Archive for Oktober, 2010

Mt. Rushmore + Custer, South Dakota – Gigantische Bildhauerei und winzige Tunnel

Sonntag, Oktober 31st, 2010

Terry möchte unbedingt mal im Unimog mitfahren. Heather begleitet uns mit ihrem Auto zum Mount Rushmore, damit Terry die Freude hat. Mt. Rushmore ist ein weiteres Beispiel für amerikaschen Gigantismus – eine bildhauerische Meisterleistung nichtsdestotrotz. Die Gesichter der Präsidenten Washington, Jefferson, Roosevelt und Lincoln wurden in einem Fels der Black Hills verewigt. Zwischen 1927 und 1941 wurden die 20 m hohen Köpfe aus dem Granit des Mt. Rushmore gesprengt, gehämmert und gemeißelt – der höchsten Erhebung zwischen den Rocky Mountains und den Schweizer Alpen. Die vier Präsidenten wurden ausgewählt mit der Maßgabe, die Geschicke der Vereinigten Staaten von Amerika in besonderem Maße beeinflusst zu haben. Kritische Stimmen über den Sinn oder Unsinn eines solchen Mammutprojekts gab es von Anfang an. Dabei ging es wohl mehr um finanzielle Aspekte oder um die Verunstaltung Gottes Schöpfung. Dass es sich um einen geheiligten Platz der Sioux-Indianer handelt, interessierte damals wie heute kaum jemanden.

Aus Protest starteten die Sioux nur wenige Meilen entfernt ein eigenes Projekt. Seit 1948 entsteht dort die Skulptur des legendären Sioux-Kriegers Crazy Horse, der samt Pferd über 170 m hoch und damit höher als die vier Präsidenten zusammen werden soll. Viel mehr als der Kopf ist jedoch noch nicht fertig. Da die Indianer staatliche Unterstützung ablehnen, geht das ausschließlich aus Spenden finanzierte Projekt nur langsam voran.

Der Iron Mountain Road genannte Highway #16A gilt von Mount Rushmore aus als schönste Zufahrt in den Custer State Park. Um die enormen Höhenunterschiede zu überwinden, führt die Straße stellenweise über Holzbrückenkonstruktionen im 270°-Winkel und verschwindet unmittelbar in einem Tunnel wie in einer phantastischen Modelleisenbahnlandschaft. Die drei rechteckig in den Berg gesprengten Tunnel sind gerade groß genug für Arminius, auch wenn uns entgegenkommende Fahrzeugführer davon abhalten wollen, hinein zu fahren. Die Tunnelmaße stimmen, wir passen ohne Dachschaden durch, auch wenn für noch höhere Fahrzeuge kaum Spielraum ist. Das Visitor Centre hat geschlossen, aber wenigstens liegen ein paar Landkarten herum, die uns Informationen über den weit kritischeren Teil der Strecke geben: den Needles Highway. Die Straße passiert ein Gebiet mit steilen Felsnadeln, bizarren Granitmonolithen, die Kletterer aus der ganzen Welt anziehen. Der Knackpunkt dieses Highways sind drei Tunnel, die sich in nordwestlicher Fahrtrichtung jeweils verkleinern. Der erste geht in Ordnung. Knapp, spannend, aber ausreichend. Der zweite ist ein Problem, da er in Höhe und Breite äußerst eng bemessen ist. Die angegebene Tunnelgröße scheint die Durchfahrt zu erlauben, aber wir sind nicht sicher, ob die Maße die maximal zulässigen Fahrzeugaußenkanten oder die minimale lichte Tunnelhöhe und –breite angeben, was einen gewaltigen Unterschied macht. Wir klappen die Spiegel ein, sonst geht gar nichts, und ich laufe vorneweg, um Jörg hindurch zu lotsen. Um es kurz zu machen: Es waren die Tunnelinnenmaße. Besonders spannend ist das Ganze, weil der Tunnel ziemlich lang ist, sich drei Mal verengt und wieder weitet. Ein paar Mal stockt mir der Atem, als eine Lenkbewegung nicht 100%ig so ausfällt wie von mir gedacht. Dann ist Arminius durch, ohne Kratzer, und ich bin sicher, der nächste Tunnel ist definitiv mindestens 23 cm zu niedrig für uns. Zum Glück führt eine andere Straße aus dieser Falle hinaus.

Wir verschnaufen am Sylvan Lake, einem überaus malerischen, von Granitsteilwänden umrahmten Teich. Hinter Custer City finden wir den National Forest Comanche Campground, dessen Toiletten, Müllcontainer und Zahlstation winters geschlossen sind, aber das kostenlose Übernachten gestattet.

Wall, South Dakota – Auch das ist Amerika: Raketen, Bomber und Mega-Drugstore

Samstag, Oktober 30th, 2010

Das Dörfchen Wall auf halber Strecke zwischen den Badlands und Rapid City wartet mit einer sehr amerikanischen Attraktion auf. Es rühmt sich, den größten – und kuriosesten – Drugstore der Welt zu besitzen. Das mag bei Gründung in den 1930er Jahren so gewesen sein, heute ist vom „Drogeriemarkt“ kaum mehr etwas übrig, eigentlich ist das ganze Areal ein einziger Souvenirshop. Kurios ist das Ganze sehr wohl, denn zwischen den kleinen Läden sind alte Figuren, Holzbänke, Schnitzereien, Bilder, Fotos und ausgestopfte Tiere ausgestellt, was Wall Drug ein wenig das Aussehen eines Museums verpasst. Die Gründer wollten seinerzeit mit kostenlosen Eiswürfeln und Kaffee für fünf Cent Kunden in ihren Laden locken, und das wurde bis heute beibehalten.

Ein paar Kilometer weiter liegt die Ellisworth Air Force Base, Kommandozentrale von Langstreckenbombern und Interkontinentalraketen, die täglich, zum Teil atomar bestückt, bereitgehalten werden. Am Rande der Air Force Basis befindet sich das South Dakota Air & Space Museum, eine Ausstellung ausgemusterter Militärflugzeuge und Raketen. Der Eintritt auf das Freigelände und in das Museum ist frei, eine kostenpflichtige Fahrt zu einem Raketensilo wird nur im Sommer angeboten. Neben vielen älteren Modellen sind der heute noch im Einsatz befindliche B1-B Bomber und der mit über 56 m Spannweite riesige B52 besonders beeindruckend.

Abends sind wir zurück bei Terry und Heather in Piedmont, wo es indisches Hühnchen mit Reis, verschiedenen Chutneys und Naan-Brot gibt – alles selbstgemacht, auch das Brot!

Badlands National Park, South Dakota – Blühendes Leben auf schlechtem Land

Freitag, Oktober 29th, 2010

Badlands bedeutet schlechtes Land. So jedenfalls nannten die ersten Europäer und Siedler dieses Fleckchen Erde – unmöglich zu durchqueren, ungeeignet zum Kultivieren. Und tatsächlich: heiße Sommer, eisige Winter und gnadenlose Winde, deren Sandstürme das Saatgut wegtragen haben diese ausgeschwemmte Prärielandschaft im Griff. Doch wie so oft schließen sich unwirtlich und schön nicht aus. Aus der Mondlandschaft ragen unzählige Hügel mit sägezahnartigen Spitzen, durchkämmt von tief eingewaschenen Canyons. Die eigentümlichen Sandsteinformationen bauen sich auf aus bunten horizontalen Schichten in rosa, grau, gold und grün. Ein Meeresboden, ein Urwald, mehrere Schichten vulkanischer Asche, und dazwischen immer wieder angeschwemmtes Erosionsgestein aus den Black Hills und den Rocky Mountains bilden die bunte Mischung. Kaum hatten sich die Schichten gesetzt, begannen Regen und Wind ihr zerstörerisches Werk an der gerade neu erschaffenen Landschaft. Die Badlands erodieren auch heute noch mit sagenhaften 2,5 cm pro Jahr. Trotzdem sind sie ein Hort des Lebens, vor allem jenseits der Abbruchkante, wo das Erdreich noch nicht abgetragen wurde und Präriegräser sprießen. Klapperschlangen rasseln in den Wiesen, auch wenn die einzige, die wir heute zu Gesicht bekommen, ihren Versuch, die Parkstraße zu überqueren mit dem Leben bezahlt hat. Die Präriehunde genannte Erdhörnchenart, jetzt in Herbst mit schon rund gefressenen Hintern, baut ganze unterirdische Städte. Die Hörnchen wiederum sind Lieblingsnahrung eines der seltensten Säugetiere der Erde: Der Schwarzfußilits galt schon als ausgerottet, als man ihn durch Nachzucht erfolgreich wieder ansiedelte. Wie Klapperschlangen auch frisst er nicht nur Präriehunde, sondern besetzt auch gleich ihren Bau. Hirsche und Gabelböcke, die Antilopen ähnlich sehen, aber eine eigene Familie bilden, springen geschäftig umher. Nähert man sich Dickhornschafen, bringen sich die Böcke sofort in Sicherheit und lassen ihre Herde im Stich, während Mütter und Lämmer Fahrzeuge weitgehend ignorieren. Toller Aufpasser. Ein Kojote verschwindet im hohen Gras, aber am Abend werden wir sie bellen und heulen hören. Fährt man an der Sage Creek Rim Road, eine Schotterpiste, in die Nordwestecke des Nationalparks, darf man auf einem Primitivcampground mit Plumpsklo und Abfallbehälter aber ohne Wasser kostenlos campen. Es gibt keine besonders guten Stellplätze für Wohnmobile, aber jede Menge Platz für Zelte. Und für Bisons. Auf der Fahrt dahin und auf den Campingplatz grasen hunderte von Büffeln friedlich und unbeeindruckt von Autos und Zeltbewohnern.

Rapid City, South Dakota – Rettung vom Walmart-Parkplatz

Donnerstag, Oktober 28th, 2010

Ein Tag mit Computer- und Wartungsarbeiten am Walmartparkplatz und vielem weiteren Gesprächen endet schließlich bei Terry und Heather ein paar Kilometer außerhalb von Rapid City. Heather muss noch arbeiten, da ihre Universität anlässlich einer Preisverleihung eine Spendengala veranstaltet. Aber Terry, der uns vom Walmartparkplatz errettet hat, kocht uns wunderbare Pasta Arrabiata und Knoblauchbrot – alles selbst gemacht, das meiste sogar aus dem eigenen Garten. Terry hat in seinem Leben schon ein paar verrückte Dinge getan, unter anderem hat er die USA mit dem Fahrrad in Ost-West-Richtung durchquert.

Rapid City, South Dakota – Nürnberg-Hamburg nur zum Einkaufen?

Mittwoch, Oktober 27th, 2010

Rapid City, die „schnelle Stadt“, ist für viele Amerikaner ein Anziehungspunkt, da es drum herum keinerlei Infrastruktur gibt und man hier wenigstens etwas einkaufen kann. Trotzdem war der letzte Costco in Billings, Montana, 515 km entfernt, der nächste kommt in 630 km in Denver, Colorado. Für uns Europäer unvorstellbare Entfernungen – mal eben von Nürnberg nach Hamburg zum Einkaufen? Oder umgekehrt? Wir geben uns erst mal zufrieden mit dem, was es in Rapid City gibt und erledigen unsere Besorgungen. Dabei ist die Stadt eigentlich ein Geheimtipp, denn neben dem bereits von uns besuchten Devils Tower warten Attraktionen wie der berühmte Mount Rushmore und die bei uns weniger bekannten Badlands, der Custer State Park, der Wind Cave National Park, das Jewel Cave National Monument und wenn man möchte weitere Reiseziele. Ein dichtes Programm erwartet uns in den nächsten Tagen. Heute ist wohl auch nicht so ganz der richtige Zeitpunkt für Wanderungen. Ich fürchte schlicht davonzufliegen. Der Wind hat immer noch Sturmstärke mit bis zu 80 km/h. Die Kabine wackelt, als ob eine Oma den Kinderwagen ihres Enkels unermüdlich schaukelt. Das ist technisch bedingt durch die verwindungsfähige Achskonstruktion eines Unimog. Auf der Straße verhält er sich allerdings extrem anständig und ist ausgesprochen windstabil.

Rapid City, South Dakota – Vom Teufelsturm zum Schwarzwald

Dienstag, Oktober 26th, 2010

Das Devils Tower National Monument in der Nordostecke Wyomings ist das erste zum Nationalmonument erklärte Naturdenkmal der USA. Der Teufelsturm, ein konischer, abgeflachter Berg aus Säulenbasalt, ragt deutlich sichtbar 265 m hoch aus der Prärie. Im Gegensatz zu früheren Interpretationen geht die Wissenschaft heute davon aus, dass vor 50 Mio. Jahren flüssiges Magma ins Oberflächensediment gepresst wurde. Es trat jedoch nicht aus, stattdessen erkaltete es kristalline Strukturen bildend unter der Oberfläche und zerbrach schließlich in Säulen. Die Erosion des Oberflächengesteins ließ den Basaltberg nach und nach zu Tage treten. Doch Wind und Wetter nagen auch am Teufelsturm, und die Basaltsäulen brechen von unten her Stück für Stück weg. Ein zwei Kilometer langer Rundwanderweg führt um den Berg herum, von wo aus man im Sommer Kletterer an den Steilhängen beobachten kann.

Am Nachmittag können wir im Ort Spearfish, der schon zu South Dakota gehört, nicht widerstehen, uns in einem Western Outlet Cowboystiefel zu kaufen. In den Staaten geht es einfach nicht ohne! Ein kleiner Umweg bringt uns durch den gut 25 km langen Spearfish Canyon. Die Straße läuft parallel zu einem kleinen Bach, der sich vor Urzeiten tief in die Schlucht eingegraben hat. Der Canyon ist Teil der Black Hills, einem Mittelgebirge zwischen Wyoming und South Dakota, das dem Schwarzwald ähnlich ist und vielleicht auch seinen Namen daher hat. Hier liegen etliche der Attraktionen der Gegend, aber bester Ausgangspunkt für Touren ist Rapid City, mit 62.000 Einwohnern die größte Stadt im Umkreis von mehreren hundert Meilen.

Buffalo, Wyoming – Im Blizzard

Montag, Oktober 25th, 2010

In der Nacht rüttelt uns heftiger Sturm durch, doch am Morgen strahlt unschuldig blauer Himmel. Wenn da nicht diese riesigen Wolkengebilde wären, die sich typisch für die Prärie rings um uns zusammenbrauen. In Thermopolis steht ebenfalls das Wyoming Dinosaurier Center. Hier werden nicht nur prähistorische Knochen ausgebuddelt, aufbereitet und zusammengesetzt. In dem dazugehörigen Museum sind Dinosaurierskelette aller Größen – eigene Funde wie Ausgrabungen anderer Institute – und Fossilien aus aller Welt einschließlich Deutschland ausgestellt. Das Labor ist verglast und man kann den Technikern beim Freilegen und Bearbeiten der Knochen zusehen. Im Sommer werden Besichtigungstouren zu den Ausgrabungsfeldern angeboten. Die 10 $ Eintritt sind nicht wenig, kommen aber wenigstens dem Institut zugute.

Auf dem Weg in die Bighorn Mountains leuchten die Berge unschuldig im Sonnenlicht. Was da aber aus der geballten Ansammlung von Wolken über den Gipfeln vertikal Richtung Erde fällt, ist eindeutig kein Regen, sondern Schnee. Das Bighorn Gebirge soll den Rockies weder in Schönheit, noch in Höhe nachstehen, aber weit einsamer sein. Der höchste Gipfel, der Cloud Peak, ist über 4.000 m hoch. Die Landschaft ist dramatisch, aber wir haben nicht lange Freude daran. Der Schneefall beginnt, die Straße setzt sich zu, und mit zunehmender Höhe sinkt die Temperaturanzeige langsam von +10 auf 0° C. Auf dem Powder River Pass in 2.950 m Höhe wird das Schneetreiben schließlich so dicht, dass wir den Straßenverlauf nicht mehr erkennen können und wir halten auf dem Parkplatz an. Dann bricht das Chaos los. Innerhalb von drei Minuten kracht die Temperatur auf -10° C, die Windgeschwindigkeit nimmt auf über 100 km/h zu, und Schneeflocken bewegen sich horizontal über die Erdoberfläche. Der Windchillfaktor, wir errechnen ihn später mit -35° C, dürfte geeignet sein, Erfrierungen hervorzurufen. Wir steigen besser wieder in die Kabine und stellen Arminius so, dass der Wind den Motor nicht auskühlen kann. Der Blizzard liefert eine beeindruckende, ja beängstigende Vorstellung. Ein Schneepflug dreht tapfer und unermüdlich seine Runden über den Pass hin und her. Glücklicherweise dauert der Schneesturm nicht übermäßig lange und wir nehmen unsere Fahrt über die jetzt völlig vereiste Fahrbahn bergab wieder auf. Allrad und Differentialsperre leisten jetzt gute Dienste, wenn siebeneinhalb Tonnen talwärts schieben. Am Fuß der Berge in Buffalo hat sich die Lage beruhigt. Endloses Weideland auf 1300, 1400 m Höhe liegt friedlich im Sonnenschein, nur der Wind schiebt noch kräftig von hinten.

Der Wetterbericht kündigt aber auch auf der Ebene Wind mit bis zu 80 km/h an, und so kommt es: Es trübt sich ein, nachts wackelt die Kabine und wir sind einmal mehr froh, ein festes Dach über dem Kopf zu haben.

Cody, Wyoming – Buffalo Bill, Legende zu Lebzeiten

Sonntag, Oktober 24th, 2010

Überall rund um das Mammoth Besucherzentrum und den Campingplatz warnen Schilder vor den gefährlichen und aggressiven Wapitihirschen. Wie sie da heute Früh, nur einen Meter entfernt vor unserem Fenster grasen, wirken die Kühe und Kälber ganz friedlich, nicht einmal ängstlich. Solange man sie nicht als Streicheltiere missversteht… Zwei miteinander kämpfende Böcke dagegen fordern Sicherheitsabstand ein, ihnen möchte man keinesfalls in die Quere kommen. Ein Bison läuft in einem Meter Abstand an einem Zelt vorbei, aber die Bewohner schlafen noch und bekommen nichts mit. Seit dem frühen Morgen regnet es, der Wind bläst kalt und auf den umliegenden Gipfeln liegt erster Schnee. Hinter dem Nordostausgang des Parks warten zwei Passüberquerungen mit rund 2.600 m Höhe und erwartungsgemäß fährt Arminius zum ersten Mal seit Deutschland im Schnee, wenn auch nicht für lange. Über den sogenannten Chief Joseph Highway #296 mit traumhafter Streckenführung und Ausblicken über Berge und Schluchten fahren wir hinab in die Prärie, wo es schlagartig warme 15° C hat. Wieder fahren wir zwischen diesen eigentümlichen Hügeln auf rund 1700 m Höhe herum.

Mit Cody erreichen wir die Stadt Buffalo Bills, des amerikanischen Westernhelden schlechthin, und Mitbegründer des Ortes. William Cody, so sein richtiger Name, musste als 11jähriger Halbwaise als berittener Bote, Fallensteller und Goldwäscher zum Familieneinkommen beitragen. Später tat er sich beim legendären Pony Express Service, der in den 1860er Jahren Briefe in zehn Tagen über 3.200 km von Missouri nach Kalifornien beförderte, als Ausnahmereiter hervor. Nach dem Bürgerkrieg arbeitete Cody als Pfadfinder bei der Armee und versorgte zeitweise 1.000 Gleisbauarbeiter täglich mit Tonnen von frischem Büffelfleisch – daher sein Spitzname. Berühmt wurde Buffalo Bill 1872 bei einer Jagdpartie Fürst Alexanders von Russland. Die anwesenden Journalisten zeigten sich von Bills Schießkünsten derart beeindruckt, dass im Anschluss nicht nur zahlreiche Reportagen, sondern sogar ein Bühnenstück über ihn erscheinen. Im nächsten Stück spielte er selbst mit und heimste großen Erfolg ein. Er baute seine eigene Wild-West-Bühneshow auf mit überwältigender Resonanz in den USA. Schließlich verschiffte er hunderte von Komparsen, Pferden, Rindern und Büffeln nach Europa und führte das staunende Publikum in das Leben der Neuen Welt ein. Sogar Kaiser Wilhelm ließ seinen Offizieren Nachhilfe in Logistik geben. Mit Erfindung des Kinos begannen seine aufwändigen Shows Verluste zu schreiben und sein Imperium geht 1913 in Konkurs. Buffalo Bill aber arbeitete bis zu seinem Tod 1917 im Alter von 70 Jahren im Zirkus und bei Bühnenshows weiter am Mythos von der lebenden Legende.

Mit einem Zwei-Tages-Pass für 15 $ kann man sich in Cody fünf Museen über das Leben der Legende, der Prärieindianer, Kunst und Historie des Westens informieren. Durch die sonnige Hochprärie fahren wir, das Wetter aus dem Yellowstone im Schlepptau, nach Thermopolis, wo es die größten Thermalquellvorkommen der Erde gibt. Entsprechend viele kitschbunte Schwimm-Plansch-Rutschbäder wurden hier errichtet. Das staatliche Becken ist sogar kostenlos, dafür nicht sonderlich einladend, und wir verzichten auf das Bad.

Mammoth, Yellowstone National Park, Wyoming – Ein zuverlässiger Geysir

Samstag, Oktober 23rd, 2010

Petrus ist uns weiterhin gnädig und beschert uns, der Wettervorhersage zum Trotz, nach zwei konstanten Wochen einen weiteren Schönwettertag. Vom Firehole Canyon Dive über das Lower Geysir Basin und den Firehole Lake Drive bis zum Midway Geysir Basin, überall liegen farbenfrohe Heißwasserpools oder blubbert überraschend Dampf und Wasser heraus. Viele Kilometer Wanderwege wurden angelegt, sodass man zwischen all den kochenden, dampfenden und fauchenden Attraktionen herumlaufen kann. Ganz schön anstrengend, da der Großteil des Parks auf über 2300 m Höhe liegt. Bisonherden sind über den ganzen Park verteilt, laufen zwischen den Geysiren herum oder auf den Straßen entlang, ohne sich allzu sehr um uns Menschen oder Fahrzeuge zu kümmern. Die bestausgebaute und kommerziellste Infrastruktur mit Hotel, Restaurant, Souvenirshops und tausenden von Parkplätzen befindet sich am Upper Geysir Basin rund um den Old Faithful Geysir und das größte Feld thermaler Aktivitäten. Der Old Faithful Geysir, der „Alte Getreue“, macht seinem Namen alle Ehre und bricht in schöner Regelmäßigkeit im Schnitt alle 75 Minuten aus, auf zehn Minuten genau vorhersagbar. Seine bis zu 55 m hohe Fontäne ist nicht die höchste im Park, doch sehr beeindruckend. Auch der Rest des Feldes ist ein absolutes Muss, aber wir müssen unseren Schritt schon beschleunigen. Die Sonne trübt sich ein, Wolken ziehen auf, und es wird merklich kühler. Wir beschließen, den Großteil des Parks heute noch zu besichtigen, so lange das Wetter halbwegs gute Fotoaufnahmen zulässt.

Im Mud Volcano Areal blubbert statt klarem Wasser eine graue Matschpampe aus Regenwasser, geschmolzenem Schnee und Schlamm. In völligem Gegensatz zu allem bisher gesehenen steht der Grand Canyon of the Yellowstone. Der Yellowstone River rast über zwei Wasserfälle durch eine 30 km lange und 300 m tief ausgewaschene Schlucht, an deren Süd- und Nordrand jeweils eine Straße mit zahlreichen Aussichtspunkten entlang führt. Die unteren Fälle mit 93 m Höhe sind am eindrucksvollsten. Hier offenbart sich auch, woher der Name Yellowstone stammt. Quittengelber Sandstein bildet die Wände des Canyons, durchbrochen von orangefarbenen, braunen und grünen Streifen – ein Bild seltener Schönheit. Dann packen wir fix zusammen, denn der Himmel trübt sich ein. Auf dem Weg zurück nach Norden zum Mammoth Campground fallen erste Tropfen. Da das Wild gegen Abend sehr aktiv ist, müssen wir aufpassen, keinen der zahlreichen Bisons oder Wapitis zu überfahren – das würde nicht einmal Arminius bekommen.

Madison, Yellowstone National Park, Wyoming – Heißwasser, Dampf und spuckende Geysire

Freitag, Oktober 22nd, 2010

Eigentlich war der Walmartparkplatz ruhiger als vermutet. Bis auf die recht befahrene Straße in der Nähe, den hupenden Güterzug, der irgendwo passiert, und die Straßenkehrmaschine, die um 3 Uhr morgens den Platz säubert. Aber sonst war’s ganz in Ordnung. Ehrlich!

Über Gardiner fahren wir zum Nordeingang des Yellowstone. Hier wurde 1872 der Welt erster Nationalpark gegründet und wurde zum Vorbild für tausende von Naturschutzgebieten in vielen Ländern der Erde. Im Park findet sich die weltgrößte Konzentration von Geysiren, heißen Quellen, Fumarolen genannten Dampfventilen und Schlammtöpfen, die gespeist werden von Magmahitze tief im Erdinneren. Drei gigantische Vulkanausbrüche, der letzte vor 640.000 Jahren, sprengten Millionen Tonnen Gestein weg und formten einen Krater von 50 bis 70 km Durchmesser, der heute mitten im Park liegt.

Im Besucherzentrum – einem von fünf – decken wir uns nicht nur mit Material ein, sondern erfahren auch, welche Straße bereits für den Winter gesperrt wurde und was die Wettervorhersage prognostiziert: 50% Regenwahrscheinlichkeit für morgen, ab übermorgen Schnee, und konstant fallende Temperaturen. Wir haben keine Zeit zu verlieren, bevor die Parkstraßen endgültig gesperrt werden und stürzen uns auf die erste Attraktion, die Mammoth Hot Springs. Heißes Thermalwasser reichert sich auf dem Weg zur Oberfläche mit Kalziumkarbonat an und der weiße Kalkstein lagert sich in Terrassen und anderen Formationen wieder ab. Neben den sich ständig verändernden Kalksteinterrassen – die weltgrößten – gibt es drei weitere hydrothermale Formationen im Park. Eine besonders große Ansammlung von Fumarolen findet sich 20 km südlich am Roaring Mountain, die bei kühlem Wetter natürlich besonders schön dampfen. Diese heißeste thermale Erscheinung enthält so wenig Wasser, dass es bereits vollständig verdampft, bevor es die Oberfläche erreicht, wo es als Gas- und Dampfwolke entweicht. Am häufigsten sind heiße Quellen, die dank Konvektion keinen Wasserverlust erleiden: Hocherhitztes Wasser steigt zur Oberfläche, kühlt ab, beginnt wieder zu sinken und wird von aufsteigendem heißen Wasser ersetzt. Die eindrucksvollsten Gebilde sind Geysire, Heißwasserquellen mit Verengungen in ihrem Röhrensystem, die es dem Wasser nicht ermöglichen, frei zur Oberfläche zu zirkulieren und seine Hitze abzugeben. Der Umgebungsdruck in der Tiefe hindert das Wasser mit Temperaturen teils über dem Siedepunkt daran zu verdampfen. Auf dem Weg nach oben bildet sich mit nachlassendem Druck Dampf. Nahe der Oberfläche sind die Blasen zu groß und zu zahlreich, dass sie ungestört durch die Verengung entweichen können. Am kritischen Punkt heben die eingeschlossenen Blasen das darüberliegende Wasser an und bringen es so zum Überlaufen oder Spritzen. Der nachlassende Druck verursacht ein heftiges Überkochen des Wassers. Immense Dampfmengen drängen das Wasser aus dem Ventil und die Eruption beginnt. Da das Wasser schneller ausgestoßen wird als es zurückfließen kann, nehmen Hitze und Druck langsam ab. Die Eruption kommt zum Erliegen, wenn das Wasserreservoir erschöpft oder genügend Dampf entwichen ist, sodass die restlichen Blasen gewaltlos evaporieren können.

Viele Pools und kleinere Geysire findet man im Norris Geysir Basin noch etwas weiter südlich auf der westlichen Parkstraße. Sie sind Habitat für verschiedene Wärme liebende Mikroorganismen. Das sind in erster Linie Bakterien, die sich von Eisen und anderen Mineralien ernähren, Archaeen, die man früher für Bakterien hielt, aber doch eine andere genetische Struktur besitzen, und Viren. Außerdem gibt es Eukaryoten, Ein- oder Mehrzeller, zu denen Pflanzen, Tiere und Pilze gehören. Die verschiedenen Temperaturbereiche in einem Thermalbecken sind anhand ihrer leuchtenden bunten Farben leicht zu unterscheiden Die heißesten Bereiche zwischen 60° und 83° C sind an ihrer gelben Farbe zu erkennen und riechen nach faulen Eiern, wenn Hydrogensulfat zu Schwefel zerfällt. Die Schwefel fressenden Einzeller bilden gelbe Matten. In weniger als 60° C warmem Wasser leben Bakterien und Archaeen, die Eisen verarbeiten und braune bis rote Ablagerungen bilden. Die kältesten Bereiche unterhalb 56° C sind smaragdgrün. Chlorophyllbildende Algen und Bakterien herrschen hier vor, die, wie die meisten Pflanzen, Sonnenlicht in Energie umwandeln. Im Norris Basin ist auch der spektakulärste Geysir heimisch. Steamboat, Dampfschiff, ist sein Name. Er ist der höchste aktive Geysir der Welt, dessen seltene Eruptionen über 100 m hoch sind und von stundenlangen Dampfschüben gefolgt werden. Leider sind die Ausbrüche nicht vorhersagbar und können im Abstand von Tagen, Monaten oder Jahren erfolgen. Das letzte Mal war er 2005 aktiv. Regelmäßiger und zuverlässiger dagegen bricht der Constant Geysir aus, zwar nur wenige Meter hoch, aber beim Vorbeilaufen doch recht überraschend.

Der Madison Campground ist einer der wenigen, die noch offen haben und nach und nach bis auf einen schließen werden, aber es ist kein Problem, am Abend noch einen Platz zu bekommen. Gleich neben dem Campingplatz wacht ein kapitaler Wapitihirschbock über seine ahnsehnliche Herde aus einem guten Dutzend Kühen.

Bozeman, Montana – Snowbirds auf dem Weg nach Süden

Donnerstag, Oktober 21st, 2010

Die Augen brennen, die Kehle ist vertrocknet. Immer wieder wache ich nachts auf um Wasser zu trinken. Die Dürre, die über der Prärie liegt, ist spürbar. Als wir unsere Fahrt in Richtung Süden fortsetzen, mischen sich nur ganz allmählich Weizenfelder zwischen die ausgedehnten Weideflächen. Die Getreideernte ist – in der zweiten Oktoberhälfte! – stellenweise noch nicht eingebracht. Riesige Siloanlagen lassen vermuten, dass Weizen hier eine große Rolle spielt. Langsam verändert sich die Landschaft, hin und wieder gibt es einen Fluss oder See, der partielle Bewässerung erlaubt. Bäume schmuggeln sich nach und nach ins Bild, und einige Buttes unterbrechen das eintönige Aussehen der Prärie, wiewohl wir uns weiterhin auf rund 1200 m Höhe befinden. Buttes sind erodierte Tafelberge; sind sie etwas größer, nennt man sie Mesas. Wir lassen Great Falls, die größte Stadt Montanas, links liegen und fahren weiter nach Süden. Den kleinen Umweg haben wir in Kauf genommen, um auf der I 15 weiter zu reisen, deren Verlauf als besonders attraktiv gilt. I steht kurz für Interstate und bezeichnet einen Highway, der zwei oder mehr Bundesstaaten miteinander verbindet. Und tatsächlich, einige Meilen weiter folgt der Highway im Tal des Missouri River in die Ausläufer der Rocky Mountains, die Big Mountain Belt genannt werden. Die Granitformationen sind dünn bewaldet und von Erosion weich gezeichnet. Auch der weitere Verlauf der von Bergen gesäumten trocken-braunen Hochtäler bleibt interessant. Wir passieren Helena, die 25.000 Einwohner umfassende Hauptstadt Montanas. Immer wieder überholen uns Snowbirds – Schneevögel – genannte Migranten aus den nördlicheren Gebieten wie Alberta, British Columbia oder auch Alaska, die in ihren Wohnmobilen dem Winter enteilen. Viele, die in Nevada, Arizona, oder vielleicht auch Florida ein Haus besitzen, fahren mit ihren Pick-ups oder Vans nach Süden.

Der Elk Park Pass führt uns auf fast 2000 m Höhe, dennoch sinkt die Temperatur nicht unter 20°C. Über den Ort Butte landen wir schließlich in Bozeman, der letzten größeren Stadt vor dem Yellowstone Nationalpark, wo wir proviantieren wollen. Als wir fertig mit Einkaufen sind, ist es schon dunkel und zu spät, um sich außerhalb der Stadt einen Übernachtungsplatz zu suchen. Wir haben die Wahl zwischen einem Rastplatz am Ortseingang, der sehr nah an der Autobahn liegt, und dem Walmartparkplatz, für den wir uns entscheiden, um auch diese Erfahrung einmal gemacht zu haben. Es sind bereits einige Camper hier. Wir suchen uns einen Platz möglichst weit vom Eingang entfernt, aber auch von den Generator betreibenden Riesenbusmobilen.

Browning, Montana – Von den Bergen in die Prärie

Mittwoch, Oktober 20th, 2010

Der Glacier Nationalpark besitzt, im Gegensatz zu dem, was der Name vermuten lässt, kaum noch sichtbare Gletscher, dafür aber die typischen Rocky Mountains Panoramen. Zusammen mit dem auf kanadischer Seite angrenzenden Waterton Lake Park bildet er den International Peace Park, den Internationalen Friedenspark. Am Avalanche Creek laufen wir entlang des gleichnamigen Canyons zum Avalanche Lake, dem Lawinensee. Ob der Name selbsterklärend ist? Das Wetter ist wundervoll, die Schönwetterperiode verlässt uns  nicht, obwohl der Morgen mit Herbstnebeln aufwartet. Die Nächte sind frostig, und auch tagsüber bleibt die Temperatur einstellig, aber die Raureif überzogenen Büsche lassen die Landschaft noch friedlicher wirken. Auf dem Wanderweg liegen fliederfarbene und türkise Steine, aber der Bach hat sich seinen kurvigen Weg durch dunkelrotes Gestein geschnitten und es dabei geglättet. Über viele Stromschnellen saust das Wasser bergab, das blaugrün und glasklar ist als ob jemand Fichtennadelschaumbad hineingekippt hat. An breiteren Stellen des Bachbetts liegen Zedern kreuz und quer, von Sturm oder Krankheiten gefällt. Manche Bäume sind mit Flechten und Moosen überzogen und sehen aus, als ob sie ihren Winterpullover schon übergezogen hätten. Ganz hinten am See, als noch kein thermischer Wind eingesetzt hat, spiegeln sich die umliegenden Berge mit der Sonne im Rücken perfekt auf der Wasseroberfläche. Und das Beste: Wir sind allein. Während der Saison sollen hier wahre Völkerwanderungen stattfinden. Auf dem Weg nach unten begegnen uns dann auch mehr und mehr Wanderer, auf dem Parkplatz stehen die Leute vor Arminius schon Schlange, und wir erhalten noch mehr Einladungen.

Wir verlassen den Park und umfahren ihn ostwärts auf Hwy #2. Nach einigen Passüberquerungen landen wir in einem unendlich scheinenden Hochtal, das auf 1600 m Höhe beginnt. Hügel, baumlose Prärie, vertrocknete Grassteppe erstrecken sich bis zum Horizont. Schlagartig hat es 20°C. Auf riesigen Flächen werden Rinder, Bisons und Pferde gezüchtet. In meiner Phantasie kristallisieren sich auf dem nächsten Hügel ein Indianer auf einem braun-weiß gescheckten Pferd und dahinter eine Tipi-Siedlung heraus. Auch wenn es sich hierbei um eine sehr eingeschränkte, durch zahlreiche Westernfilme geprägte Vorstellung handelt, wir fahren durch ein Indianerreservat. Es gehört den Blackfoot, den Schwarzfußindianern. Diese Reservate, nichts anderes als riesige Ghettos, kennt man nur aus den USA. Ob das gut oder schlecht ist, ist eine andere Sache. Am Hauptort Browning gibt es wenig Bemerkenswertes außer dem Spielkasino. Die meisten Indianerreservate besitzen heute Casinos, da sie diese aufgrund ihrer Souveränität auch an der Staatsgesetzgebung vorbei eröffnen dürfen. Zur Förderung des Tourismus darf man hier sogar kostenlos campen. Uns ist dennoch zu viel Betrieb, und wir fahren auf einem kaum frequentierten Highway zum nächsten Rastplatz, wo wir ebenfalls legal und ganz einsam den Sonneuntergang und den damit verbundenen prärietypischen Temperatursturz würdigen.

West Glacier, Montana – Wintercamping mit Internetempfang

Dienstag, Oktober 19th, 2010

Zwischen den Purcell und den Cabinet Mountains, vorbei an den Salish Mountains und der Whitefish Range fahren wir an der kanadischen Grenze entlang weiter Richtung Osten. Der Hwy #2 führt durch die weitläufigen Täler der Vorgebirge der Rocky Moutnains, meist schon auf über 1000 bis 1200 m Höhe. Die Umgegend ist lieblich wie das Voralpenland mit nicht allzu hohen oder schroffen, Baum bestandenen Bergen, die sich in glasklaren Seen spiegeln.

In Kalispell entschließen wir uns, beim Mobilfunkanbieter Verizon reinzuschauen, um das Problem mit der Internetverbindung zu lösen. Zwar findet man in den meisten Städten offene Wi-Fi-Netze, aber nicht unbedingt da, wo man den Abend oder die Nacht verbringen möchte, und so muss man tagsüber wertvolle Reisezeit investieren. Außerdem bergen ungesicherte Wi-Fi-Netze ein erhebliches Sicherheitsrisiko bei der Eingabe sensibler Bank- und Kreditkartendaten. Unbefugte können sich einhacken und die Informationen missbrauchen. Das Gleiche kann einem bei der Nutzung von Internetcafe-Computern passieren. Außerdem werden offene Hotspots immer weniger. Selbst an Supermärkten, Fast-Food-Restaurants oder Flughäfen kostet der Internetzugang immer häufiger Geld: bis zu 10 $ am Tag. Ein teurer Spaß, wenn man vielleicht nur mal E-Mails abrufen will. Ein vielleicht vermeidbares Problem auf einer Kurzzeitreise, nicht aber während eines Langzeitaufenthalts.

Verizon hat kein Problem mit Ausländern, aber statt des weltweit verbreiteten GSM-Netzes verwendet dieses Unternehmen den sogenannten CDMA Standard. Das bedeutet für uns, einen neuen Internetstick kaufen zu müssen. Für 150 $ bekommen wir das Teil inklusive Freischaltung. Dafür verspricht Verizon – im Vergleich zu anderen Anbietern – flächendeckenden Empfang in den ganzen USA bis auf einige unbewohnte Flecken in Hochgebirgen. Wir werden sehen.

Im Glacier Nationalpark am Nachmittag müssen wir feststellen, dass die Parkstraße für den Winter bereits gesperrt ist. Dennoch dürfen wir ein gutes Stück hinauf fahren, bevor wir umdrehen müssen. Die sogenannte „Going-to-the-Sun Road“ – Straße die zur Sonne führt – ist für Fahrzeuge über 21 Fuß Länge und 8 Fuß Breite grundsätzlich nicht zugelassen, da enge Kurven und Felsüberhänge die Fahrbahn einschränken. Im Sommer sollen die Autos hier Stoßstange an Stoßstange fahren. Ob die Straße wirklich zur Sonne führt, wird morgen herauszufinden sein, denn das Wetter in den Rocky Mountains ist bekanntermaßen instabil. Für heute bleiben wir auf einem der wenigen „Campgrounds“, die noch im Park geöffnet haben. Während des Winters dient der Picknickplatz am Lake McDonald als Campingareal. Es gibt zwar kein Wasser oder anderen Service, dafür Picknicktische, Feuerstellen, und sogar Feuerholz wird gestellt. Und das alles zum halben Preis für 10 $. Das finden wir ausgesprochen fair. In Kanada wollte man von uns in den Nationalparks in der Vorsaison trotz geschlossener Campingplätze ohne Service den vollen Preis haben. Der Platz liegt landschaftlich sehr schön, und zu unserem Lagerfeuer mit Bier gesellt sich ein amerikanisches Pärchen, das uns im Gegenzug nach Missouri einlädt.

Ein erster Mobilfunktest verläuft erfolgreich: Während mein AT&T Handy im Nationalpark natürlich nicht funktioniert, bekomme ich mit der Verizon Internetkarte einen immerhin noch akzeptablen Empfang.

Sandpoint, Idaho – Kein Internet für Ausländer

Montag, Oktober 18th, 2010

An der Dorftankstelle sind wir einmal wieder die bunten Hunde. Menschentrauben bilden sich um Arminius, es werden sogar Wetten abgeschlossen, um welche Art Fahrzeug es sich handelt. Sind es die Vereinten Nationen (gar nicht so schlecht), die die Region einnehmen wollen, ist es ein Testfahrzeug oder doch ein Camper? Menschen umarmen uns spontan, für sie klingt eine derartige Reise einfach unglaublich.

Mehrere Stunden des Tages vergeuden wir mit dem Versuch, die Daten-SIM-Karte aus Sequim für den Internetzugang frei schalten zu lassen. Ganz umsonst war es hingegen nicht, immerhin bringt es uns eine neue Erkenntnis: Der Mobilfunkanbieter AT&T wird uns nicht mit dem Internet verbinden. Wir haben mit dem Kundeservice telefoniert, sind in einen AT&T Shop gegangen, haben wieder telefoniert, sind nochmals in den Shop gegangen und haben weiter telefoniert. Das Ergebnis: Ohne amerikanische ID-Card (Personalausweis) bzw. die berühmte Sozialversicherungsnummer geht hier nichts. Kein mobiles Internet für Reisende. Bei anderen Anbietern müssten wir ggf. für viel Geld einen neuen Internetstick kaufen, und ob eine Verbindung ohne die entsprechenden US-Ausweise möglich wäre, ist dahingestellt. Ein ungelöstes Problem, das wir erst einmal aufschieben.

Eine kleine Wanderung führt uns zu den Kootenai Falls am gleichnamigen Fluss. Die malerische Kombination aus mehreren Wasserfällen, Stromschnellen und strömungsgeschützten Becken würde an Sommertagen vielleicht sogar zum Baden einladen. Eine kleine Gruppe Kajakfahrer mit kurzen, entenförmigen Booten paddelt – einer nach dem anderen – zu einem Strömungswirbel, wo sie sich geschickt und fast ohne einen Paddelschlag entgegen der Strömung aufhalten und sogar Pirouetten drehen.

Unweit des „Grenzübertritts“ nach Montana halten wir in der Stadt Libby an einem Truck Stopp. Nur zwei Lkw stehen hier in großem Abstand, beide mit Motoren aus. Wir platzieren uns dazwischen. Unsere Freude hält nicht lange, denn schon bald quetschen sich weitere Trucks dazwischen. Der Tanklaster neben uns lässt seinen Motor laufen, obwohl der Fahrer gleich nach dem Anhalten schnarchend in der Koje liegt. Vielleicht hat er keine Standheizung, und die Nacht verspricht wieder kalt zu werden. Fragen können wir ihn ja schlecht, er schläft schon. Also wechseln wir nach dem Abendessen den Standort in eine ruhigere Ecke des Areals.

Okanogan, Washington – Gefrorenes Wasser am Berg, süßes Obst im Tal

Sonntag, Oktober 17th, 2010

Ein erster Nachtfrost hat uns heimgesucht: Am Morgen zeigt das Thermometer -4° C, aber in der Nacht muss es weit kälter gewesen sein. Sämtliche kleinen Wasserfälle und Rinnsale haben die Felshänge mit einer Eisschicht überfroren. Die Straße führt uns über den Rainy Pass und den Washington Pass auf knapp 1700 m Höhe und hinunter ins Tal, wo das aus den Bewässerungsanlagen entströmende Nass sofort auf dem Gras gefriert, wenn nicht die ganze Anlage mit kleinen Eiszapfen zugefroren ist. Nachdem wir auch das Vorgebirge der nördlichen Kaskaden überquert haben, landen wir endgültig in dem klimatisch milden intramontanen Trockental, das hier fast genauso heißt wie auf kanadischer Seite: Okanogan. Schon umfangen uns die lieblichen Hügel mit dem trocken-braunen Gras und die grün bewässerten Täler, wo reichlich Obst, aber kaum Wein wächst, was sich ganz einfach erklärt: Die USA erstrecken sich im Gegensatz zu Kanada in viel südlichere Breiten, wo sich Wein weit einfacher und besser kultivieren lässt. Einige der Dörfer entlang des Highways haben sich ein malerisches Wild-West-Aussehen verpasst, auch wenn das mit der tatsächlichen Historie nicht immer etwas zu tun hat. Wir legen heute unendliche viele Höhenmeter zurück: Immer wieder geht es hinauf auf 1700 m und bis auf 400 m hinunter, und wieder hoch und runter. Der legendäre Indian Summer, der goldene Oktober mit seinen dramatischen herbstlichen Blattfarben bleibt uns in den Weststaaten zwar vorenthalten, aber auch hier verändern die Laubbäume ihr Aussehen. Dass auch viele Nadelbäume sich gelb verfärben, sieht zwar hübsch aus, ist aber kaum positiv zu bewerten. Denn nach gelb kommt ab, nach ab kommt tot, und schließlich um: Die Bäume fallen, denn auch hier treibt der Pine Beetle genannte Borkenkäfer sein Unwesen.
Gegen Abend, gerade als wir die Grenze zu Idaho überschritten haben, geraten wir in ein Nest, das mehr Kirchen als Häuser hat. Wir suchen uns eine aus, in der noch Betrieb herrscht und bitten um Erlaubnis, auf dem Parkplatz übernachten zu dürfen, was uns nicht verwehrt wird.

North Cascades, Washington – Wildbäche und Wasserfälle in Washington

Samstag, Oktober 16th, 2010

Wir verabschieden uns von Wallace, Sequim und der Olympischen Halbinsel und fahren in das erstaunlich hübsche historische Städtchen Port Townsend. Die Fähre hat einen Maschinenschaden, muss erst repariert werden und man schickt uns wieder weg. Dann aber legt die Mittagsfähre nach erfolgreicher Reparatur und Probefahrt doch pünktlich ab und bringt uns nach Whidbey Island. Nachdem wir Rat eingeholt haben sind wir zu dem Schluss gekommen, die nördlichste Route zum Yellowstone Nationalpark sei die abwechslungsreichste. Der Highway #20 führt auf der Insel nett durch ein Stückchen Regenwald und über einige Flüsse. Einmal über der Brücke auf dem Festland angekommen, landet man in dicht besiedeltem Gebiet mit regem Verkehr, der glücklicherweise jenseits der Küste rasch nachlässt. Bald schon durchqueren wir die nördlichen Kaskaden, eine pittoreske Landschaft, die uns mit ihren frisch überzuckerten Bergen, rasenden Wildbächen, kleinen Wasserfällen und grünen Stauseen für sich einnimmt. Kein Parkplatz, an dem wir anhalten, um uns die Beine zu vertreten, wo wir nicht viele Gespräche führen müssten, um Neugier zu befriedigen. Trotz strahlenden Sonnenscheins wird es gegen Abend rasch kälter, der leichte Wind ziept schon an den Ohren, es hat nur noch 3° über null. Kurz nach dem Verlassen des North Cascade National Park befinden wir uns in einem National Forest, so heißen staatliche Wälder hier, wo man mit geringen Einschränkungen frei campen darf. Wir finden einen Wanderparkplatz etwas abseits der Straße, wo das Übernachten nicht ausdrücklich verboten ist. Die 5$ Nutzungsgebühr entfallen, hat man den Nationalpark-Jahrespass „America the Beautiful“.

Sequim, Washington – Ein vielversprechender Beginn

Freitag, Oktober 15th, 2010

Wir schaffen es endlich, uns einen Vorrat an Lebensmitteln, einige Kundenkarten, einen Straßenatlas, eine Telefonkarte und die Vorbereitung für Internetanschluss zuzulegen, der noch nicht ganz funktioniert. Kundenkarten sind in den USA fast noch wichtiger als in Kanada. Mit ihnen erhält man im Supermarkt umfangreiche Sofortrabatte, ohne sie zahlt man unnötig mehr. Der erste Gang in einen neuen Supermarkt sollte also an den Informationsschalter führen. Alles was man benötigt ist (irgendeine) Adresse in den Staaten und eine Telefonnummer. All das kann man sich beliebig schon von zu Hause aus heraussuchen. Ob es die Adresse des lokalen Autovermieters oder eines beliebigen Supermarktes ist, spielt dabei keine Rolle. Meist kann man wählen, ob man Post zugesandt haben möchte oder nicht, und die Mitgliedskarte wird unmittelbar mit sofortiger Gültigkeit ausgestellt.

Wallace ist unglaublich nett und deckt uns mit selbst gefangenem und eingekochtem Lachs, Lachspastete, Muscheln und Hähnchensalat für die nächsten Wochen ein. Wieder einmal ein Start, der vielversprechender nicht sein könnte.

Sequim, Washington – Reden bis zur Heiserkeit

Donnerstag, Oktober 14th, 2010

Eigentlich hatten wir heute unser Leben der nächsten Monate in einem neuen Land organisieren wollen. Schließlich sind die USA das drittgrößte Land der Erde – nach Russland und Kanada – mit 50 Bundesstaaten und über 300.000 Einwohnern. Das bedarf schon einiger Vorbereitung. Aber irgendwie landen wir dabei, Wallace viele unserer Bilder aus Ägypten und der Arabischen Wüste zu zeigen. Am Ende lädt er seine Freunde nochmals ein und wir halten einen Diavortrag über unsere Wanderung quer durch die Arabische Wüste und unsere Jahre in Ägypten. Dazu muss man wissen, dass viele der Zuhörer selbst einen recht interessanten Lebenslauf vorzuweisen haben. Die meisten dieser Gemeinde von Freunden hat ihr halbes oder dreiviertel Leben in Panama verbracht, als Lehrer, Ingenieure und anderes, als die USA noch Betreiber des Kanals waren.

Victoria, Vancouver Island, British Columbia + Port Angeles, Washington Washington – Abschied und Neubeginn

Mittwoch, Oktober 13th, 2010

Zum Abschied zeigt sich Kanada von seiner allerbesten Seite. An unserem letzten Tag in diesem Land verabschiedet sich eine strahlende Sonne an perfekt blauem Himmel von uns. Wir sagen Goodbye zu Branca und Anton, deren Gastfreundschaft wir so lange in Anspruch nehmen durften. Wir fahren über Duncan, die Stadt der Totempfähle, wo über 80 der Holzpfeiler zur touristischen Beglückung aufgestellt wurden, bis zum Inner Harbour von Victoria. Von diesem Stadthafen aus startet die Fähre nach Port Angeles auf der Olympic Peninsula im US-Staat Washington. Uns bleibt noch Zeit für einen Stadtbummel, bevor wir uns rechtzeitig zur Erledigung der Grenzformalitäten einfinden müssen.

Die US Border Officers sind alle ausnehmend freundlich, wir müssen keine Tür öffnen – im Gegensatz zu anderen Fahrzeugen – und keine lästigen Fragen beantworten. Alle möglichen Fragen waren vermutlich bereits während des persönlichen Interviews bei der Beantragung des amerikanischen Visums in der US-Botschaft gestellt worden. Von Interesse sind lediglich, ob wir eine Adresse für die erste Nacht auf US-Gebiet angeben können – können wir – und welche frischen Lebensmittel wir haben, vor allem Zitrusfrüchte. Wir besitzen nichts außer ein paar Äpfeln, die noch von Ludwig aus dem Okanagan Valley übrig sind. Die dürfen wir behalten. Stirnrunzeln ruft unser „falsches“ Drei-Monats-Visum vom Poker Creek in Alaska hervor. Der Grenzbeamte schüttelt den Kopf über den in seinen Augen vermutlich albernen Karibustempel und fragt mich schließlich, nachdem ihn weiteres wildes Herumblättern im Pass nicht weitergebracht hat, was es damit auf sich hat. Die dortigen Beamten stellten uns das falsche Visum aus, erkläre ich ihm, wussten aber nicht, wie sie den Fehler korrigieren sollten und forderten uns auf, zum nächsten US-Grenzübergang zu fahren, wo man das Problem beheben würde. „Das ist es, was sie sagten?“, fragt der Officer ungläubig. Ich bejahe, und für einen kurzen Moment kann ich in seinem Gesicht erkennen, welche Meinung er von seinen dortigen Kollegen hat. Es ist viel zu professionell, um etwas zu sagen und bittet uns ins Immigrationsbüro, wo man sich der Sache annehmen würde. Mit Spannung erwarten wir, ob das neue Visum mit Beginn am heutigen Tag oder rückwirkend zum ersten Grenzübertritt in die USA ausgestellt werden würde, was dramatische Auswirkungen auf unsere Reisepläne hätte. Nach wenigen Minuten verlassen wir das Büro erleichtert mit einer Aufenthaltsgenehmigung bis April 2011 und mussten dank der strafversetzten Abteilung am Poker Creek nicht noch einmal bezahlen.

Am Auto muss nun ein grüner Zettel unter den Scheibenwischer geklemmt werden. Ein anderer Beamter italo-amerikanischer Abstammung fühlt sich wie Sylvester Stallone und benimmt sich auch so. Er möchte unbedingt selbst auf die Stoßstange klettern, um den Wisch anzubringen. Er soll sich keinen Zwang antun. Nachdem er mir seine körperlichen Vorzüge präsentiert hat, versucht er mich auch von seinen intellektuellen zu überzeugen. Er protzt – nicht ganz zu unrecht – mit seinen umfangreichen Sprachkenntnissen, die ihn vom Gros seiner Mitbürger unterscheiden. Er versucht herauszufinden, ob ich mithalten kann. Gut, ich bin vielleicht blond, aber ich tue ihm den Gefallen und lasse mich auf ein italienisches Palaver ein. Glücklicherweise muss auch dieses Prachtexemplar von Mann irgendwann weiterarbeiten. Nach eineinhalb Stunden Fährüberfahrt müssen wir noch einmal eine Grenzkontrolle passieren, was aber nach zwei Fragen und 30 Sekunden erledigt ist. Wir fahren bis 30 Meilen hinter Sequim, wo uns Wallace erwartet, der uns bei einer Begegnung in Alaska eingeladen hat. Seine Frau Bev ist verreist, aber Wally hat eine Fingerfoodparty für uns organisiert, wo wir all seinen Nachbarn und Freunden die Vor- und Geschichte unserer Reise erzählen.

Das war Kanada: Weite, Wälder, Waldtiere – Wir lieben es!

Mittwoch, Oktober 13th, 2010

In über fünf Monaten Kanada und Alaska fuhren wir unglaubliche 35.000 Kilometer, tankten knapp 7.500 Liter Diesel, nächtigten ganze vier Mal auf einem Campingplatz, rotierten drei Mal Räder, führten zwei Ölwechsel durch, kauften einen Satz neuer Einspritzdüsen und hatten null Polizeikontrollen. Kanada ist ein schönes Land mit grandioser Natur und ausgesprochen netten Menschen, durch das wir gerne gereist sind.

Zu unseren Lieblingszielen gehören die sogenannten Maritimes, die Atlantikanrainerprovinzen im Osten: Nova Scotia mit Cape Breton Island warten hinter jeder Ecke mit unterschiedlichen Landschaften auf und verzeichnen weniger Touristenmassen als der Westen. Die Küsten sind mal lieblich, mal schroff, mal steil, mal flach, grün, steinig oder sandig. Neufundland und Labrador punkten mit rauer, unberührter Natur, vielen Elchen und den wohl gastfreundlichsten Menschen. Prince Edward Island scheint mehr zu polarisieren: Manche finden es ganz toll, unsere Begeisterung hielt sich etwas in Grenzen, obwohl die waldfreie Kartoffelackerlandschaft und die Sanddünen am Nordstrand durchaus Abwechslung zum übrigen Kanada bieten. New Brunswick hat schöne Küsten, aber auch viel eintönige Wälder.

Québecs unberührter Norden ist relativ unzugänglich, doch der eiskalte St.-Lorenz-Strom im Süden schafft eine ganz eigene Szenerie. Und, nicht zu vergessen, Québec City ist die schönst Stadt Kanadas. Das nicht enden wollende Ontario mit vielen Wäldern und Seen hat uns trotzdem überzeugt mit Naturspektakeln wie – aber nicht nur – den Niagarafällen und der ehrenwerten doch heimeligen Hauptstadt Ottawa. Die Prärieprovinzen Manitoba und Saskatchewan haben wir zwar nicht als Höhepunkt der Reise empfunden, doch selbst hier finden sich einige sehenswerte Nationalparks. Die Seenlandschaft im Norden soll durchaus sehenswert sein, dafür hat unsere Zeit nicht gereicht.

Alberta ist, neben den Maritimes, ein weiterer unserer Favoriten. Von der flachsten Prärie über die Badlands, liebliche Vorgebirge (Foothills) bis zu den schroffen Rocky Mountains (mit seinen wunderbaren Parks im Kananaskis Country, Banff und Jasper) dürfte die Bandbreite an unterschiedlichen Landschaftsformen hier mit am größten sein. Calgary ist eine attraktive Stadt mit „Alpenblick“. Kulturstätten gibt es in der Provinz allerorten und das nördliche Ranch- und Farmland ist wieder eine andere Welt. Unser ganz persönliches Lieblingsziel wurde der Norden des Staates. Davon konnten wir gar nicht genug bekommen. Der Yukon, die North West Territorien, das nördliche British Columbia – und Alaska, obwohl das eigentlich nicht in das Kanada-Resümee gehört – haben unser Herz erobert mit ihren unzähligen Gebirgszügen, dramatischen Ausblicken, Flüssen, Seen und Hochebenen, menschenloser Einsamkeit, der bewaldeten Tundra und der baumlosen Taiga. (Und das, obwohl wir Wärme mögende Tropenliebhaber sind.) Von Watson Lake bis Whitehorse, von Dawson City bis Inuvik, wir haben jeden Kilometer geliebt. Auch wenn British Columbia zum erklärten Lieblingsziel der meisten Deutschen gehört, teilen wir diese Meinung nicht ganz und halten es für überbewertet. Es ist touristisch sehr entwickelt mit der entsprechenden Infrastruktur, aber auch den Preisen und der Bereitschaft zum Abkassieren an jeder Ecke. Trotzdem haben natürlich sowohl das zentrale wie das südliche BC absolut schöne Ecken, wie ein paar kleinere Parks in den Rockies oder das Okanagan Valley. Obwohl Vancouver eine sehenswerte Stadt ist, würden wir Calgary oder Whitehorse den Vorzug geben als Ausgangspunkt für eine Kanadareise. Aber das ist nur eine persönliche Ansicht.

Grundsätzlich muss man in Kanada mit viel Wald rechnen, was naturgemäß nicht immer mit den besten Ausblicken verbunden ist, Auch das Befahren von Schotterstraßen gehört einfach zu einer Kanadareise, genau wie das nicht immer zuverlässige Wetter. Obwohl Kanada das Land für Outdoor-Aktivitäten ist, sollte man stets einen „Plan B“ für Regentage haben. Erfreulich sind die äußerst geringe Kriminalitätsrate und die Freundlichkeit, Offenheit und überwältigende Gastfreundschaft der Kanadier. Man kann deutlich spüren, wie Menschen sich wohler fühlen und entspannter sind, wenn sie mehr Raum zum Leben haben. Happy Canada! Eine Lanze brechen möchten wir für die Trucker, die beim Fahren weit besser sind als ihr Ruf – sofern man sich selbst entsprechend rücksichtsvoll verhält. Trotz über 5.000 km Schotterpiste fahren wir mit unserer ersten Windschutzscheibe herum, selbst ohne Glasreparatur.

Ein ernstzunehmender Planungsfaktor für eine Kanadareise sind die hohen Preise: Es ist ein teures Reiseland. Mag sein, dass insgesamt niedrigere Lebenshaltungskosten bedingt durch weniger Steuern, ein nahezu kostenloses Gesundheitssystem für Residenten, weitgehend geringe Grundstücks- und Häuserpreise wie auch Energie- und Wasserkosten und billigere Autos das Leben im Land recht komfortabel machen. Für den durchschnittlichen Reisenden hat das keine Auswirkung und er wird kräftig zur Kasse gebeten. Ob Eintrittsgelder, Restaurantbesuche, Übernachtungskosten, Lebensmittel oder Alkoholika: das meiste liegt deutlich über deutschem Preisniveau. Kraftstoff ist etwas günstiger als zu Hause, wenn auch nicht mehr so billig wie noch vor Jahren. Dank der Größe des Landes – Kanada ist nach Russland das flächenmäßig zweitgrößte Land der Erde – und der riesigen Entfernungen relativiert sich der etwas niedrigere Preis und Benzin oder Diesel werden schnell zum größten bestimmenden Faktor der Reisekasse, bei dem man sich gerne mal verkalkuliert. Lieber großzügig planen!

Die Welt ist nirgendwo perfekt, auch nicht im Norden Nordamerikas. Umweltverschmutzung und andere Umweltsünden vor allem im stärker besiedelten Südgürtel beeinträchtigen stellenweise das Reisevergnügen. Das beginnt beim „kleinen Mann“, der seine Bierflasche in der Natur liegen lässt, seinen Müll in den Wald kippt und einen 35 Liter pro 100 Kilometer fressenden Pick-up fährt. Das „idling“ genannte Laufenlassen des Motors im Stand ist eine weit verbreitete Unsitte unter Privatleuten wie Truckerfahrern, die ihre Maschine gerne mal die ganze Nacht rennen lassen. Industrieanlagen wie z.B. Papierfabriken sind teils mit unzureichenden Filteranlagen ausgestattet, was sich in Sichtweite und Geruch bemerkbar macht. Die Kahlschläge in den Wäldern sind teils schockierend und der Chemiegehalt der Nahrung fast Körperverletzung. Eine erstaunlich hohe Krebs- und Parkinsonrate geben denn auch zu denken.

Persönlich haben wir keinerlei negative Erfahrung hier gemacht, demnach ist Kanada für uns während der vergangenen 25 Wochen ein wunderbares Reiseland gewesen. Vermissen werden wir die stop-slow-Schilder drehenden, Baustellenverkehr regelnden netten Blondinen, denn keine Baustellenampel kann einen „Lollipop“ ersetzen. Dank an die unvollendete Happy Valley-Goose Bay Road, an den Dempster und den Dalton Highway, die für ein wenig „mud on the tyre“ – Schlamm am Reifen – sorgten. Es hat Spaß gemacht. Danke an all die wundervollen Menschen, die zum Gelingen unserer Reise beitrugen und die so unvergleichliche Eindrücke bei uns hinterließen. Unser besonderer Dank für ihre ausgesprochene Gastfreundschaft gilt folgenden lieben Menschen:
Ian und Claire
Vivian und Wally
Melvin
Carmelita und John
Edgar und Darnell
Mélina
Marron und Simon
Leslie und John
Pat und John
Natalie
Mike und Mélie
Dan und Myra
David
Claude und Lynda
John und Lyndel
Al
Archie und Torrie
Ursel und Udo
Rita und Ingo
Ludwig und Irene
Kerri und Simon
Carolyn und Craig
Branca und Anton
Dave und Frau

Duncan, Vancouver Island, British Columbia – Letzte Vorbereitungen

Dienstag, Oktober 12th, 2010

Auto waschen und wachsen, nochmals alles auf Hochglanz bringen, US Fahne hissen, damit wir frisch und sauber in ein neues Land einreisen können. USA, wir kommen!

Duncan, Vancouver Island, British Columbia – Schnurrt wie ein Bienchen

Montag, Oktober 11th, 2010

Nach drei Wochen Fahrpause heute die erste Probefahrt: Motor spring auf Anhieb an und schnurrt beim Fahren wie ein Bienchen. Dann kann es ja bald losgehen.

Duncan, Vancouver Island, British Columbia – Geliebte Marmelade

Sonntag, Oktober 10th, 2010

Wir organisieren uns und versuchen, alles Mitgebrachte einschließlich der Gläser voll selbstgemachter Marmelade im knappen Platz zu verstauen. (Das gekaufte Zeug ist einfach furchtbar süß.) Danke an alle, die uns immer so lieb versorgen!

Frankfurt, Deutschland + Vancouver, British Columbia – Simulation eines Flughafen-Super-GAU

Samstag, Oktober 9th, 2010

Ausgerechnet heute findet am Frankfurter Flughafen die weltweit größte Flugkatastrophen-Simulationsübung statt. Auf der neuen, noch nicht in Betrieb genommenen Startbahn stellen zwei ausrangierte Flugzeuge einen Zusammenstoß dar. Es soll 500 Verletzte geben, allesamt von Schauspielern gemimt. Sämtliche Rettungseinheiten wie Feuerwehr, Krankenwagen, Ärzteteams, Krankenhäuser und andere sind involviert. Aus der Notfallübung sollen Erkenntnisse für den Luftverkehr der nächsten Jahre in ganz Europa gewonnen werden. Nicht einmal den Flughafenangestellten war vorab bekannt, welche Fluggesellschaft von dem „Unfall“ betroffen sein würde. Als wir in der Ankunftshalle des Flughafengebäudes eintreffen, bietet sich ein Bild des Chaos. An den Lufthansa Check-in-Schaltern haben sich von zwei Seiten her mehrere hundert Meter lange Schlangen gebildet. Flughafenangestellte laufen kopfschüttelnd umher. So etwas hätten sie in all ihren Dienstjahren noch nicht gesehen. Condor ist zum Glück nicht betroffen und alles verläuft mehr oder weniger reibungslos.

Früher fand ich Fliegen interessant und spannend. Früher, als die Stewardessen noch jung, hübsch und freundlich waren, die Verpflegung exquisit und man die Beine unter dem Vordersitz ausstrecken konnte. Heute sind die Flugbegleiterinnen immer noch jung, hübsch und freundlich. Manchmal. Das Essen ist eine Zumutung. Zum Abendessen gibt es zum Beispiel ein aufgewärmtes Brötchen, einen Löffel Krautsalat und dazu ein leckeres kaltes paniertes Schnitzel aus Hähnchenformfleisch. Weitere Details gefällig? Eher nicht. Der Sitzabstand grenzt an vorsätzliche Körperverletzung. Ich wundere mich jedes Mal wieder, wie ich nach zehneinhalb Stunden Flug ohne klaustrophobische Anfälle und ohne ernsthafte Thrombose wieder aufstehen kann. Die Luft ist warm und schlecht. Aber ist der Grund für all diese unerfreulichen Details tatsächlich unermessliches Gewinnstreben der Luftfahrtgesellschaften? Oder sind wir es, die immer alles noch billiger haben wollen? Sodass den Flugunternehmen nichts anders übrig bleibt, als den Service zu reduzieren, nachdem man das Personal soweit wie möglich abgebaut hat. Wie viele Arbeitslose hatten wir noch mal in Deutschland?