Archive for Juli, 2010

Fairbanks, Alaska – Heißer Waschtag mit Bannock

Samstag, Juli 31st, 2010

Paradox ist, dass ich erst in den hohen Norden fahren musste, um Sommer zu erleben. Seit drei Tagen schon ist es sonnig und heiß. Vielleicht scheinen 27° und heiß übertrieben, aber hier oben fühlt sich Wärme, keine Ahnung warum, anders, intensiver an.

Einen Tag voller Wäsche und Auto waschen und ähnlichem möchte ich nutzen, etwas nachzuholen, das ich euch im Yukon vorenthalten habe: Bannock. Dafür ist der Yukon berühmt. Bannock ist ein ganz simples Pfannenbrot, das man jederzeit unterwegs, z.B. über einem Lagerfeuer bzw. Glut backen kann. Es besteht aus nur wenigen Zutaten: Mehl, Wasser, Salz und einem beliebigen Backtriebmittel (Backpulver, Hefe, Natron etc.). Alles verkneten, zu einem flachen Fladen formen und in einer gefetteten möglichst zugedeckten Pfanne über einer Wärmequelle 15 min backen, wenden, und in weiteren 15 min fertig backen.

Bannock wird manchmal fälschlicherweise als Indianerbrot bezeichnet. Passender ist der Name Trapperbrot, denn für die Trapper und Goldsucher der frühen Tage war dies ein Grundnahrungsmittel. Die Indianer haben das Brotbacken von den Trappern gelernt. Ursprünglich soll die Methode aus Schottland stammen. Zur Geschmacksverbesserung und als Backtriebmittel wurde damals gerne Sauerteig benutzt. Jeder Trapper führte stets eine Dose davon mit sich herum, weshalb die Männer oft „Sourdoughs“ genannt wurden. Man kann Bannock natürlich noch mit weiteren Zutaten verfeinern. Dieses Rezept habe ich aus Inuvik:

2 Tassen Mehl, ½ TL Salz, ¼ Tasse Zucker, 2 TL Backpulver, ¼ Tasse Pflanzenöl, ½ Tasse Milch, 1 Ei. Zutaten zügig verkneten, einen flachen Fladen formen und im Ofen bei 180° C 15 – 20 min backen. Wer kein amerikanisches Cup-Maß besitzt, behilft sich mit einem Litermaß. Eine Tasse entspricht etwa 250 ml.

Fairbanks, Alaska – Arminius am Nordpol

Freitag, Juli 30th, 2010

Elche gibt es hier oben wieder jede Menge. Einer schafft es heute Morgen dennoch, einen Verkehrsstau zu arrangieren. Der Bock strotzt nur so vor Gesundheit und hat ein riesiges Geweih. Wie viele Tiere dieser Größe lässt er Fotosessions geduldig über sich ergehen, schaut mehrfach in die Kamera, bis er die Lust verliert und geht.

Das Dörfchen North Pole 20 km vor Fairbanks erhielt seinen Namen in der Hoffnung, die Spielwarenindustrie anzulocken, was gelungen sein dürfte. Da amerikanische Kinder der Meinung sind, der Weihnachtsmann wohnt am Nordpol, ist hier das Santa Claus Haus entstanden. Davor steht ein überdimensionaler Nikolaus, drinnen gibt es das ganze Jahr über alles rund um den Weihnachtsmann zu kaufen, Kitsch pur und ein Riesengeschäft. Außerdem kann man Briefe vom Nikolaus an Kinder in aller Welt schicken lassen. Dass die Straßen Namen tragen wie St. Nicolas Drive, Santa-Claus Lane, Polar Plaza oder Snowman Drive verwundert nicht mehr.

In Fairbanks muss man sich mit Lebensmitteln eindecken, wenn man nach Prudhoe Bay an die Nordspitze fahren will, da man unterwegs lediglich Minimalversorgung erhält. Der Alkohol in Alaska ist günstiger als in Kanada, auch wenn wir immer noch in einen Liquor Store gehen müssen. Wir bekommen sogar Hefeweizen. Manche Lebensmittel, vor allem Milchprodukte, sind etwas billiger, Brot, Nudeln und Kaffee kosten genauso, Gemüse dagegen scheint uns sogar teurer und nicht immer frisch und bester Qualität. Insgesamt war der Einkauf etwas, aber nicht wesentlich günstiger als in Kanada. Wir erstehen noch eine neue Kamera samt Ersatzobjektiv zu einem akzeptablen Preis, wenn es auch kein Schnäppchen war.

Fairbanks besitzt kaum Attraktionen und schafft es auch sonst kaum, Sympathien auf sich zu ziehen. An vielen wenig vertrauenerweckenden Plätzen möchte man nachts lieber nicht parken. Der Platz vor dem 24-Stunden-Wal-Mart ist nicht so groß, dass man sich in eine ruhige Ecke verziehen könnte und selbst tagsüber fliegen schon die Einkaufswagen herum. Unter Jugendlichen ist es eine beliebte nächtliche Beschäftigung geworden, Einkaufswagen gegen geparkte Autos und vor allem Wohnmobile zu stoßen. Auf dem Fred Meyer Supermarktparkplatz, wo man auch kostenlos übernachten darf, ist noch mehr los. Vor dem Vergnügungspark will man 12 $ von uns und viel besser scheint es da auch nicht. Wir fahren aus der Stadt und landen wieder am Nordpol. Wir parken vor der Bücherei von North Pole, direkt vor der Güterzug-Rangierstation. Aber das stellen wir erst später fest, als wir schon im Bett liegen.

Top of the World Hwy, Yukon + Taylor Hwy + Alaska Hwy, Alaska– Das falsche Visum auf dem Gipfel der Welt

Donnerstag, Juli 29th, 2010

Das Glück verfolgt uns: Die Information heute Morgen lautet, der Taylor ist wieder befahrbar. Seit den starken Regenfällen werden immer noch zwei Menschen vermisst: Ein Autofahrer, dessen Fahrzeug man von der Straße gespült gefunden hat. Von ihm selbst fehlt jede Spur, genau wie von einem amerikanischen Parkranger. Alle anderen im Unglücksgebiet eingeschlossenen Personen und Fahrzeuge konnten evakuiert werden.

Der Top of the World Highway zwischen Dawson City und kurz hinter der Grenze zu Alaska ist rund 120 km lang und teils sehr gut geschottert, teils asphaltiert. Den Namen „Gipfel der Welt“ trägt die Straße zu Recht, denn sie wurde nicht, wie sonst üblich, in den Tälern eines Gebirges gebaut, sondern verläuft auf den Kämmen der Berge. Der Highway liegt größtenteils auf 1000 bis 1200 m Höhe oberhalb der Baumgrenze und bietet phantastische Fernsicht auf endlose menschenleere Weiten. Die kanadische Grenzstation Little Cold Creek ist schon seit Jahren verlassen. Ausreiseformalitäten gibt es keine. Am US-amerikanischen Posten Poker Creek wird unser dubioses Vehikel erst einmal ausführlich per Fernglas inspiziert, bevor man uns näher lässt. Die Grenze ist nur von 9 bis 21 Uhr geöffnet und das auch nur von Mai bis September, je nach Witterung. In den Wintermonaten ist die komplette Route gesperrt. Mit der Alaska Time sind wir zehn Stunden hinter der mitteleuropäischen Zeitzone und haben damit die größte Zeitdifferenz während unserer Reise erreicht. Die beiden Grenzbeamten sind nett und unkompliziert. Eine Lebensmittel- oder sonstige Fahrzeugkontrolle gibt es nicht, die beiden sind lediglich besorgt ob unser Expeditionsmobil armiert ist. Wir bekommen einen lustigen Elchstempel in unseren Pass, nur leider ist es das falsche Visum. Die Officers haben uns aus Versehen ins Visa-Waiver-Programm gepackt mit einer dreimonatigen Aufenthaltserlaubnis. Zunächst scheint das auch nicht schlimm, da wir ja nicht so lange in Alaska bleiben wollen. Auch als wir erzählen, dass wir später noch in den Hauptteil der USA einreisen werden, bricht erst einmal keine Panik aus. Erst als wir erwähnen, dass wir dann noch weitere sechs Monate in den Staaten verbringen wollen, beginnt großes Kopfkratzen. Was nun? Sie hätten keine Ahnung, wie sie das korrigieren sollten, um ein richtiges Visum auszustellen. Das würde viele Telefonate und noch mehr Zeit erfordern. Wir sollten das Problem besser bei der nächsten Einreis auf US-Gebiet lösen und dort nach einem anderen Visum verlangen. Sie versichern uns, die sechs Dollar Visumgebühr pro Person nicht noch einmal bezahlen zu müssen. (Na mal sehen…) Damit haben sie ein Problem vom Hals und einen Rüffel des Vorgesetzten umgangen. Wir stimmen zu, denn wer so schön stempeln kann, hat Nachsicht verdient.

Auf Alaskaseite wird der Highway zur schlaglöchrigen Piste. Den Abstecher zum 100 km entfernten Eagle am Yukon River müssen wir vom Programm nehmen, da die Straße dahin gesperrt ist. Am anschließenden Taylor Highway sind die Spuren der Überschwemmungen noch deutlich zu sehen. Der Bach, der das Unglück verursacht hat, wirkt lächerlich klein, wie er da so harmlos in seinem Bett herumplätschert. Doch die Verwüstungen, die er angerichtet hat, sind offensichtlich. An vielen Stellen hat der Bach die Straße seitlich angeknabbert, aber an etlichen Plätzen hat er sie über mehrere Meter einfach mit sich gerissen und sie musste komplett erneuert werden. Am Straßenrand steht eine Elchkuh mit Kalb im nassen Straßengraben und weidet laut schlürfend unter Wasser das Gras ab. Kurz darauf trinkt das Kalb nicht weniger laut schmatzend an Mutters Zitze. Elche sind sozusagen eine ziemlich lärmige Angelegenheit. Der Taylor Highway ist größtenteils asphaltiert und führt an unendlich scheinenden Waldbrandflächen vorbei. Nach weiteren knapp 200 km ab Grenze sind wir an der Tetlin Junction zurück am Alaska Highway, die massiven, mit Schnee überzogenen Berge der Alaska Range im Blick. Wir fahren die letzten Meilen bis Delta Junction, wo ein weiteres Monument für das Ende des Alaska Highway steht. Ein beliebtes Fotomotiv sind auch die beide größten Moskitos der Welt, die ein Künstler geschaffen hat. Im Infocenter bekommen wir Kontakt mir US-amerikanischem Kommerz. Die Touristeninformation besteht in erster Linie aus einem Souvenirshop. Landkarten von Alaska gibt es keine, die sind aus, und Informationen kann uns die junge Frau eigentlich auch nicht geben. Karten gibt es vielleicht im nächsten Infocenter in Fairbanks, aber wo jenes ist, weiß sie auch nicht. Aber sie kann die Kasse bedienen. Dass die Urkunde für das Befahren des Alaska Highway einen Dollar kostet, geht in Ordnung, es sind einfach zu viele Menschen. Vor dem Info Center ist auch die Alaska Pipeline erklärt, auf die wir kurz darauf stoßen. Im Big Delta überqueren Richardson Highway und Trans-Alaska-Pipeline gleichzeitig den großen Tanana River. Die 1,20 m dicke Ölleitung ist dekorativ an einer Hängebrücke fixiert.

Dawson City, Yukon – Goldgräber damals und heute

Mittwoch, Juli 28th, 2010

Der Midnight Dome ist ein 1887 m hoher Berg, der sich hinter Dawson City erhebt. Seinen Namen hat er von der Mitternachtssonne, die man am 21. Juni von hier aus beobachten kann. Über die Dome Road gelangt man mit dem Auto auf einen Aussichtspunkt 600 m über der Stadt, von dem aus man den Zusammenfluss von Yukon und Klondike River sehen kann, sondern auch die Zerstörungen, die über 100 Jahre Goldsuchen angerichtet haben. Der Goldrausch begann 1896, als George Carmack – oder seine indianische Frau beim Wäschewaschen, die Geschichten lauten unterschiedlich – ein Nugget fand. Der Goldrausch dauerte nur wenige Jahre und hatte seinen Höhepunkt 1900. Damals wurde mit einfachsten Werkzeugen per Hand geschürft – entweder im Tagebau oder, vor allem im Winter beliebt, den Goldadern Tunnel grabend folgend. Und das trotz der großen Schwierigkeiten, die der Permafrostboden bereitete. Anfangs wurde er mit Holzfeuern, später mit Wasserdampf aufgetaut. Das Schürfgut wurde bis ins Frühjahr aufgehoben und dann im Fluss ausgewaschen. Die Bevölkerung war rasch auf 30.000 angestiegen. Mit Ankunft des ersten Eimerkettenbaggers verschwand nicht nur der Untertagebau, sondern auch mehr oder weniger der unabhängige Goldsucher. Firmen übernahmen das Ruder. Damals war Dawson City der viertgrößte Goldproduzent der Welt. 1950 war die Bevölkerungszahl bereits wieder auf 500 gesunken. Eine täuschende Zahl, denn die meisten Einwohner hatten Dawson lange verlassen, zahlten nur weiterhin ihre Steuern dort, um bei einem erneuten Goldrausch ganz vorne dabei zu sein. Zu dem Zeitpunkt begann die staatliche Institution Parks Canada, Betreiberin sämtlicher Nationalparks und vieler National Historic Sites, Dawson City als touristisches Ziel zu etablieren. Heute leben hier im Sommer wieder 1.900 Menschen, vornehmlich junge Leute, die im Tourismus arbeiten. In Dawson legt man wert auf Stil: Selbst die Damen im Infocenter tragen lange Röcke und Blusen wie vor 100 Jahren. Auch heute noch wir Gold gefördert. Vom Spitzenjahr 1900 sind die Erträge allerdings von 34.000 Tonnen auf durchschnittlich 2.200 Tonnen jährlich gesunken. Das ist zumindest die offizielle Zahl. Insgesamt wurde Gold im Wert von über einer Milliarde Dollar dem Boden abgetrotzt.

Nordamerikas größter Eimerketten-Schwimmbagger mit Holzrumpf, Dredge # 4, Jahrzehnte außer Betrieb, kann heute mit einer Führung besichtigt werden. Eine Rundfahrt über eine enge Schotterpiste am Bonanza Creek führt nicht nur an einem Souvenirshop und dem Touristenclaim vorbei, wo man sich in traditionellem Siebschütteln üben kann, sondern auch an zahlreichen aktiven Minen. Hier findet man verrostete Maschinen und Autos, die älter sind als die meisten von uns, die aber niemand entsorgt. Direkt am Klondike Highway begegnen wir Walter aus Berlin, Jahrgang 1937, seit 1957 in Dawson. Ein waschechter Goldgräber. Seine zwei alten, nicht mehr fahrtüchtigen Unimog waren uns aufgefallen. Noch viel mehr halb verfallene Fahrzeuge stehen auf seinem Grundstück: ein VW-Bus, ein Golf, ein Mercedes und vieles mehr. Zwei Motorräder mit Beiwagen – eine BMW und eine Moto Guzzi. Alles seit Jahrzehnten nicht mehr bewegt. „Ick hab keene Zeit zum repariern“ meint Walter. Ob das wohl an den vielen leeren 2-l-Rotweinflaschen liegt und dem leeren Rotweinglas, mit dem er uns um vier Uhr nachmittags entgegenkommt?

Dawson City wirkt wie ein Relikt aus vergangener Zeit. Die alten Holzhäuschen wurden erhalten, größtenteils restauriert und wie früher bunt angestrichen. Die Straßen sind nicht asphaltiert, die Bürgersteige aus Holz. Wenn dann auch noch im Casino Diamond Tooth Gertie’s Gambling Hall die Revuegirls originalkostümiert beim Cancan ihre bestrumpften Beine schwingen, fühlt man sich endgültig einhundert Jahre zurückversetzt. Wer mag. Diamond Tooth Gertie gab es übrigens wirklich. Die Amüsierdame war mit den Goldgräbern zu Reichtum gekommen und hatte sich einen Diamanten zwischen die Schneidezähne geklemmt – daher ihr Name.

Wegen des gesperrten Taylor Highway wirk Dawson City wie leergefegt. Lediglich an der Eisdiele bilden sich lange Schlangen. Zu Recht. Das Eis ist nicht billig, aber eine das Abendessen ersetzende Portion und sein Geld wert. Vor der Eisdiele verquatschen wir uns mit einem Ärztepaar aus Weimar, das auf Kanadarundreise ist und das wir schon seit Inuvik kennen. Als wir an der Tankstelle 10 km vor Dawson City ankommen, die den Diesel für 1,25 $ statt 1,41 $ in der Stadt verkauft, hat diese schon zu. Ohne zu tanken wollen wir nicht losfahren, zumal der Highway noch nicht offen ist. Wir verbringen mal wieder eine Nacht hinter einer Tankstelle.

Dempster Hwy + Dawson City, Yukon – Reifenwechsel am Dempster und Landschaftsmord in Dawson

Dienstag, Juli 27th, 2010

Das Wohnmobil steht mit Warnblinklicht am Straßenrand. Zwei Jungs stehen ein wenig ratlos vor ihrem geplatzten Hinterreifen, der sich schon von der Felge gelöst hat. Es sind zwei Kanadier mit einem geliehenen Pick-up mit Kabinenaufbau, die wir seit unserer Rückfahrt von Inuvik schon ein paar Mal getroffen haben. Eigentlich hatten wir uns heute Mittag mit „See ya’ in Dawson“ verabschiedet, doch jetzt, bei km 154 des Dawson Highway, halten wir, um ihnen bei ihrer Panne zu assistieren. In ihrem Notfallhandbuch steht, dass man im Falle einer Reifenpanne seine Vermietstation anrufen soll. Ich halte das für einen guten Witz (Mobilfunk am Dempster?), aber einer der Jungs holt ein steinzeitliches Satellitentelefon heraus, erhascht einen Satelliten und bekommt eine Verbindung zur Autovermietung. Das Resultat des Gesprächs war absehbar: Man sollte den Reifen besser selbst wechseln. Der andere Kanadier holt sein Gewehr raus, lädt und entsichert es – es gibt jede Menge Bären hier, meint er. Ich versuche mir vorzustellen, wie ein Grizzly vier Menschen überfällt, um deren Reserverad zu klauen. Echt gefährliche Gegend hier. Natürlich beginnt es genau jetzt zu gewittern. Jörg wechselt den Reifen, zum Dank dürfen wir mit der Rifle ein paar Bäume totschießen. Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.

Die Landschaft vor Dawson ist zerstört und weit davon entfernt zu vernarben. Jeder, aber auch wirklich jeder Stein wurde auf der Suche nach Gold umgedreht, das Unterste zuoberst gekehrt. Schutthalden über Schutthalden, so weit das Auge reicht. Auch heute noch geht das Landschaftsmorden weiter. Berg um Berg wird abgetragen in der Hoffnung, noch ein Quäntchen des Edelmetalls zu finden. Die Überreste der Berge werden anschließend achtlos in die Landschaft gekippt.

Endlich in Dawson City angekommen ist es schon spät. Was uns andere Reisende schon seit vielen Tagen zutragen, bestätigt sich im Information Center: Wir sitzen fest. Der Top of the World Highway ist gesperrt, genauer der Taylor Highway. Eine weitere legendäre Route beginnt in Dawson und führt nach Alaska. Die Straße größtenteils auf kanadischer Seite heißt Tops of the World Highway, die Anschlussroute in Alaska Taylor Highway. Aufgrund starker Regenfälle war der Taylor bereits zehn Tage gesperrt gewesen, dann ein paar Tage befahrbar. Neuerliche Regenfälle haben weitere Auswaschungen verursacht und zu einer weiteren Sperrung geführt. Eine Alternative gibt es nicht, es sei denn, man fährt viele hundert Kilometer zurück auf den Alaska Highway. Wir haben es nicht eilig, wir sind ja erst einmal in Dawson angekommen. Es gibt ein paar private Campingplätze hier. Der staatliche bietet bei großzügigen Stellplätzen direkt am Yukon River für 12 $ die Genehmigung, Feuer zu machen und das Feuerholz kostenlos dazu. In den Rocky Mountains hat das nochmals rund 9 $ Aufpreis gekostet. Wir gönnen uns das, da wir nicht sicher sind, ob wir in der durchfurchten Landschaft einen Nachtplatz finden können und wollen.

Inuvik, Dempster Hwy, North West Territories – Noch mehr Grizzlys

Montag, Juli 26th, 2010

Die schneeweiße Iglukirche ist die bekannteste Sehenswürdigkeit der Stadt. Die Our Lady of Victory Church wurde von 1958 bis 1960 gebaut, um die Kultur und Besonderheiten des hohen Nordens wiederzuspiegeln. Die katholische Kirche war das erste Gebäude in Igluform, das nicht aus Schnee gebaut worden war. Da man sie nicht auf Stelzen setzen konnte, schaffte man ein tiefes Schotterbett, in das man eine „Betonschüssel“ eingoss. Das runde Holzgebäude sitzt nur auf den Rändern der Schüssel auf und besitzt eine Doppelwand, in deren Zwischenraum die kalte Luft aus dem Schüsselboden zirkulieren und nach oben abgeleitet werden kann. Die Führungen in der Kirche, bei denen man bis ins Dach steigen kann, lohnen sich. Schwester Maryjo erklärt, dass auch das neue Krankenhaus nicht auf Pfeilern gebaut wurde, sondern ein von Solarpaneelen gestütztes Kühlsystem im Boden besitzt, um ihn gleichmäßig gefroren zu halten. Die Nonne verrät uns auch einen Witz, den sie Kindern gerne erzählt: Um in Inuvik einen Weihnachtsbaum zu erhalten, muss man zwei Bäume fällen, und die Nadeln des einen an den anderen mit ankleben. Nur ein Witz?

In der Town Hall trägt man sich ins Gästebuch der Stadt ein und bekommt dafür Pin und Aufnäher der Stadt als Andenken. Weiteres beliebtes Souvenir sind die Autokennzeichen in Eisbärenform der Nord-West-Territorien, die man nicht heimlich abschrauben muss, sondern in Buchläden kaufen kann.

Wir treten den Rückweg an, da der Dempster Highway wieder einspurig befahrbar ist. Der nördliche Teil der Strecke besitzt keine Brücken – architektonisch vermutlich kaum zu realisieren. Bäche werden mit Schotter aufgefüllt und das Wasser durch eine oder mehrere dicke Röhren hindurchgeleitet. Die Kabelfähre ist schon in der Mitte des Flusses, als sie den Rückwärtsgang einlegt, bevor sie erneut zum Überqueren des Flusses ansetzt. Ein kompletter Baum kommt angeschwommen und droht gegen die Fähre zu donnern. Später werden wir erfahren, dass nur zehn Minuten nach uns der Fährbetrieb wegen im Wasser treibenden Baumstämmen bis zum nächsten Morgen eingestellt und die Straße damit erneut gesperrt worden ist. Welch ein Glück wir haben!

Der Dempster Highway führt durch absolut unberührte, menschenleere Natur – ein Tierparadies. Dennoch sind Tiere schwer zu beobachten, da sie scheu und nicht an Zivilisation gewöhnt sind. Wir sollen heute wieder einmal Glück haben: Zahllose Karibus kreuzen unseren Weg, ein Polarfuchs und ein Baummarder. Ein tiefdunkler Grizzlybär mit schon reichlich vorhandenem Winterspeck tut sich an den Beerenfeldern neben der Straße gütlich. Als wir uns am Polarkreisparkplatz für die Nacht einrichten, leuchtet tief unten im Tal das Fell eines weiteren, blonden Grizzlys im Sonnenlicht auf. Über Stunden können wir die Fressmaschine beobachten, wie sie die süßen Früchte nur so in sich hineinschaufelt. Bis zu 40.000 kcal pro Tag sollen es sein. Ich beschließe, heute keine Beeren ernten zu wollen und sie großzügig den Bären zu überlassen, die haben sie schließlich für ihren Winterschlaf nötiger als ich. Bis halb zwei Uhr morgens sitzen wir im Sonnenschein. Was für eine Nacht!

Inuvik, Dempster Hwy, North West Territories – Im Land der Mitternachtssonne

Sonntag, Juli 25th, 2010

Was um Himmels willen tut man in einem Land, in dem man die Sonne nie sieht? Im Winter ist es dunkel und im Sommer scheint es permanent zu regnen. Das Wetter ist suizidgefährdend wie gestern: kalt, tiefe Wolken, Nieselregen in unterschiedlichen Stärken. Da kann man sich nur dem Suff hingeben – oder? Ich weiß schon, sonst ist das Wetter gaaanz anders, iss’ klar. Nur gerade jetzt… Ich erinnere mich an das Buch eines französischen Abenteurers, der mit seiner Frau und seinem Baby Nordkanada durchquert hat, zunächst mit Pferden, später mit einem Hundeschlitten. Er jammerte über wochenlangen Regen. Als dann endlich die Sonne raus kam, kamen mit ihr die Mücken, und er wünschte sich den Regen zurück. Nieselregen hat den Vorteil, dass sich die Moskitos nicht viel daraus machen, sodass man beides auf einmal haben kann!

Eine zweite kostenlose Fähre bringt uns über den MacKenzie River. Nach weiteren 130 km gehören wir zum erlesenen Kreis der Dempster-Highway-Bezwinger und sind in Inuvik. Im Western Arctic Regional Visitor Center am Ortsanfang erhalten wir dann auch eine Urkunde für diese Leistung (auf Anfrage!). Der Wetterbericht besagt Besserung für morgen und schönes Wetter für Dienstag. Außerdem erfahren wir, dass die Straße hinter uns wieder geschlossen wurde und wir erst einmal fest hängen. Da wir heute sowieso nicht zurück wollen und morgen die Welt schon wieder anders aussieht, ist erst einmal keine Aufregung. Die beiden Angestellten des Infocenters wollen sich schier kaputt lachen über unsere „Dive now – work later“-Regenjacken. Vor allem das „work later“ (arbeite später) wäre so was von passend für Inuvik. Humor ist, wenn man über sich selbst lachen kann.

An der Tankstelle bekommen wir zum ersten Mal Kontakt mit Inuvik-Preisen. Das Tanken für 1,45 $ / l lassen wir ausfallen, aber den Hochdruckreiniger für 1 $ / min benutzen wir trotzdem. Am Ende berechnet mir der junge Mann einen Zehner für die Viertelstunde. Der Liter Milch im Supermarkt liegt bei vier, fünf Dollar, ein Glas Gewürzgurken von 1 l kostet neun Dollar und eine Packung Vollkorntoast 6,50. Zum Glück haben wir in Edmonton proviantiert, bei den Preisen vergeht uns das Essen. Ich will gar nicht mehr wissen, was das Moschusochsenhack (den zähen Burschen kann man sicher nur zerhäckselt essen) und der arktische Lachs, beides lokale Spezialitäten, kosten. Frischwaren sind rar und teuer, Fleisch und Brot gibt es hauptsächlich gefroren. Lebensmittel werden in Kühl- und Vorratshäusern gelagert. Die Versorgung erfolgt per Schiff, solange die Beaufort See nicht zugefroren ist, per Flugzeug und per Lkw, solange der Dempster Highway geöffnet ist. Im Sommer überquert man die beiden Flüsse per Fähre, im Winter fährt man über Eis. Aber zwei Mal im Jahr kommt der Verkehr zum Erliegen, wenn die Eisdecke nicht dick genug ist, die Fähre aber nicht verkehren kann – im Herbst für durchschnittlich zwei Monate, im Frühjahr für einen. Dann schnellen die Preise innerhalb von Stunden hoch, erzählt ein Inuit. Der Liter Milch koste dann schon mal 27 $ (!). Regierungsangestellte z.B. verdienen, gibt er zu, das Dreifache wie in anderen Regionen Kanadas. Aber natürlich sind die Menschen hier gewohnt, von der Außenwelt abgeschnitten zu sein und können sich ganz gut selbst proviantieren. Er selbst fahre ein paar Mal im Jahr nach Whitehorse zum Shoppen. Beim Großeinkauf bunkere er Lebensmittel für 1500 $ auf seinem Pick-up, spare aber trotz Spritkosten 2000 $. Viele Menschen aber hätten Inuvik noch nie in ihrem Leben verlassen. Dichter Verkehr und andere Gefahren würden im Süden lauern! So unterschiedlich können Sichtweisen sein. Viele Inuit würden auch heute noch ihrer traditionellen Lebensweise nachgehen: Jagen im Herbst, Fallen stellen im Winter und Fischen im Sommer. Inuvik mit seinen 3500 Einwohnern, hauptsächlich Inuit, Indianer und Weiße, ist eigentlich eine recht saubere Stadt mit freundlichen bunten Holzhäuschen. Aber natürlich gibt es auch das andere, weniger schöne Inuvik mit verkommenen Hütten. Eine überdurchschnittlich hohe Anzahl alkoholisierter Menschen läuft uns am Sonntagnachmittag über den Weg, doch man muss zugeben, es sind Mitbürger aller Hautfarben.

Inuvik wurde 1953 im Mackenzie-Delta als „Ersatz“ für Aklavik errichtet, von dem man befürchtete, es würde Überflutungen zum Opfer fallen. Aklavik hat heute noch über 600 Einwohner und ist nicht untergegangen. Dennoch sind viele Menschen nach Inuvik gezogen, und der Dempster Highway verbindet es mit der Welt. Bauen auf Permafrostboden ist höchster Schwierigkeitsgrad. Die oberen Zentimeter tauen und frieren mit den Jahreszeiten, dabei hebt sich der Boden an. In Inuvik ist die Erde zwischen 90 cm und drei Meter kontinuierlich gefroren. Um Gebäude vor Zerstörung durch Erdbewegung zu bewahren, muss man sie auf Pfosten lagern, die tief im Permafrostboden verankert sind. Zwischen Erdoberfläche und Gebäudeboden ist ausreichender Abstand einzuhalten, um die Gebäudewärme abzuführen.

Am Abend fahren wir ein Stück aus Inuvik raus auf einen Picknickplatz, wo es neben Picknicktischen und einer Feuerstelle sogar kostensloses Feuerholz gibt. Es hat etwas aufgeklart, deshalb möchten wir bei einem Lagerfeuer draußen sitzen. Gegen den Mückengroßangriff helfen Abwehrspray mit hohem Deet-Gehalt (mind. 30 %), Feuerrauch und, bei den Locals abgeschaut, möglichst komplette Körperbedeckung inklusive Kapuze und Handschuhe. Viele Einheimische gehen an diesem Platz Heidel- und Moltebeeren sammeln. Moltebeeren sind in orangefarbene Früchte ähnlich Himbeeren und Brombeeren, in Europa relativ selten. Es gibt in Norddeutschland sehr geringe, geschützte Vorkommen, in Skandinavien ist sie geläufiger. Finnland hat die Moltebeere auf seinem 2-Euro-Stück abgebildet. Eine Frau geht in die Büsche, der Mann stellt sich mit dem Gewehr auf die Ladefläche seines Pick-ups. Bei einem anderen Paar begleitet der Mann mit einem Beil bewaffnet die Frau. Zwei unbegleitete Frauen laufen zumindest mit einer Beerenbimmel in die Büsche. Auf Nachfrage sagen sie, dass sie zwar beim Beeren sammeln noch nie einem Grizzly begegnet sind, aber man kann nie wissen.

Um 1:42 Uhr morgens geht in Inuvik endlich die Sonne im Norden unter, nur um gegen 4:17 Uhr nur wenige Grad weiter östlich wieder aufzugehen – endlich können wir sie einmal sehen. Das Tageslicht bleibt die ganze Zeit erhalten.

Dempster Highway, Yukon + North West Territories – Novemberwetter am Polarkreis

Samstag, Juli 24th, 2010

Glaubt man Kanadiern und Reiseführern, hat Kanada Supersommerwetter. Es habe 30°, selbst im Yukon, und es regne ganz selten. Ehrlich! In den letzten Tagen hat es mindestens ein Mal pro Stunde geregnet, unterbrochen von kurzen wolkenfreien Phasen mit Sonnenschein. Heute regnet es seit Stunden, das Thermometer erreicht nicht mal ganz 7°. Ist wohl gerade kein Sommertag. Trotzdem ist die Tundralandschaft märchenhaft. Hohe Täler, Hügel und Berge sind komplett mit niedrigen Büschen und Gräsern überwuchert. Dazwischen winden sich klare Bäche, die, reich an Kupferoxyd, eine rotbraune Farbe angenommen haben. Sie fließen dem Ogilvie River zu, der die Straße eine Weile begleitet und stetig wächst. Der Liebreiz der Landschaft ist jedoch trügerisch: Man kann nicht einen Fuß neben die Straße setzen, ohne zu den Knien im Sumpf zu versinken. Kommt man unter 1000 m Höhe, gibt es wieder Bäume, wenn man sie so nennen will. Die putzigen Nadelbäume stehen weder hoch noch dicht und bestehen hauptsächlich aus einem dünnen schwarzen Stamm. Drumherum sind von oben bis unten ein paar dürre Nadeln angeordnet. Die Bäume verbreitern sich nach unten nicht und sehen aus wie überdimensionale Pfeifenreiniger. Unter 600 m gibt es stellenweise Laubbäume wie Birken und Pappeln, aber alles nicht sehr hoch. Die Regenfälle füllen die Ebenen immer weiter auf; die Bäume scheinen aus Seen zu wachsen. Der Fluss neben der Straße kommt bereits beängstigend nahe. Er hat eine enorme Geschwindigkeit angenommen und bildet Wellen von gut und gerne einem Meter Höhe. An Hängen neben der Straße kommt es immer wieder zu Steinschlägen und Erdrutschen. Wasserfälle bilden sich, überfluten die Straße und beginnen sie wegzuspülen. Schon sind Teile der Fahrbahn herausgebrochen. Am Ogilvie Ridge Viewpoint mit traumhafter Vogelperspektive passen wir einen Moment mit etwas weniger Regen für ein Foto ab. Ein Schweizer aus Alaska informiert uns hier, dass die Straße gestern wegen der Auswaschungen bereits einmal gesperrt gewesen ist, aber wir sind durchgekommen.

Der Fahrbahnzustand wird immer schlechter. Die Oberfläche verwandelt sich so langsam in Schmierseife und tiefe Spurrillen fahren sich aus. Das Ganze gerät zur Schlammschlacht. Ich habe noch nie so viele so schmutzige Autos gesehen. Als nächstes fahren wir in die Wolken, obwohl wir gar nicht so hoch sind. Wir befinden uns jetzt mitten in den Regenwolken, das heißt wir haben Nebel und Regen gleichzeitig, was die Stimmung echt anhebt. Es ist kalt, es ist nass und wir können nichts sehen. Die nächste Stadt ist 500 km entfernt. Etwas Aufmunterung bringt Eagle Plains. Die Servicestation auf der Hälfte der Strecke besteht aus einer kleinen Pannenhilfe, einer Tankstelle (für 1,45 $/l Diesel verzichten wir), einem Hotel mit Selbstbedienungsrestaurant und kleinem Shop, sowie einem RV Park, der aus einem Stück geschottertem Parkplatz für wenige Camper besteht. Im Restaurant gibt es dünnen Kaffee und süße Teilchen als Seelentröster. Wer möchte lässt sich bereits hier eine Urkkunde für die Polarkreisüberfahrt ausstellen. Hinter Eagle Plains hat man sich nicht einmal mehr die Mühe gemacht, eine Flugzeuglandepiste neben der Fahrbahn zu bauen. Der Highway ist die Landebahn. Bei dem Nebel besteht eher keine Gefahr, dass hier jemand rum fliegt. Und nach Instrumentenlandesystem sieht es nicht gerade aus.

Bei km 406 erreichen wir 66°33’ nördlicher Breite: den Polarkreis. Das ist der südlichste Punkt, an dem die Sonne zur Sommersonnwende am 21. Juni gerade nicht mehr untergeht bzw. am 21. Dezember gerade nicht mehr aufgeht. Alle nördlicheren Gebiete werden der Arktis zugerechnet. Das ist nicht nur eine imaginäre Linie, die Vegetation verändert sich schlagartig. Vermehrt sind große Flächen einfach von gelblich-grünem Gras bedeckt, Sträucher und Bäume, selbst die „Pfeifenreinigertannen“ wachsen spärlicher, bis sie schließlich fast ganz verschwinden. Die Straße verläuft auf einer etwa drei Meter dicken isolierenden Schotterschicht über dem Permafrostboden. Als die Richardson Mountains in Sicht kommen, überqueren wir bei km 465 die Grenze zu den North West Territories. Die Uhr wird zur Abwechslung eine Stunde vorgestellt. Es gibt lediglich ein weiteres Territorium, Nunavut, das jedoch nur per Wasser oder Luft erreichbar ist. Links von uns plötzlich wilde Flucht. Wir haben einen Teil der Porcupine Karibuherde gefunden, die im hohen Norden ihre Heimat hat. Ein paar Meter weiter ist die Herde ruhiger, ein Tier mit beeindruckendem Geweih erregt unsere Aufmerksamkeit. Daneben scheinen seltsam geformte Gewächse aus dem Buschwerk zu ragen. Aber nein, es sind die riesigen Geweihe dutzender, wenn nicht hunderter liegender Karibus. Vögel gibt es natürlich auch. Eine Eule sitzt auf einem Schneepfosten am Straßenrand, auf Dunkelheit muss sie ja nicht hoffen. Wir sehen mehrere der vom deutschen Terminus abgeleitet Jaeger genannten Raubvögel, die sich von Lemmingen ernähren.

Bei dem Wetter, so sagt man, würde man keinen Hund vor die Tür jagen. Und doch steht ein Hund, traurig und mit hängenden Ohren, auf einem Parkplatz hinter einem Auto. Gassi gehen findet er momentan eine ausgesprochen unpassende Idee, zumal er das auch noch alleine tun soll. Man stelle sich einen schrecklichen Novembertag vor mit Nebel, Dauernieselregen und der entsprechenden Temperatur, nur dass sich nicht um vier Uhr nachmittags gnädige Dunkelheit über das Desaster senkt.

Von fast 500 m fahren wir in einem Stück bis knapp Meereshöhe hinunter, um mit einer kostenlosen Fähre den Peel River zu überqueren. In Fort McPherson wenige Kilometer weiter gibt es an der Co-op Tankstelle Diesel für akzeptable 1,35 $/l. Gegen Mitternacht klart es etwas auf. Es hört auf zu regnen und die Wolken verziehen sich in höhere Lagen, wo sie hingehören. Es ist so hell wie den ganzen Tag nicht, wir sollten besser nachts fahren. Die Mücken hier oben im Norden werden nicht nur größer, sie haben auch eine robustere Konstitution. Man muss sie schon mit „schlagenden“ Argumenten überzeugen, dass sie genau jetzt in die ewigen Jagdgründe eingehen wollen.

Silver Trail + Klondike Hwy + Dempster Hwy, Yukon – Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen

Freitag, Juli 23rd, 2010

Direkt vor unserer Kabinentür pflücke ich Himbeeren von einem Strauch, der in voller Frucht steht. Kürzlich hatte ich ein ganzes Feld reifer Walderdbeeren gefunden. Es beginnt die Zeit, in der man vorsichtig in den Busch gehen sollte. Wenn Bären Beeren fressen, sind sie unaufmerksam. Bei Stewart Crossing haben wir gestern Abend den Klondike Highway für einen kurzen, 250 km langen Ausflug verlassen. Auf dem Silver Trail fahren wir über Mayo nach Elsa und Keno. Dort wurde bis 1989 eine der größten Silberminen Nordamerikas betrieben. Nach dem Preisverfall des Silbers und Schließung der Mine hat Mayo jegliche wirtschaftliche Bedeutung verloren. Elsa und Keno erging es noch schlechter, dort leben jeweils nur noch eine Handvoll Menschen, die Orte sind zu Geisterstädten verkommen. In Keno kann man Schachtgerüste, Aufbereitungsanlage und ein Museum besuchen, das von besseren Zeiten berichtet. Höhepunkt ist die Fahrt über eine steile, enge, zehn Kilometer lange Schotterpiste auf den Keno Hill, die von den meisten Fahrzeugen passiert werden kann, außer von größeren Wohnmobilen, Gespannen und Autos mit sehr niedriger Bodenfreiheit. Der Pfad windet sich im Zickzack auf den 1849 m hohen Berg. Der Aussichtspunkt wartet mit einer grandiosen Fernsicht auf und einem weiteren vielgesehenen Fotomotiv: dem Sign Post, einem Wegweiser mit Richtungs- und Entfernungsangaben zu allen großen (Berlin) und bekannten (Heidelberg) Städten der Welt, aber Paris, London und andere sind natürlich auch darunter. Hier oben hat es nur noch 8°, also ziehen wir uns zum Mittagsimbiss in die Kantine zurück. Durch das Moskitonetz der geöffneten Eingangstür beobachten wir zwei Murmeltiere. Eines davon nähert sich aufmerksam beobachtend, aber gezielt dem Unimog. Am rechten Hinterrad verschwindet es unter dem Wagen. Plötzlich ein Scheppern. Was macht das Vieh da bloß? Es klappert nochmals und nochmals. Das Murmeltier muss wohl unseren Eimer untersuchen, der hinten unter dem Wagenboden hängt. Bevor wir abfahren, versichern wir uns, dass wir keinen blinden Passagier befördern. Eisgraue Murmeltiere murmeln wahrhaft viel herum: Sie halten bis zu neun Monate Winterschlaf.

So langsam stellen sich erste Verluste ein. Seit Watson Lake spinnt unsere Kamera. Wir können ein, manchmal zwei Fotos machen, dann zeigt sie einen Fehler an, der nur behoben werden kann, indem man den Akku kurzfristig entfernt. Danach wiederholt sich das Spiel. Das ist nervtötend bei Landschaftsaufnahmen, aber eine Katastrophe bei der Tierfotografie. Heute Mittag lassen wir auch noch eines unserer Objektive fallen. Danach liegt von innen Schmutz auf der Linse. Ein Reparaturversuch scheitert und macht das Objektiv völlig unbrauchbar. Es gibt kein Telefon, kein Internet und wir sind ein paar tausend Kilometer von der nächsten Einlaufsmöglichkeit oder Servicestation entfernt.

Auf der Rückfahrt nehmen wir einen Rundweg von Keno über die Duncan Creek Road nach Mayo zurück. Der ursprüngliche, alte Silberweg ist eng und nicht in bestem Zustand, aber allemal eine spaßige „off-road“-Fahrt wert. Als wir wieder auf den Klondike Highway einbiegen, spricht uns an der Tankstelle ein ortsansässiger Indianer auf unseren Unimog an. Er kennt sich aus; als er fachmännisch feststellt, dass der von Hellgeth gebaut wurde, bleibt uns vor Staunen der Mund offen stehen. Die Firma kennt er von Internetrecherchen über Allradfahrzeuge.

40 km vor Dawson City biegen wir in den Dempster Highway ein. Noch 740 km bis Inuvik. Diese Route ist ein Muss für Menschen, die die typische Einsamkeit des hohen Nordens Kanadas suchen. Nur Begin und Ende sind für wenige Kilometer asphaltiert, der Rest ist Piste. Der Dempster Highway ist die einzige Straße in Kanada, die den Polarkreis überquert. Eröffnet wurde sie 1979 nach sagenhaften 20 Jahren Bauzeit. Die ständige Erosion durch die extremen klimatischen Bedingungen bereitet auch heute noch Probleme und erfordert ständige Wartung. Sergeant William Dempster (1876 – 1964), Namensgeber des Highway, stand 37 Jahre lang im Dienst der North West Mounted Police im Yukon. Der ab 1904 übliche Patrouillen- und Postdienst zwischen Fort McPherson und Dawson City wurde auch während der Wintermonate aufrecht erhalten. Dempster hatte sich schon früh einen Namen gemacht, als er die damals ca. 770 km lange Strecke mit Hundeschlitten nicht nur öfter als alle anderen, sondern auch in einer Rekordzeit von 14 statt durchschnittlich 20 bis 25 Tagen bewältigte. Als er eine im Dezember 1910 verschollene Patrouille im März darauf nach wochenlanger Suche nur noch tot bergen konnte, bekam er den Auftrag, die Strecke sicherer zu machen. In den darauffolgenden Wintern markierte er die Route und baute Notunterstände. Die Lost Patrol liegt heute noch in Fort McPherson begraben, in dessen Nähe man sie gefunden hatte.

Die Strecke, die größtenteils dem alten Indianer- und Hundeschlittenpfad folgt, führt höher und höher durch die Ogilvie Mountains. Nach 75 km hat man vom Tombstone Mountain View Point einen sagenhaften Blick über Berge und Täler. Ein paar Kilometer weiter überquert man den North Fork Pass, mit 1300 m der höchste Punkt der Straße und ist damit in diesen Breiten schon weit über der Baumgrenze. Das Hochplateau und die umliegenden sanften Berge sind mit Gräsern und niedrigem Gebüsch bewachsen, dazwischen blühen immer wieder Blumenfelder, Bäche und Teiche blitzen im Sonnenlicht. Eine liebliche Landschaft, die jedoch etwas trügt. Verlässt man den Highway, muss man gut aufpassen, wo man hinfährt, denn es ist fast alles Sumpfland, in dem man auf der Stelle einsinkt. Ein Rotfuchs schleicht an Arminius vorbei, ein kleiner Hase hoppelt kurz darauf hinterher. Sicher wollen sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.

Campbell Hwy und Klondike Hwy, Yukon – Ein einsamer Highway und ein grandioser Fluss

Donnerstag, Juli 22nd, 2010

Heute Morgen beim Losfahren gleich der erste Schreck: Wir sind eingesperrt! Gestern Abend sind wir zum Übernachten in ein scheinbar unbenutztes da zugewachsenes Schotterdepot gefahren, das Tor ist offen gewesen. Am Morgen dann haben wir ein Auto an der Zufahrt halten gehört. Und jetzt das! Ich überlege schon, mit welchem meiner Werkzeuge ich uns den Weg durch Büsche und Bäume um das Hindernis herum frei schlagen könnte. Mit der Axt? Vielleicht mit der Machete? Oder muss Jörg doch seine in Einzelteile zerlegte und verstaute Kettensäge zusammensetzen und in Gang bringen? Alle Aufregung umsonst. Das Gatter ist zwar zu, aber nicht abgeschlossen.

Bei 11° Außentemperatur drehen wir die Heizung auf und kurz darauf den Scheibenwischer an. Der Regen verwandelt die Schotterstraße in eine glitschige Schlammpiste, wir besudeln Arminius von unten bis oben (dachte ich an dieser Stelle). Zum Glück ist er beige, da fällt es nicht so auf. Der Campbell Highway windet sich zwischen den zwei Bergketten durch und überquert dabei zahlreiche Flüsse und Bäche. Eine Brücke führt über eine tiefe enge Felsschlucht, in der ein Fluss fließt so kristallklar, dass man bis zum Grund sehen kann. Das Wasser ist jedoch nicht farblos, sondern smaragdgrün wie dunkle Waldmeisterlimonade. Immer wieder überraschen uns kleine Flugzeuglandepisten direkt neben der Straße, die eine wenig vertrauenerweckende Länge aufweisen. Die beiden einzigen Siedlungen am 580 km langen Highway, Ross River und Faro, liegen jeweils 10 km abseits der Straße. Da wir weder tanken müssen, noch etwas brauchen, und die Orte mit je ca. 400 Einwohnern kaum Attraktionen zu bieten haben, lassen wir sie rechts liegen. Angesichts der riesigen abgebrannten Waldflächen, die wir passieren, bin ich ganz froh, dass es immer wieder regnet. Kurz vor Ende der Route stoßen wir auf den Yukon River. Der Fluss beeindruckt uns auf Anhieb. Er ist grün, breit und schnell. Ein Paar in einem Doppelkanu ist nur als kleiner Punkt zu sehen. Im nächsten Moment sind sie, ohne zu paddeln, herangerauscht und auch schon wieder verschwunden. Der mächtige Fluss hat ein ganzes Labyrinth aus Nebenarmen und großen, bewaldeten Inseln geschaffen.

Auf der gesamten schönen, einsamen Strecke sind wir vielleicht zehn Fahrzeugen begegnet. Bei Carmacks stoßen wir auf den Klondike Highway. Hier gibt es nichts außer einer Tankstelle mit erträglichen Preisen und erstaunlich gut sortiertem Supermarkt. Ein paar Kilometer nördlich lohnt sich ein Blick auf die Five Finger Rapids. In den von oben gar nicht so gefährlich wirkenden Stromschnellen kamen zahlreiche Goldsucher auf ihrem Weg nach Dawson City um. Selbst die Schaufelraddampfer in späteren Jahren hatten ihre Not.

Watson Lake, Alaska Highway, Yukon – Osterhausen goes international

Mittwoch, Juli 21st, 2010

Die Bisonbullen sind bereits aus ihren nördlichen Territorien herunter gekommen, um sich mit den Kühen zu paaren. Noch liegen sie friedlich an den Hängen jenseits des Straßengrabens, schnaufen so kräftig in ihren dicken Bauch, dass es aus den Nüstern dampft und wiegen ihren Kopf hin und her wie ein Wackel-Dackel auf der Hutablage eines Autos. So ein Bulle, bis knapp eine Tonne schwer, der nicht bejagt wird, lässt Menschen relativ nah an sich heran und hebt geduldig den Kopf oder auch mal die Beine, um den Fotos etwas mehr Action zu verleihen.

An einer der zahlreichen Alaska Highway Baustellen müssen wir wegen einspuriger Verkehrsführung halten. Die Lady mit dem Lollypop in der Hand, auf dessen einer Seite „stop“ und auf der anderen „slow“ – langsam steht, informiert uns, dass die Wartezeit 20 – 25 min beträgt. Eine lange Baustelle, aber auch an solchen wird in Kanada der Verkehr meist nicht mit Ampeln, sondern von Personen, sogenannten flaggern geregelt. Dazu gibt es häufig ein sog. pilot car, ein Lotsenfahrzeug, das dem Verkehr jeweils voraus fährt.

Der Contact Creek ist die Stelle, an der sich die beiden Bautrupps des Alaska Highway getroffen und ihn durch eine Brücke verbunden haben. Es hat sich herumgesprochen, dass die hiesige Tankstelle den billigsten Kraftstoff im Umkreis von hunderten Kilometern verkauft. Lange Schlangen haben sich gebildet. Zwei organisierte Reisegruppen mit je 26 Reisebus-Wohnmobilen, die letzte Nacht schon den Liard Springs Campground überflutet hatten, machen hier ebenfalls Halt. Zum Glück fahren die Gruppen nicht in Konvois, sodass man nie alle auf einmal vor sich hat. Die Wartezeit hat sich gelohnt, denn wir bekommen den Diesel für 1,039 statt 1,079 $, weil wir mehr als 100 Liter tanken.

70 km weiter queren wir die Grenze zum Yukon, einem von drei Territorien Kanadas. Territorien haben nicht die gleichen Selbstverwaltungsrechte wie Provinzen. In Watson Lake steht der berühmte Schilderwald. Beim Bau des Alaska Highway stellte der heimwehkranke Soldat Carl K. Lindley aus Illinois ein Schild seines Heimatortes Danville auf und gab damit den Anstoß für tausende andere Reisende ihm nachzueifern. Mittlerweile sind an den immer neuen Pfosten, die die Stadt aufstellen lässt, etwa 65.000 Schilder aus aller Herren Länder angenagelt, darunter Ortsschilder, Autokennzeichen und selbstentworfene Schilder. Seit heute Nachmittag ist auch die Gemeinde Osterhausen, Kreis Mansfeld-Südharz, Land Sachsen-Anhalt darunter. Wir möchten betonen, dass Osterhausen in vorderster Linie von der Straße aus sichtbar ganz oben angebracht ist. (Meine bayerische Geburtsstadt möge es mir verzeihen, dass ich keines von ihr aufgestellt habe, aber es befindet sich bereits eines dort.) Gleich daneben hängt jetzt das Schild von Melvin dem Schweißer aus Capstick, Cape Breton Island, der uns um diese Gefallen gebeten hatte. Voraussetzung für die besten Plätze ganz oben am Pfosten ist natürlich eine entsprechend lange Leiter.

In Watson Lake tricksen wir Lissy aus. Wir verlassen den Alaska Highway und biegen rechts ab. Der Robert Campbell Highway wurde nach einem Pelzhändler benannt, der Mitte des 19. Jhdts. eine Kanuroute quer durch das Yukon Territory gefunden hatte. Die Straße folgt der Strecke weitgehend in einem Tal zwischen zwei Gebirgszügen. Die umgebenden Berge, Flüsse und Seen, die Waldtundra mit niedrigerem, weniger dichtem Baumbestand, die Gräser und blühenden Blumen machen die Strecke landschaftlich sehr reizvoll. Die Schotterpiste ist manchmal nicht wesentlich breiter als ein besserer Feldweg, zum Teil aber schon neu ausgebaut. Eine weitere lange Baustelle, an der wir gebeten werden, zehn Minuten zu warten, weist tiefe Spurrillen im Schlamm auf. Bei Regen eine echte Aufgabe für Pkw und Wohnmobile.

Gestern Abend war Essen ausgefallen, daher gibt es Bisongulasch heute. Der Schnellkochtopf schafft selbst langfaseriges Bisonfleisch. Mit Zwiebeln, Pfeffer, Paprikapulver und Tomatenmark zubereitet wie Rindsgulasch ist es zart und delikat.

Liard Hot Springs, Alaska Highway, British Columbia – Mutprobe in heißen Quellen

Dienstag, Juli 20th, 2010

Ich bin im falschen Film. Ich fahre auf dem Alaska Highway und es ist heiß. Es hat 30° und, schlimmer, die Sonne sticht als sollte es heute noch ein böses Gewitter geben. Die meiste Zeit in Kanada habe ich mich gefragt, wozu ich Sommerklamotten eingepackt habe. In der Unimog-Fahrerkabine mit der steilen Scheibe ist es aber erträglich. Außer den Knien und vielleicht einem Arm sitzen wir immer im Schatten. Die Insekten, die zum offenen Fenster herein fliegen, werden auch immer größer und seltsamer. Auffallend ist, dass zahlreiche Tankstellen, Motels oder Shops geschlossen haben. Auch viele Unternehmen am Alaska Highway sind der Rezession zum Opfer gefallen.

Der Alaska Highway ist eine Dauerbaustelle. Witterung und Verkehr setzen, dass er permanent ausgebessert werden muss. Man sollte darauf vorbereitet sein, jederzeit anhalten zu können, da viele Baustellen nur jeweils in einer Fahrtrichtung passiert werden können. Es sind tatsächlich mehr Wohnmobile als andere Fahrzeuge unterwegs: Camper, Wohnwagengespanne oder Pick-ups mit Wohnauflieger. Aber bisher sind wir keinem einzigen Expeditionsmobil begegnet. Dafür anderen deutschen Reisenden. Ein älteres deutsches Ehepaar, das zu Beginn einer geführten Südamerikarundfahrt schon einmal vier Wochen auf ihr Wohnmobil warten musste, da die Autofähre einen Motorschaden erlitten hatte. Diesmal ist ihr eigener Motor kaputt und sie hängen seit fast fünf Wochen im 4500-Einwohner-Nest Fort Nelson fest, auf die Ersatzmaschine wartend. Ein Bundeswehrabgänger fliegt kreuz und quer durch die Welt, mietet sich ein Auto und fährt zeltend durch die Länder.

Irgendwas hat der Alaska Highway an sich, die sonst so besonnenen Kanadier zu flotterem Fahren zu animieren. Plötzlich überholen sie, was sie sonst selten tun, und das an Stellen, wo es nicht immer empfehlenswert ist. Ab Spätnachmittag, so gegen fünf, hat man die Straße dann fast für sich alleine. Die wohnmobile haben sich bereits auf die Campingplätze zurückgezogen, aber auch wildes Campen ist hier durchaus üblich. Das sind die schönsten Stunden zu fahren. Das Licht wird weich und das Wild kommt heraus. Die Straße ist kurvig und hügelig, sie führt durch das Bergland der nördlichen Rocky Mountains. Besonders attraktiv ist die Streckenführung direkt am Ufer des kupferoxydgrünen Muncho Lake entlang. Wir sehen heute einen Schwarzbären, zwei Karibus, etliche Bergziegen und sieben Elche, darunter eine Mutter mit Baby und zwei Böcke, denen bereits ein eindrucksvolles Geweih gewachsen ist. Um halb acht Uhr abends erreichen wir die Liard Hot Springs. Die heißen Schwefelquellen in den nördlichen Rockies sind legendär, da sie mitten im Wald liegen und die beiden Pools weitgehend naturbelassen wurden. Jede Menge Trucker gönnen sich hier ein Bad, viele von ihnen haben uns empfohlen, hier unbedingt anzuhalten. Ein Holzplankenweg führt durch die warmen Sümpfe im Wald, wo üppiges, fast subtropisches Grün gedeiht und sich Heißwasserfische tummeln, die man vielleicht nicht mal mehr kochen muss. Für Benutzer des staatlichen Campingplatzes ist das Baden in den Quellen kostenlos, aber der ist in der Hochsaison spätestens am Vormittag schon voll, wenn er nicht schon vorgebucht ist. Tagesbesucher zahlen seit einiger Zeit 5 $ pro Person. Da wir aber so spät dran sind und die Ranger gerade einpacken, winken sie uns einfach durch. Es ist ganz offiziell erlaubt, auf dem Parkplatz auf der anderen Straßenseite zu nächtigen. Ein paar Meter weiter gibt es noch einen privaten Campground. Der hintere, 800 m entfernte Quelltopf ist 3 m tief und soll 42° haben. Wir überhitzen schnell beim Schwimmen im heißen Wasser und wollen den vorderen Pool ausprobieren, der nur 500 m vom Eingang entfernt liegt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Temperaturangabe 58° korrekt ist, werde aber schnell eines Besseren belehrt. Die Becken sind flach, man kann darin herumlaufen, Das Schwefelwasser ist heiß, aber an manchen Stellen quillt es unerwartet aus dem Boden, sodass man erschreckt zurückspringt, weil man sich fast daran verbrüht. Verletzungen zieht man sich erst ab etwa 60° zu, aber der Schmerz scheint schon hier unerträglich zu sein. An einer Stelle, die nur erreichbar ist, wenn man sich durch die Austrittsstellen hindurchwagt, haben Mutige Steinmännchen errichtet und jeder Erfolgreiche fügt einen weiteren Stein hinzu, begleitet vom Applaus der Umstehenden. Zunächst scheint das Unterfangen unmöglich, es soll aber klappen, wenn man sich kontinuierlich bewegt. Beim ersten Mal funktioniert das, leider ohne Kamera. Als wie die Prozedur wiederholen um Beweisfotos zu erhalten. Hat sich der Wasserstrom irgendwie verändert und ich kehre mit krebsroten, brennenden Beinen zurück. Je weiter man dem Unterlauf der Becken folgt, desto mehr kühlt sich das Wasser ab, man kann sogar unter quer liegenden Bäumen hindurch schwimmend in einen verwunschenen Feenwald eintauchen und gekochte Fische suchen. Zurück am Parkplatz ist es zu spät zum Weiterfahren. Außerdem läuft nebenan eine Party, zu der sich ein paar Kanadier und Amerikaner zusammen gefunden haben, und die uns mit deutschem Holsten Bier anzulocken versuchen. Um Mitternacht ist es immer noch hell. Die Sonne geht zwar für ein paar Stunden unter, aber sie entfernt sich nicht weit vom sichtbaren Horizont, sodass es auch nachts ziemlich hell bleibt.

Fort St. John, Alaska Highway, British Columbia – Unendliche Entfernungen, grasende Bären und Bisonsteaks

Montag, Juli 19th, 2010

Udo und Ursel aus der Nähe von Kiel züchten Rinder in einem Siedlungsgebiet, das sehr passend Bonanza heißt. Sie haben uns gestern Abend am Fluss entdeckt und uns eingeladen, sie auf ihrer Ranch zu besuchen. Sie sind 1986 hierher gekommen, um eine große Farm zu haben. Heute besitzen sie noch rund 120 Kühe, fast so viele Kälber und ein paar Bullen. Die beiden haben sich verkleinert nachdem die Kinder aus dem Haus waren und sie die Ranch nur noch zu zweit betreiben. Obwohl sie offiziell kein als „organisch“ ausgezeichnetes Fleisch produzieren, wird die Farm ökologisch betrieben. Es geht auch ohne Spritz- und Düngemittel, meinen sie. Einzig die Heuschrecken machen ihnen Probleme. Sie fressen das Gras so weit ab, dass für die Rinder nichts mehr übrig bleibt. Gegen die Grashüpfer aber, die alle paar Jahre auftauchen, könne man sowieso nicht viel machen. Ein Grundproblem in ihrer Gegend ist Wassermangel. Fast unvorstellbar im Land der zwei Millionen Seen. Es sind auch durchaus ein paar Sümpfe auf den Ländereien, aber das, was nicht sumpfig ist, ist eben gleich sehr trocken. Die Ernteerträge sind schlecht, manchmal reicht es nicht mal für die Kühe. Auch die Ackerbauern haben es nicht einfach hier. Die Wachstumsphasen zwischen den langen kalten Wintern sind so kurz, dass die Farmer es manchmal nicht schaffen, im Jahr der Aussaht ihre Ernte einzufahren. Der Raps, der in diesem Jahr im Mai geerntet wurde, war im letzten Frühjahr ausgesät worden. Die Regenfälle im Sommer sind sehr spärlich, Grundwasser gibt es so gut wie nicht, damit auch keine Brunnen. Eine Kuh säuft am Tag 70 – 80 l Wasser, an warmen Tagen oder im Winter, wenn sie Heu frisst, noch mehr. Das Wasser für die Kühe wird in künstlich angelegten Teichen gesammelt, die in den gut dichtenden Lehmboden gegraben werden. Das Wasser stammt hauptsächlich von der Schneeschmelze, doch selbst dafür muss man sich ins Zeug legen: Man sammelt den Schnee mit Schneefangzäunen und leitet das Schmelzwasser dann in die Teiche. Wenn im Winter genug Niederschlag fällt, müssen die Rinder Schnee fressen. Ohne Lunch wollen uns Ursel und Udo nicht gehen lassen. Es gibt selbstgemachte Wildsalami und Wildleberwurst, schmackhaft und mager, dazu selbstgebackenes Brot.

Dann verlassen wir Alberta endgültig und fahren für ein paar hundert Kilometer nach British Columbia, die westlichste Provinz Kanadas. Damit beträgt der Zeitunterschied zu Deutschland bereits neun Stunden. Ein kleiner, aber kräftiger Tornado saugt Staub aus dem Straßengraben und schüttelt Arminius durch. In Dawson Creek beginnt der legendäre Alaska Highway. Der Startpunkt, Mile Zero, ist mit einem Monument markiert. Die Straße wurde 1942 im 2. Weltkrieg aus strategischen Gründen in nur sechs Monaten errichtet, später aber mehrfach saniert, sogar teilverlegt und damit verkürzt worden. Heute ist die touristisch wichtige Trasse durchgehend asphaltiert, sehr gut befahrbar und stellt nicht einmal für die zahlreichen Wohnmobilfahrer im Sommer eine Herausforderung dar. Der Alaska Highway ist heute statt 2288 nur noch 2230 km lang. Wir aber werden vorerst nur ein Teilstück davon befahren und den Rest später bzw. auf dem Rückweg von Alaska nach Süden. Unser Weg führt zunächst in den Norden Kanadas nach Inuvik. Dazu gibt Navi Lissy ihre bislang frustrierendste Anweisung: „Biegen Sie in eintausendvierhundertsechzehn Kilometern rechts ab.“

Die ersten Meilen sind zwar etwas hügeliger und dichter bewaldet als die Prärie, aber nicht sonderlich aufregend. Nach 70 km in Fort St. John kann man gut einkaufen und noch einmal zu erträglichen Preisen tanken. 100 Kilometer weiter liegt bei 17° reichlich Schnee am Straßenrand. Unmöglich? Hier muss wohl ein so heftiger Hagelschauer niedergegangen sein, dass die Fahrbahn schon komplett abgetrocknet ist, die Eishügel im Gras aber noch nicht abgetaut sind. Von 400 m Höhe in der Prärie sind wir jetzt schon auf 1000 m hoch gefahren und die Rocky Mountains kommen wieder in Sicht.

Im Straßengraben frisst ein Schwarzbär begeistert Klee. Er lässt sich durch nichts stören. Weder durch vorbeirasende Trucks, noch durch quietschende Bremsen oder klappernde Autotüren, noch durch ein neugieriges Menschenpaar das vor seiner Nase herumtanzt und den Fotoapparat klicken lässt. Der Bär weidet wie eine hungrige Kuh, die seit drei Tagen nichts mehr zu Fressen bekommen hat. Sein schwarzes Fell glänzt gesund wie Speckschwarte. Der kurz darauf folgende Elch, die Füchse und Hirsche sehen auch nicht schlechter aus, genau wie die nächsten zwei Schwarzbären, die aber nur noch als Strich in unserer Statistik Eingang finden.

Noch 999 km bis zur Kreuzung nach Inuvik. Wir biegen in den Wald ab zum Schlafen. Auf dem ziemlich kurzen Weg von der Fahrer- in die Wohnkabine fressen uns die Mücken schier auf. Leider finden sie auch im Camper Möglichkeiten, durchs Moskitonetz oder an ihm vorbei zu schlüpfen. Wir kleben die Ränder als mögliche Schwachstelle vorübergehend mit Klebeband zu. Wir können nur hoffen, dass die angeblich riesigen Mücken in Alaska zu fett sind, um durchs Netz oder die Ritzen zu kriechen.

Zum Abendessen holen wir einen Pack Bison-Lendensteaks aus dem Kühlschrank. In der eineinhalb Kilo Packung sind erschreckend wenige Steaks: zwei Stück, um genau zu sein. Ich brate trotzdem beide, obwohl wir nur einen Bruchteil schaffen werden. Büffel ist definitiv nichts für Leute, die ihr Steak gerne als Schuhsohle gebraten haben. Es wird ungenießbar. Medium-rare ist die einzig mögliche Zubereitungsart. Außerdem ist Bison nichts für Gebissträger. Es erfordert doch ein paar Anstrengungen der Kaumuskulatur und einen gesunden Zahnbestand. Vom Geschmack her ähnelt es zwar Rind, ist aber irgendwie kräftiger, intensiver. Morgen werden wir aus dem Rest der Steaks Gulasch im Dampfdrucktopf zubereiten.

Peace River, Alberta – Kojoten heulen bei Halbmond

Sonntag, Juli 18th, 2010

Bis Inuvik sind es 2900 km. Ein schlagendes Argument, die Hufe zu schwingen. Der Himmel über der Prärie ist weit, immer wieder türmen sich weiße Wolken im Blau. Gelb blüht der Raps, aber er steht niedrig. Es ist Mitte Juli, in Deutschland verblüht er bereits Anfang Mai. Der Mickerweizen ist vielleicht 30 cm hoch, wird aber schon langsam bleich. Keine gute Ernte dieses Jahr. Linker Hand grast friedlich eine domestizierte Bisonherde. Unser Bedarf an Bison ist gedeckt, da Archies Nachbarn, ihres Zeichens Bisonzüchter, uns eingedeckt haben. Weitere zehn Kilo Bisonsteaks verstopfen Kühl- und Gefrierschrank.

Der Peace River ist noch einer dieser Flüsse, die sich vor Urzeiten unsichtbar aus der Entfernung in die Prärie hineingedrängelt haben – eine willkommene Abwechslung im Prärieeinerlei. In der Stadt Peace River ist der Supermarkt No Frills hinter Canadian Tire ein guter Tipp. Hier gibt es eine sehr schöne Obst- und Gemüseauswahl und die meisten Artikel sind sogar günstiger als in anderen Supermärkten im weiten Umkreis. Eine traumhaft einsame Schotterpiste führt uns am Abend noch einmal steil hinunter ins Tal. Wir suchen uns einen Platz am tatsächlich friedlichen, doch schnell fließenden Fluss und freuen uns über Natur und Einsamkeit. Nicht zu lange. Natur bleibt, Einsamkeit geht. Der Halbmond geht am gegenüberliegenden Ufer unter und spiegelt sich im Flusswasser. Ein paar Kojoten bellen hell und heulen. Wir sind wohl doch nicht ganz alleine.

Slave Lake, Alberta – Erwachsenenspiele im Wald

Samstag, Juli 17th, 2010

Heute gehen wir spielen in den Wald. Das ist so ähnlich wie bei Kindern, nur sind die Spielzeuge größer. Wir fahren mit Archie und einem von seinen Hägglunds in die Berge, Bruder Ron mit Frau Helen bringen ihren eigenen mit, dazu jede Menge Verpflegung fester und flüssiger Art, um den anstrengenden Tag zu überstehen. Hägglunds sind Doppelkabinen-Raupenfahrzeuge der schwedischen Armee, die nach Ausmusterung restauriert und technisch aufbereitet in schwer zugänglichen Gebieten eingesetzt werden, die sonst nur per Hubschrauber erreichbar wären. Es hat so ein bisschen was von Panzer fahren, nur nicht armiert. In Kanada, Alaska oder auch Russland werden Hägglunds beispielsweise zur Kontrolle und Wartung von Öl- und Gaspipelines verwendet, aber auch zur Jagd, zum Holz machen oder einfach zum Spaß. Archie ist einer der Haupthändler für Hägglunds in Kanada, und in seiner Straße hat fast jeder mindestens einen. Wir fangen erst mal auf einer gewöhnlichen Schotterpiste an, schlagen uns dann auf einen Waldweg und steigern und zur Querwaldeinfahrt. Durch Flüsse fährt man einfach durch. Sollte doch einmal ein Teich etwas zu tief sein, kein Problem, das Ding schwimmt ja auch. Das Amphibienfahrzeug wird auch im Wasser von den Ketten angetrieben. Nur einmal hat sich ein Bach zu tief ins Bett eingeschnitten und einen Steilhang konstruiert, der selbst für ein Kettenfahrzeug unüberwindbar scheint. Abhilfe schaffen ein paar Baumstämme, mit denen wir das Bachbett auffüllen und so eine Art Brücke schaffen. Über liegende Baumstämme fährt man hinweg; stehende Birken bis vier, fünf Meter Höhe sind kein Problem, die nimmt man mittig und fährt sie einfach um. Sollte doch einmal in seltenen Fällen ein größeres Exemplar unvermeidbar den Weg blockieren, hilft die Kettensäge. Vermutlich gibt es immer noch genügend Bäume in Kanada, aber möglicherweise hinterlassen wir so etwas wie eine kleine Schneise der Verwüstung. Ich werde ab jetzt den Gott der Bäume in mein Abendgebet einschließen. Wir konsternieren ohne Absicht einen Hirschen, scheuchen ein paar Fasane auf und verjagen zwei Klee fressende Schwarzbären. Sonst bekommen wir keine Tiere zu sehen, was angesichts des Lärms, den wir veranstalten, nicht verwunderlich ist. Und was heute einfach mal egal ist.

Um Mitternacht zuckt das letzte Abendrot über den Himmel wie die verlöschenden Flammen unseres Lagerfeuers. Der Norden ruft.

Slave Lake, Alberta – Seebarbecue statt verpasster Gelegenheiten

Freitag, Juli 16th, 2010

Schon zum zweiten Mal verpassen wir eine Megaparty. Nach der Calgary Stampede versäumen wir mit Verlassen Edmontons auch deren Capital EX. Die Stampede gilt als größtes Outdoor Event der Welt (wieder eines von Kanadas heißgeliebten Superlativen) und zieht alljährlich bis zu 1,2 Millionen Besucher an. Beliebteste Disziplinen des zehntägigen Monster-Rodeos sind Pferdezureiten, Bullenreiten, Lassowurf mit Kälberfesseln und, als allabendlicher Höhepunkt, das Chuckwagon Race, das vierspännige Planwagenrennen. Die Eintrittspreise sind allerdings genauso superlativ. Kostenlos dagegen gibt es an vielen Imbissständen in der Stadt, in vielen Kneipen, Firmen und öffentlichen Einrichtungen den ganzen Tag Pancakes und Kaffee. Die Stampede beginnt traditionell am 2. Freitag im Juli, wir hatten Calgary jedoch am Mittwochmorgen verlassen. In diesem Jahr wird das Rodeo nicht zu viel Glück haben. Zahlreiche Pferde werden eingeschläfert, etliche Zuschauer verletzt werden.

Für Edmontons Capital EX sind wir eine ganze Woche zu früh dran. Dieses Volksfest mit zahlreichen Fahrattraktionen, Bühnenentertainment und Goldschürfen wartet ebenfalls mit einem Chuckwagon Derby und als Höhepunkt dem RCMP Musical Ride auf, bei dem die Mounties in ihren roten Paradeuniformen auftreten. Wir jedoch verabschieden uns von den Jungs von Prestige Auto Repair. Al drückt uns noch einen Bisonbraten in die Hand mit wichtigen Hinweisen zur Zubereitung, dann sind wir schon wieder auf dem Weg durch die Prärie, die noch nicht an Spannung zugelegt hat. Flaches Land mit Wiesen und Wäldern, eine Straße ohne Kurven, hin und wieder ein paar Raps- und Weizenfelder, ein paar Flüsse und ein paar Seen. Der Slave Lake ist heute Endstation. Archie und Torrie besitzen hier ein paar zusammenhängende Seegrundstücke. Von dem „Entertainment Center“ genannten Nebengebäude würden andere Menschen als Haupthaus nur träumen. Allein die Terrasse wäre groß genug, darauf ein deutsches Haus zu bauen. Drinnen dürfen diverse Schlaf-, Wohn- und Esszimmer nicht fehlen, genau wie Bad und Wohnküche. Das größere der Wohnzimmer ist teilumfunktioniert zum Privatmuseum. Mehrere hochglanzpolierte Corvettes und Harley Davidsons neben einem metallicschwarz lackierten Speedboot blitzen derartig makellos, dass man sich fragt, wer hier den ganzen Tag Staub wedelt. Bei der abendlichen Party kommen neben selbstangebautem Gemüse aus dem hauseigenen Garten unvorstellbar zartes, saftiges, erstklassiges 1A-Alberta Beef aus dem Smoker, das man mit der Zunge zerdrücken könnte. Nach einer nicht näher zu definierenden Anzahl Biere oder Drinks wiegen uns die Wellen an unserem Seecamp plätschernd in den Schlaf.

Edmonton, Alberta – Sparen beim Tanken

Donnerstag, Juli 15th, 2010

Heute Morgen kommt endlich unser Paket, auf das wir so lange warten. Die quirlige Postfrau ist eine Schau: Die kurz vor der Pensionierung stehende Vierfachoma (nichts davon sieht man ihr an) klettert kurzerhand in ihrem kurzen Röckchen auf unserer Leiter bis fast zum Dach hoch, wirft uns ihre Kamera zu und verlangt nach einem Erinnerungsfoto. In dem Paket sind zwei Wasserhähne, die wir aus Deutschland bestellt haben, um unsere leckenden und tropfenden Günstigteile im Bad zu ersetzen. Die Badreparatur- und regulären Wartungsarbeiten werden heute zu einem gar lustigen Rein- und Raushüpfen, Werkzeug rausholen und wieder verstauen, Regenjacke an- und ausziehen. Laut meinem Reiseführer zeichnet warmes, weitgehend trockenes Sommerwetter Edmontons Prärieklima aus. Niederschläge wären selten und meist verbunden mit kurzen, heftigen Gewittern. Nur, dass in diesem Jahr die regenfreien Phasen zwischen den Gewittern verhältnismäßig kurz geraten sind, die Gewitter dafür umso heftiger.

Die Wal-Marts in Edmonton sind durchaus empfehlenswert. Die Lebensmittelabteilung ist so groß wie in anderen Supermärkten, es gibt sogar frisches Obst und Gemüse. Auf Grundnahrungsmittel werden in Kanada keine Steuern erhoben. Auf alles andere wird die staatliche Goods and Sales Tax (GST) in Höhe von 5 % aufgeschlagen sowie die Provincial Sales Tax (PST), deren Höhe jede Provinz selbst bestimmten kann und die derzeit zwischen 0 und 10 % liegt. Geplant ist, beide Abgaben künftig durch eine einzige Harmonized Sales Tax (HST) zu ersetzen, was in manchen Provinzen bereits Anwendung findet. Da Alberta noch keine PST erhebt, könnte man meinen, dass hier billiger ist. Weit gefehlt. Die Grundpreise sind im wirtschaftlich starken Alberta meist etwas höher und gleichen die fehlende Steuer aus. Einkäufe können sich trotzdem lohnen bei landesweiten Handelsketten mit festgesetzten Grundpreisen.

Sparen kann man auch bei einigen Lebensmittelketten, die auf Antrag eine Mitgliedskarte ausstellen, mit der man Sofortrabatte auf zahlreiche Lebensmittel bekommt. Man benötigt dazu zwar eine kanadische Adresse, die jedoch nicht zwingend die eigene sein muss. Kauft man im Sobeys Supermarkt in Ostkanada ein, erhält man Rabattgutscheine, mit denen man bei Irving verbilligt tanken kann. Bei Superstore ist es fast überall umgekehrt: Tankt man an ihrer Gas Bar, erhält man Gutscheine fürs Einkaufen im Supermarkt. In Edmonton z.B. haben wir an der Gas Bar Diesel für 80,9 Cent getankt und pro Liter 5,4 Cent Supermarktgutschrift erhalten. Bei 400 l Tankkapazität ist das durchaus lohnenswert. Und volltanken sollte man hier in jedem Fall, denn nach Norden hin und selbst in British Columbia soll alles teurer werden.

Edmonton, Alberta – Rekorde machen nicht alles besser

Mittwoch, Juli 14th, 2010

Heute geben wir es uns: Wir fahren zur West Edmonton Mall (WEM). Al hat uns ein Auto geliehen, damit wir keine Parkprobleme haben. Bereits 1981 eröffnet war und ist WEM – angeblich – das größte komplett überdachte Einkaufszentrum der Welt mit 800 Läden, 100 Restaurants, sechs Kaufhäusern, 21 Kinos samt IMAX und 58 Eingängen. Wem das nicht reicht, der kann das absolute Entertainment dazu bekommen. Ein Vergnügungspark mit der weltgrößten Indoor-Achterbahn, ein Waterpark mit künstlichem Strand, Brandungsbad und 14 Wasserrutschen, eine Ganzjahres-Eislaufarena, eine Minigolfanlage, Seelöwenshows und Haibecken, zwei Hotels und viele Attraktionen mehr sollen den zahlungswilligen Besucher locken. Fazit? Von außen ist der Komplex eine architektonische Sünde. Und innen ist es halt ein Einkaufszentrum, nicht mal ein besonders schönes. Die meisten modernen Malls in den Metropolen der Welt dürften nicht wesentlich weniger Geschäfte haben, sind aber attraktiver. Die WEM ist groß, aber nicht sonderliche beeindruckend.

Auch der anschließende Besuch der übersichtlichen Downtown schafft es nicht, uns wirklich für Edmonton einzunehmen. Die neue Mall soll moderner sein, aber für heute haben wir genug Einkaufszentrum. Wir fahren wieder in den Außenbezirk, um unsere Besorgungen zu erledigen, aber eigentlich ist die ganze Stadt ein einziges Einkaufszentrum. Man weiß nicht wo das eine endet und das nächste beginnt. Irgendwie wirkt alles etwas angeschmuddelt.

Edmonton, Alberta – Viereckige Augen

Dienstag, Juli 13th, 2010

Heute habe ich viereckige Augen. Nicht vom Fernsehschauen mangels entsprechendem Gerät, sondern vom Arbeiten am Computer. Damit ihr was zu gucken und lesen habt. Das Wetter ermutigt sowieso nicht zu Außentätigkeiten.

Edmonton, Alberta – Arminius hinter Stacheldraht

Montag, Juli 12th, 2010

Am sehr frühen Morgen beginnt es zu gewittern. Auch in den Stunden danach hören wir immer wieder Donnergrollen und Schauer niederprasseln. Kein guter Tag für eine Wanderung über der Baumgrenze. Es ist kalt, selbst auf 1500 m hat es nur wenige Grad über Null, man wird klatschnass und oberhalb der Baumgrenze möchte man ungern Anziehungspunkt für Blitze sein. Die geplante Bergwanderung zur Sulphur Skyline streichen wir. Wir fahren dennoch die paar Kilometer nach Miette Springs hoch, dem Ausgangspunkt des geplanten Hikes. Die Wolken hängen so tief, dass sie sich in den Baumkronen verfangen. Die Schauer steigern sich zu kräftigem Dauerregen, es kommt sogar noch Graupel hinzu. Die Miette Hotsprings sind schwefelhaltige Thermalquellen, die heißesten in den Rockies. Nicht verwunderlich an einem solchen Tag, und ein Blick auf den Parkplatz macht das deutlich: Hier sind zu viele Menschen in einer einzigen Badewanne. Ich verzichte.

Wir verlassen den Park nach Osten in Richtung Edmonton. Die Fahrt dahin kann man getrost unter „langweilig“ verbuchen. Wir fahren in eine flache, nur leicht hügelige Prärielandschaft aus Weiden, unterbrochen nur von ein paar Wäldern und Rapsfeldern. Edmonton ist Hauptstadt und zweitgrößte Stadt in Alberta nach Calgary mit 730.000 Einwohnern im Stadtgebiet. Der Ort ist Anfang des 19. Jahrhunderts hervorgegangen aus den Niederlassungen der beiden großen Pelzhandelsgesellschaften und profitierte gegen Ende der Dekade vom Klondike Goldrausch. Auch danach entwickelte sich Edmonton weiter als Verkehrsknotenpunkt im Westen Kanadas und Provinzhauptstadt.

Jetzt stehen wir hier bei 10° in hässlich strömendem Dauerregen, eingesperrt in einem eingezäunten, stacheldrahtbewehrten Gelände, umgeben von Mercedes Benz der unterschiedlichsten Typen und Baujahre und ein paar Hägglund Raupenfahrzeugen. Es ist das Gelände von Prestige Auto Repair und das gehört Al. Al handelt mit Mercedes und Hägglunds und repariert sie auch. Er hat eine der kanadischen Vertretungen von Hellgeth Spezialfahrzeugbau in Deutschland, die auch unseren Unimog aufbereitet haben. Nein, wir wollen nicht schon wieder an Arminius herumdoktern. Aber Hellgeths haben uns mit Al in Kontakt gebracht; er hat uns herzlich willkommen geheißen und lässt uns auf seinem eingezäunten Firmengelände stehen, damit wir unbehelligt bleiben. Na denn: Gute Nacht!

Jasper, Jasper NP, Alberta – Gänsehaut im Angesicht der Grizzlybärenfamilie

Sonntag, Juli 11th, 2010

Die Ranger an der Campingrezeption haben uns gestern ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen, keinerlei Lebensmittel oder Abfälle draußen liegen zu lassen, damit wir keine unerwünschten tierischen Besucher bekommen. Im Auto sind Lebensmittel gut aufgehoben, Bären brechen hier keine Autos auf. Für zeltende Fahrrad- oder Motorradfahrer stehen auf allen Plätzen bärensichere Staufächer bereit. Eine Kühlbox ist kein adäquater Schutz. Man soll nicht einmal im Zelt kochen, sonst riecht es zu sehr nach Essen. Die Kleidung, die man während des Kochens anhatte, sollte man beim Schlafen im Zelt keinesfalls tragen, damit der Bär nicht aus Versehen „Essen“ und „Mensch“ gleichsetzt, was mit ungünstigen Folgen für „Mensch“ verbunden sei könnte. Abfälle gehören in Müllcontainer mit Patentverschlüssen, die Bären nicht öffnen können. Heute Morgen führt eine seltsame Spur an unserem Truck entlang. Ein dicker Ballen mit fünf Krallen davor. Ein Bär auf nächtlicher Patrouille? Jetzt wissen wir, die Vorsichtsmaßnahmen sind absolut angebracht.

Am Maligne Lake, 30 km oberhalb des Maligne Canyon gelegen, kann man mehrere Wanderungen unternehmen. Für den Opal Hills Loop wurde höchste Bärenwarnung ausgesprochen, aber noch nicht gesperrt. Da gibt es für uns natürlich kein Halten. Obwohl der Trail mit 8,2 km relativ kurz ist, wird er als sehr anstrengend klassifiziert, da beispielsweise auf einem Teilstück von nur 3 km 460 m Höhenunterschied bewältigt werden müssen. Also schnaufen wir uns die ersten Kilometer durch den Wald und über eine Feuchtwiese. Zur gleichen Zeit mit uns ist ein holländisches Urlauberpärchen losgelaufen, die in ähnlichem Tempo gehen wie wir und die vor allen Dingen ähnlich schweigsam wandern. Wir wollen das Wild ja nicht verscheuchen, wir wollen es sehen. Sie haben glücklicherweise keine Bärenglocke oder Ähnliches dabei, um der Tierwelt schon Meilen im Voraus anzukündigen: Hier kommt ein Mensch. Hinter uns läuft schnatternd eine Gruppe Japaner. Ein junger Wapitibock quert zögernd unseren Weg; es ist nur einer von Dutzenden, die wir heute sehen. Die Gruppe hinter uns schreit mehr ängstlich als erstaunt. Vermutlich hat sie jetzt auch den Wapiti gesehen. Danach hören wir zum Glück nichts mehr von ihr. Wir haben sie abgehängt oder sie hat das gefährliche Terrain verlassen. Ein paar Kilometer weiter sträuben sich uns die Nackenhaare ein erstes Mal. Wir finden insgesamt fünf Bärenlosungen auf wenigen hundert Metern auf dem Weg, je zwei zusammen und eine einzelne, alle ziemlich frisch. Kann ein einzelner Bär so viele riesige Kothaufen in die Welt setzen? Offensichtlich benutzen Bären, wie Wild auch, menschliche Wanderpfade zur Fortbewegung, das ist schließlich bequemer als querfeldein. Vor dem letzten Anstieg laufen wir schon oberhalb der Baumgrenze entlang eines Hochplateaus, vielmehr ist es ein Hochtal, ein paar hundert Meter breit und mehrere Kilometer lang, umgeben von etlichen Berggipfeln. Es ist sehr friedlich und still hier oben, Gräser wachsen und Blümchen blühen. Wir überqueren zwei plätschernde Bäche und genießen die Berglandschaft. Wenn wir an dieser Stelle gewusst hätten, wie nahe wir den Bären bereits waren, wären wir nicht so ruhig hier lang gelaufen. Am Endpunkt der Wanderung angekommen stellen wir wieder einmal fest, es geht noch weiter und höher. Also nehmen wir die Beine in die Hand, den Rucksack auf den Rücken, und weiter geht’s. Statt nach rechts zum Seeblick abzubiegen schweifen wir nach links, wo wir das Hochtal überblicken können, das wir gerade durchlaufen haben.

Erst halten wir es für ein Stück Holz (oberhalb der Baumgrenze???), aber ein Blick durchs Fernglas offenbart: Hier schläft eine dunkelbraune Grizzlybärenmama mit ihren beiden blonden Kindern, eng aneinander gekuschelt. Die Jungen müssen vom letzten Jahr sein, sie sind schon fast so groß wie ihre Mutter. Wir beobachten und fotografieren eine ganze Weile dieses allerliebste, putzige Bild aus angenehmer, vermeintlich sicherer Entfernung von der anderen Seite des Flusses. Eines der Kleinen wacht auf, streunt herum, kehrt zurück, schließlich wacht auch der Rest der Familie auf und setzt sich in Bewegung – in unsere Richtung! Obwohl sie ohne Eile dahintrotten, kommen sie erschreckend schnell näher. Schon haben sie den Bach überquert und kommen den Hang hinauf, auf dem wir stehen. Wir könnten jetzt rufen, Lärm machen, uns unterhalten, mit nicht vorhandenen Bärenglöckchen bimmeln, auf einer durchaus am Rucksack vorhandenen Signalpfeife pfeifen, irgendwie auf uns aufmerksam machen. Wir tun es nicht. Zu fasziniert sind wir von dem Schauspiel, das sich uns bietet. Die Holländer ergreifen die Flucht, es wird ihnen zu ungemütlich. Sie können nicht so schnell rennen, meinen sie. Zum rennen ist es sowieso zu spät in Anbetracht der Geschwindigkeit, die die Tiere an den Tag legen können. Außerdem dürfte rennen so ziemlich das Dümmste sein, was man jetzt tun kann. Noch scheint die Distanz ausreichend, um nicht gefährlich zu sein. Da hebt eines der Jungen seine Schnauze, es hat unsere Witterung aufgenommen. Die anderen beiden entdecken uns jetzt auch. Sie schauen uns einen Moment an, dann drehen sie sofort ab, seitlich weg in Richtung Tal, wo zwei nichtsahnende Wanderer laufen und wo wir uns eine halbe Stunde zuvor noch bewegt haben. Die Bärenmutter zeigt, wie die Ranger es nennen, gutes Benehmen. Sie vermeidet den Kontakt mir Menschen, daher wurde dieser Pfad noch nicht gesperrt.

Während der ganzen Aufregung mit den Bären haben wir nicht auf das Wetter geachtet. Die Wolken haben sich zusammen gezogen, es ist trübe und dunkel. Erst jetzt bemerke ich meine Gänsehaut, die wohl eher von der Kälte denn vor Aufregung herrührt. Wir beginnen uns anzuziehen, die wasserfeste Jacke gleich hinterher, denn es beginnt zu regnen. Für ein Seebild ist es jetzt zu spät; es ist nass, kalt und bedrohlich. Wir genießen einen kurzen Moment den Ausblick, aber für Fotos ist es zu dunkel. Um nicht ungerecht zu sein: Wir haben hier oben eine Gruppe ausgesprochen netter Japaner getroffen. Der Abstieg ist noch steiler als der Aufstieg, ist aber in einer Stunde erledigt. Insgesamt haben wir die rund 10 km und 1300 Höhenmeter in drei Stunden absolviert, zuzüglich einer Pause und Bärengucken.

Auf dem Weg zum nächsten Camping, nun wieder im Sonnenschein, gibt es noch mehr Wapitis, Hirsche, Dickhornschafe und Bergziegen. Heute übernachten wir in Pocahontas. Das ist kein Scherz. Und Walt Disney hat sich den Namen für seinen Zeichentrickfilm auch nicht ausgedacht. Kurz „Poco“ ist der Name für ein Kohlefeld im amerikanischen Virginia, Heimat einer US-Firma, die Anfang des 20. Jahrhunderts zwei Kohleminen im Jasper Nationalpark betrieb. Die damals junge kanadische Nation benötigte das Geld. Die Rocky-Mountains-Kohle verbrennt sehr heiß und, weit wichtiger, rauchfrei. Während des 1. Weltkrieges wurden Truppenschiffe im Atlantik damit befeuert, damit deutsche U-Boote sie nicht durch ihre Rauchfahne ausfindig machen konnten. Ab 1930 wurde Pocahontas gesetzlich vor weiterem Kohleabbau geschützt und dem Tourismus anheim gegeben.

Jasper, Jasper NP, Alberta – Ein wildreicher Tag mit Grizzly

Samstag, Juli 10th, 2010

Die Sunwapta Falls, unser erster Stopp am heutigen Samstag, zeigen einmal wieder die enorme Kraft des Wassers. Der Chaba River hat sich tief ins Gestein gesägt, fällt mehrere Meter in die Tiefe, zwängt sich nochmals mit hohem Druck durch eine Spalte, knallt gegenüber an eine Felswand, in die er langsam aber sicher eine Höhle hineinspült, um schließlich im 90°-Winkel abzubiegen.

Nächster Halt: Athabasca Falls. Auch hier fällt eine gewisse Menge Wasser eine bestimmte Anzahl Meter in die Tiefe. Sehr schön, aber irgendwann sind See-, Wasserfall- und Hirschbilder einfach genug. Der Parkplatz ist trotz des Regens fast voll. Japanische Busladungen, kanadische Wochenendreisende, urlaubsreisende Mietwohnmobile. Es herrscht babylonisches Sprachgewirr, aber keine Sorge, die Deutschen sind auch hier reichlich vertreten.

Wir fahren heute Vormittag vorsichtshalber am Wabasco Campground vorbei, um einen Platz zu reservieren. Wir haben keine Lust, auf den vollen, teuren und vor allem riesigen Campingplätzen in der Stadt zu schlafen und befürchten, dass am Samstagabend voll wird. Wir sind über Jasper immer mehr erfreut. Der Wabasco kostet genau so viel wie unser erster Platz im Banff NP, bietet aber eine Rezeption, großzügige Stellplätze, Wasserklosetts und Möglichkeiten, Trinkwasser zu bunkern und Abwasser abzulassen. Wir wollen über eine Nebenstraße nach Jasper Stadt um zu tanken und einzukaufen. Ein Blick nach rechts, da trottet er im Wald. Ein erwachsener Grizzlybär, wenn auch nicht ganz so groß wie der letzte. Er stromert durch den Wald, es ist unmöglich ihn zu fotografieren. Zum Glück kommt ein Waldweg, auf den wir einbiegen können, und eine Lichtung. Der Grizzly schnuppert auf der Wiese herum, ein paar Bilder gelingen, da ist er auch schon wieder im Wald. Wir fahren bis auf den Highway, um ihn vielleicht noch einmal zu sehen, aber aus dem Waldstück flüchten nur zwei aufgeschreckte Hirsche. Nur wenige hundert Meter weiter überquert eine ganze Herde Wapitimütter mit Kitzen, die wie unsere Bambis weiß gepunktet sind, die Straße. Ausgewachsene Wapitis werden von Grizzlybären, Wölfen und Pumas gejagt, Kitze und Jungtiere von Kojoten, Schwarzbären und Luchsen. Der heutige Grizzly soll nicht unser letzter sein…

Zu Mittag in Jasper landen wir aus Versehen in einer Pizzeria, die Fernsehschirme besitzt. Das UEFA Worldcup Spiel um den 3. Platz Deutschland gegen Uruguay neigt sich dem Ende zu. Deutschland gewinnt 3:2 und ist damit Weltmeister im Erreichen des 3. Platzes. Immerhin was.

Bei der Weiterfahrt finden wir endlich auch Bergziegen, an den Straßenrändern Minerale leckend. Sie sind jetzt kurz behaart und hellbraun, ihr prachtvolles langes weißes Winterfell haben sie bereits verloren.

Ein Muss im Jasper NP ist der Maligne (sprich: maliin) Canyon. Die Schlucht mit dem „unheilvollen“ Namen ist berühmt, weil ein eigentlich kleiner Fluss sich bis zu 50 m tief ins Sandgestein eingeschnitten hat. Dabei bildet er Wasserfälle, Stromschnellen, Durchbrüche, natürliche Brücken, Unterspülungen, Überhänge. An manchen Stellen kann man von oben den Bach nicht sehen, weil er nur wenige Meter breit ist und sich auf dem Weg nach unten so im Zickzack in den Fels gefressen hat, dass die Sicht aufs Wasser versperrt ist. Nur das Geräusch des schnell fließenden Wassers bleibt – von ganz weit unten. Die Parkverwaltung hat an den besonders interessanten Stellen Brücken über die Schlucht bauen lassen, insgesamt sechs, sodass man einmal links, einmal rechts des Maligne Rivers läuft und immer wieder spannende Bilder schießen kann. Im Winter werden sogar geführte Touren im Canyon auf dem dann gefrorenen Fluss angeboten. Ich denke man braucht dazu Spikes an den Schuhen, denn die Steigung ist nicht unerheblich.

Auf dem Campingplatz leiht sich mal wieder jemand unsere Axt. Wir müssen dazu das halbe Auto auseinander legen und später wieder zusammen bauen. Dafür gibt’s nicht mal ein Bier. Wieso ist auf Campingplätzen eigentlich immer alles selbstverständlich?

The Icefield Parkway, Alberta – Ein Gletscher, der in drei Ozeane fließt

Freitag, Juli 9th, 2010

Die Nachttemperatur hat mit zwei Grad nur knapp über dem Gefrierpunkt gelegen. Überhaupt gibt es am Icefield Parkway in allen Monaten außer Juli und August durchgehend Nachtfrost. Die Straße bringt uns weiter nach Norden. Sie führt uns auf fast 2100 m Höhe, hinunter auf 1400 m und wieder rauf. Nebenan läuft der Saskatchewan River, hier noch ein kleines Flüsschen, der die wohl seltsamste Farbe hat, die ich je in einem Fluss bemerkt habe. Er führt noch genügend Steinmehl mit sich, um milchig-trüb zu sein. Andererseits hat sich bereits so viel Gletscherschlamm abgelagert und Minerale freigesetzt, um ihm eine türkise Färbung zu geben. Saskatchewan River ist babyblau wie die Fliesen sowjetrussischer Badezimmer.

Das berühmte Columbia Icefield ist etwa 200 km2 groß, stellenweise über 250 m dick und füttert sechs Gletscher. Im Jahr fallen durchschnittlich sieben Meter Schnee. Gletscher entstehen, wenn im Winter mehr Schnee fällt als im Sommer schmilzt. Durch den Druck über die Zeit verdichtet sich der Schnee zu Gletschereis und bewegt sich mittels Schwerkraft bergabwärts. Heute sind die meisten Gletscher auf dem Rückzug. Der Athabasca Glacier ist einer der zugänglichsten Gletscher der Welt und daher touristisches Topziel. Seit Ende des 19. Jahrhunderts hat er sich 1,5 km zurückgezogen, 2/3 seines Volumens und mehr als die Hälfte seiner Oberfläche eingebüßt. Unter dem Gletscher wurde 8000 Jahre alter Wald gefunden. Je weiter das Eis zurückweicht, desto mehr erobert sich die lebende Natur das Gebiet zurück und neuer Wald entsteht. Was vom Klimawandel ist natürliche Entwicklung, was Menschengemacht? In diesem Zeitalter werden wir es wohl nicht herausfinden.

Den Athabasca Gletscher kann man auf verschiedene Arten besichtigen: Speziell konstruierte Gletscherbusse fahren die Schlange stehenden Touristen über eine präparierte Piste auf das Eisfeld. Man zahlt 49 Dollar pro Person und darf wenige Minuten auf dem Eis herumtrapsen, damit die nächste Schicht ran kann. Kein ernsthafter Reiseführer, nicht einmal die Parkranger raten einem wirklich zu diesem teuren und zweifelhaften Vergnügen. Die zweite Möglichkeit ist eine geführte Wanderung mit einem Ranger. Sicher eine lehrreiche Erfahrung, und 60 $ für drei Stunden sind sicher angebracht, dennoch viel Geld für Langzeitreisende. Die etwas längere Tour kostet noch mehr. Eine weitere Option ist eine Kurzwanderung von einem Parkplatz an den Fuß des Gletschers. Man darf ihn zwar aus Sicherheitsgründen nicht betreten, in den Gletscherspalten sind in den letzten Jahren immer wieder Menschen ums Leben gekommen, aber man kommt sehr nah ran. Das ganze ist kostenlos, viele Schautafeln am Weg sind wirklich informativ. Ausgesprochen spannend finde ich die Tatsache, dass das Columbia Icefield auf einer dreifachen kontinentalen Wasserscheide liegt. Sein Schmelzwasser ergießt sich über drei große Flüsse – den Columbia, den Saskatchewan und den Athabasca River – in drei verschiedene Ozeane: den Pazifik, den Atlantik und den arktischen Ozean. Davor aber spendet er Millionen Menschen Süßwasser und damit Leben.

Es gibt noch eine weitere Chance, das Gletscherfeld zu bewundern, und damit haben wir heute angefangen. Die schönste und beste Tour ist eine Wanderung zum Wilcox Pass. Die ersten vier Kilometer führen durch die Nadelwälder der subalpinen Zone in den baumlosen alpinen Bereich über ca. 2200 m. Die 335 m Höhenunterschied sind zunächst moderat steil, aber gut zu bewältigen. Das Mikroklima ist heute seltsam: Die Sonne scheint sommerlich war, doch der von den Berggipfeln herunter wehende Wind kühlt nicht unangenehm. Oben angekommen läuft man über ein Plateau, eine Art Hochmoor, und muss einen Fluss auf Steinen hüpfend überqueren. Die Hochebene ist eine liebliche Landschaft mit kleinen Berggipfeln, die daraus hervor wachsen. Es wirkt fast wie Schottland, nur 2000 Meter höher. Die hier wachsenden Blumen und Pflanzen unterscheiden sich z.T. völlig von dem, was wir bisher gesehen haben. Alles wirkt noch kleiner, noch putziger. Selbst die Blüten sind winzig. Am markierten Ende des Weges sollte man unbedingt zwei weitere Kilometer und ein paar Höhenmeter querfeldein über mehrere Hügel und Schneefelder in Kauf nehmen, um zum Ausguck zu kommen. Angebracht ist, schon vorhandene Trampelpfade oder Wildwechsel zu nutzen, um die fragile alpine Faune zu schützen. Der Gipfel empfängt uns mit gletscherkaltem Dauerwind und einem Ausblick auf das Columbia Icefield, weitere Gletscher und die Rocky Mountain Bergkette, die jeden Meter wert waren. Wir finden: eine der schönsten Wanderungen.

Am Parkplatz treffen wir nach dem Hike eine Gruppe junger Leute vom Gipfel wieder. Zwei davon arbeiten bei den Mounties. Ob wir unsere T-Shirts auch verkaufen würden? Sie hätten gerne welche. Die Rede ist von den mit Logo und Website bedruckten Shirts. Schade eigentlich. Wenn wir mehr Stauraum hätten, könnten wir vielleicht sogar etwas Geld mit Merchandising verdienen.

Auch am heutigen Tage bewundere ich wieder die unterschiedlichsten Kleiderordnungen. So gibt es Menschen aus wärmeren Ländern, die sich dem Gletscher mit Mütze, Schal, Handschuhen, Stiefeln und Steppmantel nähern. Verständlich. Dann gibt es verirrte Touristen, die mit Babydolls und Sandalen durch den Schnee wandern. Was gar nicht so einfach ist, wenn man das Röckchen ständig daran hindern muss, im eisigen Wind den Slip freizulegen. Wirklich süß. Kann man sich Erfrierungen am Hintern zuziehen?

Im Icefield Centre erhalten wir nicht nur besseres Material für den Jasper Nationalpark mit Hinweisen zu den Wanderungen und Hintergrundinformationen. Die Rangerin weiß viel und ist bereit, dieses Wissen bei ernsthaftem Interesse weiter zu geben. Am Ende verrät sie uns nicht nur die besten Trails, wo wir Wapitis, Dickhornschafe und Bergziegen finden, sondern sogar, wo sich Grizzlybären aufhalten. Wie recht sie noch behalten soll…

Am Jonas Creek Campground ergattern wir am Abend den letzten Stellplatz am Rande. Der scheint nicht ganz so beliebt zu sein, aber wir sind ganz froh, nicht inmitten zwischen den wegen des feuchten Feuerholzes qualmenden Feuern zu stehen. Aber Campen und Feuer machen sind eins in Kanada. Als es zu regnen beginnt, erlöschen zum Glück alle Feuer.

Kananaskis Country und Banff NP, Alberta – Wild in allen Größen: kleine Hirsche, große Hirsche, Elche

Donnerstag, Juli 8th, 2010

Reisen heißt Abschied nehmen. Kaum hat man neue Freunde gefunden, verlässt man sie wieder. Wir wollen zurück in die Nationalparks, wo wir unsere Reise unterbrochen haben. John empfiehlt uns eine landschaftlich schöne Route, die wir teilweise noch nicht gefahren sind.

Wir begeben uns noch einmal nach Kananaskis Country: Bow Valley Provincial Park, Peter Lougheed PP, Spray Valley PP stehen auf dem Programm, einer schöner als der andere. Wir sehen Elche, Hirsche und jede Menge Eichhörnchen; wunderbare Allgäu- und Alpenlandschaften, Berge und Hirsche, die sich in aalglatten Seen spiegeln. Der Smith-Dorrien / Spray Trail gilt als eine der schönsten Routen Kanadas und ist fast komplett Schotterpiste, dafür ist ein Unimog einfach gemacht. Das Reifengeräusch verschwindet, die kleinen Unebenheiten schluckt er weg wie ein Kamel einen Eimer Wasser, es mach einfach Spaß zu fahren. Über das Canmore Nordic Centre von den Olympischen Spielen 1988 in Calgary fahren wir nach Canmore hinein, um am Information Centre noch einmal Wasser zu tanken und Abwasser abzulassen. Von Banff nach Lake Louise fahren wir über die Nebenstrecke des Trans Canada Highway, auf der wir beim letzten Mal den Grizzly entdeckt hatten. Auch diesmal haben wir Glück und sehen einen Wapitihirsch. Wapitis sind außer Elchen die größte Hirschart, erreichen bis zu 1,5 m Schulterhöhe und wiegen bis zu 450 kg, die Weibchen sind etwas kleiner und leichter. Außer in Nordamerika, hauptsächlich den Rocky Mountains, kommen sie im südlichen Sibirien und in Teilen Zentralasiens vor. Der kapitale Hirsch trägt ein stolzes Geweih und einen ziemlich wohlgenährten Bauch. Der Zwölfender zeigt keinerlei Scheu, im Gegenteil zieht er eine Show ab. Anfangs ignoriert er die Umstehenden völlig und frisst in aller Ruhe. Dann schaut er fast aufmüpfig um sich und schein zu fragen: „Was!? Was wollt Ihr?“ Den Bären sehen wir diesmal nicht, nur die Ranger, die ihn mit ihrem Radar zu orten versuchen. Wenn sich ein Grizzly so nahe der Straße aufhält ist es sicher besser, seine Bewegungen zu beobachten. Im Ernstfall werden Wanderwege und sogar Straßen gesperrt, um die Sicherheit beider Parteien, Mensch und Bär, zu gewährleisten. Wenig später finden wir noch einen Wapitihirsch, wieder ein Bock, diesmal sogar ein Vierzehnender, allerdings nicht ganz so mächtig und vollgefressen. Unser heutiger Campingplatz Mosquito Creek, Mückenbach, macht seinem Namen alle Ehre. Da die Temperatur von 30° tagsüber jetzt rapide auf 15° sinkt, verziehen wir uns einfach in unsere Kabine. Nicht aber, ohne vorher das allzu romantische Alpenglühen anzubeten. Die untergehende Sonne ist schon nicht mehr zu sehen, aber die umliegenden Gipfel erstrahlen in rotem Licht.

Cochrane, Alberta – Arminius fährt wieder

Mittwoch, Juli 7th, 2010

Weiterhin gute Neuigkeiten: Auch beim Kaltstart benimmt sich Arminius anständig und verkneift sich das Rauchen. Schweren Herzens kaufen wir eine Großpackung Dieseladditive, denn der Motor läuft eindeutig besser damit. Ernie, der GCL Sales Manager, hatte uns letzten Freitag eine Flasche Conditioner in den Tank gekippt, damit wir es ausprobieren können. Übers Wochenende waren wir damit herumgefahren. Unser Rauch- und Geräuschproblem war zwar damit nicht verschwunden gewesen, aber es hatte sich bereits gebessert. Hier ein paar Erläuterungen für Technikinteressierte, kanadareisende Dieselfahrer und Zweifler wie mich, die Dieseladditive für ausgemachten Unsinn und Geldschneiderei halten. Hielten.

Seit 2006 gibt es an allen Highwaytankstellen in Nordamerika nur noch Ultra Low Sulfur Diesel (ULSD), extrem schwefelreduzierten Diesel. Ab 1. Dezember 2010 gilt diese Vorschrift für alle Tankstellen, praktisch bekommt man aber bereits heute fast überall nur noch ULSD. Die Schwefelreduktion um 97 % stellt die ordnungsgemäße Funktion von modernen Emissionsreduktionsanlagen, z.B. Partikelfiltern, sicher und ist natürlich weit umweltfreundlicher. Leider sind damit auch etliche Nachteile verbunden. Neben höheren Produktionskosten ist der BTU- und damit der Energiegehalt geringer, was sich in höherem Kraftstoffverbrauch und damit wiederum höheren Kosten niederschlägt. Seit wir in Kanada sind, haben wir selbst erfahren müssen, dass unser Dieselverbrauch tatsächlich angestiegen ist. Das relativiert die im Vergleich zu Deutschland geringeren Treibstoffkosten etwas. Ein weiterer Nachteil von ULSD ist die geringere Kraftstoffstabilität, das heißt er denaturiert schneller als früher. Der Prozess der Schwefelentfernung kann ebenfalls eine Reduktion der natürlichen Schmierfähigkeit des Diesels zur Folge haben und damit einen vorzeitigen Verschleiß der Kraftstoffanlage bedingen. Naturgummischläuche und -dichtungen können schrumpfen und zu Leckagen führen. All dies sollen die Additive verhindern. Wir werden sehen. Hinzufügen sollte ich noch, dass unser technisches Problem nur wenige hundert Kilometer aufgetaucht ist, nachdem wir in Calgary Billigdiesel an einer freien Tankstelle gebunkert haben. Das alles kann Zufall sein, muss aber nicht.

Am Nachmittag kehren wir zu John und Lyndel wenige Kilometer außerhalb von Calgary. Wir hatten die beiden und ihre Familie bereits am Samstag vor über einer Woche beim Picknicken getroffen und waren abends zum Barbecue bei Muttern eingeladen gewesen. Heute sollen wir in ihr haus nach Cochrane kommen. Wir schauen zusammen das Fußballweltcup-Halbfinalspiel. Deutschland unterliegt Spanien bekanntermaßen 0:1, daher streichen wir dieses unerfreuliche Thema lieber. John ist Profifotograf und wir können seine Bilder und Ausrüstungen ausführlich bewundern. Am Abend gibt es wieder eines der berühmten kanadischen Barbecues mit Steaks und Lachs, es kommt noch mehr Familie, und schließlich lernen wir die Nachbarn Conny und Frank kennen, die vor 23 Jahren aus Lübeck und Hamburg nach Kanada eingewandert sind.

Calgary, Alberta – Arminius in der Entzugsklinik

Dienstag, Juli 6th, 2010

Ich möchte einen nicht übermäßig ereignisreichen Tag dazu nutzen, Euch zu danken: Ich finde es toll, dass Ihr uns begleitet und mich motiviert, weiter zu schreiben. Es ist sehr aufmunternd, Eure Klicks auf unserer Website zu sehen und Eure Kommentare im Gästebuch zu lesen – danke! Gleichzeitig möchte ich mich entschuldigen, dass mir doch hin und wieder ein Rechtschreibfehler durchrutscht. Natürlich weiß man es besser und natürlich funktioniert das Word-Korrekturprogramm. Oft ist es aber die zeitliche Knappheit, die mich zwingt, einen Beitrag online zu stellen, obwohl ich nur flüchtig darüber gelesen habe. Aber Zeit ist knapp, schließlich müssen wir reisen, damit ich mehr zu erzählen habe als heute:

Arminius’ Behandlung in der GCL-Entzugsklinik scheint erfolgreich gewesen zu sein: er raucht nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr als sonst auch . Die Motorgeräusche haben sich erheblich reduziert, er klingt wieder ganz normal und gesund. Auch eine längere Probefahrt in unterschiedlichen Drehzahlbereichen bringt das gleiche positive Ergebnis. Der Chefmechaniker möchte trotzdem morgen früh nochmals den Kaltstart überprüfen. Das ist eine gute Idee, der Campingplatz vor der Werkstatt ist der schlechteste nicht, und so bleiben wir noch eine Nacht.

Calgary, Alberta – Zurück bei Freunden

Montag, Juli 5th, 2010

Der südafrikanische Mechaniker der Spezialwerkstatt für Kraftstoffsysteme baut unsere Einspritzdüsen aus und packt sie auf den Prüfstand. Das Ergebnis ist nicht sehr ermutigend. Bei zwei Düsen stimmt das Einspritzbild nicht, die anderen halten den Einspritzdruck nicht mehr. Wir sollten wohl besser alle sechs wechseln lassen, was ein dickes Loch in die Reisekasse reißt. Kanada scheint extrem minderwertigen Diesel zu haben, das haben uns schon viele Trucker erzählt. Die meisten verwenden Additive, um die Dieselqualität aufzuwerten, was in Europa für einen Motor dieser Art schlicht herausgeschmissenes Geld wäre. Hier jedoch, so scheint es, eine lohnende Investition. Die Speditionen kippen Dieselverbesserer in die Tanks ihrer Trucks und legen es auf die Transportkosten um. Private Dieselfahrzeuge gibt es dagegen kaum in Kanada. Selbst die großen Wohnmobile fahren mit Benzin. Wir bestellen die Ersatzteile, die morgen kommen sollen und hoffen, dass es damit getan sein wird.

Die Firma GCL war sehr entgegenkommend. Da das Auto nicht mehr bewegt werden kann, sobald die Düsen ausgebaut sind, mussten wir nicht in die Werkstatt fahren. Die Mechaniker erledigen alle Arbeiten auf dem Parkplatz vor der Firma, was natürlich halbwegs gutes Wetter vorausgesetzt hat. So können wir in der Kabine wohnen bleiben und müssen nicht ins Hotel oder Hilfe von Freunden in Anspruch nehmen.

Zum Dinner sind wir bei unseren Freunden Lynn und Claude eingeladen. Die Freude ist groß, wir sehen uns viel früher wieder als erwartet und es wird ein langer Abend. Aber wer kennt schon die Pläne des großen Manitu?

Calgary, Alberta – Computerarbeit und Gemischtfußball

Sonntag, Juli 4th, 2010

Nein, uns ist nicht langweilig. Schließlich müssen unsere ganzen Fotos runtergeladen, ausgewählt, gelöscht, bearbeitet, benannt, verkleinert, umbenannt, hochgeladen werden. Blogbeiträge wollen erstellt, übersetzt und ins Netzt gestellt werden. Am Nachmittag beobachten wir ein Fußballspiel einer Amateurmannschaft am Nachbarplatz. Obwohl die beiden Parteien alle Kräfte aufbieten mussten um eine Mannschaft zusammen zu bringen und Männlein und Weiblein zwischen acht und fünfzig mitspielen, ist das Match nicht schlechter als die meisten deutschen Dorfligen. Fußball ist in Kanada schwer im Kommen.

Calgary, Alberta – Deutscher Fußball in irischer Kneipe im kanadischen Calgary

Samstag, Juli 3rd, 2010

Heute Morgen hieß es früh aufstehen. Wir haben direkt vor einer Sportbar geparkt, die das Fußballländerspiel übertragen wird. Um 8 Uhr gehen wir in den Irish Pub, um das Weltmeisterschaftsspiel Deutschland gegen Argentinien zu sehen. Beim reichhaltigen Frühstück sehen wir zusammen mit vielen anderen Deutschlandfans in einer vollen Kneipe, wie Argentinien im Viertelfinale 4:0 demontiert wird. Ich bin froh, dass Maradona jetzt nicht wie angekündigt nackt über den Strand laufen wird. Wer will das schon sehen. Die kleine Enklave Argentinienfans verschmerzt die Niederlage. Die meisten Deutschlandfans sprechen nicht mal oder kaum Deutsch. Vielleicht sind sie deutscher Abstammung, vielleicht sind sie einfach nur Fans.

Später fahren wir zurück in das Gewerbegebiet, wo sich die Boschwerkstatt befindet, weil wir dort über Nacht bleiben können. Gegen Abend besucht uns George. Er kam als rumänischer Flüchtling vor 30 Jahren nach Kanada, lebt in seinem zum Wohnmobil umgebauten Dodge Van und fährt Lkw. George hat jede Menge Geschichten und Witze auf Lager. Sein Auto ist vollgestopft mit vielen Dingen, die er großzügig verteilt wie Gemüse, Käse und einen Rocky Mountain Reiseführer. Wir trinken Bier und Schnaps mit ihm. Georg hat auch ein paar interessante Ansichten und Einsichten. So gibt er zu, dass Kraftstoff in Deutschland zwar teurer wäre als in Kanada. Da die Entfernungen in diesem Land aber riesig wären, man viele Kilometer fahren muss um irgendwohin zu kommen und damit viel mehr Sprit verfährt, zahlt der Kanadier im Endeffekt mehr Geld für Benzin und Diesel. Nicht ganz unlogisch.

Calgary, Alberta – Diagnosestecker bei Freightliner und Mechaniker bei Bosch

Freitag, Juli 2nd, 2010

Ein früher Anruf heute Morgen bei Freightliner Calgary macht uns Hoffnung: Wir können kommen, man ist bereit, sich unseres Problems anzunehmen. Unter der Marke Freightliner laufen in Nordamerika die Mercedes Benz Lastwagen und sind damit die Ansprechpartner für uns. Zwei Mechaniker und ein Servicemann stecken ihre Nasen in unseren Motorraum, finden das Expeditionsmobil toll, und stellen durchaus einleuchtende Vermutungen an. Leider haben Freightliners nur Diagnosestecker mit Computern, die einem sagen was kaputt ist und dafür sorgen, dass das richtige Teil ausgetauscht wird. Reparieren kann hier keiner was, und von Mechanik versteht man nicht mehr viel. Aber alle sind hilfsbereit und finden für uns andere Ansprechpartner an einer anderen Adresse.

Dort angekommen, registrieren wir erfreut, dass es sich um eine Bosch Vertretung handelt. Ist doch unsere Einspritzpumpe und damit das mögliche Problem von Bosch. Es kommt noch besser: Der Chef des Ladens holt seinen Spezialmechaniker. Der hat schon Militärunimogs in Südafrika repariert und kennt sich aus. Wir analysieren, diskutieren und beschließen: Das Thema wollen wir am Montagmorgen angehen, damit wir über das Wochenende mobil bleiben.