Archive for the ‘Kanada’ Category

Niagara Falls, Ontario – Touristen in Plastiktüten an gezähmten Rekordfällen

Donnerstag, Juni 10th, 2010

Der Niagara Parkway von Niagara-on-the-Lake nach Niagara Falls führt uns vorbei an gepflegten Anwesen mit Häusern, deren Wert ich nicht zu schätzen vermag. Rasenflächen, Bäume, alles ist grün, grün, grün. Ein schickes Weingut reiht sich ans andere, hier befinden sich die meisten Wineries Kanadas. Rebstöcke stehen in einer Reihe wie mit dem Lineal gezogen, jeweils am Ende steht ein rot blühender Rosenbusch. Wie schon in Prince Edward County fallen uns auch hier die vielen deutsch und niederländisch klingenden Namen auf.

In Niagara Falls hat der günstigere Wohnmobilstellplatz am Stadtrand für 10 $ inklusive Bustransfer zu den Attraktionen noch geschlossen. Wir müssen für 18 $ Tagespauschale in der Stadt parken, aber immerhin berechnet man für unser kleines, sprich kurzes Mobil den Pkw- statt des 2 $ teureren Campertarifs. Die kostenlose Aussichtsterrasse an den Niagarafällen bietet den besten Blick auf die Fälle, die kanadische Seite weit besser als die amerikanische. Der Eriesee ergießt sich über den 56 km langen Niagara River in den 99 m tieferen Lake Ontario, was eine äußerst hohe Fließgeschwindigkeit zur Folge hat. Die Niagarafälle bestehen aus den kleineren American Falls und den größeren Horseshoe Falls, die ihren Namen ihrer Hufeisenform verdanken. Letztere sind 54 m hoch und 675 m breit, was einen Wasserfall noch nicht spektakulär macht. Den Superlativ bringen die enormen Wassermassen, die auch heute noch, trotz Reduktion durch mehrere Wasserkraftwerke um bis zu 75 %, in die Tiefe donnern. 154 Millionen Tonnen pro Minute sind es jetzt im Sommer, gut die Hälfte im Winter. Die Wasserentnahmen haben die Erosion der Fälle erheblich eingedämmt. Hat sich der Wasserfall früher um einen Meter pro Jahr rückwärts bewegt, sind es heute gerade mal 30 cm in zehn Jahren. Seit ihrer Entstehung von rund 12.000 Jahren nach der letzten Eiszeit haben die Fälle etwa 11 km des weichen Sandsteins abgeknabbert.

Mintgrünes Wasser schießt über die Kante hinweg und schäumt beim Auftreffen weiß wie eine Waschmaschine im Kochwaschgang. Der Aufprallbereich ist nur schwer einzusehen, da eine riesige Gischtwolke bis weit über die Abbruchante hoch spritzt. Am Fuß der Fälle, wo das Wasser gurgelt, nähert sich alle paar Minuten ein Boot voller Touristen. Die Maid of the Mist – die Dunstfräuleins – wie sie seit 1846 alle heißen, fährt bis weit in den Spray hinein wo das Donnern des Wassers die Ohren betäubt. Auf halber Höhe des Felsens hat man einen Tunnel hinter den Wasserfällen gegraben, die Journey Behind the Falls. Hier wird man, wie auf den Booten auch, in überdimensionale Plastiktüten mit Kapuze verpackt, denn auf der Plattform direkt seitlich der Fälle wird es nass. Zwei weitere Aussichtsöffnungen hinter dem Wasservorhang lassen die Gewalt des Wassers erahnen. Es gibt dutzende anderer mehr oder weniger sinnvoller Touristenattraktionen rund um die Niagarafälle, die vermutlich nicht alle ihren hohen Eintrittspreis wert sind. Wir kehren Niagara, durchaus beeindruckt, den Rücken, tanken zum ersten Mal für unter 90 Cent den Liter und fahren in Richtung Nordwest.

Toronto, Ontario – Window-Sightseeing im Schritttempo

Mittwoch, Juni 9th, 2010

Den Plan baden zu gehen verwirft Jörg schneller als gedacht. Wellen peitschen an den Strand, Regen prasselt nieder. Das Wasser ist nicht mehr transparent-blau sondern hat eine milchig-trübe grün-braune Färbung angenommen. Belaubte Äste wiegen sich im Wind. Auch das ein Bild einmaliger Schönheit.

Kurz vor Toronto haben wir unseren ersten ernsthaften Disput mit Lissy. Sie will partout nicht den Highway Nr. 2 am Seeufer entlang fahren. Also packen wir den Stadtplan aus und navigieren wie in vorelektronischen Zeiten, bis wir ein Übereinkommen mit unserem Navi treffen können. Alle Kanadier, mit denen wir sprachen, rieten uns von einem Besuch Torontos ab. Ontarios Hauptstadt sei mit 2,5 Millionen Einwohnern – Einzugsgebiet 5,8 Millionen – einfach nur riesig ohne besondere Attraktionen zu bieten, es sei denn man möchte shoppen oder sich ins Nachtleben stürzen. Entlang der Uferstraße könne man alle interessanten Gebäude der Skyline vom Auto aus sehen. Da wir entgegen aller Empfehlungen erst um halb vier ankommen, landen wir mitten in der Rushhour. Was den Vorteil hat, dass wir nur im Schritttempo fahren und alles in Ruhe anschauen und fotografieren können. Das Wetter spielt auch nicht ganz mit: Extrem tiefliegende Wolken verhüllen die Wolkenkratzer. Die Spitze des CN Towers ist nur zu erahnen. Da die Metropolitan Area von Toronto ein sehr großes Gebiet umfasst und das Stadtgebiet nicht zu enden scheint, kommen wir erst ein paar Stunden später in Niagara-on-the-Lake an. Die viktorianische Kleinstadt voller Prachtbauten hat vor wenigen Jahren zu Recht den Titel Prettiest Town of Ontario – hübscheste Stadt von Ontario – errungen. Dank vieler amerikanischer Touristen – die USA sind einen Katzensprung über die Brücke entfernt – ist alles maßlos überteuert; die vornehmen Boutiquen wie die unterschiedlichsten Restaurants. 24 $ plus Steuer und 15 % Trinkgeld für eine simple Portion Spaghetti Bolognese scheinen irgendwie übertrieben. Das Ganze erinnert an Kampen auf Sylt: schön, aber snobistisch. Am Stadtrand finden wir einen Parkplatz, der nur tagsüber gebührenpflichtig ist.

Prince Edward County, Ontario – Deutscher Wein und Mücken á la Hitchcock

Dienstag, Juni 8th, 2010

Der linke kleine Zeh juckt. Das muss das Reisefieber sein. So gut es uns bei Myra und Dan gefallen hat, wir müssen „on the road again“. Der Weg führt uns stramm nach Süden und dann an der US-amerikanischen Grenze entlang Richtung Westen. Wir passieren Kingston, das als eine der schönsten Städte Ontarios gilt. Dort befindet sich das andere Ende des Rideau Canal. Eine kurze Fährfahrt bringt uns nach Prince Edward County. Die Halbinsel im Lake Ontario ist ein wunderschönes Fleckchen Erde. Schlossähnliche Holz- und Steinhäuser prangen auf riesigen ungezäunten Grundstücken, die ausnahmsweise nicht ausschließlich von gepflegtem Rasen bewachsen sind, stattdessen ragen große alte Laubbäume in den Himmel – mein Traum. Dazwischen Laubwälder aus einem anderen Zeitalter, ein mystischer hochgelegener schwarzer See ohne erkennbaren Zufluss, Weinreben, und drum herum blaues Wasser und weitere Baum bestandene Inseln.

Wir machen einen Abstecher zur Waupoos Winery. Ed Neuser, der deutsche Besitzer, lässt nicht lange auf sich warten, er wird magisch von unserem Vehikel angezogen. Eds Englisch ist besser als sein Deutsch, er ist schon in den 50er Jahren ausgewandert. Waupoos sei das älteste Weingut der Halbinsel. Laut Ed ist Prince Edward County die kälteste Region der Welt, in der Wein angebaut wird. Da im Winter regelmäßig minus 30 Grad erreicht würden, wären spezielle Techniken wie Rebsorten erforderlich. Der klassische Riesling darf nicht fehlen. Interessant nach Pfirsich, Grapefruit und Kräutern duftet der Geisenheim. Diese Hybridtraube wurde erstmals in der gleichnamigen deutschen Stadt aus einer Rieslingtraube auf einem russischen Rebstock gezogen, ist aber in Deutschland nicht populär, erklärt uns die junge Winzerin. Es ist sechs Uhr abends und Ed erkennt schnell, dass wir einen Stellplatz für die Nacht benötigen. Er gibt uns den entscheidenden Tipp und die detaillierte Landkarte dazu: Am Südostende der Insel kurz vor einem Naturschutzgebiet führen kleine Schotterwege an den See, niemand würde uns dort behelligen. Auf der Suche nach dem besten Platz kommt uns ein Pkw entgegen, wendet, um uns anschließend hartnäckig zu verfolgen. Schließlich halten wir an um herauszufinden, was der Fahrer will. Der Einwanderer unbestimmter Herkunft hat ebenfalls erkannt, dass wir einen Schlafplatz brauchen. Er bittet uns zu warten und bietet sich an, für uns zu suchen. Er kehrt zurück, wir folgen ihm zur empfohlenen Stelle, da ist er nach einem kurzen Plausch auch schon wieder verschwunden. Der Strand ist perfekt. Flache runde Kieselsteine werden umspült von glasklarem spiegelglattem Wasser. Der Kiesstrand ist weich, ohne Vierradantrieb und Differenzialsperre geht hier nichts. Die Sonne steht hoch über den Bäumen, morgen früh wird sie über dem See aufgehen. Vorgelagerte Inseln sind Heimat unzähliger Vögel. Das Wasser ist kalt wie in den großen Seen üblich, aber Jörg möchte morgen baden gehen. Die Idylle wäre perfekt, wenn, ja wenn die nicht die Mücken wären, die sich sofort auf Arminius niederlassen, uns aber verschonen. Mit großer Erleichterung registrieren wir, dass sie nicht stechen. Das Szenario ist trotzdem ein wenig furchteinflößend. Myriaden von Mücken schweben wie eine schwarze Wolke über unseren Köpfen bis hoch in den Himmel. Ihre milliardenfachen Flügelschläge verursachen ein Geräusch als ob man unmittelbar vor einem Bienenstock stünde. Als wir in die Kabine gehen, kriechen dutzende von ihnen wie in einem Hitchcock-Thriller auf unseren Fensterscheiben herum. Noch Tage später werden wir einzelne Exemplare, die irgendwo ein Schlupfloch gefunden hatten, aus unserer Kabine entfernen.

Ottawa, Ontario – Ein Traum wird wahr: Mythos Harley Davidson

Montag, Juni 7th, 2010

Wie eine Burg muten die Regierungsgebäude Kanadas an. Die neugotischen Bauten thronen auf dem Parliament Hill. Die kostenlose Besichtigungstour führt durch das House of Commons, den Senate und die wunderschöne mehrstöckige runde Bibliothek, die tausende von Büchern in edelhölzernen mit Schnitzereien verzierten Regalen birgt. Der Peace Tower, die Kleinausgabe des Big Ben, überragt den mittelalterlich wirkenden Komplex. Täglich um 12 Uhr ertönt das Glockenspiel. Über einen Aufzug hat man Zugang zum Turm und kann von dort die Stadt überblicken. Trotz ihrer fast 900.000 Einwohner wirkt Ottawa heimelig und grün, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Stadtverwaltung den Bau von Hochhäusern verhindert hat. Im Anschluss fährt uns Dan noch am Sitz des Gouverneur General vorbei. Die Stellvertreterin der Queen in Kanada residiert standesgemäß in einer Art Palast, umgeben von einem ausladenden öffentlichen Park.

Der Nachmittag verläuft nicht ganz so entspannend. Wir müssen Arminius Reifen rotieren um gleichmäßige Abnutzung zu gewährleisten. Unter Einbeziehung des Reserverades und unterbrochen von zwei heftigen Regenschauern zwischen Sonnenscheinperioden arbeiten wir drei – Dan hilft uns netterweise – mehrere Stunden.

Am Abend erfüllt sich für Jörg ein Wunschtraum: Er darf Harley Davidson fahren. Erst Myras kleine 900er, dann Dans große 1700er. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht genehmigt er sich anschließend das erste Bier.

Ottawa, Ontario – Eine kluge Königin und handgekurbelte Schleusen

Sonntag, Juni 6th, 2010

Schon wieder sind wir in Québec gelandet. Gatineau ist die Schwesterstadt Ottawas und nur durch eine Brücke über den Ottawa River von der Hauptstadt getrennt. Die britische Königin Victoria hatte 1857 mit Bedacht Ottawa den anderen Bewerbern Montréal, Kingston und Toronto als Capital vorgezogen. Die Lage an der Grenze zwischen anglo- und frankophonem Kanada in ausreichender Entfernung zu den damals nicht allzu freundlich gesonnenen USA machte die Kleinstadt voller raubeiniger Holzfäller und völlig ohne Infrastruktur zur idealen Wahl. Trotz heftiger Proteste stellte sich die Entscheidung als äußerst kluges Votum heraus. Mangels besserer Alternativen baute man eine verkleinerte Westminsterkopie samt Londoner Big Ben in die Wildnis. Heute ist Ottawa eine florierende Metropole, die sich im Gegensatz zu vielen Hauptstädten dieser Welt ihren provinziellen Charme in angenehmer Weise erhalten hat.

Zunächst aber besuchen wir das Canadian Museum of Civilisation auf der Québec-Seite. Auf einer Reise, die einen an abertausenden Museen vorbei führt, pickt man sich gezielt die Rosinen heraus, zumal wenn man nicht unbedingt passionierter Museumsgänger ist. Dieses historische Museum ist phänomenal. Das gesamte Basement ist der Geschichte der First Nations gewidmet, wie man Indianer und andere Ureinwohner heute nennt. Einen Großteil der Ausstellungsstücke inklusive der Totempfähle darf man anfassen. Das haptische Erleben einer Ausstellung hinterlässt viel intensivere Eindrücke als rein visuelle Wahrnehmung. Das Postmuseum mit unzähligen Briefmarken und das vorbildliche auch für Erwachsene lehrreiche Kindermuseum der 2. Etage überlassen wir der Jugend. Es ist Sonntagnachmittag, das Museum ist bei Regenwetter Ziel vieler Familien. Das dritte Stockwerk zeigt anschaulich die Geschichte der letzten 1000 Jahre Kanadas, insbesondere der Besiedelung durch Weiße. Eine ganze Kleinstadt wurde aufgebaut. Man wandelt in den Gassen umher und kann die Druckerei, den Schuster oder den Schmied des 19. Jahrhunderts besuchen. Die Beleuchtung ist so geschickt arrangiert, dass man meint, durch einen nächtlichen Ort zu flanieren.

Über die Brücke laufen wir zurück nach Ottawa ins überschaubare Zentrum. Gleich nebenan fließt der Rideau Canal in den Ottawa River, der eine Verbindung zum Lake Ontario jenseits des St.-Lorenz-Stroms darstellt. Die Engländer bauten die Wasserstraße, die aus einer über 200 km langen Kette aus Seen und Kanalstücken besteht, Anfang des 19. Jahrhunderts mit enormem Aufwand, um Transporte nach Toronto auch im Fall eines Konflikts mit den Amerikanern zu sichern. Knapp 50 der zumeist handbetriebenen Schleusen überwinden 84 m Höhenunterschied, sechs davon direkt an der Kanalmündung, allesamt denkmalgeschützt. Eines der jährlich 90.000 Freizeitboote fährt gerade stromabwärts, so können wir den Schleusern beim Kurbeln zusehen. Es sieht nach harter Arbeit aus.

Der Byward Market – Bytown ist der der alte Name Ottawas – entspricht vielleicht nicht internationalen Standards, ist dafür angenehm und sympathisch. Ein zentraler Food Court mit Konditoreien und Imbissecken aus aller Welt ist umgeben von zahlreichen Obst- und Gemüseständen und Delikatessenläden. In einer Fromagerie erstehen wir zwei 500-g-Wagenräder Camembert und Brie zu je erfreulichen sechs Dollar. Ein kleiner Nachteil am Reisen ist , dass man meist nicht weiß, wo man was am besten oder günstigsten bekommt, sondern man rennt in den nächstbesten Supermarkt. Vor allem Käse ist – neben Brot – eine Herausforderung für verwöhnte Gaumen. Leckerer Importkäse verträgt sich nicht mit unserem Reisebudget. Alternative sind entweder Schmelzkäsescheiben, bei deren chemischer Zusammensetzung der Ingredienzien sich mir die Nackenhaare aufstellen, oder idiotisch geformte Käsebarren von zwei Zentimeter Höhe, acht Zentimeter Breite, aber 30 cm Länge, aus denen man prima Würfel schneiden kann, die aber zum Belegen von Brot völlig ungeeignet sind. Der Cheddar aller Altersstufen und der sogenannte Mozarella, der außer dem Namen nichts mit dem italienischen Original gemein hat, sind so hart, dass man damit zur Not auch einen Feind erschlagen kann. Als die Marktstände schließen, gibt es unterschiedliche Sorten Obst für 1 c$ die Schachtel oder Tüte: Erdbeeren, Kirschen, Brombeeren oder Pfirsiche, was immer das Herz begehrt.

Myra kocht gern und gut. Heute Abend gibt es Spaghetti mit Muscheln in Tomatensoße und grünem Spargel. Wer kann da schon nein sagen.

Ottawa, Ontario – Wal-Mart oder Vorstadtfamilie?

Samstag, Juni 5th, 2010

Die Stromschnellen am Zusammenfluss von Ottawa und St. Lawrence River beendeten 1535 Jaques Cartiers Expedition ins Binnenland Kanadas im heutigen Montréal. Der Entdecker des St.-Lorenz-Stroms kämpfte mit der geringen Wassertiefe, während die Indianer in ihren Kanus schon seinerzeit die Hürde überwanden. Nach dem Bau des ersten Kanals 1826 wurde 1959 eine zweite Umgehung der Stromschnellen für Ozeandampfer fertig gestellt. Damit ist der St.-Lorenz-Strom durchgehend vom Atlantik bis in die großen Seen befahrbar und Montréal wurde – 1600 km vom Meer entfernt – zu einem der weltgrößten Binnenhäfen.

Wir überfahren die Grenze zu Ontario und erreichen am Nachmittag Ottawa. Im Supermarkt am Stadtrand registrieren wir erfreut, dass die Preise zum ersten Mal gemäßigter sind, wenn auch nach wie vor weit über deutschem Standard. Ontario liegt zentraler und hat daher geringere Transportkosten als der Osten, außerdem niedrigere Steuern, was sich ab Juli ändern soll. In Kanada legt jede Provinz ihre Verkaufssteuern individuell fest.

Kanadas Hauptstadt bietet so gut wie keine Parkmöglichkeiten für Wohnmobile, so klein sie auch sein mögen. Wir beschließen, zum ersten Mal bei Wal-Mart zu übernachten. Die große Supermarktkette bietet Campern in ganz Nordamerika die Möglichkeit, kostenlos auf deren Parkplätzen zu nächtigen. Sie erhoffen sich im Gegenzug, dass man dort einkauft – was meist zutrifft. Sollte das nächtliche Parken an einem Markt nicht erwünscht oder erlaubt sein, wird im Regelfall per Schild darauf hingewiesen. Kein Zeichen weist uns beim 24-Stunden-Supermarkt ab, so richten wir uns zwischen ein- und ausparkenden Autos und zwecks Wochenendeinkaufs hektisch wuselnden Menschen gemütlich ein. Die Ruhe währt nicht lange. Zwar waren auch die Menschen in Québec freundlich, offen und neugierig und bewunderten unseren Truck, aber wir wurden seltener angesprochen. Was an sprachlichen Unsicherheiten liegen mag, schließlich geht man nicht automatisch davon aus, dass Reisende in einem deutschen Fahrzeug französisch sprechen, aber auch an der etwas zurückhaltenderen frankokanadischen Mentalität. Auf dem Parkplatz vor einem Einkaufszentrum Ottawas dagegen sind wir die Attraktion. Dutzende Leute sprechen uns an. Arminius ist eine Art Kommunikationsverstärker. Bis Dan und Myra beschließen, uns zu adoptieren und nach Hause zu nehmen. Also tschüs Wal-Mart, wir fahren dann doch lieber in die Vorstadt auf das Gartengrundstück, zu Tochter Megan, dem energetischen Boxerteenager Daisy, Kater Sylvester sowie einer weitere Katze die ich nicht kennengelernt habe, zu Pasta, Bier und Lagerfeuer. Welch hartes Leben.

Montréal, Québec – Kulturschock

Freitag, Juni 4th, 2010

Heute ist Premierentag: Wir schwitzen zum ersten Mal. Zwar zeigt das Thermometer nur 25° an, aber die zwischen den Häusern gespeicherte Wärme einer Stadt fühlt sich anders an. Auf dem Weg nach Montréal stehen wir zum ersten Mal im Stau. Der Freitagsverkehr ist hier genau so dicht wie in jeder anderen Großstadt. Lissys Französisch hakt zwar gewaltig, aber heute sind wir für ihre Anwesenheit besonders dankbar. Ein schier unüberschaubares Netz von Autobahnen, Kreuzen, Ein- und Ausfahrten überzieht die Inseln im St.-Lorenz-Strom. Mit Satellitennavigation ist es schlicht einfacher. Und Arminius fährt zum ersten Mal durch eine Millionenstadt. 1,6 Millionen sollen es alleine im Stadtgebiet sein. Da auch hier Parken für Wohnmobile kaum möglich ist, steuern wir gezielt einen Parkplatz an der Marina am Vieux Port, dem alten Hafen, an. Dort dürfen wir gegen Gebühr bis zum nächsten Morgen um 6 Uhr bleiben, sind dafür mitten in der Stadt und können alles zu Fuß erkunden ohne öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Dass sich der Platz nach der letzten Vorstellung des benachbarten Cirque du Soleil, der weltberühmten Artistikshow, nur halb leert und wir anschließend bis in die frühen Morgenstunden kostenlos von Discomusik und mit lautem Radio abfahrenden Autos beschallt werden, können wir natürlich noch nicht wissen.

Der 350 Jahre alte Gründungsdistrikt Vieux Port und Vieux Montréal war früher von einer Stadtmauer umgeben, die allerdings der Expansion weichen musste. Das im letzten Jahrhundert restaurierte Viertel besitzt historischen Charme. Unzählige Restaurants, Galerien, Maler, Antiquitäten-, Kunst- und Teppichgeschäfte haben sich hier angesiedelt. Noch hält sich die Anzahl der flanierenden Touristen in Grenzen, aber ab dem nächsten Monat soll sich das ändern. Wir wandeln durch Downtown und Quartier Latin. In China Town, das im frankophonen Sprachraum Quartier Chinois heißt, kaufen wir in einem chinesischen Supermarkt für Kanada unglaublich günstiges Gemüse. Eine Gurke kostet einen statt drei Dollar, das Pfund Tomaten 69 Cent, sonst bis zu vier Dollar, ein Pfund frische Nudeln 1,50. In den kaum mehr als einen halben Meter breiten Gängen drängeln sich die Leute ungeniert mit ihren Einkaufskörben zwischen Tofu und Tütensuppen, dazwischen sitzt eine asiatische Verkäuferin mit eingezogenen Beinen am Fußboden und räumt Regale ein.

Eine Besonderheit Montréals ist die U-Bahn. Zwar haben die meisten Städte ein paar Kioske und Läden in den Gängen. Montréal aber hat über 150 Eingänge in ein 30 km langes unterirdisches Geflecht aus Plätzen, Straßen und Kreuzungen mit 1800 Geschäften, 200 Restaurants, Anbindung an Theater, Kinos, Hotels, die Universität, eine Kirche, Shopping Malls und etliche Bürotürme. Hunderttausende Pendler müssen – vor allem im kalten Winter – keinen Schritt nach draußen gehen sondern wuseln wie Ameisen den ganzen Tag im Untergrund herum.

Montréal ist schön, Montréal ist interessant. Für uns ist der krasse Unterschied zwischen rauer Wildnis in Labrador, Schotterpisten, auf denen man fünf Stunden lang niemanden begegnet einerseits und zehntausenden Autos auf der Straße und Frauen, die unwesentlich mehr als nichts am Leib auf plateauhohen Schuhen umher balancieren andererseits nicht ganz einfach zu verarbeiten. Wir Europäer sind, was Städte anbelangt, sehr verwöhnt. Mélie und Mike haben Montréal je in nur einem Satz beschrieben. Mélie meinte, Motréal ist phantastisch. Mike sagte, naja, es ist halt eine Stadt. Die beiden haben es auf den Punkt gebracht.

Québec City, Québec – Ein Stück Frankreich in Amerika

Donnerstag, Juni 3rd, 2010

Québec City ist nicht nur die älteste Stadt des Kontinents, sondern mit Festung, intakter Stadtmauer und Altstadt auch die einzige nach europäischen Vorbild befestigte Stadt. Gegründet 1608 konnte sich die damalige Hauptstadt Neufrankreichs und heute der Provinz Québec bis weit ins 18. Jahrhundert erfolgreich verteidigen; nicht zuletzt dank ihrer hervorragenden strategischen Lage auf einer Anhöhe über einer Stromenge. Das indianische Wort Kebec bedeutet „wo der Fluss sich verengt“. Erst 1759 fiel die Stadt an die Engländer, die den Einwohnern allerdings schon 1774 weitgehende Zugeständnisse bezüglich Religionsfreiheit und Muttersprache einräumten. Québec blieb seitdem durch und durch französisch. Noch heute droht von jedem Autokennzeichen der Provinz der Slogan „Je me souviens“ – „Ich erinnere mich“.

Die Fähre setzt uns am späten Vormittag, als die heftigen Regengüsse abgeklungen sind, von Lévis nach Québec über. In die Oberstadt gelangt man entweder mit dem Funiculaire, einer Art kostenpflichtigem Fahrstuhl oder – gesünder – über steile Straßen und Treppen. Die komplett erhaltene Altstadt aus dem 17. und 18. Jahrhundert ist absolut sehenswert. Phantasievoll geschmückte Restaurants, Bistros, Boutiquen und Läden drängen sich in engen Gassen aneinander. Das gepflegte historische Ambiente begeistert selbst die diesbezüglich verwöhnten Europäer. Natürlich gibt es nichts Billiges hier. In einer Boutique zum Beispiel kann sich die trendbewusste Dame ein Paar modische Gummistiefel in olivgrün für schlappe 155 Dollar kaufen – zuzüglich Steuer, versteht sich. Da sind mir die zwei Barren Streusel gedeckten Apfelkuchens aus der französischen Patisserie lieber.

Beim CAA in Halifax, dem kanadischen ADAC, hatte ich kostenlos Landkarten für sämtliche Provinzen Kanadas erhalten – außer für Québec. Ich starte einen neuen Versuch in der Touristeninformation Québec Citys. Dort drückt man mir einen DIN A 4 großen Lappen in die Hand mit dem Tipp, um die Ecke könnte man für ein paar Dollar richtige Karten kaufen. Dafür kann ich Stadtpläne und -führer für sämtliche Städte dieser Provinz erhalten. Immerhin, nächstes Ziel ist Montreal.

Die heutige Nacht verbringen wir im Schutz der heiligen Kirche. Hinter dem Heiligtum „Notre-Dame de la Paix“ von St. Thomas befindet sich ein kleines, unbenutztes Grundstück, das unser heutiger Schlafplatz werden möchte.

Le Bic, Québec – Panische Eiderküken und ein Fünf-Sterne-Kuhstall

Mittwoch, Juni 2nd, 2010

Der St.-Lorenz-Strom gilt weltweit als einer der besten Walbeobachtungsspots. Klares Wasser aus den großen Seen im Grenzgebiet von Kanada und den USA sammelt sich im St.-Lorenz-Strom, mündet im St.-Lorenz-Golf und schließlich in den Atlantik. Am Unterlauf der Mündung sinkt die Wassertiefe schlagartig von 340 auf unter 40 Meter. Nährstoffreiches Wasser wird an die Oberfläche gepresst und gibt Plankton und damit vielen anderen Meeresbewohnern Nahrung bis weit in den Atlantik hinein.

Der Parc National du Bic ist ein Naturschutzgebiet direkt am St.-Lorenz-Strom mit etlichen Buchten, Felsen, Inseln und Salzmarschen. Wir haben Glück und können Seehunde und die scheuen Eiderenten beobachten. Wie in der Vogelwelt üblich, sind nur die Männchen prächtig gefärbt in weiß, schwarz und gelb. Eine dicht gedrängte Gruppe von 14 neutralfarbenen Entenmüttern und einer nicht näher zu bestimmenden Anzahl winziger panisch paddelnder Küken flüchtet vor uns. Bei einem Blick ins Fernglas entdeckt Jörg sogar ein paar Wale. Bei Ebbe sind wir zur Tierbeobachtung weit in die Bucht hineingewandert. Das rächt sich, als es plötzlich stark zu regnen beginnt und wir den weiten Weg zurücklaufen müssen. Nach wenigen Minuten schlackern uns die durchnässten Hosenbeine um die Waden, wenigstens die wasserdichte Jacke hält trocken. Jeans sind zum Wandern ein denkbar dummes Bekleidungsstück. In einer Region mit schnellen Wetterwechseln empfiehlt sich das Tragen wasserabweisender Wanderhosen. Es ist ja nicht so dass wir keine hätten. Wir lernen – fürs nächste Mal. Zwei Stunden später steigt die Temperatur genau so rasant von 12 auf 22°.

Die Gegend am St.-Lorenz-Strom stellt sich ausgesprochen attraktiv dar. Grüne Weiden und Laubhölzer auf der Südseite, die Berge der Laurentiden am Nordufer und hohe Baum bestandene Inseln in der Mündung. Ein Dorf reiht sich ans andere, die Häuser sind entzückend. Neben den in Nordamerika üblichen Holzhäusern wird hier viel mit Stein gebaut. Fast immer sind die Gebäude mit Giebeln, Vorbauten, Balkonen oder Terrassen geschmückt. Souvenirshops, Boutiquen, kleine spezialisierte Lebensmittelhandel oder Kunstgewerbeläden sind oft ausgesprochen liebevoll verziert, sodass schon auf weite Entfernung klar wird, was hier and den Mann oder die Frau gebracht werden soll. Manchmal steht sogar das farblich passende Auto vor einem bunten Haus: beige zu beige, blau zu blau, rot zu rot. Wenn das nicht französische Eleganz ist. Überhaupt unterscheiden sich die Fahrzeuge stark vom Rest Kanadas. Anstelle der sonst beliebten Pick-up Trucks und Geländewagen sieht man hier hauptsächlich Limousinen und Kleinwagen. Auffällig ist, neben den üblichen japanischen Marken, die Dichte deutscher Pkw aller Klassen, je nach Geldbeutel. Selbst Sportwagen sind ein echter Verkaufsschlager. Französische Fahrzeuge fehlen dagegen völlig. Woran das wohl liegen mag? Über alldem jedoch wacht die katholische Kirche. Das kleinste Dorf noch wird überragt von einer unverhältnismäßig großen Kirche, deren silber-graues Dach weit in die Umgebung mahnt.

Das wohl ungewöhnlichste Gebäude ist ein 5-Sterne-Kuhstall. Das großzügige Gebäude steht auf einem kleinen Berg am St.-Lorenz-Strom. Damit die Kühe die Aussicht entsprechend genießen können, ist der Bau deckenhoch verglast. Die wunderschönen schwarz-weißen Rinder stehen wie hinter einem Schaufenster. Bei dem Luxus wundert es nicht, dass der Liter Milch stellenweise fast vier Dollar kostet.

Aber natürlich gibt es auch das andere Québec. Hier wird weniger amerikanisch-freundlich gelächelt, dafür mehr europäisch gedrängelt. Beim Autofahren hält man sich weniger penibel an die Vorschriften. Andere Reisende berichten nicht vorbehaltlos positiv über diese Provinz. Wir erreichen um zehn nach fünf die Touristeninformation. Die beiden Mitarbeiterinnen stehen gerade vor der Türe und informieren mich, dass bereits geschlossen ist. So weit so gut. Sie fragen mich trotzdem, was ich will. Als ich ihnen erkläre, dass ich nur eine Landkarte von Québec möchte, zucken sie mit den Achseln und begeben sich zurück in ihr Büro. Tja, es ist eben schon geschlossen, sagen sie im Gehen. Was fragen sie dann erst?

Entgegenkommende Reisende sowie der Reiseführer haben uns informiert, dass Québec City Wohnmobilen das Parken nicht erlaubt. Wir haben uns bei Mélies Eltern kundig gemacht und beschlossen, auf der anderen Flussseite in Lévis stehen zu bleiben. Auch die wollen keine Wohnmobile, aber direkt neben dem Fähranleger gibt es einen 24-Stunden-Parkplatz auch für Camper. Der kostet zwar Geld, dafür können wir bis zum nächsten Abend bleiben. Der Postkartenausblick auf die Altstadt von Québec ist im Preis inbegriffen. Morgen wollen wir ohne Auto mit der Fähre nach Québec City übersetzen.

Le Bic, Québec – Panische Eiderküken und ein Fünf-Sterne-Kuhstall

Mittwoch, Juni 2nd, 2010

Der St.-Lorenz-Strom gilt weltweit als einer der besten Walbeobachtungsspots. Klares Wasser aus den großen Seen im Grenzgebiet von Kanada und den USA sammelt sich im St.-Lorenz-Strom, mündet im St.-Lorenz-Golf und schließlich in den Atlantik. Am Unterlauf der Mündung sinkt die Wassertiefe schlagartig von 340 auf unter 40 Meter. Nährstoffreiches Wasser wird an die Oberfläche gepresst und gibt Plankton und damit vielen anderen Meeresbewohnern Nahrung bis weit in den Atlantik hinein.

Der Parc National du Bic ist ein Naturschutzgebiet direkt am St.-Lorenz-Strom mit etlichen Buchten, Felsen, Inseln und Salzmarschen. Wir haben Glück und können Seehunde und die scheuen Eiderenten beobachten. Wie in der Vogelwelt üblich, sind nur die Männchen prächtig gefärbt in weiß, schwarz und gelb. Eine dicht gedrängte Gruppe von 14 neutralfarbenen Entenmüttern und einer nicht näher zu bestimmenden Anzahl winziger panisch paddelnder Küken flüchtet vor uns. Bei einem Blick ins Fernglas entdeckt Jörg sogar ein paar Wale. Bei Ebbe sind wir zur Tierbeobachtung weit in die Bucht hineingewandert. Das rächt sich, als es plötzlich stark zu regnen beginnt und wir den weiten Weg zurücklaufen müssen. Nach wenigen Minuten schlackern uns die durchnässten Hosenbeine um die Waden, wenigstens die wasserdichte Jacke hält trocken. Jeans sind zum Wandern ein denkbar dummes Bekleidungsstück. In einer Region mit schnellen Wetterwechseln empfiehlt sich das Tragen wasserabweisender Wanderhosen. Es ist ja nicht so dass wir keine hätten. Wir lernen – fürs nächste Mal. Zwei Stunden später steigt die Temperatur genau so rasant von 12 auf 22°.

Die Gegend am St.-Lorenz-Strom stellt sich ausgesprochen attraktiv dar. Grüne Weiden und Laubhölzer auf der Südseite, die Berge der Laurentiden am Nordufer und hohe Baum bestandene Inseln in der Mündung. Ein Dorf reiht sich ans andere, die Häuser sind entzückend. Neben den in Nordamerika üblichen Holzhäusern wird hier viel mit Stein gebaut. Fast immer sind die Gebäude mit Giebeln, Vorbauten, Balkonen oder Terrassen geschmückt. Souvenirshops, Boutiquen, kleine spezialisierte Lebensmittelhandel oder Kunstgewerbeläden sind oft ausgesprochen liebevoll verziert, sodass schon auf weite Entfernung klar wird, was hier and den Mann oder die Frau gebracht werden soll. Manchmal steht sogar das farblich passende Auto vor einem bunten Haus: beige zu beige, blau zu blau, rot zu rot. Wenn das nicht französische Eleganz ist. Überhaupt unterscheiden sich die Fahrzeuge stark vom Rest Kanadas. Anstelle der sonst beliebten Pick-up Trucks und Geländewagen sieht man hier hauptsächlich Limousinen und Kleinwagen. Auffällig ist, neben den üblichen japanischen Marken, die Dichte deutscher Pkw aller Klassen, je nach Geldbeutel. Selbst Sportwagen sind ein echter Verkaufsschlager. Französische Fahrzeuge fehlen dagegen völlig. Woran das wohl liegen mag? Über alldem jedoch wacht die katholische Kirche. Das kleinste Dorf noch wird überragt von einer unverhältnismäßig großen Kirche, deren silber-graues Dach weit in die Umgebung mahnt.

Das wohl ungewöhnlichste Gebäude ist ein 5-Sterne-Kuhstall. Das großzügige Gebäude steht auf einem kleinen Berg am St.-Lorenz-Strom. Damit die Kühe die Aussicht entsprechend genießen können, ist der Bau deckenhoch verglast. Die wunderschönen schwarz-weißen Rinder stehen wie hinter einem Schaufenster. Bei dem Luxus wundert es nicht, dass der Liter Milch stellenweise fast vier Dollar kostet.

Aber natürlich gibt es auch das andere Québec. Hier wird weniger amerikanisch-freundlich gelächelt, dafür mehr europäisch gedrängelt. Beim Autofahren hält man sich weniger penibel an die Vorschriften. Andere Reisende berichten nicht vorbehaltlos positiv über diese Provinz. Wir erreichen um zehn nach fünf die Touristeninformation. Die beiden Mitarbeiterinnen stehen gerade vor der Türe und informieren mich, dass bereits geschlossen ist. So weit so gut. Sie fragen mich trotzdem, was ich will. Als ich ihnen erkläre, dass ich nur eine Landkarte von Québec möchte, zucken sie mit den Achseln und begeben sich zurück in ihr Büro. Tja, es ist eben schon geschlossen, sagen sie im Gehen. Was fragen sie dann erst?

Entgegenkommende Reisende sowie der Reiseführer haben uns informiert, dass Québec City Wohnmobilen das Parken nicht erlaubt. Wir haben uns bei Mélies Eltern kundig gemacht und beschlossen, auf der anderen Flussseite in Lévis stehen zu bleiben. Auch die wollen keine Wohnmobile, aber direkt neben dem Fähranleger gibt es einen 24-Stunden-Parkplatz auch für Camper. Der kostet zwar Geld, dafür können wir bis zum nächsten Abend bleiben. Der Postkartenausblick auf die Altstadt von Québec ist im Preis inbegriffen. Morgen wollen wir ohne Auto mit der Fähre nach Québec City übersetzen.

Amqui, Québec – Umbau für Arminius

Dienstag, Juni 1st, 2010

Arminius hat sein Aussehen geringfügig verändert. Auf dem Dach stehen nur noch zwei Aluboxen, eine dritte befindet sich jetzt am Heck über dem Reserverad auf einem eigens angefertigten Träger. Mike kann schweißen, er hat ein Schweißgerät, und so bauen er und Jörg eine neue Heck-Kistenhalterung. Die vierte Aluminiumbox samt Inhalt lassen wir zurück, manchmal muss man sich eben von Dingen trennen. Uns war von Beginn an klar gewesen, dass die Dachlast – trotz nur leicht bepackter Kisten – insgesamt vermutlich zu hoch sein würde. Aber wir mussten es selbst erst off-road ausprobieren, um überzeugt zu sein. Zum Glück haben Mike und Mélie uns gefunden (über ein Internetnetzwerk hatte er auf der Suche nach Informationen über Unimogs von Ian aus Dartmouth unsere E-Mailadresse erhalten), und wir konnten ein Problem lösen, drei Tage lecker Essen, Wein und Bier genießen, Schweißen, Kinderswimmingpools aufblasen, Katze rein und raus lassen und was man eben sonst so macht.

Am Abend machen wir uns wieder auf den Weg. Viele dieser kleinen Supermärkte mit Tankstelle haben ein nettes Grundstück im Hintergrund. So fahren wir auch heute Nacht die Tankstellen-Nummer, fragen nett, tanken dafür und dürfen kostenlos parken.

Amqui, Québec – Grüße nach Töttelstädt

Montag, Mai 31st, 2010

Wie mir mitgeteilt wurde, möchte die Gemeinde Töttelstädt auf sich aufmerksam machen. Sie hätten ebenfalls jede Menge Leser und begeisterte „Mitreisende“. Liebe Töttelstädter und Anhänger der berühmten dortigen Wurstwaren: Man sieht und hört und liest ja nichts von Euch. Wir grüßen Euch herzlich aus Kanada, aber wo seid ihr alle? Lasst mal was von Euch lesen!

Amqui, Québec – Wir sind Hausbesetzer

Sonntag, Mai 30th, 2010

Mitten im Niemandsland von Québec stehen wir vor einem wildfremden Haus, das wildfremden Menschen gehört, ich sitze an deren Esszimmertisch, schreibe diesen Blog und hüte die Katze, die pausenlos rein und wieder raus möchte, wie Katzen eben so sind. Reisen ist schon interessant und noch interessanter ist es, Menschen kennen zu lernen. Endlich trudeln auch Mike und Mélie, die beiden Kinder und die Großeltern ein. Damit wir endlich wissen, wessen Haus wir sein eineinhalb Tagen besetzen.

Erleichtert stellen wir fest, dass alle, einschließlich der Kinder, französisch und englisch sprechen, was die Kommunikation erleichtert. Das ist nicht selbstverständlich hier. In ländlichen Regionen wird ausschließlich französisch gesprochen. Man könnte sich fragen, warum der Ehrgeiz Englisch zu lernen nicht überall gleich hoch ist, um mit dem Rest des Landes, der größtenteils englischsprachig ist, kommunizieren zu können. Antwort: Es ist einfach nicht nötig. Vielleicht sollte man sich die Größe des Landes vergegenwärtigen: Québec ist die größte Provinz Kanadas und fast so groß wie Europa. Ist das nicht Grund genug?

 

Amqui, Québec – Bonjour Québec

Samstag, Mai 29th, 2010

Eine witzige und praktische Einrichtung in Kanada sind sogenannte Yard Sales oder Garage Sales. Das ist sozusagen ein Flohmarkt, der auf dem eigenen Grundstück abgehalten wird. Ob Kinderspielzeug, Elektrogeräte, Möbel oder Kleidung, alles gibt es zu günstigen Preisen. Mit Plakaten wird Werbung gemacht, und wer etwas braucht fährt einfach vorbei. In Zeiten von Ebay und anderen Internetauktionen eine charmante Alternative.

Auf einer Brücke queren wir die Chaleur Bucht, schon sind wir in Québec. Die einzige offiziell französischsprachige Provinz Kanadas ignoriert weitgehend die im Parlament gemeinsam beschlossene Zweisprachigkeit. Sämtliche Beschriftungen und Beschilderungen erfolgen ausschließlich einsprachig. Also Schulfranzösisch raus gekramt, Wörterbuch bereit gelegt und los geht’s.

Am Nachmittag erreichen wir Amqui. Alles ist wie beschrieben. Wir finden das Haus und den Unimog, wir finden den Schlüssel und sogar die Katze.

Benjamin River, New Brunswick – Farnsprossen auf ungeplanten Pfaden

Freitag, Mai 28th, 2010

Eigentlich sollten wir unterwegs sein nach Québec City. Und eigentlich wollten wir die Gaspé Halbinsel aus Zeitgründen auslassen. Das Wort eigentlich sagt schon, dass mal wieder alles anders gekommen ist. Stattdessen stehen wir hier an einem wunderschönen einsamen Strand in Neubraunschweig, kochen uns Fiddlehead Ferns und Elchsteaks, beobachten Vögel mit dem Fernglas und trinken Bier am Lagerfeuer. Das kam so:

Gestern am späten Abend nach dem Essen, als der Tagesplan für heute schon feststand, trudelte eine E-Mail ein. Mike und Mélie von der Gaspé Penninsula in Québec waren auf unsere Website gestoßen. Sie hatten vor ein paar Jahren mit dem Motorrad selbst eine Weltreise unternommen und sind jetzt stolze Besitzer eines Unimog, den sie sich gerade zum Camper umbauen. Sie luden uns zu sich nach Hause ein. Als wir später zusammen telefonierten stellte sich heraus, dass sie erst am Sonntagabend wieder zu Hause sein werden. Wir wollen sie trotzdem besuchen um Erfahrungen auszutauschen. Sie hinterlegen uns einfach den Hausschlüssel.

Da wir keine Eile haben, sind wir nochmals ans Meer gefahren, von dem wir uns im Fundy Nationalpark eigentlich schon für die nächsten Monate verabschiedet hatten.

Viele Einwohner Kanadas haben ihre eigenen Rezepte aus ihrer Heimat mitgebracht. Daher findet man, je nach Gegend, viele Spezialitäten aus der französischen, irischen oder zum Beispiel auch ukrainischen Küche. Eine Besonderheit der Atlantikprovinzen sind jedoch Fiddlehead Ferns. Das sind die jungen Sprossen einer bestimmten, ungiftigen Farnart, die im Frühjahr nur während eines bestimmten Zeitraums geerntet werden können. Die noch schneckenartig zusammen gerollten Sprosse sehen aus wie der Kopf einer Geige oder Fiedel, daher der Name. Sie werden gekocht oder gedünstet und als Gemüse oder im Salat serviert, ähnlich wie grüner Spargel. Vom Geschmack ähneln sie grünen Bohnen und sind nicht nur optisch sehr ansprechend, sondern geschmacklich eine echte Bereicherung.

Moncton, New Brunswick – Wo Autos bergauf rollen

Donnerstag, Mai 27th, 2010

Am Magnetic Hill in Moncton rollen Fahrzeuge angeblich rückwärts bergauf. Man fährt einen Hügel zunächst bergab. Am Ende bleibt man stehen und legt den Leerlauf ein. Das Auto beginnt zu rollen, und zwar rückwärts und scheinbar bergauf. Ein Blick in den Spiegel suggeriert, dass einem der Bach neben der Straße entgegen fließt. Da vieles nicht so ist wie es scheint, hat auch der Magnetic Hill keine geheimen magnetischen Kräfte. Wer es selbst ausprobieren möchte, zahlt ziemlich sonnlose fünf Dollar dafür. Den Gag war es trotzdem wert. Der ganze Kommerz drum herum mit Zoo, Souvenirshop und einer importierten überdachten Brücke macht es allerdings nicht besser.

Der Petitcodiac River in Moncton mündet in die Bay of Fundy, das Meerbecken mit dem höchsten Tidenhub der Welt, das wir schon auf der neuschottischen Seite besucht hatten. 100 Billionen Tonnen Wasser werden zwei Mal täglich in die Bucht hinein gedrückt. Obwohl etwa 50 km in Landesinneren gelegen, beträgt der Tidenhub hier noch sechs Meter. Alle 12 Stunden rollt die Flutwelle das schlammbraune Flussbett hoch und füllt es innerhalb einer Stunde. Wir sind hier, als das Wasser bereits da ist. Auf die nächste Flutwelle zu warten lohnt dann aber doch nicht.

Genau zum richtigen Zeitpunkt kommen wir an den Hopewell Rocks oder Flowerpot Rocks in Hopewell Cape an. An der Mündung des Petitcodiac Flusses in die Fundy-Bucht hat sich der Gezeitenstrom tief in eine Bucht hineingefressen und dunkelrote pilzförmige Felsen hinterlassen. Die an der Oberseite mit Bäumen und Sträuchern bewachsenen Steine ragen bei Flut wie Blumentöpfe aus dem Wasser. Bei Ebbe gelangt man über eine Treppe in die Bucht und kann zwischen den überdimensionalen Blumentöpfen herumlaufen. Wir fotografieren bei Flut und bei Ebbe. Der Tidenhub am heutigen Tag beträgt 12 Meter – ein wirklich spektakuläres Ereignis!

Immer wieder ein Anlass zum Nachdenken ist für mich die Bekleidung von Touristen. Mir fällt eine junge, durchaus nicht unterernährte Frau in hautengen Leggins mit einer riesigen Sonnenbrille auf, die ihr halbes Gesicht bis zur Oberlippe bedeckt. Was beides völlig in Ordnung geht. Nachdenklich stimmen mich die Glitzerschlappen, mit denen sie durch den Schlamm watet. Die Parkverwaltung weist ausdrücklich auf das Tragen geeigneten Schuhwerks wie Wander- oder Turnschuhen hin. Noch mehr zu denken gibt mir die gigantische Handtasche, die sie am Arm mit sich rum trägt. Die ist so groß, dass man darin ein halbes Schwein unterbringen oder auch seinen deutschen Schäferhund Gassi tragen könnte. Was zum Teufel macht sie mit der unförmigen Tasche beim Wandern? Schade, ich muss mich damit abfinden: Ich werde es wohl nie erfahren.

Auf dem Parkplatz trinken wir einen Kaffee mit Edith und Franz aus Bayern. Die beiden überführen ein Wohnmobil in vier Wochen von Vancouver nach Halifax. Nur eine halbe Stunde später halten wir auf einem Parkplatz an, weil ein ungewöhnlicher Mercedes Truck unsere Aufmerksamkeit erregt. Noch ein deutsches Pärchen, das mit einem individuell gefertigten Wohnmobil durch Kanada tourt. Drei, vier Monate sollen es werden. Richtung Westen ist die gleiche wie unsere, vielleicht trifft man sich unterwegs wieder.

Am Abend durchqueren wir den landschaftlich reizvollen Fundy National Park, eines der 531 Biosphären-Reservate der UNESCO. Hinter einem kleinen Supermarkt mit Tankstelle befindet sich ein schöner Stellplatz unter Bäumen. Ob wir wohl über Nacht hier bleiben dürfen? Natürlich, und die Picknickbank können wir auch benutzen.

Charlottetown, Prince Edward Island – Die perfekte Touristeninsel

Mittwoch, Mai 26th, 2010

The Bottle Houses sind eine Kuriosität bei Cap Egmont. In den 80er Jahren hatte Edouard Arsenault während vier Jahren bis zu seinem Tod zehntausende Flaschen gesammelt und kleine begehbare Gebäude daraus gebaut, indem er die Gläser in Zement einbettete. So gibt es ein sechsgiebliges Haus aus 12.000 Flaschen, eine Kapelle aus 10.000 und sogar eine Taverne. Seine Tochter legte drum herum einen äußerst gepflegten Garten an, der an sich schon sehenswert ist.

Die Insel unterscheidet sich stark von den Landschaften, die wir bisher besucht haben. Auf flachen Hügeln thronen große Gehöfte, umgeben von riesigen roten, ordentlichen Kartoffenäckern. Kühe mit glänzendem Fell grasen auf hektargroßen Wiesen. Prince Edward Island tituliert sich selbst als „Die freundliche Insel“. Das trifft es wohl ziemlich genau. Die Insel ist nett, die Hügels sanft, die Küsten flach und die Steilwände verhalten. Mehr gibt es denn aber auch nicht. Der Nationalpark an der Nordküste wartet mit roten und gelben Sandständen auf, Sanddünen wir auf Sylt, Wiesen und, soweit man das für den Nordatlantik überhaupt sagen kann, relativ warmem Wasser. Die Infrastruktur außerhalb des Parks ist entsprechend auf den starken sommerlichen Badetourismus ausgerichtet. Cottages an Campingplatz, Imbiss an Restaurant, Minigolf- an Golfplatz, und dazwischen jede Menge eigenwilliger Vergnügungsparks mit quietschbunten verschlungenen Wasserrutschen, Achterbahnen und einem hölzernen Space Shuttle. Für Eltern mit Kindern willkommene Einrichtungen. Naturliebhaber wie wir sind eher erleichtert, dass die Hauptsaison noch nicht begonnen hat.

Über die Hauptstadt Charlottetown und die Confederation Bridge verlassen wir zügig P.E.I. Den Brückenzoll in Höhe von c$ 42,50 für zwei Achsen zahlt man einmalig beim Verlassen der Insel.

New Brunswick ist erst einmal nicht ausgesprochen spektakulär. Die Ostküste erinnert an P.E.I., die Südküste an Nova Scotia. Es gibt endlose Wälder, Sümpfe und Moore. Was aber sofort auffällt sind die herrschaftlichen Villen mit mindestens drei, vier neuen großen Autos davor, sieben oder acht sind keine Seltenheit. Vielleicht haben die ja gerade Besuch. Ist die Hummerfischerei an der Küste so einträglich?

Die Straßenbeläge sämtlicher Nebenstraßen sind Zeugen jugendlichen Übermuts und Wohlstands. Der Asphalt ist übersät mit Reifenspuren von Schlangenlinien und im Kreis fahrenden Pkw. Und das in einem Ausmaß, dass man nachts lieber nicht auf diesen Straßen unterwegs sein möchte. Vier mit Bierbüchsen bestückte Jugendliche flüchten fix in ihr Auto, als sie uns kommen sehen. Mit so einem Auto könnte es ja das Militär sein.

Wellington, PEI – Grüße nach Osterhausen und in die Welt

Dienstag, Mai 25th, 2010

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an einem Tag, an dem bei wieder mal strömendem Regen außer den notwendigen Haushaltstätigkeiten, Einkaufen,  Reden und Essen nicht viel passiert, alle unsere treuen Leser ganz herzlich zu grüßen. Besondere Grüße gehen dabei an die Gemeinden Osterhausen, Sittichenbach und Kleinosterhausen, wo wir die treueste Leserschaft zu haben scheinen. Bleibt bei uns und lasst auch immer mal wieder im Gästebuch von euch hören, damit wir uns nicht so alleine fühlen in der großen weiten Welt. Danke!

L’Ardoise, Cape Breton Island –Drei Provinzen an einem Tag

Montag, Mai 24th, 2010

Nach einem Frühstück – natürlich mit Blaubeerkuchen – geht es weiter in Richtung Prince Edward Island. Heute ist Victoria Day. Der wird immer am vorletzten Montag im Mai abgehalten und fällt nur zufällig mit Pfingstmontag zusammen, der hier kein Feiertag ist. Victoria Day läutet gleichzeitig den Sommer ein. Das Wetter weiß das und benimmt sich entsprechend. Bei 28° strahlt die Sonne vom pastellblauen Himmel, dass es das Herz der früheren britischen Königin sicher erfreut hätte.

Innerhalb von Tagen hat sich die Welt für uns komplett verändert. Vom verschneiten Labrador über das stürmische Neufundland bis ins sommerliche Nova Scotia, wo wir mittlerweile angekommen sind. Die Natur gibt jetzt richtig Gas, denn die Saison ist kurz. Alle Bäume haben Blätter ausgetrieben, Obstgehölze und Flieder blühen, und auf den Privatgrundstücken prangt perfekter Golfrasen.

An der Tankstelle kostet der Diesel heute erstmals unter 1 Dollar. Bislang hatte wir zwischen 1,02 und 1,28 c$ bezahlt.

Ein kleiner Abstecher führt uns zur Jost Winery in Malagash an der Tatamagouche Bay. Jost war aus dem Rheinland nach Kanada ausgewandert. Heute ist er der größte und meistprämierte Winzer Neuschottlands. Nach einer Probe nehmen wir bedauernd nur ein paar Flaschen mit – leider haben wir nur wenig Platz für den vanilligen Weißen und den beerigen Roten.

Wir verlassen Nova Scotia und fahren über New Brunswick nach Prince Edward Island (PEI). Die Confederation Bridge verbindet PEI erst seit 1997 mit dem Festland. Mit 13 km ist sie eine der längsten Brücken der Welt. Dafür ist PEI mit 224 km Länge und sechs bis 64 km Breite die kleinste kanadische Provinz. Die Bevölkerung lebt hauptsächlich von Landwirtschaft, insbesondere Viehzucht und dem Anbau von Kartoffeln, sowie von Tourismus im Sommer. Berühmt ist die Insel für ihren Hummer, Austern und Muscheln.

In Wellington besuchen wir Natalie, die als Projektmanagerin der dortigen Katimavik-Gruppe tätig ist. Sie hatte vor ein paar Jahren in Ägypten als Tauchlehrerin für uns gearbeitet. Ihre Gruppen wechseln gerade, so haben wir zwei Tage zusammen, in denen wir endlos viel über Katimavik, Prince Edward Island und Kanada lernen können.

Louisbourg, Cape Breton Island – Kalter Wind am Fort

Sonntag, Mai 23rd, 2010

Leider öffnet Fortress Louisbourg erst richtig Anfang Juni. So verpassen wir die eigentlichen Attraktionen der nationalhistorischen Gedenkstätte. In dem 1961 wieder aufgebauten französischen Fort wird während der Sommersaison das Leben im 18. Jahrhundert perfekt nachgebildet. Original kostümierte Offiziere und Soldaten, Bäcker und Schmiede, Hausfrauen und Kneipengänger gehen ihren originären Tätigkeiten nach und schrecken nicht davor zurück, „unfranzösische“ Besucher in Streitereien und vorgebliche Schlägereien zu verwickeln. Wir können nur einen Teil der restaurierten Gebäude besichtigen, aber selbst das lohnt den Ausflug.

1719 hatten die Franzosen auf Cape Breton begonnen, die befestigte Stadt Louisbourg aufzubauen. Mauern und Gebäude wurden äußerst massiv aus Stein erbaut, jedoch war die Lage zwischen den Hügeln des Umlands nicht optimal gewählt. In den Jahren 1745 und 1758 wurde das Fort von den Engländern belagert und beide Male problemlos eingenommen. Die Mauern zu schleifen und das massive Fort einzureißen dauerte jedoch fünf Monate.

Cape Breton Island hat reiche, bis unter den Atlantik reichende Kohlevorkommen. Der Niedergang der darauf aufgebauten Stahlindustrie war jedoch absehbar. So hatte die kanadische Regierung ein Drittel der komplett zerstörten Stadt mit enormem Aufwand wiederaufbauen lassen, um verloren gegangene Arbeitsplätze zu ersetzen – zunächst für die Rekonstruktion, später für die Arbeit im Tourismus. Der Plan scheint recht erfolgreich zu sein. Fortress Louisbourg gilt als eines der besten „lebenden Museen“ in Kanada und jährlich besuchen Hunderttausende die historische Stätte.

Die Dame am Parkplatz des Forts, die uns die ersten Einweisungen gibt, hat sich ganz unkanadisch eingewickelt: Fleeceweste, Winterjacke, Mütze und Handschuhe. Hier oben weht eine steife, eiskalte Brise. Das Thermometer gaukelt uns 25° im Schatten vor.

Ein paar Kilometer weiter in der geschützten Stadt veranstaltet die Feuerwehr zur Spendesammlung ein öffentliches Autowaschen. Für 5 c$ kann jeder seinen Wagen per Hand säubern lassen. Die junge selbstbewusste Chefin des Fire Departments, ihre Kolleginnen und Kollegen haben mit Sonnentops, Shorts und Sandalen den Sommer bereits eingeläutet.

Am Abend erreichen wir Pat und John, Freunde von Vivian und Wally aus Nova Scotia, die wir unbedingt besuchen sollten. Pat ist ebenfalls Künstlerin und John ein wundervoller Koch. Vor allem seinem Blaubeerkuchen kann wirklich niemand widerstehen.

Fähre Cape Breton Island, Nova Scotia – Explodierte Pizza in der Mikrowelle

Samstag, Mai 22nd, 2010

Auf der MV Atlantic Vision reisen wir zurück nach North Sidney auf die neuschottische Insel Cape Breton Island. Die Fähre auf der Hinfahrt hatte ihre besten Tage eindeutig bereits hinter sich. Die Atlantic Vision dagegen ist ein Motorschiff modernster Bauart, dessen farbenfrohes Interieur gute Laune weckt. Der Innenarchitekt muss sich erhebliche Mühe gegeben haben, für jeden Sessel einen andern Stoff und eine andere Farbe zu finden.

Beim Mittagessen hat man die Wahl, im Restaurant für viel Geld am Büffet viel essen zu können. Alternative ist ein Selbstbedienungskühlregal, wo man Sandwiches und andere Fertigprodukte erstehen und bei Bedarf in einer Mikrowelle erhitzen kann. Ich entscheide mich für ein Stück Pizza, das selbst nach zweimaliger Nutzung des empfohlenen Erhitzungsprogramms noch nicht den erwünschten Wärmegrad aufweist. Ungeduldig wähle ich eine höhere Leistungsstufe, übertreibe dabei vermutlich etwas. Im Garraum zerlegt sich der Gemüsekuchen begeistert in seine Einzelteile. Der freundliche Herr von der Kasse bietet sich sofort an, das Mikrowellengerät zu reinigen. Und ich dackle davon, um meine explodierte Pizza zu löffeln.

Auf Cape Breton Island landen wir in einer anderen Welt. Es hat 20°, die Tulpen blühen und hier fahren ganz normale Pkw statt höher gelegter vierradgetriebener Pick-ups auf Asphaltstraßen. Auf einmal gibt es wieder gewöhnliche Mülltonnen statt bärensicherer massiver Holzkonstruktionen.

Wir suchen eine kleine Schotterpiste, die Lissy nicht kennt. Dort hoffen wir einen Übernachtungsplatz zu finden. Wir halten kurz an um nach dem Weg zu fragen, schon stehen wir auf dem Grundstück des Sommerhauses von Leslie und John. Gemeinsam unternehmen wir einen Strandspaziergang und landen schließlich bei Nachbarn bei Chips und Bier. Leslie ist Romanschriftstellerin, diesen Sommer soll eines ihrer Bücher verfilmt werden. Die beiden haben sich von Montreal  nach Homeville zurückgezogen, da hier genug Ruhe zum Schreiben herrscht.

Für Neugierige ihre englischsprachige Website http://www.lesleycrewe.com und Blog: http://lesleycrewe.wordpress.com

Corner Brook, Neufundland – Die Stadt der Beinahe-Superlative

Freitag, Mai 21st, 2010

Heute ist Waschtag. Noch einmal sind wir zu Mathews Wäscherei in Corner Brook zurückgekehrt. Die zweitgrößte Stadt Neufundlands liegt an einem der größten Lachsflüsse der Erde.

Ich habe das Gefühl, die Kleidungsstücke werden nach jeder Trocknerbehandlung kleiner. Was den unbestreitbaren Vorteil hat, dass sich die Kleidung sozusagen automatisch an die geringeren Körpermaße anpasst, die sich dank der Gewichtsabnahme trotz genügender Nahrungszufuhr während einer solchen Reise einstellt. Wenigstens brauche ich mir keine neuen Klamotten zu kaufen. Wir verabschieden uns von Carmelita und John, Neufundlands bester und freundlichster Münzwäscherei, während in der Bucht von Corner Brook der riesige Schornstein einer der weltgrößten Papierfabriken qualmt. 

Auf dem Weg zum Fährhafen Channel-Port-aux-Basques warnt erneut ein Schild vor Unfällen mit Elchen. 660 sollen es im vergangenen Jahr gewesen sein. Die Elche waren vor rund 100 Jahren vom kanadischen Festland auf die Insel übergesiedelt worden, um den damals hungernden Neufundländern Nahrung zu verschaffen. Zumindest war die Maßnahme wirksam gewesen.

Neufundland muss man sich erarbeiten. Heute zeigt es sich zum Abschied gnädig: Die meist nebelverhangene und sturmverblasene Küste erstrahlt im Sonnenlicht vor blauem Himmel.

Zum Abendessen braten wir uns eine Packung Elchsteaks – unser herzlicher Dank geht nach Chateau Pond. Die Steaks sind zwar etwas knochig und die widerstandsfähigen Sehnen lassen sich nicht einmal mit dem Steakmesser durchtrennen, aber die großen Fleischbrocken dazwischen sind unerwartet butterzart. Das dunkle typische Wild schmeckt irgendwie zwischen Hirsch und Bär mit einem deutlichen Einschlag zu Lamm. Jedenfalls köstlich.

St. Barbe, Neufundland – Ein Elch setzt sich auf den Hintern

Donnerstag, Mai 20th, 2010

Bei ruhiger See fahren wir auf der Fähre in eineinhalb Stunden nach St. Barbe, Neufundland, zurück. War das Wasser in Labrador blau und von unglaublicher Klarheit, hat es auf Neufundland eine zutiefst dunkelgrüne und undurchsichtige Färbung. Wir legen mittags am Fähranleger an, als die ersten Regentropfen fallen, die sich kurz darauf zum gewohnten strömenden Regen akkumulieren.

Am linken Fahrbahnrand tauchen Elch Nummer 19 und 20 auf. Jörg bremst zum Glück schon ab, als einer der beiden beschließt, statt in den Wald quer über die Fahrbahn vor unser Auto zu laufen. Elche handeln weder vernünftig noch planbar. Ich hege größte Skepsis Tieren gegenüber, die einen verdächtig kleinen Kopf im Vergleich zur Gesamtkörpergröße besitzen. Das trifft auf viele Vogelarten zu, aber eben auch auf Elche. Natürlich haben wir gelernt, dass nicht die Hirnmasse entscheidet, sondern die Anzahl der Windungen – trotzdem. Elch 20 versucht, vor unserem Truck herzulaufen. Dabei hat er sich geringfügig überschätzt. Die nasse glitschige Straße tut ihr Übriges. Dem Huftier gleiten die Hinterläufe weg, er setzt sich auf seinen Allerwertesten und gleitet darauf elegant ein paar Meter die Straße entlang. Eigentlich ein Bild zum Quietschen, wenn nicht Jörg damit beschäftigt wäre, den Wagen abzubremsen. Wir haben nämlich schon genug Elchfleisch im Kühlschrank. Und ich habe die Kamera nicht parat. Nummer 20 rappelt sich indessen auf und folgt seinem Kumpel in den Wald. Nummer 21 bis 25 kurz darauf zeigen artgerechtes Fluchtverhalten.

Mangels Alternative fahren wir die gleiche Strecke in Richtung Süden, auf der wir vor über einer Woche gekommen waren. An einer Tankstelle kaufe ich uns zwei dieser typischen Sandwiches, wo fetter Mayonnaisebelag zwischen zwei riesige babyweiche diagonal halbierte Weißbrotscheiben geklemmt ist. Viele in Vollkornbrot-Deutschland aufgewachsene Europäer mögen ja diese schwammartigen belegten Brote nicht, aber ich finde, sie lassen sich im Auto während der Fahrt wenigstens halbwegs unfallfrei verzehren. Versucht das mal mit einem krossen deutschen 12-Korn-Baguettebrötchen, wo Einhandbedienung fast unmöglich ist. Bei jedem Bissen quellen seitlich die Gurken- und Tomatenscheiben raus und drei Quadratzentimeter Krume bröseln auf Schoß und Sitz.

Eine kurze Regenpause beschert uns ablandigen Starkwind. Der bügelt das Meer gegen die Wellenrichtung glatt und schwarz. Böen peitschen über die Straße und schlenkern die Fahrzeuge hin und her. Die – hoffentlich isolierten – Stromkabel der Überlandleitungen tanzen und klatschen aneinander. Als wir anhalten und aussteigen, müssen wir feststellen, dass die vom Thermometer angezeigten 17° relativ sind. Unser Anemometer zeigt neun Beaufort an. In Böen ist die Windgeschwindigkeit an den Nasenlöchern so hoch, dass das Atmen schwer fällt. Fallwinde aus den Bergen saugen Wasserfontänen aus Seen hoch wie die Bora an der berüchtigten kroatischen Adriaküste. Die kleinen Tannen zappeln als wollten sie gleich abheben. Allein die Geräuschkulisse ist schon furchteinflößend. Die Möwen haben den Flugverkehr eingestellt und kauern im Windschatten. Ein kleiner Vogel scheitert beim Versuch, vor unserem Auto im Wind die Straße zu überqueren. Er klatscht gegen die Motorhaube. Jörg steht auf dem Gaspedal um dem Gegenwind zu trotzen und Arminius schlürft den Diesel nur so in sich rein.

Bei der neuerlichen Einfahrt in den Gros Morne National Park sehen wir, dass das Schild, das Auskunft über die Unfallzahlen mit Elchen nur innerhalb des Parks gibt, geändert wurde. In nur 10 Tagen ist die Zahl von neun auf 12 gestiegen.

Blanc Sablon, Québec – Eisbergallee vor dem Fenster

Mittwoch, Mai 19th, 2010

Am Nachmittag fahren wir nach Blanc Sablon zur Fähre nach Neufundland. Das Gefrierfach ist vollgepackt mit Fisch und Elchsteaks. Die Jungs fahren über ein langes Wochenende nach Hause. Den Stromgenerator schalten sie ab und wollen deshalb ihr Gefrierfach ausräumen. Ein paar CDs haben sie uns auch überlassen, da streckenweise keine Radiosender zu empfangen sind und unser i-pod über Kabinenradio nur noch Hörbücher wiederzugeben gewillt ist, jedoch keine Musik. Beim Abschied drücken wir alle heimlich eine Träne weg.

Die Sonne scheint, hat aber einen Halo. Der kündigt meist einen Wetterwechsel an. Wir erkundigen uns nach der genauen lokalen Bedeutung und lernen, dass die Schlechtwetterfront umso weiter entfernt ist je größer der Halo ist und umgekehrt. Die Front soll nicht vor der kommenden Nacht oder dem nächsten Tag eintreffen.

Am Rande des Fährhafens übernachten wir am Strand mit Blick aus dem Kabinenfenster auf Eisberge, die in der Bucht dümpeln, beleuchtet vom Sonnenuntergang.

Chateau Pond, Labrador – Ein Wartungstag

Dienstag, Mai 18th, 2010

Die beiden Mechaniker vom Winterdienst, Edgar und Darnell, haben uns bereits erwartet. Wir dürfen in die Halle einfahren, um im Trockenen zu stehen, obwohl heute ausnahmsweise mal die Sonne scheint. Wir nutzen die Gelegenheit, ein paar Reparatur- und Wartungsarbeiten durchzuführen. Die Jungs können schweißen, und konstruieren perfekt unseren gebrochenen Dachgepäckträgerfuß nach. Dabei üben sie fleißig und zu unser aller Belustigung das faszinierende deutsche Wort „Ziehnieten“. Einen Kärcher haben sie auch, und damit wird Arminius wieder halbwegs sauber und ansehnlich. Im Laufe des Tages schauen so einige Fahrzeuge hier vorbei, um kleine Reparaturen durchführen zu lassen. Ein Service, der nicht nur gerne angenommen wird, sondern auf viele Kilometer die einzige Möglichkeit ist, ein technisches Problem zu beheben. Ein Fahrer bekommt trotz abgezogenem Zündschlüssel den Motor nicht aus. Beim nächsten schaltet sich das ABS nicht mehr ab. Das wird kurzerhand behoben, in dem das ABS ganz abgeklemmt wird. Den Quatsch brauche man doch eh nicht. Am Abend backe ich uns allen ein frisches Brot und koche scharfen texanischen Bohneneintopf.

Happy Valley – Goose Bay, Labrador: Ein Schwarzbär auf der Flucht

Montag, Mai 17th, 2010

Wir verabschieden uns von Mélina und ihrer Gruppe und begeben uns auf den Rückweg. Kurze Zeit später finden wir einen dunklen pelzigen Fleck auf der Straße. Ein ausgewachsener Schwarzbär hat sich einfach mit seinem dicken Hintern auf die Fahrbahn gesetzt. Er flüchtet vor unserem Auto dann doch erstaunlich flott, ein paar Fotos gelingen uns noch.

Zu Beginn der 50-km-Baustelle treffen wir einen alten Bekannten, den Planierraupenfahrer. „Ihr müsst diese Straße noch mehr lieben als ich“, lacht er. Der Track war erst im Dezember freigegeben worden. Den Winter über bedeckte Schnee die Fahrbahnunebenheiten, sodass der der Highway gut befahrbar war. Die Probleme begannen im Frühjahr mit den einsetzenden Regenfällen. Der Straßenbau wird von beiden Seiten von mehreren Teams vorangetrieben. Der nächste Bautrupp winkt uns erst durch, hält uns dann aber kurzfristig das Stopp-Zeichen vor die Nase. Es ist der fotografierende Baggerfahrer mit seinen Kollegen. Er habe sich beim letzten Mal unseren Truck gar nicht richtig ansehen können, das müsse er jetzt nachholen.

Seit fast 24 Stunden hat es nicht mehr geregnet. Trotz der zahllosen Sümpfe und Moore, Seen und Flüsse trocknet sofort alles aus. Der Schotter-Highway staubt beim Überfahren, die Schlaglöcher sind nur noch schlecht auszumachen, wenn kein Wasser mehr darin steht. Immer wieder finden sich Zeugen vergangener Trockenperioden: Nadelbäume, die einem Waldbrand zum Opfer gefallen sind. Viele treiben an den Enden der geschwärzten Nadeln neues Grün aus, aber für manche gibt es keine Rettung mehr.

Die Freude über die Trockenheit hält nicht lange an. Nach über 500 km Feldweg, davon 50 km querfeldein, erreichen wir endlich wieder die Straßenmeisterei Chateau-Pond auf der kalten zugigen Hochebene.

Sheshatshiu, Labrador – Die Innu, ein Volk zwischen zwei Welten

Sonntag, Mai 16th, 2010

Nachdem wir beschlossen haben, einen Tag zu rasten, bekommen wir dauernd Besuch. Neugierige junge Leute, die es auf verschiedenen Wegen hierher verschlagen hat, und die uns unterschiedliche Geschichten erzählen. Auch wenn wir nur zwei Tage hier verbringen, die sozialen Spannungen scheinen fast greifbar. Die Innu leben in Sheshatshiu auf der einen Seite des Flusses sowie Weiße und Innuit in North West River auf der anderen Seite. Die kulturellen Unterschiede scheinen eklatant zu sein. Wir bekommen nur am Rande etwas mit, aber es geht um Pünktlichkeit und Zeitgefühl (hier tickt die Innu-Uhr, sagen sie scherzhaft), Zerstörung und Müllentsorgung, Alkohol- und Drogenkonsum.

Abends sind wir zum Karibuessen bei Simon und Marron eingeladen. Karibu ist sehr mageres dunkles Fleisch, aber ohne strengen Wildgeschmack. Simon aus Deutschland schlägt sich als professioneller Clown durch die Welt, wofür er eine anderthalbjährige Ausbildung in seiner Heimat absolviert hat. Die Geschichtsstudentin Marron trägt Informationen über die Innu-Kultur zusammen. Die Innus sind ein nomadisch lebendes Volk, das in den Wäldern Kanadas von Karibujagd und Fischfang lebt. Im Gegensatz zu den eher sesshaft lebenden Innuit, die sich schon frühzeitig mit den weißen Siedlern zu arrangieren begannen, sind die Innu erst vor etwa 50 Jahren in Erscheinung getreten. Davor beschränkten sich Kontakte zu Weißen auf wenige Handelsbeziehungen, die sie pflegten. Als die kanadische Regierung den Smallwood Staudamm flutete, bot sie den Innu zum Ausgleich ihres Landverlustes pro Familie ein Haus in Sheshatshiu sowie eine erkleckliche Summe Geld an. Soziale Einrichtungen modernster Art wurden im Dorf geschaffen, schienen aber nur mäßigen Anklang zu finden. Drogenkonsum und Benzinschnüffeln waren weit verbreitete Freizeitbeschäftigungen vor allem unter Jugendlichen. Geschenktes Geld löst nicht alle Probleme, schon gar nicht den Verlust von Lebensinhalt. Das erkannte auch die kanadische Regierung und richtete wöchentliche oder zweiwöchentliche Flüge zu den unterschiedlichen Regionen im Binnenland für die Innu ein, damit sie ihren ursprünglichen Tätigkeiten nachgehen können. Das Angebot wird angenommen, die meisten haben heute wohl eine Blockhütte in den Wäldern, von wo aus sie fischen und jagen gehen, wie jetzt im Frühjahr. Die teuer eingerichtete Schule von Sheshatshiu bleibt derweil leer stehen. Doch die Innu haben bereits Zivilisationsluft geschnuppert. Den Sommer beispielsweise, wo die Mücken in den Wäldern sie auffressen würden, verbringen sie lieber in der Stadt. Dort vertreiben sie sich ihre Zeit mit Alkohol, ihre zahlreichen Kinder bevölkern die Straßen und langweilen sich zu Tode. Die Innu können sich mit der weißen Kultur nicht anfreunden, und die Weißen begegnen ihnen voller Vorurteile. Ein Problem, das auch in naher Zukunft nur schwer zu lösen sein wird.

Happy Valley – Goose Bay, Labrador – Mounties als Reiseführer

Samstag, Mai 15th, 2010

Die Landschaft ist weihnachtlich. Eine zentimeterdicke Schneedecke überzieht alles, es herrscht weiter dichtes Schneetreiben. Aber besser Schnee im Mai als Mücken im Juni.

In Acht nehmen muss man sich vor den großen Trucks. Die blasen mit enormer Geschwindigkeit (gemessen wurden schon 150 km/h!) über die Schotterpiste, ungeachtet der Schlaglöcher oder anderer Hindernisse. Zum Glück sind Elche keine solche Plage wie in Neufundland. Die Trucker fahren in der Straßenmitte und halten stur Kurs. Ein Ausweichen wäre bei derartigen Geschwindigkeiten auch nicht möglich. Einzig vernünftige Verhaltensweise ist ganz langsam so weit wie möglich rechts ran zu fahren und zu hoffen, dass keine größeren Steine in die Windschutzscheibe fliegen.

Hatte ich geschrieben, dass die Straße nach Happy Valley – Goose Bay fertig gestellt worden ist? Das war ein grammatikalischer Irrtum. Der Track wird fertig gestellt, muss es korrekt heißen, oder wird fertig gestellt werden? Man stelle sich vor man fährt auf einer schlechten, mit Schlaglöchern übersäten Schotterpiste, da erscheint ein gar lustiges Schild: „Schlechte Straße auf 50 km“, „max. 50 km/h“ und später „max. 15 km/h“. Unsere Belustigung hält nicht lange an. Wir fahren über den grobsteinigen Unterbau einer künftigen Schotterpiste. Manchmal ist er von einer unplanierten Lehmschicht überzogen, deren Schlaglochtiefe nicht zu erkennen ist, da alle Mulden voll Wasser stehen. Wir fahren mitten durch Baustellen, durch Bäche, über Behelfsbrücken. Ein Baggerfahrer zückt ganz schnell seine Kamera und hält uns erst mal an, um uns zu fotografieren. Der Fahrer einer Planiermaschine, der einsam den Track begradigt, bleibt stehen um ein Pläuschchen mit uns zu halten. Der Verkehr ist nicht so dicht dass wir jemanden behindern würden. 41 km in zweieinhalb Stunden, zum Teil im Schritttempo. Dieser Abschnitt ist derzeit für normale Pkw und Wohnmobile mit ungenügender Bodenfreiheit nicht befahrbar. Danach wird der Track stellenweise besser, aber nicht wirklich schön.

Ich entschuldige mich offiziell bei der Frau von der letzten Tankstelle: Fährt man freiwillig mit dem Auto nach Happy Valley – Goose Bay, sollte man sich entweder auf seinen geistigen Gesundheitszustand hin untersuchen lassen oder man ist tatsächlich ein Außerirdischer. Ich gestehe: Wir kommen von einem anderen Planeten. Der heißt Europa und hat Asphaltstraßen. Zumindest haben wir das richtige Gefährt für eine solche Unternehmung und sehen es gelassen. Die meisten Labradorer finden das auch und würden unseren Arminius am liebsten kaufen. Das Innere Labradors ist das Land der Abenteurer und nichts für Zimperliche.

Seit Tagen haben wir ununterbrochenen Niederschlag, die Landschaft ist tief verschneit. Was wundert es bei subarktischem und arktischem Klima? Der Schnee ist ohne industrielle Luftverschmutzung stellenweise so rein dass er blau schimmert. Der Straßenhobelfahrer erzählt uns, dass es in den letzten Wochen mehr geschneit hat als im ganzen Winter. Das sei zwar ungewöhnlich, komme aber schon mal vor. Nach sechseinhalb Stunden und 275 km stoßen wir auf die Straße von Happy Valley – Goose Bay nach Labrador City. Die ist, oh Wunder, für ein paar Kilometer asphaltiert. Die Doppelstadt hat über 7.500 Einwohner und ist damit eine richtige Großstadt.

Ein paar Kilometer weiter, in Sheshatshu, wollen wir Mélina und ihre Truppe besuchen. Sie leitet die lokale Gruppe des staatlichen Katimavik-Projekts, das eine Art soziales Jahr für Jugendliche nach deutschem Vorbild anbietet. Die jungen Leute arbeiten eine Zeitlang in unterschiedlichen Feldern wie Klimaforschung, Kinderbetreuung, Müllsammlung und als Lehrerassistenten. Da wir nicht so genau wissen, wo wir Mélinas Haus finden, halten wir einfach am Gebäude der Royal Canadian Mounted Police an und fragen nach. Die superfreundlichen Mounties sind begeistert, dass endlich etwas passiert an diesem öden Tag. Eifrig springen sie ins Auto und geleiten uns höchstpersönlich zum richtigen Gebäude. Dort gerät erst mal alles in Aufruhr wegen des Polizeiaufgebots. Als die beim Wenden noch die Mülltonne anfahren, ist das Spektakel perfekt.

Cartwright, Labrador – der am weitesten von Disneyland entfernte Platz der Welt

Freitag, Mai 14th, 2010

Bei 1°C ist die Landschaft heute Morgen überzuckert. War Neufundland schon ein Erlebnis, ist Labrador Faszination pur, unberührte Landschaft, endlose Weite, grenzenlose Einsamkeit. Das Gegenteil von Massentourismus. Die Schneedecke liegt jetzt immer dichter, Schneeflocken krümeln unaufhörlich vom Himmel, etwas Nebel kommt auf. Die mit Schlaglöchern übersäte Piste wird schlechter.

Im Alexis Hotel in Port Hope Simpson sollen wir uns ein Satellitentelefon leihen. Die werden von der Regierung kostenlos für Einheimische und Besucher zur Verfügung gestellt, wenn sie ins Binnenland fahren. Da es keinerlei Mobilfunk-, Radioempfang oder Notrufsäulen gibt und dazu kaum Verkehr, dient dies der Kommunikationsaufnahme im Notfall. Leider sind Telefone heute aus. Ist angeblich das erste Mal passiert. Wir könnten einen winzigen Umweg von 60 km über Charlottetown nehmen. Da wir aber erst nach Cartwright fahren, sollen wir uns von dort ein Satellitenhandy holen. Abgeben kann man die Geräte einfach an der letzten Station, bevor man das Land verlässt.

Vor dem Hotel treffen wir eine Deutsche. Die Tochter eines Camperkabinenherstellers – nicht der unseren allerdings – findet es sehr amüsant, in Labrador auf ein deutsches Expeditionsmobil zu stoßen. Sie hatte die letzten sechs Monate hier als Austauschschülerin verbracht.

Die Frau an der Tankstelle von Port Hope Simpson hält uns für eine unbekannte Lebensform von einem fremden Planeten. Auf die Frage wo und in welcher Entfernung  die nächsten Tankstellen mit Diesel lägen, schüttelt sie unverständig den Kopf. Was wir denn in Cartwright gedenken würden zu besichtigen. Und bis Happy Valley Goose Bay seien es über 400 km! Erst auf mehrmaligen Nachhaken hin bekomme ich zumindest ein ja oder nein zu meinen Tankstellenfragen. Ich verdrücke mich vorsichtshalber schnell, bevor sie die Ghostbusters rufen kann.

Wir fahren durch endlose Wälder, Moore und Sümpfe. Dazu schneit oder regnet es ohne Unterlass. Man kann stundenlang unterwegs sein, ohne einem anderen Lebewesen zu begegnen. Putzig wirken die herrenlosen Schneemobile mit und ohne Anhänger oder Anhänger solo, die nach dem letzten Schneefall einfach neben der Straße liegen geblieben sind. Ob die Besitzer die im nächsten Winter wieder finden?

Im Cartwright Hotel erhalten wir unser Satellitenhandy. Die Tankstelle habe für heute schon geschlossen, erfahren wir (sie schließt um 17 Uhr), aber Supermarkt und Liquor Express hätten noch offen. Die Straße in den Ort habe ein nettes Muster, werden wir gewarnt. Wie wahr: Eine Piste mit derartig vielen Schlaglöchern habe ich bislang nicht gesehen. Die 30 km/h zulässige Höchstgeschwindigkeit sind maßlos übertrieben. Wir sind hierher gekommen, um den Porcupine Strand zu sehen. Am 56 km langen goldenen Sandstrand wurden zahlreiche Artefakte gefunden, die auf eine Besiedlung vor bereits 7500 Jahren schließen lassen. Schwarzbären sollen in den mündenden Flüssen nach Forellen fischen. Der Strand ist nur per Boot erreichbar. Die Wetterlage hat jedoch die Eisberge in die Bucht getrieben, sodass ein Fischerboot am Vortag fast nicht wieder herausgekommen ist. Der permanente Schneefall lässt uns nicht gerade auf einen vergnüglichen Strandtag hoffen, also legen wir den Plan ad acta. Auch mit der Dame von der Tankstelle in P.H. Simpson habe ich mich versöhnt. Cartwright selbst hat tatsächlich nichts zu bieten. Es ist unordentlich, wirkt eher schmutzig und wenig einladend. Mehrere Leute haben uns unabhängig voneinander erzählt, dass ein Einwanderungsantrag nach Kanada 4 Jahre dauert. Egal, ob man ihn vom Heimatland aus stellt oder sich bereits in Kanada befindet. Mir schwant, würde ich als künftigen Wohnsitz Cartwright angeben, würde ich die Genehmigung sofort erhalten. Ein Auto, eine Waschmaschine und ein Satellitenhandy gäbe es noch obendrauf. Wir kaufen ein paar Flaschen Bier im staatlichen Liquor Expres und machen uns ohne zu tanken auf den Rückweg.

Arminius ist von unten bis oben mit Dreck bespritzt, man kann nichts mehr anfassen. Wenn wir wieder auf eine Asphaltstraße kommen, müssen wir auf einen Wolkenbruch oder eine Waschanlage hoffen.

Zwischen Cartwright und Port Hope Simpson biegen wir auf einen neuen Schotter-Highway ab. Hier verlässt uns Lissy. Trotz neuestem Update kennt das Navi diese Straße noch nicht. Der Track wurde vor nicht allzu langer Zeit fertig gestellt, um das zentrale Labrador an die besser erschlossene Küstenregion anzubinden. Auch heute noch gibt es zahlreiche Orte, die nur per Flugzeug oder Boot erreichbar sind.

Wildes Campen ist in Kanada verboten. Die Praxis sieht aber anders aus. Schon in Nova Scotia standen wir meist auf einem Parkplatz oder ähnlichem, wenn wir nicht auf einem Privatgrundstück parkten. Da die meisten Campingplätze zurzeit noch nicht offen haben, bleibt uns nichts anderes übrig. In Neufundland hat man uns an der Touristeninformation ganz offiziell mitgeteilt, wir könnten uns überall hinstellen. So lange wir nichts Verbotenes täten, würden wir nicht behelligt. In Labrador gibt es weder Campingplätze (die wenigen haben noch geschlossen), noch gibt es jemanden, der sich über wildes Campen aufregen könnte. Auf fast 300.000 qkm wohnen 30.000 Menschen, das macht einen Einwohner auf 10 qkm. Natürlich bedeutet wildes Campen in dem Fall nur übernachten. Pack man seine Campingmöbel und Grill aus, könnte man schon etwas mehr Aufmerksamkeit erregen. Aber wer will das schon bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.

Fähre Labrador – Slalomfahrt um Eisberge

Donnerstag, Mai 13th, 2010

Sonnenschein, Schneetreiben und Regenschauer bilden heute einen wilden Wechsel. Die Fähre von St. Barbe, Neufundland nach Labrador (Fährhafen ist Blanc Sablon, Québec) braucht nur eineinhalb Stunden, aber am Ende der Fahrt muss sie einen Slalom um die Eisberge einlegen. Normalerweise verkehrt die Fähre zwischen Januar und März wegen des Eises nicht, doch in diesem Winter war die Strait of Belle Isle zum ersten Mal nicht vom Eis blockiert gewesen.

Ich glaube, das Bekleidungssystem jetzt durchschaut zu haben: Bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt sind T-Shirt oder Bermudashorts und/oder Zehenschlappen ohne Socken geeignete, der milden Witterung angepasste Kleidungsstücke – während ich meine neu erstandene, mit goldenem Elch bestickte Wollmütze made in China nicht mehr absetze.

Was uns als erstes auffällt sind die extrem ordentlichen Häuser, alles picobello sauber, rechtwinklig, organisiert. Die Landschaft auf dem Festland ist anders. Die Berge sind höher, die Ausblicke weiter, die Bäume noch niedriger. Dafür gibt es Moose und Flechten, Gräser und Sträucher. Eine grandiose, urtümliche, unberührte und mit Schneeflecken gesprenkelte Landschaft.

Wir überqueren den Pinware River. Um etliche Kurven schießt der breite Fluss ein beachtliches Gefälle mit enormer Geschwindigkeit hinunter. Das Wasser wirkt schwarz, tausende von Schaumstrudeln schimmern braun. Rafting wäre hier die reine Freude – für Fortgeschrittene.

Nach genau 78 km endet die Asphaltstraße in diesem Teil des Kontinents. Die nachfolgende Schotterpiste ist gut befahrbar. Hat man keinen Allradantrieb sollte man sich jedoch vorab über den Straßenzustand informieren, der je nach Wetterverhältnissen schwanken kann. Auf 300 m Höhe entdecken wir einen völlig zugefrorenen See. Schwarzes und rotes Gestein bildet einen Kontrast zu den unterschiedlichsten Grüntönen, blauen Flüssen und Seen und immer wieder weißem Schnee. Es ist eine enorme Leistung, diese Schotterpiste mitten durch den Sumpf gebaut zu haben. Leider kommt man nicht runter von der Piste, sie ist zu hoch und Rastplätze eher rar. Bei der Straßenmeisterei Chateau Pond fragen wir, ob wir unseren Wagen über Nacht abstellen dürfen. Kein Problem. Wir besichtigen die Werkstatt mit riesigen Schneepflügen und –fräsen. Vor ein paar Minuten waren wir durch eine 5 m hohe Schneewehe gefahren, im Winter soll sie bis zu 18 m hoch sein. -35° seien keine Seltenheit, mit Wind entspräche das einer gefühlten Temperatur bis -65°. Wir trinken ein Bier mit den beiden Mechanikern, die hier Dienst leisten. Im Gegenzug bekommen wir eine ganze Tüte Steinkrabben geschenkt, die wir uns in den nächsten Tagen kochen wollen. Unterdessen rieselt der Schnee unaufhörlich weiter.