nicht ganz das, was uns Reiseführer und Erzählungen glauben machen wollten. Ach hier: die Preise sind in für dieses Land Ordnung (Hauptgerichte um Durchschnitt 6,50 $), die Speisekarte ist ausgewogen, und ein wenig deutsche Küche mal gar nicht schlecht. Leider sind die Semmelknödel trotz ihrer vorbildlichen Kugelform nicht ganz frisch und vor allem nicht über heißem Dampf bzw. in heißem Wasser (was bei Semmelklößen möglich ist) erwärmt, sondern in der Mikrowelle. Konsequenz: die Brotbälle sind hart und trocken. Das Gulasch ist pikant und schmackhaft, doch lässt die Fleischqualität zu wünschen übrig: extrem langfaserige Brocken wurden nicht richtig weich gekocht, und außerdem ist mir das Fleisch zu fett. Die Käsespätzle sind genießbar, aber ebenfalls kein unvergessliches Geschmackserlebnis, außerdem triefend vor Fett für füllenden Sättigungsgrad.

Cuenca, Ecuador – Das Facelifting

Mittwoch, Januar 4th, 2012

Das Werkzeug wird eingepackt, die Kabine abgewaschen, die Staufächer abgeschlossen. Die Arbeiten sind beendet und wir machen uns fürs Weiterfahren bereit. Arminius hat ein neues Gesicht bekommen, und die Rückseite sieht ebenfalls anders aus. Neben dem hochgelegten Auspuff ziert jetzt ein Verstärkungsrahmen für den Dachgepäckträger die Front. Da sich die Füße des Gepäckträgers lediglich auf der Dachreling abstützen, befürchteten wir, dass diese irgendwann abbricht. Obwohl wir nur wenig Gewicht auf dem Dach lagern, sind die Querbewegungen beim Offroadfahren doch erheblich. Am hinteren Ende unterhalb des Reserverads legten wir uns einen einziehbaren Unterfahrschutz zu, dessen Querträger gleichzeitig als Abschleppstange dienen könnte. Beides hat uns Mario zusammengeschweißt und lackiert.
Wie in Deutschland auch ist in den meisten Ländern ein Unterfahrschutz für Lkw vorgeschrieben. Der Unimog besitzt zwar eine Ausnahmegenehmigung davon, da dies dem Einsatzzweck des Fahrzeugs widerspricht, aber Argentinien interessiert sich herzlich wenig für eine deutsche Ausnahmegenehmigung bzw. kümmert sich eigentlich sowieso nur um die eigenen Vorschriften, deren Einhaltung man auch von durchreisenden Touristen mit eigenem Fahrzeug verlangt. Dazu gehören eben jener Unterfahrschutz sowie eine Abschleppstange für Lkw. Unerwünscht sind auch über das Fahrzeugende hinausragende Anhängekupplungen. Strafen für Nichteinhaltung der Vorschriften sind deftig. Andere Reisende sollen in Argentinien schon für das Nichtvorhandensein eines weißen Leichensacks Strafe bezahlt haben – wobei wir dieses Gesetz wohl eher der blühenden Fantasie eines unterbezahlten Verkehrspolizisten zuschreiben, der sich auf diese Weise ein Schmiergeld ergattert hat.
Die Zeit in Cuenca ist für Jörg geschäftig gewesen – hier wurde poliert, da ein paar Steinschläge lackiert, dort etwas Unterbodenschutz aufgetragen. Hier wurden Motor- und Vorgelegeöl gewechselt, da ein Dieselfilter ausgetauscht, dort die Tagfahrlichter umgebaut. Und vieles mehr. Die Weihnachtsplätzchen sind fast aufgegessen (Vanillekipferl, diesmal mit Walnüssen statt Mandeln, und Erdnuss-Haferflocken-Plätzchen), der Weihnachtsspeck angelagert. In Cuenca habe ich mir ein paar Kopien meiner diebstahlsicheren (und dahingehend in Panama erprobten!) Handtasche anfertigen lassen, die wir jetzt mit uns führen. So viele Reisende haben uns schon danach gefragt, dass ich jetzt einen Vorrat zur Weitergabe habe.
Wer das attraktive Cuenca besuchen möchte ohne zu reparieren, zu fertigen oder zu lackieren, findet bei der Hosteria Yanuncay Unterschlupf wie so viele andere Reisende. Preis fürs Campen soll bei zwei Personen 10 US$ die Nacht kosten: S 02°54’20.4’’ W 79°01’40.8’’