Archive for the ‘Kanada’ Category

St. Anthony, Neufundland – Kommt ein Eisberg geschwommen

Mittwoch, Mai 12th, 2010

Die Qualität des Essens, vor allem in Restaurants, halte ich für höher als in den USA. Aber Lebensmittel aus dem Supermarkt haben einen ähnlichen Chemikaliengehalt wie gemeiner Toilettenreiniger. Im Allgemeinen sollten drei Zutaten zur Herstellung von Hüttenkäse genügen; hier sind es 15. Joghurt hat 0% Fett, aber eine Tonne Zucker – das schlabberige Bindemittel nicht zu vergessen. Der frische Fisch und Hummer entschädigen jedoch dafür – einfach köstlich.

Wir sind im hohen Norden der Insel. Da! Unser erster Eisberg. Und dann noch einer und noch einer. Sie werden immer größer. Majestätisch treiben sie an der Küste entlang Richtung Süden. Dabei ist das Wetter draußen unheimlich eklig. Es ist feucht, kalt und windig. 2°C und Schneeregen.

Die Neufundländer klagen über mangelnden Tourismus. An der Infrastruktur kann es nicht liegen. Hotels, Motels, Bed & Breakfasts und Campingplätze gibt es allerorten (auch wenn die letztgenannten und fast alle Museen noch nicht offen haben). Die Straßen sind gut, hervorragend ausgeschildert und fast jedes Dorf hat eine Touristeninformation. Sollte es am Wetter liegen? Auch wenn jetzt, zugegebenermaßen, nicht ganz die ideale Reisezeit für die Insel ist: Selbst im Hochsommer hat es selten mehr als 15 Grad. Und wenn es denn mal schön ist, kommen die Mücken raus. Das ausgedehnte Sumpfland bietet dem Nachwuchs ausreichend Möglichkeiten.

Immer mehr Eisberge nähern sich der Küste, der Sturm treibt sie heran. In den Buchten sammelt sich Treibeis. Jörg hackt mit meinem Begleitbeil ein Stück aus einem angeschwemmten Eisberg. Wir packen den Brocken ins Gefrierfach. Unterdessen nimmt die Windgeschwindigkeit weiter zu. Hatten wir bisher Schlagseite von den seitlichen Böen, müssen wir jetzt runterschalten um vorwärts zu kommen, da wir den Sturm von vorne haben. Die Windgeschwindigkeit liegt jetzt schon weit über 100 km/h. Der Schneeregen peitscht horizontal über die Straße. Die Windgeräusche sind so laut, dass eine Unterhaltung schwierig ist. In kleinen Senken liegt überall noch Schnee. Nur mal so zur geistigen Ertüchtigung: Neufundland liegt geographisch auf der Höhe von Ungarn. Klimatisch hat es nicht das Geringste damit zu tun. Die Insel liegt im nordatlantischen Kühlschrank und ist auch sonst vom Wetter nicht gerade begünstigt. Ich frage mich, wie viel Regen an einem Tag fallen kann, Und ob man sich Heimat schön reden kann. Heute beschleicht mich das Gefühl, dass Neufundland – trotz der unberührten Landschaft – nicht mein neuer Wohnsitz werden wird.

Tim Hortons rettet uns mal wieder den Nachmittag, denn es hört nicht auf zu schütten. Ein heißer Kaffe und ein paar süße Teilchen aus dem Fast-Food-Café heben die Stimmung.

Aus den Bergen stürzt das Wasser nur so, es bilden sich zahlreiche Wasserfälle, neue Wildbäche entstehen. Die Straßengräben sind zwei Meter tief, jetzt wird klar warum. Die zwei Millionen Seen Kanadas wollen irgendwie gefüllt werden. Die Windgeschwindigkeit nimmt erneut zu. Schaum weht von den Wellen ab. Die Eisberge sind noch näher an die Küste herangetrieben. Wellen lecken an jahrhunderte, wenn nicht jahrtausende altem gefrorenem Süßwasser. Einer der wunderschönen reinen, türkisfarbenen Giganten bricht gerade auseinander. Welch lange Reise muss er zurückgelegt haben, nur um hier, in der Bucht von Green Island Brooke, schmelzend zu sterben.

Aktueller Sichtungsstand: 18 Elche, fünf Karibus und sechs Eisberge.

Zum Abschluss und Versöhnung mit dem Tag schenkt uns Jörg einen Ardbeg auf ein Stückchen Eisberg ins Glas. Es geht doch nichts über einen guten Whiskey auf Gletschereis.

Rocky Harbour, Neufundland – hier liegen die Lachse quer im Mund

Dienstag, Mai 11th, 2010

Gleich an der Einfahrt in den Gros Morne National Park warnen Schilder, wie viele Unfälle mit Elchen es im laufenden Jahr bereits gegeben hat: neun bis jetzt. Elche stellen sich als wirklich gefährlich heraus, da sie dauernd auf der Straße herumlaufen und unberechenbare Richtungen einschlagen. Die meisten Neufundländer finden an unserem Auto am besten, dass man es damit auch mit einem Elch aufnehmen kann. Scheint ein wichtiges Thema zu sein. In Rocky Harbour gibt es eine weithin bekannte Fischfabrik, wo wir Hummer, Lachs und Salzheringe zu wirklich günstigen Preisen kaufen.

Den Park verlassend finden wir auf einem Plateau, das uns an Finnland erinnert, zwei grasende Karibus. Das Meer auf der einen, Berge auf der anderen Seite, dazu grasbewachsene Tundra, geduckte Wälder und Seen. Eine Landschaft ohne störende Zivilisationserscheinungen wie Häuser, Strommasten oder Windkraftanlagen.

Aber leider sehen wir auch immer wieder Müll. Eine Plastikflasche hier, ein paar Bierflaschen da, eine Einkaufstüte dort. Schade drum. Beim Einkaufen im Supermarkt bekomme ich so viele Plastiktüten, dass ich etwa 3 Mal täglich die Mülltüte wechseln könnte.

Viele Newfies, wie sich die Inselbewohner nennen, sprechen uns an und wollen sich unterhalten. Das ist schön, nur leider ist das mit der Verständigung ein wenig schwierig. Kanadier sagten mir, sie würden kein Wort von dem verstehen, was Newfies sagten. Was soll ich als Ausländerin sagen? Irgendwie klingt es immer, als hätten sie noch einen Lachs vom Mittagessen im Mund – quer allerdings. Wenn ich zum dritten Mal nachfrage, denken die meisten sicher „dumme Tussi, kann nicht mal englisch“. Tut mir Leid, aber hier helfen weder Oxford noch American English weiter. Doch auch das Französische hat einen eigenen Einschlag. Es klingt so, als ob die unbegabteren von uns Schülern an meinem oberfränkischen Gymnasium sich im Französischunterricht abmühten. Überhaupt sind Neufundländer die vielbelächelten Deppen der Nation, über die es zahllose Witze gibt. Zu Recht oder reines Vorurteil?

Corner Brook, Neufundland – Wäschequirl mit nettem Anhang

Montag, Mai 10th, 2010

Der natürlich gewachsene Wald ist hier so dicht, dass man nicht einmal hindurch laufen kann. Alle paar Zentimeter steht ein Baum, und dazwischen noch Unterholz. Wie die voluminösen Elche sich hier bewegen können ist mir ein Rätsel, vermutlich bahnen sie sich ihren Weg mit brachialer Gewalt. In einer Bucht ducken sich Tannen, Fichten und Birken vom Wind weg, dass sie zu einer einzigen schiefen Ebene verschmelzen. Große Bäume gibt es kaum – der Sommer ist zu kurz, das Klima zu rau.

Bäume und Unterholz werden ein paar Meter beidseits des Highways zurückgeschnitten, um das Wild von der Straße zu halten bzw. dem Autofahrer eine Chance zu geben, es rechtzeitig zu erkennen. Gerade fragen wir uns mit welcher Art Gerät man das bewerkstelligen könne, da sehen wir sie: fahrende Arbeitsmaschinen mit einem Kranausleger, an dessen Ende eine Art riesiger Winkelschleifer den Wald einfach abrasiert.

Am Straßenrand hackt ein Rabe in aller Seelenruhe einen Müllsack auf, der dort für die Müllabfuhr bereitgestellt worden ist, und pickt sich Essensreste heraus. Dann ein Elch. Das Verhältnis Einwohner zu Elchen soll 5:1 betragen, aber die Population der erst Anfang des letzten Jahrhunderts ausgesetzten Tiere wächst schnell. Am Cape St. George, leidet der angeblich atemberaubende Ausblick etwas unter dem dichten Nebel.

Die meisten Häuser haben raumhohe Fenster, die den Blick zur Seeseite hin öffnen. Zur anderen Seite kommt oft völlig unerwartet eine Tür in 3 m Höhe mitten in der Wand heraus. Es wirkt so, als hätte man etwas vergessen: eine Treppe vielleicht, oder auch eine Terrasse. Möglicherweise ist es aber eine Art Schwiegermuttertür, aus der man ungeliebte Gäste herauskomplimentiert. Wir kennen schließlich die hiesigen Sitten nicht, werden aber vorsichtig sein.

Im Einkaufszentrum von Corner Brook, der letzten größeren Stadt, laufen wir in den falschen Supermarkt. Der Wal Mart ist riesig und hat alles – außer Lebensmittel. Naja, ein paar. Es gibt günstiges Dosengemüse, aber keinerlei Frischwaren. Wir hatten schon gehört, dass Wal Mart in Kanada enttäuschend ist. Ersatz für meine in der Schlammlawine ruinierten Boots bekomme ich trotzdem nicht. Für Frauen gibt es hier nur Pumps. Ideal in diesem Gelände.

Anschließend suchen wir einen Waschsalon. Was wir finden ist ein sehr nettes Paar, das uns T-Shirts und Kappen, Kaffee, Bier und Softeis schenkt. Dazu dürfen wir Carmelitas und Johns Internetanschluss und ihren Stellplatz für die Nacht nutzen und stundenlang mit ihnen plaudern. Waschmaschinen sind in Nordamerika nicht die gleichen wie zu Hause. Die Oberlader sind nur halbautomatisch und haben schlichte sich radial drehende Trommeln, in die man Waschmittel, Wäsche, Bleiche und Weichspüler in der richtigen Reihenfolge und zum richtigen Zeitpunkt einfüllen muss. Zumindest läuft das Wasser automatisch zu und ab und einen Schleudergang gibt es auch. Der Temperaturwahlschalter kalt-warm-heiß bezieht sich lediglich auf die Temperatur des aus der Leitung zulaufenden Wassers. Eine Heizung besitzt der Wäschequirl nicht. Nach einer halben Stunde ist das Spektakel schon vorbei. Wer meint, mit dem Waschergebnis nicht zufrieden zu sein, muss das Ganze wiederholen. Die Trockner dagegen scheinen leistungsfähig zu sein, was sich auch an der mehrere Zentimeter dicken Flusenschicht ablesen lässt, die nach dem Trockenvorgang im Sieb hängt. Die Wäschestücke werden vermutlich in gleichem Maße dünner.

Fähre Neufundland – Wale und Rockmusik auf dem „Fels“

Sonntag, Mai 9th, 2010

Pünktlich um 11 Uhr 30 legt die Fähre nach Neufundland ab. Genau sechs Stunden benötigt die MV Caribou für die 160 km von North Sidney nach Port aux Basques. Dann jedoch ist es in Neufundland bereits 18 Uhr, da es in einer anderen Zeitzone liegt, im Vergleich zu Nova Scotia eine halbe Stunde voraus. Unterwegs sehen wir zahlreiche Wale, vermutlich Buckel- und Minkwale. Meist bekommen wir nur den Blas zu sehen, manchmal auch Flossen und Rücken.

Neufundland empfängt uns mit typischem Wetter: Nebel und Wind. Die 5°C täuschen über die gefühlte Temperatur hinweg, die den Nullpunkt kaum überschreitet. Die freundliche junge Frau an der Touristeninformation versorgt uns nicht nur mit wichtigen Informationen, z.B. wo wir die besten Hummer bekommen, sondern schwärmt uns auch von ihrer Heimat vor. Ihre Tochter reise gerne, aber sie würde „den Fels“, wie die Neufundländer ihre Heimat nennen, nie verlassen. Sie kenne nichts anderes, daher wäre dies der schönste Fleck auf Erden. Dabei wirkt sie alles andere als hinterwäldlerisch. Sie ist hübsch, hat einen modernen Haarschnitt und ist sogar – im Gegensatz zu den meisten Frauen, die ich bisher getroffen habe – leicht geschminkt. Wir tendieren dazu, ihr zu glauben.

Kanada ist das Land der Rockmusik. Im Radio gibt es schon zum Frühstück ACDC. Ein Radiosender nennt sich „The Rock of the Rock“, der „Rock des Felsen“. Ein Wortspiel, das freilich nur im Englischen funktioniert.

Wir nehmen die Westküste in Richtung Norden – ein Elch. Kurz darauf hoppelt ein arktischer Hase davon. Wir schlagen uns in die Wildnis und finden einen Platz mit wundervoller Aussicht zum übernachten. Überall liegen grau-weiße Fellpuschel herum, abgeschabtes Winterfell von Elchen. Aber es kommt uns heute keiner mehr besuchen.

Meat Cove, CBI – Schotten auf steilem Gelände

Samstag, Mai 8th, 2010

Am Morgen treffen wir Melvin und seine Kumpels in seiner Werkstatt beim Schweißen eines Bootsauspuffs. Manche Kanadier behaupten, Nova Scotia läge im Vergleich zu Europa zehn, vielleicht sogar 30 Jahre zurück. Das mag sein, aber auch im kleinsten Dorf hat man Computer und Internetanschluss und kennt sich erstaunlich gut aus. Melvin und seine Freunde hatten bereits letzte Nacht unsere Website, unseren Blog und unser Gästebuch durchforstet. Ein Foto dürfen wir von ihnen schießen, aber „Stell es nicht auf Facebook!“ Keine Sorge.

Nach einem kurzen Abstecher nach Meat Cove, dem nördlichen Ende Cape Breton Islands mit imposanten Klippen und rauer blauer See fahren wir über die lieblichere Ostseite des Nationalparks in südlicher Richtung. Höhenunterschiede von 500 m bis hinunter zum Meeresspiegel werden hier ohne großes Federlesen mit ein paar Kurven, aber ohne Spitzkehren in wenigen Minuten überwunden. Längere Gefälle von 15% sind keine Seltenheit. Der Winter muss eine echte Herausforderung für Autofahrer sein.

Neben Engländern und Akadiern stellen vor allem Schotten das prägende folkloristische und kulturelle  Element auf Cape Breton Island. Viele Ortstafeln und Flussbezeichnungen sind zweisprachig. Manchmal englisch-französisch, oft aber englisch-gälisch. So liest man lustige Ortsbezeichnungen wie Abbain a Chubbair.

Im Fährhafen von North Sidney erstehen wir ein Ticket für die Fährüberfahrt nach Neufundland am nächsten Morgen. Ein paar Kilometer zurück liegt ein Campingplatz. Der hat zwar noch nicht offen, aber da wir nichts brauchen dürfen wir für einen Zehner übernachten.

Chéticamp, Cape Breton Island – Ein Elch im Schnee

Freitag, Mai 7th, 2010

Sturm! Die Kabine schwankt hin und her, man muss aufpassen, nicht seekrank zu werden. Draußen fliegt mir fast die Perücke weg. Über den Canso Causway, einen Damm, fahren wir nach Cape Breton Island. Geschwindigkeitsbegrenzungen in Kanada sind teils recht optimistisch. In den meisten Fällen gibt die jeweilige Maximalgeschwindigkeit an, wie schnell man tatsächlich fahren kann. Wir kurven auf einer hügeligen, engen Straße herum, die vom Frost zerfressen und vom Regen halb weggespült ist. Die 80 km/h scheinen da geringfügig übertrieben.

Noch eine Besonderheit ist die immer wiederkehrende Frage nach der Mileage, also wie viele Meilen das Auto mit einer Gallone Diesel (oder Benzin) fahren kann. Die Antwort sollte man parat haben. Die ältere Generation ist mit dem englischen Maßsystem aufgewachsen, die jüngere hat bereits die metrischen Einheiten gelernt. Demzufolge werden alle Maße zu unserer Verwirrung bunt durcheinander verwendet. So sind in einer Packung Karotten zwei US-Pfund, der Inhalt ist aber – korrekterweise – mit 908 g angegeben. Diesel gibt es literweise zu kaufen, aber in einer Flasche Bier sind 341 ml.

Die Westküste Cape Breton Islands mutet irisch an. Sanfte Hügel, raue Küste. Bei Sturm branden Wellen gegen die Felsen, dass die Gischt bis zur 50 m höher liegenden Straße hoch spritzt. Im Cape Breton Highlands National Park erstehen wir eine Jahreskarte für alle Nationalparks und Historic Sites, das kommt auf Dauer günstiger als jedes Mal Eintritt zu zahlen. Bestückt mit Informationsmaterial und Verhaltensanweisungen für Bär-, Coyoten- und Elchbegegnungen fahren wir in die Highlands. Auf 500 m Höhe stecken wir mitten in den Wolken und es schneit dicke Flocken bei 3°. Am Straßenrand liegt Schnee. Dank der Einweisung am Infocenter sind wir vorbereitet: Unser erster Elch! Er trottet über die Straße – Elche lieben aus unerfindlichen Gründen die Straße, wie uns gesagt wurde – und schlägt sich ins Gebüsch. Dort wartet er, so ganz geheuer ist ihm das große Auto nicht. Als unsere Druckluftbremsanlage sich entlüftet, erschreckt er sich vollends, bäumt sich kurz auf und galoppiert davon. Für ein paar Fotos hat es immerhin gereicht.

Wir verlassen den Nationalpark und fahren an die Nordspitze der Insel. In Clapstick klopfen wir an Melvins Haustür und fragen, ob wir eine Nacht auf seiner Wiese stehen können. Dürfen wir. Melvin war Pipelineschweißer in Alaska gewesen und scheint jetzt ein entspannteres Leben zu führen. Er gibt uns ein Schild mit, das er hat anfertigen lassen, das aber den Weg nach Watson Lake in Alaska nicht geschafft hat. Dort nageln die meisten Reisenden ihre Nummern- oder Ortsschilder an. Wir versprechen, es zu befestigen, wenn wir dort vorbeikommen.

Antigonish, Nova Scotia – Treibsand auf kanadisch oder gefangen in der Schlammlawine

Donnerstag, Mai 6th, 2010

Gleich nach dem Frühstück gehen wir zur Weinprobe über, da das Personal jetzt eingetroffen ist. Schade nur, dass wir das meiste wegschütten müssen, wir wollen ja noch fahren. Aber die eine oder andere Flasche findet ihren Platz in unserem begrenzten Stauraum.

Wir fahren durch Wolfville, eine wohlhabende Kleinstadt mit herrschaftlichen (Holz-)Villen und gepflegten Gärten. Ich kann regelrecht spüren, wie hier ein Nachbar beobachtet, was der andere tut und ob auch alles seinen ordentlichen, geregelten Gang geht.

Von der Westküste Nova Scotias fahren wir quer zur Ostküste hinüber. Bei J. Willy Krauch & Sons in Tangier kaufen wir köstlichen Räucherlachs und geräucherte Makrelen. Krauch ist aus Dänemark eingewandert, seine Vorväter sind aber Deutsche, erzählt uns die nette Verkäuferin. Schon die britische Königin Elisabeth II hatte sich von Krauch Smoked Salmon schicken lassen.

Heute Morgen noch hatten wir bei 26° im T-Shirt Wein gekauft, jetzt schüttet es bei 11° wie aus Eimern. Über den Trans-Canada-Highway fahren wir über Antigonish ans Nordufer. Die Landschaft erinnert hier an das Allgäu. Im Hintergrund zeichnet sich eine Bergkette ab, im Vordergrund führt die Straße über sanfte Hügel mit Wäldern und Wiesen, auf denen zur Abwechslung auch mal Kühe stehen. Der Mangel an Rindern mag die hohen Preise für Milchprodukte erklären. Zwei Liter Milch kosten 4 – 5 c$, einen Liter muss man mit 3 – 4 c$ bezahlen. Von Joghurt oder Käse ganz zu schweigen. Andererseits ist Rindfleisch nicht übermäßig teuer.

Wir finden einen einsamen Strand zum übernachten, ein Traumplatz. Im Sonnenuntergang gehen wir spazieren. Ein Schild an einem Baum am Rand des Strandes erregt meine Aufmerksamkeit. Oft sind Verhaltensregeln drauf, also gehe ich näher, um es zu lesen. Der Boden sieht auf den ersten Blick genau so aus wie der Rest, also stapfe ich nichtsahnend näher. Im nächsten Moment schon stecke ich bis über die Knöchel tief im Schlamm. Ich kann keinen der beiden Füße herausziehen, im Gegenteil, ich sinke immer tiefer. Zu allem Unglück bin ich eine kleine Steigung hoch gelaufen, sodass ich jetzt langsam im Zeitlupentempo nach hinten kippe. Kurz bevor auch mein Allerwertester den Schlamm berührt, eilt Jörg herbei um mich abzustützen. Er wiederum findet das alles recht lustig und möchte erst mal Bilder machen. Ich kann dieser Idee nur wenig Sympathisches abgewinnen und wir einigen uns darauf, mich erst einmal zu retten und dann zu fotografieren. Mit viel Mühe und Jörgs Hilfe schaffe ich es, nacheinander beide Füße inklusive der daran befestigten Schuhe herauszuziehen.  Glücklicherweise hatte ich die Stiefel vorher fest zugebunden. Allerdings sind sie jetzt zusammen mit Socken und Hosen komplett mit rotem Lehm überzogen, der Modder ist mir bis in die Boots hinein gequollen. Ich frage mich, wie man an einer solch intelligenten Stelle ein Hinweisschild anbringen kann, aber vermutlich hatte der vorangegangene Starkregen gerade die kleine Schlammlawine aus dem Wald gespült.

Cape Split, Nova Scotia – hohe Klippen über gurgelnder Tide

Mittwoch, Mai 5th, 2010

Bis Mittag regnet es. Als es endlich aufklart, fahren wir die paar Kilometer nach Scotts Bay und wandern vom dortigen Parkplatz aus auf Cape Split hinaus. Der Wanderweg ist 16 km lang (Hin- und Rückweg) und führt größtenteils durch mäßig spannenden, sonnendurchfluteten Wald über Wurzeln, umgestürzte Bäume und kleine Bäche. Es ist warm, wir beginnen zu schwitzen, aber nicht für lang. Auf dem Kap angekommen, wo keine schützenden Bäume stehen, pustet uns wieder ein eisiger Wind um die Ohren. Von den 231 m hohen Klippen hat man einen grandiosen Ausblick über die gewaltigen Wassermassen, die zwei Mal täglich vom offenen Meer in die Bay of Fundy hinein- und wieder hinausströmen. Das Kap ragt weit hinein in den Mineas Channel, den Ostarm der Fundy-Bucht. Der Tidenhub beträgt hier bis zu 16 m und an den Felsklippen brechen sich die Wellen, sprudelt und gurgelt es nur so, da sich ein- und auslaufendes Wasser bereits wieder begegnen. Welch imposantes Naturschauspiel.

Die Anschaffung eines Navigationssystems mit Kartenmaterial für Nordamerika hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn Lissy, wie wir das Gerät nennen, kennt in Kanada wirklich jeden Waldweg. Lediglich mit Lissys Englisch hapert es ein wenig, ihre elektronische Stimme murmelt etwas unverständlich vor sich hin. Manche Worte erkennt man erst, wenn man sie geschrieben sieht, da sie die englischen Ortsangaben einfach deutsch ausspricht. Sehr amüsant, wir müssen wohl noch etwas trainieren.

Endlich finden wir am Abend die Blomidon Estate Winery, aber leider hat das Weingut für heute schon geschlossen. Wir beschließen hier zu übernachten.

Digby, Nova Scotia – Hummer zu Mittag und Plunder zum Kaffee

Dienstag, Mai 4th, 2010

Im Hafen von Cape St. Marys bieten uns zwei Fischerleute ihre frisch gefangenen Hummer an. 4,50 kanadische Dollar (c$) das Pfund. Vermutlich könnten wir sie sogar auf 4 c$ runterhandeln, da uns ein netter Anwohner vorher den Marktpreis genannt hatte. Auch die jungen Männer beklagen die Wirtschaftskrise. Vor ein paar Jahren noch hatten sie 9 oder 10 c$ das Pfund bekommen, und 1000 Pfund hatten sie in ihren Körben. Heute waren es gerade mal 150.

In Digby lassen wir uns zum Lunch Lobster Roll und Scallop Burger (Hummer- und Jakobsmuschelbrötchen) schmecken. Die Natur ist hier viel weiter als ein paar Kilometer weiter östlich. Ginster und Tulpen, Magnolien und Apfelbäume blühen bereits. Der Digby Neck Scenic Drive, die Panoramastraße über die Digby Halbinsel, bietet den einen oder anderen Ausblick auf einen See oder Meeresbuchten, sonst aber eher unspektakuläre Waldlandschaft. Zur Walbeobachtung muss man eine Bootstour buchen, aber Anfang Mai hat noch alles geschlossen.

In Annapolis Royal entdecken wir eine deutsche Bäckerei. Heiderose und Dieter Claussing aus Zwickau sind seit acht Jahren in Kanada und sind seit einigen Jahren selbstständig. Wir kaufen ein Roggenbrot; die Blaubeer- und Kirschplunder sind leckere handgefertigte Teilchen und keine vor Billigfett erstarte Industrieware, wie man sie bei uns zumeist bekommt. Neben der Annapolis River Flussbrücke gewinnt das einzige Meerwasser-Gezeitenkraftwerk Strom aus dem gewaltigen Tidenhub der Bay of Fundy. Das fast liebliche Annapolis Valley Flusstal wurde aufgrund seines milden Klimas zum Gemüse- und Obstgarten Nova Scotias. Wir übernachten am Parkplatz vor dem Blomidon Provincial Park, da der Park und der dazugehörige Campingplatz noch geschlossen haben.

Shelburne, Nova Scotia – Kriegsmythen und Jelly Beans

Montag, Mai 3rd, 2010

Der Umgang mit Abfällen ist für uns Mitteleuropäer ein wenig gewöhnungsbedürftig. Etliche Häuser an den Fjorden sollen nicht an die Kanalisation angeschlossen sein und leiten ihre Abwässer direkt ins Meer. An vielen Parkplätzen am Wald wird der Müll – verbotenerweise – abgeladen, zumal es oft keine Mülleimer gibt. Aber vielleicht ist der Umgang mit Natur ein anderer, wenn man so viel davon hat.

Als erste Attraktion besuchen wir heute West Berlin. Das Dorf besteht aus etwa drei Häusern. Hatte ich irgendwie größer in Erinnerung.

Am Parkplatz vor dem Sobies Supermarkt in Liverpool will uns ein älterer Herr eine Geschichte erzählen. Im 2. Weltkrieg versenkte ein deutsches U-Boot vor der Küste Nova Scotias ein kanadisches Schiff. Die Überlebenden flüchteten in ihre Rettungstender, als das U-Boot neben ihnen auftauchte. Ein deutscher Offizier öffnete das Luk. Die erste Frage, die er den Schiffbrüchigen stellte – er sprach englisch – war, ob sie eine Zigarette rauchen wollten. Nein, wollten sie nicht. Dann bestand der Offizier darauf, die Männer sicher bis ans Ufer zu geleiten. Er hätte den Auftrag, die Schiffe zu versenken, aber nicht, die Menschen zu töten. Das hatte den alten Kanadier schwer beeindruckt. Für den Wahrheitsgehalt dieser Geschichte übernehmen wir keine Haftung.

Es ist kühl und regnerisch, die Laubbäume haben noch nicht einmal den Plan gefasst auszutreiben. Plötzlich dreht der Wind auf Süd und es hat 23°C. Das Wetter wechselt im Minutentakt. Die Black Flies Saison ist eröffnet. Die kleinen schwarzen Fliegen stechen nicht etwa, sie beißen ein kleines Stück Haut heraus. Das schmerzt und blutet nicht nur, es juckt auch ein paar Tage. Zumindest sollen sie keine Krankheiten übertragen. Einziger Vorteil: Sie fliegen nur tagsüber und haben bei Wind Startverbot. Bei Sonnenuntergang werden sie von Mücken abgelöst. Ich kann nicht entscheiden, was angenehmer ist.

Das komplett aus traditionellen Holzhäusern bestehende Shelburne war 1783 gegründet worden und hatte zu seiner Glanzzeit mit 16.000 Einwohnern zu den größten Städten Nordamerikas gehört. Hollywood hatte den schmucken Ort erneut zu Ehren gebracht: Hier wurde der eigentlich in Neuengland spielende Film „The Scarlet Letter“, der scharlachrote Buchstabe, gedreht.

Eine Stunde später hat es noch 11°C. In The Hawk an der Südspitze Neuschottlands peitscht der Wind die Nebelschwaden über die grasbewachsene Küste. Ein ziemlich zerzaust aussehender Busch Osterglocken trotzt dem eisigen Wind. Hier blühen Osterglocken im Mai.

Wir passieren einige akadische Siedlungen, die alle „Pubnico“ im Namen tragen. Akadier sind Nachkommen der ersten französischen Siedler, die durch Vertreibung durch die Engländer eine leidvolle Geschichte erfahren haben. Viele von ihnen sind im Laufe der Zeit zurückgekehrt. Auf ihren Grundstücken weht die akadische Flagge – die französische Trikolore mit einem goldenen Stern. An manchen Häusern findet man einfach einen Stern. An einer Tankstelle dort schenkt uns eine junge Frau spontan einen Eimer voller Jelly Beans, die Lieblingssüßigkeit vieler amerikanischer Kinder, die sicher für ihre eigenen Sprösslinge gedacht gewesen waren.

Der vermeintlich perfekte Übernachtungsplatz mit exponierter Aussicht an der Cape St. Mary Lightstation stellt sich ganz schnell als unbrauchbar heraus. Das Nebelhorn tutet in Minutenabständen mit durchdringender Lautstärke. Wir verziehen uns ein paar Kilometer weiter an den Strand, wo das Horn nur noch als Hintergrundgeräusch zu hören ist.

Lunenburg, Nova Scotia – Pancakes, Würstchen und deutsche Auswanderer

Sonntag, Mai 2nd, 2010

Als wir um 8 Uhr endlich die Tür unserer Kabine öffnen, ruft Wally schon, dass Kaffee und Pancakes fertig seien. Dazu gibt es Würstchen, Orangensaft und Rosinenbagles mit Butter. Welch ein reichhaltiges Frühstück. Unterdessen deckt Vivian uns mit selbstgefertigtem Schmuck ein. Wir bekommen ein Doggy Bag mit dem restlichen Donair, damit wir unterwegs nicht verhungern. Erst kurz vor Mittag können wir uns von diesem entzückenden Rentnerpärchen trennen.

Wir besuchen den Ort Mahone, der überragt wird von hohen spitzen Türmen der zahlreichen Holzkirchen. Lunenburg, eine 1753 von deutschen und schweizer Protestanten gegründete charmante Stadt, wurde von Schiffbau und Kabeljaufischerei geprägt. Eine Gruppe junger Leute war schon eine halbe Stunde auf der Suche nach uns gewesen. Ein Freund hatte sie verständigt, dass ein verrücktes Auto durch die Gegend fahren würde. An einem Aussichtspunkt finden sie uns endlich. Dort gabeln uns Ursel und Gerd auf und laden uns auf einen Kaffee zu sich ein. Das deutsche Pärchen ist vor neun Jahren nach Neuschottland ausgewandert und hegt keine Ambitionen zurückzukehren. Schließlich bringen sie uns zum Parkplatz  am Rissers Beach, wo wir ganz einsam die Nacht verbringen können. Der Strand eignet sich für ausgedehnte Spaziergänge, ein hölzerner Terrassenweg lädt zu Vogelbeobachtungen ein. Das Wetter ist wechselhaft wie immer. In einer Minute kommt Nebel wie dicke Suppe in die Bucht hineingezogen, im nächsten Moment ist der Spuk vorbei und die Sonne scheint als hätte sie nie etwas anders getan.

Peggys Cove, Nova Scotia – Wir sind Popstars

Samstag, Mai 1st, 2010

Wir verlassen Claire und Ian und starten unsere Nova Scotia Rundfahrt mit der Light House Route in Richtung Süden. 17 Grad und Sonnenschein können nicht über den kalten Wind hinwegtäuschen. Die Landschaft wirkt fast norwegisch mit Fjorden und Schären. Schroffe Felsen lösen sich mit weißen Sandstränden ab. Kleine Häuschen sind mit grauen oder pastellbunten Holzschindeln verkleidet, die moderneren mit Plastikschindeln. Die muss man nicht dauernd streichen, und billiger ist es zudem. Fremde Menschen auf der Straße winken uns zu. Peggys Cove ist ein Vorzeige-Fischerdorf, wo seit 200 Jahren täglich Fische und Hummer angelandet werden. Ein malerischer Leuchtturm  thront auf von Tide und Stürmen glatt gewaschenen Felsen. Vom Parkplatz kommen wir fast nicht wieder weg. Arminius ist DIE Attraktion, ständig sprich uns jemand an, wir fühlen uns fast wie Popstars. Ist das ein Mercedes? Wo fahrt ihr hin? Wo kommt ihr her? Und: Habt ihr einen Blog? Das scheint hier essentiell zu sein.

Ein gut besuchtes Denkmal erinnert an des Swiss Air Absturz 1998, bei dem alle Passagiere ums Leben gekommen waren. Auf der anderen Seite der Bucht, in Bayswater, gibt es eine weitere und viel ruhigere Andachtstelle, wo etliche Opfer begraben wurden.

Es ist 17 Uhr und wir schaffen es gerade bis Chester, einem Örtchen mit pittoreskem Charme, in dem seit 1754 Deutsche siedeln. Kaum stehen wir um einen Kaffe zu trinken, kommen Leute mit ihren Autos angefahren, steigen aus, machen Fotos von Arminius, fahren weg, kommen mit ihren Verwandten wieder, neuerliche Fotos. Unter den Plauderbekanntschaften sind auch Vivian und Wally. Sie nehmen uns kurz entschlossen mit auf ihr großes Waldgrundstück, wo sie ein niedliches Häuschen inmitten unberührter Natur an einem kleinen See bewohnen. Das Haus ist vollgepackt mit persönlichen Fund- und Lieblingsstücken und selbstgemalten Bildern. Es strahlt so viel Flair aus, dass einem ganz warm ums Herz wird und man den bullernden Holzofen gar nicht gebraucht hätte. Vivian stellt wie sie es nennt „Flora Art“, Blumenkunst, her – großartige Bilder aus gefärbten Pflanzenteilen, Blätter und Blumen. Für die britische Königin Elisabeth II fertigte sie als Geschenk die kanadische Flagge aus rot und weiß gefärbten Ahornblättern her. Sie malt auch, fertigt Skulpturen aus unterschiedlichsten Materialien und stellt Schmuck aus selbstgesammelten und polierten Halbedelsteinen her. All die Kunstwerke verkauft sie zu Preisen, die nicht einmal ihre Kosten decken. Wally malt auch, macht Holz für einen langen Winter, kocht, füttert Enten und vieles mehr.

Zum Abendessen macht uns Vivian Donair, eine kanadische Spezialität, die ihren Ursprung in Halifax haben soll. Im Ofen gebackene Hackfleischlaibe werden in dünne Scheiben geschnitten und mit Zwiebel-, Tomatenwürfeln, Petersilie und einer süßen Knoblauchsoße auf Fladenbrot serviert. Einrollen, essen, köstlich. Ein wundervoller Abend. Nachts quaken die Frösche am Teich.

Dartmouth, Nova Scotia – Sommerbefehl

Freitag, April 30th, 2010

Kanadier sind harte Burschen. Mit Beginn des kalendarischen Frühlings wird auf Frühjahrkleidung umgestellt – ungeachtet des Wetters. Es hat 4° C und Schneeregen und Menschen, die so empfinden wie ich, laufen in Stiefeln, mit dicken Jacken, Mützen und Handschuhen umher. Die andere Fraktion, die ihren Sommerbefehl bereits erhalten hat, läuft in kurzen Hosen und Schlappen an unbestrumpften Füßen herum. Ich ziehe meinen Schal fester um meinen Hals und verstehe gar nichts mehr.

Dartmouth, Nova Scotia – durchwühlte Schränke und gastfreundliche Menschen

Donnerstag, April 29th, 2010

Der Hafen wirkt etwas hausbacken, mehr als drei Mitarbeiter kann ich nicht entdecken. Alle sind äußerst hilfsbereit, jeder weiß, wir wollen unseren Unimog abholen, fragt wohin die Reise geht. Die Freude ist groß: schon wenige Minuten später können wir mit einem äußerlich unversehrten Arminius losbrausen. Der Schreck folgt erst später, als wir das Innere der Kabine inspizieren. Der Zoll war nicht sonderlich zimperlich mit unserem Hab und Gut umgegangen. Die Staufächer waren teilweise sorgsam bepackt und ziemlich voll gewesen. Da die Beamten den Inhalt einfach nur wild wieder reingeworfen hatten, passte nicht mehr alles hinein. Den Rest hatten sie auf Bett und Arbeitsfläche gleichmäßig verteilt. Die Softhülle des alten Laptops, den wir bereits ins Auto gepackt hatten, hatten sie zerrissen, als sie die entsprechende Schublade mit zu viel Effet öffneten oder schließen wollten. Beim Öffnen der Stauklappen waren sie ohne Rücksicht vorgegangen und hatten dabei die Bettücher zerrissen, die unsere Matratzen schützen sollten. Besonders ärgerlich, da Sonderanfertigungen für Spezialgrößen nicht ganz billig sind. Interessantes hatten sie hingegen nicht gefunden. Alles war noch da, nichts fehlte, und wir hatten unsere Zollpapiere problemlos erhalten. Wer weiß, was sie provoziert hatte; vielleicht die abgeschlossene Kabine, vielleicht das militärische Vierradfahrzeug, vielleicht war es einfach nur ein schlechter Tag gewesen.

 

Den Tag gerettet hat uns die Einladung von Ian und Claire. Die beiden Engländer leben derzeit in Nova Scotia und hatten uns schon vorab per E-Mail angeschrieben, nachdem sie unsere Website im Internet gefunden hatten. Ian holt uns vom Hotel ab, fährt uns in den Hafen, zu sich nach Hause und geht mit uns einkaufen. Claire lässt uns ihren Internetnetanschluss, ihre Waschmaschine und den Trockner benutzen. Wir dürfen zwei Nächte in ihrer Zufahrt stehen, uns erst einmal sortieren und das Zollchaos beseitigen. Eine Weltreise könnte nicht schöner beginnen als mit einer Einladung gleich für die ersten Nächte. Das lässt hoffen. Danke Claire und Ian!

Halifax, Nova Scotia – Start mit Hindernissen

Mittwoch, April 28th, 2010

Wir bekommen Arminius heute nicht. Der Zoll möchte die Wohnkabine von innen inspizieren und benötigt dazu einen Schlüssel. Bis er ihn zurückbringen kann, ist es nach 12 Uhr und damit können wir das Auto nicht mehr im Hafen abholen. Nein, es wäre nicht üblich den Schlüssel vorab jemandem auszuhändigen, versichert uns die freundliche Dame von der Spedition in Halifax. Es handle sich hier um eine unvermeidbare Verzögerung. Zurück ins Hotel, eine Verlängerungsnacht buchen, Frust verdrängen. Hoffen, dass morgen alles klappt.

Halifax, Nova Scotia – fünf Minuten dumm gestellt…

Dienstag, April 27th, 2010

Die meisten Kanadier reagieren irritiert auf meine Frage nach einer SIM-Karte für mein Handy. Das Geheimnis lüftet sich wenig später beim größten Mobilfunkanbieter Kanadas: Die verkaufen keine SIM-Karten, sondern nur vorprogrammierte Handys. Ich will aber kein neues Handy kaufen, ich habe schon eines! Zum Glück gibt es auch in Kanada Wettbewerber. Da gibt es sogar SIM-Karten.

 

Fünf Minuten dumm gestellt reichen fürs ganze Leben, sagt man. In Kanada genügen maximal 30 Sekunden dumm gucken, und ein hilfsbereiter Einheimischer eilt zu Hilfe. Im Supermarkt kann ich mich am Kaffeeregal nicht entscheiden. Sofort bekomme ich Hilfe: nicht nur welche Marke, sondern auch welche Sorte ich nehmen soll. Ist dazu im Sonderangebot „2 für 1“, ein Schnäppchen. Ich stehe unschlüssig vor der langen Speisekarte einer Sandwichbar, schon berät mich ein netter Mittdreißiger: „Ich nehme immer das Tagesangebot, das mag ich am liebsten.“ Guter Tipp. Wir wollen nur schnell auf dem Stadtplan checken, ob wir die richtige Richtung eingeschlagen haben, da werden wir gefragt, wohin wir wollen. Und bekommen natürlich den Weg beschrieben. Sind alle Leute so nett hier?