Archive for November, 2011

Quito, Ecuador – Pure Physik

Mittwoch, November 30th, 2011

Eine Frage, die sich Physikinteressierte stellen ist, ob sich Wasserstrudel auf der Südhalbkugel tatsächlich andersherum drehen? Jawohl, sie tun es! Aufgrund der Magnetwirkung der Pole dreht sich zum Beispiel aus einem Waschbecken ablaufendes Wasser auf der Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn. Genau am Äquator dreht sich interessanterweise gar nichts, das Wasser läuft völlig unprätentiös auf direktem Wege in den Abfluss. Bewegt man sich weiter in den Süden, wechselt das Wasser seine Laufrichtung entgegengesetzt der Uhr.

Und es gibt noch mehr Physik: Ich kann unseren Gasherd ab etwa 3.000 m nicht mehr mit dem Handpiezozünder anzünden. Das Gas verflüchtigt sich wegen des mangelnden Umgebungsdrucks zu rasch, um mit einem Funken entzündet zu werden. Ergo verwende ich ein Feuerzeug. Ab rund 3.700 funktionieren die meisten Feuerzeuge nicht mehr, da ja auch deren Gas von einem Zündfunken in Brand gesetzt werden muss. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Petra und Klaus, unsere anfänglichen Reisebegleiter in Guatemala, die uns einen Großteil ihres Streichholzbestands überlassen haben und uns damit Kaffee und heiße Mahlzeiten sichern.

Ein weiterer Dank gilt der Familie Carrera, die wir morgen verlassen werden, für ihre Gastfreundschaft und die zahlreichen Einführungen in die ecuadorianische Küche.

Quito, Ecuador – Die Seilbahn zum Hausberg

Montag, November 28th, 2011

Der Hausberg Quitos ist der Rucu Pichincha. Der Weg zum erloschenen 4.698 m hohen Vulkan führt über die Seilbahn. Die Teleférico (Parkplatz bei S 00°11’28.9’’ W 78°31’04.4’’) bringt uns für 8,50 $ (Rückfahrschein) von 3.100 auf 4.000 m mit wunderbarer Aussicht auf Quito. Die wird natürlich von oben noch besser. Zum Gipfel des Rucu oberhalb der Baumgrenze führt ein anfangs breiter, später schmaler und teils recht steiler Pfad. Das letzte Stück auf den Felsen ist mit einer kleinen Kletterei verbunden. „Nur eine 4+, das kriegt ihr hin“, meint locker ein entgegenkommender Bergsteiger, der gerade sein Höhenanpassungstraining absolviert. Wir werden das trotzdem nicht ausprobieren. Da das Wetter heute Morgen nicht so gut aussah, starten wir zu spät. Und während der Wanderung überrascht uns ein Hagelschauer, der die Wege zunächst durch Eis, dann Matsch und schließlich Schlamm rutschig werden lässt. Unter diesen Bedingungen muss man vier Stunden für den Aufstieg (der Twen rannte das mal eben in eineinhalb Stunden) und wegen des steilen Geländes fast genauso viel für den Abstieg rechnen. Wir machen bei 4.600 m kehrt, wo wir bei jedem Schritt keuchen müssen. Außer Sauerstoffmangel scheint uns die Höhe aber nichts anzuhaben.

Quito, Ecuador – Vier Jahreszeiten an einem Tag

Sonntag, November 27th, 2011

Quito gilt schon seit rund 12.000 Jahren als besiedelt, und die Inka machten es ab dem Ende des 15. Jh. zu einem wichtigen Handels- und Machzentrum. Doch zerstörten die Inka die Stadt, bevor die Spanier sie auch nur gesehen hatten. Ende 1532 trafen die Südeuropäer auf ihrem unaufhaltsamen Eroberungszug Südamerikas in der Stadt Cajamarca im heutigen Peru ein und nahmen den regierenden Inkakönig Atahualpa gefangen. Mitte des darauffolgenden Jahres wurde der letzte Herrscher des mächtigen Volkes von den Spaniern heimtückisch hingerichtet, obwohl er die geforderten Lösegeldzahlungen – ein Raum gefüllt mit Gold, zwei mit Silber – herbeigeschafft hatte. So nahm nicht nur das Inkareich ein rasches und unerwartetes Ende. Der Inkageneral Rumiñahui – damals wie heute ein Volksheld – ließ aus Rache für den Tod des Sonnenkönigs und in Voraussicht auf den unabänderlichen Vorstoß der Spanier Quito niederbrennen, doch zuvor sämtliches Gold wegschaffen.

Ein Jahr später erreichte der erste völlig enttäuschte Spanier die zerstörte Stadt. Die Schätze wurden bis heute nicht wiedergefunden und werden in den unzugänglichen Llanganatis-Bergen vermutet. Eine erste provisorische Stadtneugründung erfolgte kurz darauf, und am 6. Dezember 1534 wurde das eigentliche San Francisco de Quito an seiner heutigen Stelle offiziell errichtet. Dieses Jubiläum wird gerade groß gefeiert. Eine Woche lang herrscht in der Altstadt von Quito und an anderen Plätzen Feststimmung. Musiker und Artisten treten auf, Ausstellungen und Feuerwerke finden statt. So ist die Atmosphäre am heutigen Sonntag im kolonialen Quito besonders heiter.

Das historische Zentrum birgt eine Unmenge von katholischen Kirchen, Kapellen, Basiliken und Kathedralen, aber auch Regierungsgebäude und Privatpaläste. Viele Gebäude wurden im Laufe der Zeit von Erdbeben zerstört, das meiste ist aber restauriert und in hervorragendem Zustand. So wie die Calle La Ronda, die älteste Gasse von Quito. Auch die Plaza Grande ist umgeben mit Gebäuden von geschichtlicher Bedeutung. Der Bischofssitz zum Beispiel beheimatet ein kleines Einkaufszentrum mit Andenkenläden und Restaurants im schönen überdachten Innenhof. Hier treffen wir zufällig auf Ray und Jo wieder, mit denen wir die ersten Tage in Kolumbien unterwegs waren. Welch ein Zufall! Von der Plaza Grande aus hat man auch einen guten Blick zum Panecillo-Hügel mit der etwas unförmigen Schutzherrin Virgen de Quito aus Aluminium, der schon immer strategische Bedeutung hatte und der heute beliebter Aussichtspunkt ist.

Quito ist berüchtigt für seine teils mit Rasiermessern bestückten Taschendiebe. Das geht so weit, dass empfohlen wird, Kameras nicht sichtbar mit sich zu führen und Rucksäcke am Bauch statt Rücken zu tragen. Wir bleiben aufmerksam und die einzige zweifelhafte Begegnung beschert uns ein junger Schwarzer, der auf Jörg zustürmt und ihm die Hand reichen möchte. Jörg hält stattdessen lieber seine Kamera fest, da verschwindet der junge Mann auch schon wieder. Nachdem die Spanier die indigene Bevölkerung mit harter Zwangsarbeit und eingeschleppten Seuchen fast ausgerottet hatten, holten sie sich widerstandsfähige Sklaven aus Afrika. Die schwarze Bevölkerung lebt heute in Mittel- und Südamerika bevorzugt an den Küsten, doch in Ecuador haben sich die Ethnien gut durchmischt.

Wir teilen die oft knapp bekleideten dunkelhäutigen Frauen in Gefahrgutklassen ein. Auf einer Skala von eins bis fünf treffen wir heute zwei Fünfen. Eine der jungen Frauen mit geschätzter Kleidergröße 50 trägt eine weiße Hotpants, in die sie ausschließlich mit einem Sprung aus dem dritten Stockwerk hineingeraten sein konnte. Dabei wirken ihr riesiges Hinterteil und die taillendicken Schenkel keineswegs fett und schwabbelig wie das bei uns Weißen der Fall wäre. Sie wirkt einfach nur massig, bullig und schrecklich furchteinflößend. Viel freundlicher dagegen erscheinen die Indígenas, die in Ecuador einen beachtlichen Bevölkerungsanteil bilden und die hier oft noch ihre traditionellen Trachten tragen.

Je nachdem aus welcher Region tragen die Frauen lange dunkle Röcke, eine Art Wickelrock, weiße bestickte Blusen und einen Überwurf, der aus zwei rechteckigen Stück Stoff besteht, einmal über der einen und einmal unter der anderen Schulter geknotet. Noch eigenwilliger wirkt eine Kombination, die schon an Peru erinnert. Ein damenhaft knielanger, schmaler glänzender Taft- oder Samtrock wird stets von Seidenstrümpfen und eleganten Halbschuhen mit Blockabsatz ergänzt. Als Reminiszenz an die Moderne dürfen es auch schon mal Netzstrümpfe und Highheels sein – was haben die nur vor Erfindung der Strumpfhose getragen? Dazu gibt es die unvermeidliche Strickjacke und ein Schultertuch mit oder ohne Fransen. Natürlich geht Frau nie ohne Hut aus dem Haus. Hier handelt es sich um einen astreinen Tirolerhut aus meist dunkelgrünem Filz, selbst die Feder darf nicht fehlen.

Quito steht in dem Ruf, alle vier Jahreszeiten an einem Tag zu bieten. Und tatsächlich, am Morgen ist es meist sonnig und mild, mittags dagegen sommerlich warm mit intensiver Sonneneinstrahlung. Am Nachmittag bricht oft ein Regenschauer oder ein bösartiges herbstliches Gewitter herein. Zum Glück sitzen wir schon im Bus zurück nach Conocoto, als es losbricht. Busfahren ist in Ecuador äußerst günstig, für die gut halbstündige Fahrt zahlen wir 30 US-Cent. Danach wird es so kalt, dass man sich nur noch einkuscheln möchte. Nachts sinkt die Temperatur auf unter 10° C.

Volcán Pululahua, Ecuador – Suppe im Kessel

Samstag, November 26th, 2011

Noch einmal genießen wir dieses wunderbar fette Frühstück, das Angel Paz jeder Besuchergruppe serviert. Gestern Abend sind wir nochmals zum Reserva de la Paz bei Nanegalito hochgefahren, um hier zu übernachten und Angel noch einmal zu treffen. Das einzige, das hier nervt, sind die täglichen Erdbeben, also mehr die nächtlichen, die mich jedes Mal erschreckt aufwachen lassen. Ich denke, es klettert jemand auf Arminius herum. Nur, da ist niemand, die Kabine wackelt ganz von alleine. Werde ich mich jemals an die Erdbeben gewöhnen?

Auf dem Weg in Richtung Quito kommen wir am erloschenen Vulkan Pululahua vorbei, der nur wenige Kilometer westlich von Mitad del Mundo liegt. Sein Krater ist gut 600 m tief und misst etwa fünf Kilometer im Durchmesser. Das Besondere daran ist, dass man über eine serpentinenreiche, etwa 12 km lange Schotterpiste (keine besonderen Anforderungen) bis auf den Kraterboden fahren kann, wo seit Urzeiten Landwirtschaft betrieben wird. Camping wird angeboten, aber wir machen an der Zufahrtstraße bei N 00°02’42.7’’ W 78°28’40.7’’ Halt, da der von hier schon sichtbare Torbogen zu niedrig für uns ist. Um Punkt 12 Uhr bietet sich ein ganz besonders Schauspiel. Dichte Wolken klettern über den Rand der Steilwände und stürzen sich engagiert in die Tiefe. Innerhalb von einer halben Stunde ist der gesamte Talkessel mit suppigem Nebel angefüllt.

Wir sehen zu, dass wir hier rauskommen und fliehen nach Quito. Der Welt höchste Hauptstadt – noch vor dem bolivianischen Sucre – liegt auf 2800 m Höhe und ist in den letzten Jahrzehnten auf vergleichsweise bescheidene 2,5 Mio. Einwohner gewuchert. Leider ist das Wetter in Quito nicht besser. Der Sonnenschein von vor einer Minute wandelt sich in ein heftiges Gewitter mit senkrechten rosafarbenen Blitzen und einem Hagelschauer, der uns bei jedem Einschlag zusammenzucken lässt. Innerhalb von Minuten können Autos in den steilen eisbedeckten Nebenstraßen nicht mehr anfahren. Aber es kommt noch besser. Quito liegt in einem Hochtal. Die umliegenden Hänge sammeln den Niederschlag und leiten ihn zuverlässig nach unten, wo die Wassermassen die Straßen in reißende Flüsse verwandeln. Trotz eines halben Meters Wassertiefe und aus den Gullys sprudelnden Wasserfontänen kämpfen sich Kleinwagen und Mopeds tapfer weiter.

Zum Glück ist auf der Ostseite von Quito der Spuk ganz schnell vorbei und wir finden im Tal von Conocoto weitere Verwandte von Walt und Lidia, die ein großes Grundstück mit Wohnhäusern für die ganze Familie und eine Fabrik besitzen. In der Fabrik werden Spezialtextilien hergestellt, zum Beispiel Gurtbänder für Rucksäcke und andere Gepäckstücke oder Putzschwämme und -lappen.

Nanegalito, Ecuador – Verbrechen ist real

Freitag, November 25th, 2011

Langsam nagt die Sonne an Arminius. Der Lack bleicht an exponierten Stellen marginal aus, und die UV-Strahlung zersetzt so langsam die Dichtungsmasse an unseren Kabinenfenstern. Jörg baute zwei der Fenster aus und dichtete sie neu ab. Währenddessen versuchte ich, ein Quinoabrot zu backen. Hätte ich vorab im Internet recherchiert, hätte ich gewusst, dass man aus reinem Quinoamehl kein vernünftiges Ergebnis zustande bringt. Quinoa ist eine uralte Getreidesorte, die schon vor Jahrtausenden in dieser Gegend zum Brotbacken verwendet wurde. Für eine Zeitlang war das eiweißreiche Korn in Vergessenheit geraten, bis es vor einigen Jahren von der Reformkost wiederentdeckt wurde. Mein Brot ging nicht richtig auf und ist brüchig. Wenigstens blieb es dabei weich. Geschmack und Farbe erinnern flüchtig an Gras (Jörg meint Schweineschrot), wenn auch nicht unangenehm.

Bevor wir heute Morgen abfahren, erreicht uns eine E-Mail, die uns wieder einmal vor Augen führt, dass Verbrechen real ist. Unsere Bekannte Margie im mexikanischen San Miguel de Allende, amerikanische Ex-Lehrerin und entzückende ältere Dame, wurde in ihrem eigenen Haus überfallen. Ihre beiden großen respekteinflößenden, aber nicht zu Wachtieren ausgebildeten Hunde wurden erschossen, sie selbst mit vorgehaltener Waffe ausgeraubt. Das ist keine Einzelfall: Das Haus und das Auto unserer Freundin Tessa aus der gleichen Stadt waren während ihrer Jahre in Guatemala immer wieder beraubt worden, vor wenigen Monaten ist ihr das gleiche an ihrem mexikanischen Wohnsitz passiert. Ihre Freundin Patricia, die wir im guatemaltekischen Panajachel besuchten, war in der dortigen Hauptstadt an einer Ampel unter vorgehaltener Waffe gezwungen worden, aus ihrem neuen Pick-up auszusteigen.

Viele andere unserer Freunde, ob in Mexiko, Guatemala, Panama oder anderen Ländern, hatten mehr Glück. Doch auch sie schützen sich mit vergitterten Fenster, abgedunkelten Autoscheiben, Alarmanlagen oder gar Leibwächtern. Julius’ ecuadorianischer Frau wurde das Handy dreimal per Rasierklinge aus der Handtasche herausgeschnitten, seitdem möchte sie keines mehr. Selbst Julius machte schon seine Erfahrungen: Die Polizei versuchte, Schutzgeld von ihm zu erpressen. Er bot ihnen an, gerne von Zeit zu Zeit auf einen Kaffee oder ein Bier vorbeizuschauen, aber Geld gebe er keines. Er bekam mehrfachen Besuch, aber schließlich ließen sich selbst die korrupten Beamten überzeugen, dass es Julius ernst ist, und dass der ehemalige Leibwächter mit seinem umfangreichen Waffenarsenal durchaus in der Lage und vor allem willens ist, sich und seine Familie zu verteidigen. Er hatte bislang keine Probleme.

Es scheint, dass vor allem alleinlebende, scheinbar wehrlose Frauen bevorzugtes Opfer von Gewaltkriminalität werden. Und dass oft schon die Bereitschaft und Fähigkeit zur Verteidigung abschreckende Wirkung zeigen. Auf jeden Fall aber macht Margies schreckliches Erlebnis klar, dass die Welt, vor allem nicht in Lateinamerika, so heil ist wie sie sich – glücklicherweise – dem gemeinen Reisenden meistens präsentiert.

Mompiche, Ecuador – Der Fluch der erfolgreichen Aquakultur

Dienstag, November 22nd, 2011

Angel ist ein Goldstück. Er lädt uns noch einmal zum Bauernfrühstück ein, als er mit seiner 14-köpfigen amerikanischen Besuchergruppe zur Kaffeepause hereinkommt. Dann müssen wir aber wirklich los, der Weg hinunter an die Pazifikküste ist weit. Ecuador ist etwa so groß wie die alte Bundesrepublik, hat aber nur 14,5 Mio. Einwohner, wovon sogar 3 Mio. im Ausland leben. Aufgrund seiner topografischen Gestalt gilt es als eines der variantenreichsten Länder der Erde. Das Höhenprofil bedingt, dass fast sämtliche Klimazonen vertreten sind: Die Tierra Caliente ist das tropische „heiße Land“ der Pazifikküste und des Amazonasbeckens bis etwa 1000 m Höhe. Die Tierra Templada stellt das „lauwarme Land“ mit subtropischem Klima bis 2000 m dar, während die „kalte“ Tierra Fria bis 3000 m gemäßigtes Klima aufweist. Bis ungefähr 4800 m bildet die Tierra Helada das kalte „eisige“ Hochland, und ab da herrscht in der Tierra Nevada der ewige Winter des „Schneelandes“. Im „vertikalen“ Land Ecuador kommt es also fast ausschließlich auf die Höhenlage an, in welcher Klimazone man sich befindet. Heute ist uns nach Tropen.

In Mompiche in der Provinz Esmeraldas bekommen wir heute unseren Privatstrand. Das kam so: Walt und Lidia, ein Paar aus Kalifornien, hatte unsere Website gefunden und uns zu sich eingeladen. Da waren wir leider schon in Mexiko, doch stattdessen boten sie an, ihren Sohn und Schwiegertochter in Ecuador zu besuchen, Geburtsort von Lidia und für sechs Jahre die Heimat der beiden. Sohn Ron ist leider gerade verreist, aber wir suchen dessen Frau Monica im Dorf Mompiche. Nachdem uns eine ganze Reihe der befragten überwiegend schwarzen Einwohner scheel, ja fast bösartig angesehen hat, verrät uns ihre skeptische Mutter, wo wir sie finden. Es herrscht eine seltsame feindselige Stimmung in diesem Ort, aber Monica ist ein Schatz, und nachdem wir sie mehrfach durchs Städtele gefahren haben, ist plötzlich alles anders: Die Leute winken, manche lächeln sogar, wenn auch lange noch nicht alle.

Mompiche soll den schönsten Strand des ecuadorianischen Festlands besitzen, trägt aber sonst den Ruf, nicht der sicherste Ort zu sein. Nachts spazieren zu gehen sei weniger empfehlenswert. Monica besitzt ein einsames Grundstück irgendwo mitten am sieben Kilometer langen grauen Pazifikstrand. Es sei sicher, meint sie, und wenn etwas vorkomme, würde man den Schuldigen schon finden. Wir glauben ihr, was sollen wir auch tun, und genießen die Einsamkeit des Strandes. Der ist bei Flut fast verschwunden und dann unpassierbar, aber bei Ebbe breit und fest, dass nicht nur Autos, sondern auch Mopeds und sogar Fahrräder hier entlang fahren. Das Wasser hat erträgliche, für Südamerikaner aber lauschige 25° und ist einer der wärmsten Spots an der Westküste.

Etliche der Einwohner von Mompiche leben mittlerweile vom Tourismus, wenn auch längst nicht alle. Surfer und Backpacker sind häufig gesehene Gäste. Ein Gutteil der Küstenbewohner ist arbeitslos, was die Kriminalität mal wieder erklärt. Einer der Gründe, wenn auch nicht der einzige, ist die Formel „Viele Shrimps = wenige Fische“. Schon auf der Herfahrt sind uns Unmengen von Aquakulturen in den Buchten aufgefallen. Leider ist die Aufzucht der Schalentiere extrem wenig personalintensiv, sodass der Großteil der Bewohner keine Arbeit erhält. Dazu kommt, dass die zahlreichen wertvollen Mangrovenwälder den Shrimpszuchten weichen mussten. Unglücklicherweise sind diese die Kinderstube von vielen Fischen. Und so gibt es kaum noch Fische, die gefangen werden können. Eine Trendwende hat mittlerweile eingesetzt, der Wert der Mangrovenwälder wurde erkannt und ihre Restbestände geschützt, ja es gibt sogar Wiederaufforstung.

Reserva de la Paz, Ecuador – Der Vogelflüsterer

Montag, November 21st, 2011

„Manuela, Pancho, Maria” ruft Angel, und dann mit hoher Stimme erneut „Manuelita, Panchito, Maria”. Was dann passiert, ist eigentlich unglaublich. Zwei der schon als ausgestorben geglaubten Riesenameisenpittas – Maria und Pancho – kommen aus dem Gebüsch gelaufen und lassen sich von Angel mit einer Art Holzwurm füttern. Diese knapp 30 cm großen, braunen, am Boden lebenden Vögel sind extrem selten und so scheu, dass sie sich stets unsichtbar im dichten Unterholz des tropischen Nebelwalds verstecken. Maria ist die Großmutter, Manuela, die sich heute nicht zeigt, die Tochter und Pancho der erst acht Monate alte Enkelsohn, der seinen Baby-Bettelruf noch nicht abgelegt hat.

Angel Paz ist der Mann, der dieses kleine Wunder vollbracht hat. Er ist Mitinhaber des privaten Naturschutzgebiets Reserva de la Paz und unser Führer. Angel hat noch weitere Vögel angefüttert, darunter eine ganze Reihe von verschiedenen, etwas kleineren, ebenfalls Insekten fressenden Ameisenpittas und vegetarischen Schwarzrückenwachteln; alles Vögel, die zwar fliegen können, aber meist verborgen im Dickicht am Boden nach Nahrung suchen. Für Bird Watcher, Vogelbeobachter wie die beiden Amerikanerinnen, die uns begleiten, und Naturliebhaber ist das eine kleine Sensation.

Das Anfüttern scheint den Pittas ungefähr so wenig zu schaden wie Meisenknödel im Winter nach draußen zu hängen. Während ihrer Fortpflanzungsperiode ziehen sich die Vögel für zwei Monate in höhere Lagen zurück und sind nach ihrer Rückkehr bis zum Ende der etwa vier Monate andauernden Regenperiode nur schwer anzulocken, da sie dann selbst leicht genug Futter finden. Außerdem muss man solche Initiativen schlicht begrüßen, denn sie bewahren die letzten Stücke Primärwalds vor dem Abholzen.

Andere Vögel lassen sich schon von Angels reichem Repertoire an Lockrufen (bzw. von dem mit dem iPod aufgenommenen und per Aktivlautsprecher abgespielten) anziehen oder von einem der Unterstände an der passenden Stelle beobachten. So wie die ebenfalls seltenen bis zu 40 cm großen Andenfelshähne mit ihrem auffälligen Federkleid: quietschrote Puschelkopfhaube, die sich bis über den halben Oberkörper zieht, schwarzer Bauch und graue Flügel. Die Weibchen sind eher unscheinbar braun. Auch unzählige Arten von Kolibris und anderen Vögeln erfreuen den Fotofreund. Trotz eines lichtstarken Teleobjektivs ist diese Art Tierfotografie in dem dunklen Wald schwierig. Ganz billig ist das Vergnügen zudem nicht: 20 $ nimmt Angel mittlerweile, besucht man anschließend noch das Grundstück seines Bruders, um zwei weitere seltene Ameisenpittaarten zu sehen, kommen weitere 5 $ hinzu.

Dafür bekommen wir ein siebenstündiges Programm (von 5:30 bis 12:30 Uhr) mit einer Kaffeepause und deftigem Frühstück zwischendurch, das aus einem großen frittierten Kochbananenknödel mit Hühnchenfüllung (ecuadorianische Spezialität) und einer ebenfalls ausgebackenen Empanada, die hier ausnahmsweise aus einem großen, zusammengeklappten Mehlfladen (statt Mais) mit Käsefüllung besteht. Der Kaffee ist stark, aber erstaunlicherweise nicht bitter und einfach köstlich. Außerdem machen wir Bekanntschaft mit Angel Paz und seiner Familie, einem supernetten, Natur liebenden, waschechten Indígena, der beim Suchen und Anlocken der Vögel echte Arbeit leistet, unterstützt von einem Bruder. Bei den vielen Männern, die sich im Laufe des gestrigen Abends und heute als sein Bruder vorstellen, verliere ich ein wenig den Überblick. Als mir Angel erzählt, dass sie insgesamt neun Brüder sind, mache ich mir weiter keine Gedanken. Am Ausgangspunkt der Wanderung gibt es eine Küche, Toiletten und Esstische. Wir dürfen hier kostenlos campen, solange wir wollen, sogar Küchenbenutzung wird uns angeboten.

Eine Anmeldung für den Besuch des Reserva de la Paz ist unabdingbar, da der Reservatsstützpunkt nicht ständig besetzt ist. Das geht entweder über einen Touranbieter oder direkt per Telefon, wenn man Spanisch spricht: +593 (0)87 253674. Auf der Straße # 28 nach Los Bancos biegt man von Quito kommend 10 km hinter Nanegalito kurz nach km 65 (bei N 00°01’59.0’’ W 78°43’14.7’’) nach links in einen Fahrweg ein. Nach 4,5 km erreicht man den kleinen Parkplatz (N 00°01’12.3’’ W 78°42’26.0’’). Wer den steilen Pfad nicht selbst fahren will, kann in Nanegalito bei Angels Finca übernachten. Ein wenig mehr Bodenfreiheit sollte jedoch bei Trockenheit genügen. Wer der Brücke nicht traut, kann direkt durch den seichten Fluss fahren. Im nächsten Jahr sollen auf dem Berg sogar Cabaña-Unterkünfte gebaut werden. Der Übernachtungsplatz verdient fünf Sterne, da er so einsam und ruhig ist, dass man weder Verkehr noch bellende Hund hört.

Mitad del Mundo, Ecuador – Äquatortaufe

Sonntag, November 20th, 2011

Der Äquator liegt nur fünf Kilometer südlich von Cayambe am östlichen Zweig der sich teilenden Panamericana. Achtet man nicht genau auf die Schilder am Straßenrand, fährt man am unspektakulären Moment sogar vorbei. Fotogen ist die nach präkolumbischem Vorbild angefertigte Sonnenuhr mit dem Vulkan Cayambe im Hintergrund allemal. Und witzig dazu, denn man kann über der eingezeichneten Äquatorlinie mit einem Bein auf der Nord-, mit dem anderen auf der Südhalbkugel stehen. Natürlich darf bei diesem Anlass die Äquatortaufe nicht fehlen. Zum Glück haben wir den Sekt bereits aus dem alkoholgünstigeren Kolumbien mitgebracht. Zwar ist es nicht unsere Premiere, den Äquator zu überqueren, doch das erste Mal zu Fuß bzw. mit dem Auto und für Arminius schon gleich, also kriegt er auch etwas ab. Der Besuch des Monuments ist kostenlos, allerdings wird man um eine „Spende“ von 1 $ pro Person gebeten, wenn man den Ausführungen des dortigen Guides lauscht.

Im Gegensatz zu dem ruhigen „echten“ Äquatordenkmal steht das völlig kommerzialisierte Touristenspektakel Mitad del Mundo 25 km nord-westlich von Quito. Um die „Mitte der Welt“ zu besuchen, muss man erst mal 2 $ fürs Parken und zwei weitere als Eintritt je Person berappen. Hier steht ein 30 m großes, eindrucksvolles Monument mit einer Weltkugel auf der Spitze, 13 Büsten der Pioniere der französisch-spanischen geodätischen Expedition von 1736 bis 1744 und die Äquatorlinie, die die Wissenschaftler seinerzeit errechnet hatten. Das Dumme ist nur – sie ist falsch. Um 180 m hatte sich die Kommission verrechnet. In Anbetracht der Jahreszahl ein verzeihlicher Fehler. Im Monument befindet sich ein ethnologisches Museum, dessen mäßigem Ruf man für weitere 3 $ folgen kann oder nicht. Rund um das Denkmal gibt es noch jede Menge Touristenzirkus inklusive der unentbehrlichen Restaurants und Souvenirshops. Trotz des Rummels – Mitad del Mundo gehört einfach zu einem Ecuadorbesuch.

Cayambe, Ecuador – Schnee am Äquator

Samstag, November 19th, 2011

Ein weiteres entzückendes Stück Nebenstraße führt von Ibarra aus über La Esperanza, Zuleta und Olmedo nach Cayambe. Bis Olmedo tuckert man über ca. 30 km alten Pflasterstein und Schotter, die letzten 18 km sind asphaltiert. Die Route, die durch landschaftlich sehr attraktives Páramo-Hochland führt, wird auch von Bussen befahren und stellt keine Besonderen Ansprüche an das Fahrzeug außer an Federung und Dämpfung. Man kommt relativ nah an den wunderschönen 5.790 m hohen schneebedeckten Cayambe heran. Der erloschene Vulkan, dessen Südhang vom Äquator durchkreuzt wird, ist weltweit die höchste Erhebung auf der Äquatorlinie.

Das Wetter ist uns heute hold, und der Gletschergipfel erstrahlt vor stahlblauem Himmel. Der Nachteil dieser Strecke ist, dass man Otavalo mit seinem durch und durch touristischen Indianermarkt, den zahlreichen Lagunen und anderen Sehenswürdigkeiten verpasst, doch zur Not kann man das Stück zurückfahren. Wir bleiben im Ort Cayambe und fragen in der Pferdefarm Shungu Huasi, ob wir dort campen dürfen. Der Hotelbetrieb scheint derzeit zu schlafen und Pferde gibt es auch nicht viele. Macht nix, die junge Frau lässt uns gerne übernachten, wir einigen uns auf 5 US$. Wir parken lieber beim Wohnhaus statt bei den Ställen, wo es zwar Toiletten, aber auch jede Menge Fliegen gibt. Auch hier, einen ruhigen Kilometer von der Hauptstraße entfernt, haben wir einen wunderbaren Blick auf den Berg Cayambe. Shungu Huasi Pferdefarm, N 00°03’02.2’’ W 78°09’17.5’’.

Ibarra, Ecuador – Günstige Versicherung, teurer Jägermeister

Freitag, November 18th, 2011

Das Versicherungsbüro befindet sich in Ibarra an der angegebenen Stelle (von Nord nach Süd am dritten Kreisverkehr mit dem „Muttermonument“ gleich links, N 00°20’47.8’’ W 78°07’53.8’’). Die Colonial Seguro verkauft uns eine Kfz-Haftpflicht für einen Monat, auch wenn die Dame am Empfang zunächst etwas anders behauptet und ich schon fast wieder gehen will. Eine SOAT gibt es für einen Monat oder ein Jahr, dazu erhält man ein Papier und einen Aufkleber für die Windschutzscheibe, der der Polizei von Weitem anzeigt, dass man versichert ist. Die Kosten für ein Wohnmobil sollen fünf bis sieben Dollar betragen, wir zahlen 5,09 $, der etwas neuere VW-Bus der Deutschen von gestern an der Grenze kostet 5,68 $.

Seit 2000 ersetzte der US$ den lokalen Sucre mit Billigung der USA als einzig gültige Währung. Der Präsident, der diese Entscheidung traf, wurde zwar sofort abgesetzt, das Währungsgesetz aber nicht rückgängig gemacht. Damit sicherte sich das Land zwar eine stabile Währung, entledigte sich jedoch jeglicher Einflussnahme auf eine steuernde Währungspolitik. Nur ein paar Hundert Meter südlich des Versicherungsbüros befindet sich ein Einkaufszentrum mit einem Supermarkt der landesweiten Maxisuper-Kette (N 00°20’46.4’’ W 78°08’07.3’’). Im Allgemeinen ist Ecuador etwas günstiger als Kolumbien, doch sind die Preise stets starken Schwankungen unterworfen. Besonders günstig sind Käse, Obst und Gemüse, wobei es nach Monaten wieder mal bezahlbare Leckereien wie Rucola, Kirschtomaten und eine reiche Kräuterauswahl gibt. Fleisch ist preislich o.k.

Alkohol haut jedoch dem Fass den Boden aus. Eine kleine Flasche / Dose Bier (0,33 l) kostet knapp 1 $. Hin und wieder kaufen wir uns eine Flasche Jägermeister zur besseren Verdauung ungewohnten Essens. Bisher gab es ihn in jedem Land mit Ausnahme von Kolumbien. Das günstigste Angebot hatte Panama mit weniger als 10 $, in Ecuador verzichten wir für 42 $ gerne. (Ob der ecuadorianische Präsident das überall in Lateinamerika präsente Alkoholproblem auf diese Weise in seinem Land lösen möchte?) Im Einkaufszentrum sind außerdem sämtliche Telefonanbieter vertreten, wo man SIM-Karten fürs Telefon und USB-Internet-Modems bekommt. Wir haben Glück, dass uns Julius seinen ungenutzten Internetstick verkauft, so sparen wir Geld. Wer in Ibarra übernachten möchte, findet an der PS-Tankstelle N 00°21’39.8’’ W 78°06’43.2’’ Platz. Wir fahren die halbe Stunde lieber zu Julius zurück und grillen mit der ganzen Familie.

Valle de Chota, Ecuador – Ein Name, ein Land: Ecuador, der Staat am Äquator

Donnerstag, November 17th, 2011

Das war die schnellste lateinamerikanische Grenzabfertigung bisher. Die Ausreise aus Kolumbien dauerte inklusive Einparken, Ausparken und Geld wechseln ganze 15 Minuten. Eine Grenzabfertigung gab es natürlich auch. Die temporäre Einfuhrgenehmigung für den Wagen wird schlicht eingesammelt, doch wir werden höflich gefragt ob wir eine Kopie möchten, die uns abgestempelt wird. Dann gibt es noch einen Ausreisestempel in den Pass, wie bei der Einreise werden die Fingerabdrücke genommen und schon geht es weiter nach Ecuador. Die Passabfertigung mit Stempel (max. 90 Tage) geht fix wie meistens, am Zoll müssen wir etwas warten, da ein anderes junges deutsches Pärchens ebenfalls mit eigenem Fahrzeug einreist. Als wir an der Reihe sind, stellt die Sachbearbeiterin ihre Fragen wieder kurz angebunden in herrischem Ton, den man ihr beigebracht hat. Dank des vorher abgefertigten Paares bin ich vorbereitet, gebe meine Antworten in ebenso zackigem Ton, und wir verstehen und prima. Sämtliche Grenzbeamten sind sehr freundlich. Alles in allem brauchen wir eine Stunde, dann haben auch wir die Fahrzeuggenehmigung in der Hand. Aufdringliche Grenzhelfer gibt es in Südamerika keine mehr. Obwohl wir aus dem Drogenland Kolumbien kommen, interessiert sich wieder mal niemand für das Innere unseres Campers. Was daran liegen kann, dass Ecuador selbst genügend Kokain anpflanzt. Beide Grenzabfertigungen waren kostenfrei.

Auf Nachfrage bestätigt man uns, dass mittlerweile in Ecuador eine Kfz-Haftpflichtversicherung auch für Ausländer vorgeschrieben ist. Die würden wir im nächsten Ort, in Tulcan, erstehen können, was nicht klappt. Wir werden von einem Büro zum anderen gereicht, bis wir schließlich in die nächste Stadt Ibarra geschickt werden, die heute nicht mehr auf unserem Programm steht. Dafür sehen wir uns den Friedhof von Tulcan an, der vielleicht der schönste Ecuadors ist. Hunderte von Zypressensträuchern wurden in kunstvolle Formen geschnitten, zum Teil nach präkolumbischen Motiven. Die Anlage ist riesig und bietet noch viel Platz zum Sterben. Auf den Rasenflächen zwischen den grünen Kunstwerken werden bunte Gräber angelegt. Eigentlich verwunderlich, dass die Zypressen so gedeihen, denn Tulcan gilt mit seinen 3000 m Höhe als kälteste Stadt des Landes. Davon ist heute nichts zu spüren. Es ist recht heiß, als wir auch noch die liebevoll geschmückten Urnengräber in mehrstöckigen weißen Grüften in Augenschein nehmen. Der Initiator des Kunstfriedhofs ruht mittlerweile selbst unter dem Grün. „Ein Friedhof so schön, dass er zum Sterben einlädt“, steht auf seinem Grabstein. Seine Söhne führen die Tradition fort.

Fünf Kilometer hinter Tulcan zweigt die alte Panamericana nach Westen ab und führt in einem Bogen über eine Hochebene auf 3500 bis 3700 m bis El Angel. Dabei streift die wunderbar einsame Strecke das El Angel Reservat, wo die Frailejonas, denen wir bereits in Kolumbien begegnet sind (siehe 01.11.2011), mehrere Meter hoch werden. Beeindruckend ist ihre schiere Anzahl – es sind Abermillionen. Nicht weniger attraktiv ist das Bergland, das man in Ecuador Páramo nennt. Abgesehen von winzigen Weilern am Anfang und Ende der 42 km langen Strecke gibt es unterwegs keinen Verkehr und nur eine einzige kleine Hacienda. Die Route besteht aus alten, unbehauenen Pflastersteinen, die größtenteils verschwunden und Dreck gewichen sind. Auf der morastigen Hochebene gibt es zum Teil tiefe Schlammlöcher – ohne Allradantrieb traut man sich besser hier nicht lang. In El Angel erreichen wir Asphalt und keine 20 km weiter wieder die neue PanAm.

Zwischendurch tanken wir. Sorgen bereiten mir die limitierten Abgabemengen im Grenzbereich, doch das war unnötig. Der Tankwart hätte unseren Tank sowieso voll gemacht, doch wir zahlen für einmal Auffüllen nur 30 $. Ecuador ist ein Traumland für Autofahrer. Diesel kostet 1,03 $ / Gallone (0,21 € / l), Benzin 1,48 $ und Super 2 $ / Gallone. Schmutzig ist der Sprit mitnichten. Sauber und klar rinnt er gefiltert aus der Zapfpistole.

Immer weiter bergab geht es auf der PanAm, bis wir auf 1500 m Höhe das heiße Tal des Chota-Flusses erreichen. Die klimatische Enklave verzeichnet wenige Niederschläge und gleicht einer Halbwüste. Landwirtschaft ist nur dank Bewässerungskanälen möglich. Hier begeben wir uns auf die Suche nach Julius, einem Liechtensteiner Auswanderer, der seit 18 Jahren in Ecuador beheimatet und verheiratet ist. Sein kleines Hostal ist noch nicht offiziell eröffnet, und so finden wir den Ex-Rocker und Harley-Fahrer nicht auf Anhieb. Da im Dorf nur ein einziger Gringo wohnt, werden wir dennoch fündig und herzlich willkommen geheißen. Hinter dem Restaurant parken wir relativ lärmgeschützt von der PanAm. Für ein Bier und einen Schwatz ist Julius immer zu haben. Ruhig ist er geworden, und kinderlieb dazu: Auf vier hat er es mittlerweile gebracht. Seine Anlage Route km 121 liegt in idealer Entfernung zum Grenzübergang. Campen soll 5 $ pro Fahrzeug kosten, Poolbenutzung inklusive (sehr sauber und bei der Wärme angenehm), kaltes Bier und Gutes vom Grill ist auch verfügbar. Julius bittet wenn irgend möglich um Voranmeldung (E-Mail / Facebook: juwe_elrockero@hotmail.com, Tel. +593 (0)6 2637223, Mob. +593 (0)94 119763). Man findet Julius 100 m südlich der Mautstation Ambuqui auf der westlichen Straßenseite bei km 139,5: N00°28’09.6’’ W 78°02’37.4’’.

Las Lajas, Kolumbien – Schnee in Kolumbien

Mittwoch, November 16th, 2011

Wir sehen aus dem Fenster und alles ist weiß. Ist das der Beweis, dass in diesem Land Koks auf der Straße liegt? Wohl weniger. Ein dramatisches Gewitter mit lang anhaltendem Hagelschauer lässt die Temperatur von knapp 30° am heißen Vormittag auf 8° hinunter plumpsen. Das nennt sich Tageszeitenklima. Alle Jahreszeiten an einem einzigen Tag, typisch äquatoriales Hochlandklima. Immerhin befinden wir uns auf 2.739 m – das ist fast so viel wie auf dem Gipfel von Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze. Wir stehen nach wie vor auf dem Parkplatz oberhalb des Wallfahrtsortes Las Lajas. Jörg hatte für einige Tage ein undefinierbares Nachmittagsfieber ohne weitere Symptome, was uns am Weiterfahren hinderte. Eine dieser seltsamen von Mücken übertragenen Virenerkrankungen, die ebenso schnell verschwinden, wie sie gekommen sind? Vorsichtshalber backe ich einen Genesungskuchen und hebe damit mein jahrelanges Kuchenembargo auf. Was auch immer geholfen hat, jedenfalls sind wir jetzt bereit zum Weiterreisen.

Der Parkplatz wird immer wieder von Bussen mit Wallfahrern besucht, besonders am Wochenende. Dann taucht auch der Parkplatzwächter auf, der die Parkgebühren kassiert. Wir aber bleiben unbehelligt. Außer einem kleinen Schwätzchen will der Mann nichts von uns. Erstaunlich. Etwas oberhalb des Parkplatzes lebt eine Familie, die einen Wasseranschluss besitzt und uns freundlicherweise mit Trinkwasser für unseren Tank versorgt. Beim Auftanken heute Morgen – wir wollen für die Weiterfahrt gerüstet sein – unterhalten wir uns mit dem erwachsenen Sohn des Hauses, der tagsüber Autos auf dem Parkplatz wäscht, unter anderem über die Notwendigkeit, Spanisch zu lernen, wenn man individuell diesen Teil der Welt bereist.

Eine immer wieder kehrende Frage ist, ob Spanisch schwer zu erlernen sei. Die Grammatik ist schwierig, erkläre ich ihm, viel schwieriger als im Englischen. Er stutzt: Aber sei denn Deutsch nicht dasselbe wie Englisch, würde nicht das unsere Muttersprache sein? Abgesehen von der etwas bedenklichen Bildungslücke des jungen Mannes bringt er zum Ausdruck, was wir schon oft erlebt haben: Spricht ein Lateinamerikaner eine weitere Sprache (meist Englisch), ist das eine grandiose Errungenschaft. Von einem Touristen wird das so selbstverständlich angenommen, dass es wohl seine Muttersprache sein muss. Dass es für uns möglicherweise mit den gleichen Schwierigkeiten verbunden ist, eine fremde Sprache (auch Englisch) zu erlernen, kommt ihnen nicht in den Sinn. Um es auf den Punkt zu bringen: Alle Nicht-Lateinamerikanier sind Gringos, und alle Gringos sprechen Englisch. Schöne, einfache Welt.

Las Lajas, Kolumbien – Die wundertätige Jungfrau

Dienstag, November 8th, 2011

Kurzweilig ist die Fahrt vom Vulkan wieder hinunter zur Grenzstadt Ipiales. Dutzende von qualmenden Ziegelbrennereien säumen den Weg, die fertigen Ziegel werden säuberlich zu Mäuerchen aufgestapelt. Richtiggehend putzig sind die Stundenhotels, von denen es in Kolumbien besonders viele gibt. Jedes Zimmer besitzt eine eigene separate Garage mit direktem Zugang zum Zimmer. Ruft man vorher an, öffnet bestimmt noch jemand das Garagentor. Die zumindest äußerlich sauberen und gepflegten Anlagen machen den Eindruck, als seien sie nicht nur für die Inanspruchnahme professioneller Liebesdienste konzipiert, sondern diskret genug, um dem Herrn Nachbarn, der sich mal eben mit Frau Nachbarin auf ein Stelldichein zusammenfindet, ein unerkanntes Entkommen zu sichern. Die Innenhöfe solcher Stundenhotels wurden früher gerne von Reisenden zum Campen genutzt. Auch heute noch bieten sie vor allem Motorradfahrern in unsicheren Gegenden eine diebstahlsichere Garage für Zweirad und Gepäck.

Nach dem Sündigen hat man die Gelegenheit, seine Verletzung des 6. bzw. 9. Gebots wieder zu bereuen. Besonders geeignet dazu ist die Wallfahrtkirche in Las Lajas, die dortige Jungfrau Maria gilt als wundertätig. Vom Grenzort Ipiales aus fährt man noch sieben Kilometer östlich in den kleinen Ort. Noch bevor man das Dorf erreicht, öffnet sich an einem Aussichtspunkt ein spektakulärer Blick in die tief eingekerbte Schlucht, in der der Rio Guáitara wild gurgelt. Eine 45 m hohe Steinbogenbrücke überspannt den Fluss, das grau-weiße Kirchlein stützt sich darauf und schmiegt sich dabei an die Schluchtwand. Nuestra Señora del Rosario de Las Lajas wurde 1949 im neugotischen Stil fertig gestellt und ersetzte die Kapelle von 1803.

Der Legende nach erschien einem taubstummen Indianermädchen an einem Septembertag 1754 an eben dieser Stelle die heilige Maria. „Die Mestizin ruft nach mir!“, soll sie zu ihrer Mutter gesagt haben, auf einen Felsen deutend, auf dem sich die Gestalt der Jungfrau abzeichnete. Das Kind konnte fortan hören und sprechen. Die Stelle, an der das Wunder geschah, bildet heute die Altarrückwand, die Muttergottes wurde auf den Fels gezeichnet. Die heilige Maria ist nach wie vor wundertätig. Das jedenfalls geben tausende von Votivtafeln preis, die mit Gips an die umgebenden Hänge geklebt wurden.

Von einem kleinen kostenpflichtigen Parkplatz (2.000 Peso) im Ort aus läuft man hinunter zur Wallfahrtskirche an ungezählten Souvenirshops vorbei. Ein zweiter Ausweichparkplatz weiter oberhalb (N 00°48’27.5’’ W 77°34’54.7’’) ist ruhig, kostenlos und bietet viel Platz zum Campen. Aber Achtung, jedes Jahr im September (die Wochen um den 16. herum) pilgern tausende von Ecuadorianern und Kolumbianern nach Las Lajas, um für Erfüllung ihrer Wünsche zu bitten. Das Kassenhäuschen steht auch an diesem Parkplatz schon bereit für die Massen.

Volcán El Azufral, Kolumbien – Unser erster Viertausender!

Montag, November 7th, 2011

Die Wollmütze auf dem Kopf, die Fleecejacke und die dicke Winterregenjacke oben, die warme Regenwanderhose unten: so starten wir zu unserer heutigen Wanderung. Doch, wir sind noch in Kolumbien. Aber in 4.000 m Höhe ist es auch am Äquator kalt. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 6° C, dazu gibt es tief hängende Wolken und am Nachmittag zuverlässig einsetzenden Regen. Die Wanderung ist es trotzdem wert. Sie führt uns auf den ruhenden Volcán El Azufral, was Schwefelvulkan bedeutet, dessen höchste Erhebung 4.070 m ist. In seinem Krater befinden sich drei Seen: die große Laguna Verde, die ihre grüne Farbe von eben dem Schwefel hat, die kleine tiefdunkle Laguna Negra und die Laguna Blanca, deren Wasser doch eher grünlich ist statt weiß.

Laguna Verde hat schneeweiße Strände und kahle Felsen, die von dickem gelblich-weißem Schwefelbelag überzogen sind. Man kann um den See teilweise herumlaufen. Zum Baden eignet sich das 8° kalte, ständig blubbernde Giftwasser nicht. Aus Löchern im Boden entweichen nach faulen Einern stinkende Schwefeldämpfe. Die Umgebung des Vulkans ist dich bewachsen mit hunderten verschiedenen dicken Mooskissen, Flechten, Gräsern und niedrigen Sträuchern. Etwa 70 Bäche sollen hier entspringen, was ich gerne glaube, denn die knapp fünf Kilometer Aufstieg vom Parkplatz auf 3.670 m zum „Gipfelschild“ auf 4.000 m sind nass und schlammig.

Die bis auf das letzte Stück gemächlich ansteigende Strecke schaffen wir in einer flotten Stunde fünfzehn, trotz der Höhe. Danach geht es in einer halben Stunde einen knappen Kilometer 200 Höhenmeter hinunter zu den Lagunen; zunächst durch ein steiniges Bachbett, dann über teils weggebrochene unwegsame Stufen in einem extrem rutschigen Hochmoor. Der Abstieg zu den Seen ist gleichzeitig der schwierigste Teil der Wanderung. Zugute gekommen ist uns definitiv, dass wir bereits die letzte Nacht auf dem Parkplatz geschlafen haben, was sehr zur Akklimatisierung beiträgt.

Die Zufahrt zum Vulkan Azufral liegt zwei Kilometer hinter der Stadt Túquerres and der Straße nach Olaya (Abzweig bei N 01°05’43.1’’ W 77°41’08.4’’). Von da an sind es sieben Kilometer sich verschlechternde, teils recht enge Schotterpiste. Bei der Cabaña des Naturwarts (N 01°05’41.7’’ W 77°41’08.4’’) parkt man am Wegesrand, zum Campen wird uns das krumme Wegstück oberhalb der Hüttenzufahrt zugewiesen (einzige halbwegs plane Stelle, nur Allradfahrzeuge). Zutritt zum Vulkan kostet 1.000 COP pP, Parken einmalig 5.000 COP. Für die zwei Nächte campen zahlen wir nichts. Das Gästebuch des Naturwarts, in das man sich eintragen muss, zeigt fast ausschließlich kolumbianische Besucher an – eigentlich schade, es ist eine schöne Wanderung, ein einfacher 4000er, und eine prima Gewöhnung an größere Höhen.

Túquerres, Kolumbien – Panamericana Sur

Sonntag, November 6th, 2011

Entlang der Panamericana von Popayán in Richtung Süden bieten sich einige Übernachtungsstellen an:
* Truckstop Biomax, Panoya, 68 km nördlich von Pasto, Schotter-/Rasenfläche unmittelbar südlich der Tankstelle: N 01°34’04.1’’ W 77°21’00.1’’
* Texaco Truckstop nördlich von Pasto, viel Platz, sehr geschäftig, N 01°15’49.5’’ W 77°16’42.7’’
* Tankstelle südlich von Pasto, etwas ruhiger, N 01°09’48.1’’ W 77°17’43.9’’
* Das Restaurant Country House in Pasto, das früher von Reisenden angeführt wurde, scheidet dagegen aus. Es hat derzeit geschlossen.
* Biomax Truckstop Porvenír, N 01°06’57.5’’ W 77°22’51.2’’
* Esso Truckstop südlich von Tangua, N 01°03’53.2’’ W 77° 25’43.7’’
* Esso Truckstop 14 km nördlich von Ipales, N 00°54’31.7’’ W 77°31’40.0’’
* Terpel Truckstop Ipales, N 00°50’05.3’’ W 77°35’55.8’’

* Kraftstoff ist generell in Kolumbien weit teurer als in Ecuador. Diesel kostet hier rund 8.000 Peso (3,20 €) pro Gallone bzw. umgerechnet 0,85 € pro Liter. Benzin liegt bei knapp 4 € / Gallone. Allerdings sollen Kraftstoffe in Ecuador von schlechter Qualität sein, verschmutzt und mit geringerem Brennwert. Da ist es gut zu wissen, dass das Departement Nariño an der Grenze zu Ecuador steuerbegünstigt ist. Sobald man Cauca verlässt, ändern sich die Preise an den Tankstellen. Diesel kostet hier nur noch 5.000 COP (2 €) pro Gallone bzw. 0,53 € / l.

Popayán, Kolumbien – Einsatz im ewigen Krieg

Freitag, November 4th, 2011

Die Hubschrauberrotoren wummern über unseren Köpfen. Einer nach dem anderen erhebt sich in die Luft, dazwischen dröhnen Propellerflugzeuge. Wir wussten, dass unweit des Hauses von Carlos und Lucia ein Militärstützpunkt liegt. Doch wer hätte vermutet, dass hier so viele Hubschrauber stationiert sind? Der Lärm scheint nicht zu enden und die Einwohner Popayáns beginnen, sich Sorgen zu machen. Eine Übung kann es nicht sein, sind sie überzeugt, etwas geht vor sich. Doch erst die Abendnachrichten lüften das Geheimnis: Das kolumbianische Militär tötete im Verlauf eines zwei Jahre geplanten Großeinsatzes den Anführer der größten Guerillaorganisation FARC, Guillermo León Sáenz Vargas alias Alfonso Cano. Die Leiche des seit 2008 amtierenden Oberhaupts der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens wurde nahe dem Ort Micay neben der seiner Lebensgefährtin gefunden. Die genauen Umstände ihres Todes sind derzeit unbekannt.

Die Pazifikregion des Departements Cauca, dessen Hauptstadt Popayán ist, ist seit Jahren in den Händen der Guerillas. Obwohl der Tötungsakt ohne Gerichtsprozess nach rechtsstaatlichen Maßstäben fraglich erscheint, begrüßt das kolumbianische Volk die Aktion. Die Guerillaorganisation, die in ihren Anfangstagen möglicherweise tatsächlich für die Arbeiter und Bauern des Landes gekämpft hat, ist in den letzten Jahrzehnten zum reinen Selbstzweck geworden. Sie terrorisiert die Bürger, stiehlt den Bauern das Land, statt des ihnen als Lebensgrundlage zu beschaffen, entführt, mordet und finanziert sich über Drogenhandel. Von ehemals 17.000 Kämpfern ist die FARC auf etwa 8.000 geschrumpft.

Das Volk bleibt dennoch misstrauisch. Vielen ehemaligen oder amtierenden Regierungsmitgliedern (einschließlich Präsidenten) wird nachgesagt, einer Guerilla- oder Paramilitäreinheit angehört zu haben. Viele Regierungsangehörige werden verdächtigt, mit den illegalen Organisationen zu handeln und Informationen auszutauschen. Den Machthabern wird ebenfalls vorgeworfen, den ewigen Krieg weiter zu fördern, da Waffenhandel ebenso lukrativ ist wie die Drogendollars, die ins Land fließen. Daher ist der Schlag gegen die FARC für Kolumbianer eine große Sache, während das den europäischen Nachrichten lediglich eine Kurzmeldung wert ist.

Popayán, Kolumbien – Die weiße Stadt

Donnerstag, November 3rd, 2011

Popayán zählt – neben Cartagena und Mompós – zu den schönsten Kolonialstädten Kolumbiens. Für uns hat sie weit mehr Charme als Cartagena, da sie auch außerhalb des historischen Zentrums eine angenehme, lebenswerte Stadt ist. Der nur 250.000 Einwohner zählende, 1537 gegründete Ort hat mehr Intellektuelle, Bischöfe und Präsidenten hervorgebracht als jede andere kolumbianische Stadt. Ihr ewiges Frühlingsklima macht unseren Aufenthalt angenehm.

Den Titel Ciudad Blanco verdankt sie den einheitlich schneeweiß getünchten Fassaden der Altstadt. Hier stehen Sehenswürdigkeiten wie die Basilica Metropolitana, der viereckige Uhrenturm Torre del Reloj mit einer Uhr aus London (seit 1737), die nur einen Zeiger besitzt, die Barockkirche San Francisco und die aus Hunderttausenden Ziegeln errichteten Brücken. Ein Rundgang lohnt sich besonders auch abends, wenn die Kolonialgebäude stimmungsvoll beleuchtet sind.

Popayán, Kolumbien – Die zwei Gesichter

Mittwoch, November 2nd, 2011

Da sind sie wieder, die zwei Gesichter Kolumbiens. Früh am Nachmittag erreichen wir die Stadt Popayán und prüfen als erstes die Tankstellen auf Tauglichkeit zum Übernachten. Die beiden nördlicheren sind mangels Platz bzw. wegen Baustelle ungeeignet. Die südlichste Biomax (N 02°25’12.6’’ W 76°37’57.5’’) wäre akzeptabel. Wir fragen noch an einem Restaurant mit geräumigem Parkplatz nach. Das Personal ist wie immer superfreundlich, doch der telefonisch befragte Besitzer verlangt die schon zur Gewohnheit gewordenen 50.000 Peso (20 €). Haben die sich alle abgesprochen? Restaurants entlang der Panamericana scheinen als Übernachtungsoption auszuscheiden.

Wir fahren erst einmal zu Carrefour zum Einkaufen, hier gibt es ausnahmsweise einen Parkplatz mit Lkw-Zufahrt (bei N 02°27’36.6’’ W 76°35’43.4’’). Ein Stück südlicher an der PanAm befindet sich der etwas günstigere Exito-Supermarkt. Kaum schieben wir unseren Wagen durch die Reihen, steht das andere Gesicht Kolumbiens vor uns: Lucia und Carlos, ein superliebes kolumbianisches Pärchen, das uns die Übernachtungsfrage abnimmt, da es uns zu sich nach Hause einlädt. (Insgesamt bekommen wir im Süden des Landes vier Einladungen, aber leider können wir nicht alle annehmen.) Aus der geplanten einen Nacht werden drei mit vielen Restaurantbesuchen, Kneipen, Stadtbesichtigungen und langen Abenden. Lucia und Carlos haben schon öfter Reisende „abgeschleppt“.

Nachdem sie den Unimog erspäht hatten, machten sie sich auf die Suche nach uns. Carlos erklärt uns seine Theorie, wie er uns in dem riesigen Einkaufszentrum gefunden hat: 1. Reisende kaufen keine Schuhe oder Kleidung, sie müssen also im Supermarkt sein. 2. Unimogfahrer müssen großgewachsen sein. 3. Deutsche sind selten dunkle Typen, sie haben vermutlich blaue Augen und helleres Haar. 4. In welchem Gang findet man Deutsche im Supermarkt? Beim Bier. Und genau da treffen wir uns.

Coconuco, Kolumbien – Ein vorzeitiges Resümee

Dienstag, November 1st, 2011

Unser Kolumbienaufenthalt neigt sich langsam dem Ende zu. Unser vorzeitiges Fazit ergibt: Der Aha-Effekt ist ausgeblieben. Das Land lässt uns mit ambivalenten Gefühlen zurück. Die Menschen sind ausgesprochen höflich und ehrlich, jedoch nur im Süden des Landes: Man wird stets mit Señora bzw. Señor angesprochen. Bedankt man sich für eine Dienstleistung, lautet die Antwort nicht schlicht „danke“, sondern „a la orden“, zu Befehl. Hier bekommen wir sogar hin und wieder etwas geschenkt. Zwei Päckchen Käse zum Probieren, zwei Beutel Mineralwasser an der Tankstelle, Pizzas und Blätterteigpasteten von einem Essenslieferanten, der unszufällig sieht, oder die zwei Laib Brot von heute Morgen. Die hatte ich gestern bei der Verwalterin des El Maco nach Preisliste bestellt, doch sie drückt sie mir als Abschiedsgeschenk in die Hand. Auch wenn es Weißbrot ist, es ist saftig und hat eine schöne feste Krume. Die Bäckereien, Panaderias, verkaufen in unterschiedlichen Formen den stets gleichen Teig, der einem Hefezopf entspricht. Und in den Supermärkten des gesamten amerikanischen Kontinents erhält man den gleichen gummiartigen Toast, ob mit oder ohne Vollkorn. Zum Selbstbacken ist nicht immer die Zeit da, und oft ist es zu warm, den Ofen in der Kabine anzuwerfen.

Eine Studie, die Kolumbianer gerne zitieren, stellt sie als die zweitglücklichste Nation der Welt dar. Die Wahrheit vermag ich nicht zu beurteilen, aber Lebensfreude sieht anders aus. Sie äußert sich nicht in der Anzahl von Feiertagen, die sich ein Land gönnt; auch nicht in der Lautstärke der Musik, mit der sich die Menschen bedröhnen. Dafür sind die Kolumbianer ausgesprochen gebildet und kulturell interessiert. Die Kunst- und Philosophieuniversitäten des Landes sind gut besucht. Kolumbien hat eine Vielzahl von international anerkannten Künstlern hervorgebracht. Dazu gehören Maler und Bildhauer wie der hoch bezahlte Fernando Botero. Nicht nur der internationale Schlagerexport Shakira ist ein Kind Kolumbiens, zahlreiche Musiker traditioneller Latino-Stilrichtungen sind auf dem ganzen Kontinent bekannt. Auch die Literaturszene hat Größen hervorgebracht, allen voran Nobelpreisträger Gabriel Gárcia Márquez, der mit weltweit 32 Mio. verkauften Büchern, übersetzt in 26 Sprachen, der meistgelesene Autor der Erde ist. Ich gestehe: Mit seinen Klassikern „Hundert Jahre Einsamkeit“, „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ oder „Der General in seinem Labyrinth“ ist er auch mein Lieblingsautor.

Die Landschaften Kolumbiens sind enorm vielfältig und grün, das ist sein Reichtum. Doch ist es mehr die gesammelte Nettigkeit dieser Naturhübschheiten denn einzelne herausragende Attraktionen. Die großen Highlights sucht man vergebens. Kolumbien ist kein teures Reiseland. Vielerorts findet man günstiges Essen und einige Landschaften sind keine teuren Nationalparks, sondern können kostenlos besucht werden. Noch. Denn Kolumbien hat bereits entdeckt, dass man mit Tourismus Geld machen kann. Lediglich das rechte Maß fehlt stellenweise. Preise in Restaurants, für Führungen, Eintritte, Straßenmaut und Übernachtungen stehen oft in ungünstigem Verhältnis zu dem, was geboten wird. Im gesamten Tourismusbereich (selbst in hoch gebildeten Kreisen) spricht kaum jemand Englisch. Man kann nicht von jedem Überseetouristen erwarten, dass er vor seiner Reise eine Spanischkurs besucht – immer im Verhältnis zum verlangten Preis gesehen. 20 € für das nächtliche Parken vor einem Restaurant zu fordern ist schlicht unverschämt. Es sei denn, man sucht die Übernachtungsgäste zu vertreiben. Hier scheint sich in den letzten Jahren einiges zum Negativen verändert zu haben.

An den Thermalquellen von Aguatibia bei Coconuco will man 8.000 Peso (3,20 €) Eintritt pP und zusätzlich 15.000 Peso (6 €) pro Fahrzeug / Zelt fürs Campen (keinerlei Service bis auf sehr weit entfernte Toiletten und kalte Außenduschen) – grenzwertig. Wir bleiben trotzdem, um unsere vom Reiten beanspruchten Muskeln in den gut körperwarmen, algengrünen, perlenden Thermalbecken und dem etwas kühleren, klarblauen, mit Fischchen bestückten Mineralwasserbad zu entspannen. Außerdem sind Übernachtungsplätze in der Gegend extrem rar. Coconuco liegt an der Straße # 20 von San Agustín nach Popayán. Für die gut 100 km kalkuliert man fünf Stunden: eine Stunde Asphalt, drei Stunden Schotterpiste mit unzähligen Baustellen, in denen der Verkehr nur einspurig läuft. Auf der Hochebene in 3.000 m durchquert man unterschiedliche Bewuchszonen. Bäume werden niedriger und verschwinden nach und nach, bis im Nationalpark Puracé dichtes, nichtsdestoweniger bunt blühendes Buschwerk den Boden bedeckt. Das wird abgelöst von einer Savanne, auf der Frailejonas bzw. Espeletia wachsen. Diese Korbblütler sind typisch für das tropische Hochland, wachsen aber nur im nördlichen Südamerika. Die sogenannten Halbsträucher sind wenig mehr als kniehoch, auf einem Stamm aus vertrockneten Blättern wächst ein ananasartiges Krönchen, das entfernt an eine kleine Agave mit weißem Pelz erinnert.

Gegen Ende der Schotterpiste, als es bereits wieder talwärts geht, liegen die Thermalquellen. Kurz darauf beginnt wieder Asphalt. Von hier ist es eine weitere Stunde bis Popayán. Termales Aguatibia, Coconuco, N 02°18’23.9’’ W 76°30’26.0’’