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Capitol Reef National Park, Utah – Das Unwesen des Muddy River

Mittwoch, Dezember 8th, 2010

Selten habe ich mich so alleine gefühlt wie heute Nacht. Alleine im positiven Sinne. Kein Highway in der Nähe, kein Fahrzeug, kein Licht, keine Siedlung, kein Mensch. Sicher nicht einmal viele Tiere. Nur Myriaden von Sternen blinken von einem tiefschwarzen Himmel; der Mond ist bereits untergegangen. Diese Gegend gilt als eine der dunkelsten, da am wenigsten besiedelten, der Vereinigten Staaten und wird daher zur Sternbeobachtung genutzt.

Am Morgen versuchen wir, uns doch noch irgendwie zum Hwy # 24 in Richtung Capitol Reef National Park durchzuschlagen. Statt des Vierradtracks von gestern wählen wir die Country Road # 1012, eine sogenannte Hauptverbindungsstraße. Sie schlägt einen etwas größeren Bogen als die Piste von gestern, scheint uns aber ausreichend wichtig, um gepflegt zu sein und uns das Durchkommen zu ermöglichen. Sie beginnt mit Asphalt und wird rasch zu Schotter, aber frisch planiert. Wir fahren und fahren. Die Straße wird schlechter, die Straße wird enger. Immer öfter haben Bäche beim letzten Regenguss Teile der Piste weggespült. Irgendwann wird ein Querriss in der Fahrbahn zu groß, um ihn zu passieren. Jörg schleppt riesige Steine an, um die Löcher zu füllen und uns eine Brücke zu bauen. Es wird noch enger und noch schlechter, Reifenspuren weisen darauf hin, dass Fahrzeuge hier gewendet haben. An den wenigen Schautafeln am Wegesrand wurden sämtliche Landkarten abgerissen, und die verbleibenden Informationen beziehen sich auf Kajak- oder Kanufahren; sonst gibt es keine Hinweise. Noch ist nicht der Punkt aufzugeben, aber weit kommen wir nicht. Die Straße ist einfach nicht mehr da, nicht existent. Wir versuchen es an zwei verschiedenen Stellen. Etwas höher am Berg befindet sich nur noch eine dutzende Meter hohe Abbruchkante, die Piste führt in den Abgrund. Weiter unten sieht es aus als ob der Track neben und zum Teil durch das Flussbett geführt hat. Dort allerdings fließt jetzt ein Fluss. Und der scheint ausreichend tief zu sein. Irgendjemand war so nett, vor der auch hier vorhandenen, wenn auch kleineren Abbruchkante ein paar Steine hinzulegen, damit man nicht hinunterplumpst. Der Muddy River, „schlammiger Fluss“ – alleine schon welch unsympathischer Name – hat die Straße einfach ins Nirwana gebeamt. Umkehren ist angesagt.

Abenteuer machen dann Spaß, wenn sie begrenzte Herausforderungen bieten, wenn sie gewürzt sind mit einer Prise scheinbarer, aber nicht realer Gefahr, und wenn am Ende alles klappt und man sich selbst stolz auf die Schulter klopfen kann, wie toll man das gemeistert hat. Die Realität sieht oft anders aus, nicht immer klappt alles. Den Frust müssen wir ertragen können, sonst sollten wir uns besser auf ausgetretenen Pfaden bewegen oder uns einer geführten Reisegruppe anschließen – was nicht schlecht sein muss. Noch wichtiger ist der Umkehrpunkt: zu entscheiden, wann Schluss ist, Zeit abzubrechen. (Ziemlich eindeutig, wenn man vor einer Abbruchkante steht, aber nicht immer ist es so einfach.) Es ist sehr schwer, sich die absolute Abgeschiedenheit von Utahs Wüsten vorzustellen, diese Verlassenheit und Menschenleere. Es könnte eine Weile dauern, bis einen hier jemand findet, sollte man ein Problem haben, oder bis man Hilfe organisiert. Handy- oder Internetempfang haben wir schon seit Tagen nicht mehr.

Wir treten einen langen, langen Rückweg an, doch der anschließende Umweg, den wir zum Capitol Reef Park fahren müssen, ist noch weiter. Über die I 70, Hwy # 72 und # 24 fahren wir schließlich von Westen her in den Park ein. Auch hier wissen die Ranger nichts über das Desaster am Muddy River. Aber im September und Oktober kam es später als sonst während der jahreszeitüblichen Gewitter zu ungewöhnlich starken Regenfällen, besonders heftigen Springfluten und dementsprechenden Überschwemmungen. Die Jeepstrecke in den Norden des Parks ins Cathedral Valley ist seither unpassierbar und noch nicht wieder hergerichtet. Unsere Lust auf Experimente ist für heute sowieso erschöpft. Wir nutzen das wenige verbleibende Tageslicht zum Abfahren des Scenic Drive, der Panoramastraße, vorbei an Monolithen, durch Canyons und neben den farbigsten Wänden. Als hätte ein LSD-angeregter Künstler die gelben und roten, beigen und braunen, weißen und grauen, türkisen und violetten, orangen und schwarzen Streifen und Wirbel aufgemalt.

Der Fruita Campground im Park hat ein Problem mit den Toiletten. Es wurden Chemieklos aufgestellt, dafür wird auf die Platzgebühr – sonst 10 $ – verzichtet. Niemand wird uns heute Nacht hier Gesellschaft leisten, außer den Maultierhirschen. Hirsche scheinen Campingplätze irgendwie zu mögen. Rund um den Campingplatz befindet sich das historische Mormonendorf Fruita aus dem späten 19. Jahrhundert. Einige Gebäude wie Schule, Schmiede und ein Farmhaus wurden restauriert. Die Obstgärten entlang des Freemont River werden weiterhin gepflegt, und zwischen Juni und Oktober kann man kostenlos (zum Verzehr) oder preisgünstig (zum Mitnehmen) Äpfel, Pfirsiche, Kirschen, Birnen und Aprikosen pflücken.

Hanksville, Utah – Hanksville und die Zwerge

Dienstag, Dezember 7th, 2010

Von Lake Powell aus nördlich bohrt sich der Hwy # 95 durch stattliche Felsmassive, bevor es dann kurz vor Hanksville nicht mehr ganz so umwerfend ist. Hanksville ist das, was ich als typisches Kaff mitten im amerikanischen Hinterland bezeichnen würde. Es besteht aus dem obligatorischen Postamt, das es in den USA in jeder noch so kleinen Siedlung gibt; drei Tankstellen, eine davon geschlossen (mit den höchsten Preisen, die wir je in den USA gezahlt haben; 3,59 $ pro Gallone, damit teurer als in Alaska); zwei Restaurants, eines mit Campground und Münzwäscherei, aber geschlossen; einem Motel; einem Mini-Supermarkt (mit Tankstellen-Preisen); einigen wenigen Häusern. Die Schließung der Hite Marina hat dem Dorf offensichtlich nicht sehr gut getan. Es wirkt vernachlässigt, heruntergekommen. Die glitzernden Nikolausstiefel, die zur Dekoration an den Laternenpfählen angebracht wurden, wirken seltsam fehl am Platze. Aber vor Wochen in Denver hatte ich ein Paket postlagernd (general delivery) an das hiesige Amt senden lassen in der Annahme, wir wären in zwei Wochen hier. Unsere Reisegeschwindigkeit hat sich aufgrund der Dichte der Attraktionen verlangsamt. Wir sind spät, aber postlagernde Sendungen werden 30 Tage lang aufbewahrt, hatte mir die Postbeamtin am Telefon versichert. Als ich das Büro betrete, bin ich perplex: Vor mir steht die schönste Postbeamtin, die ich je gesehen habe. Die gepflegte Endvierzigerin ist perfekt geföhnt und dezent geschminkt. Sie erinnert sich an unser Telefonat und meinen Namen. Ich wage nicht zu fragen, was eine Frau wie sie in diesem Nest macht. Sicher brauchen sie solche Leute hier zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Moral.

Der Tourismus befindet sich in Hanksville bereits im Winterschlaf, daher gibt es kaum Informationen über Straßenverhältnisse. Es gibt weder Handyempfang noch Internet, doch wir hoffen auf Informationen von den Rangern. Auf der # 24 fahren wir ein paar Meilen nach Norden und biegen dann nach Westen ab zum Goblin Valley State Park, während eine Herde Gabelböcke davonrast. Erosion hat dort seltsame Sandsteinskulpturen, die sog. Hoodoos, hinterlassen, meist kaum größer als Körperhöhe, die wie kleine Gnome mit Koboldmützen auf dem Kopf aussehen. Ein putziges Fleckchen Erde, auch wenn die 7 $ Eintritt pro Fahrzeug für das kurze Vergnügen nicht ganz wenig erscheinen. Das Geld wirft man in einen Schlitz; hier ist niemand, die Ranger haben Winterpause. Trotzdem: Zwergenland gibt niedliche Fotomotive ab.

Kurz hinter dem Parkausgang zweigt die Wild Horse / Muddy River Road ab, über die wir zur Factory Butte Road gelangen wollen. Es gab keine Informationen, aber eigentlich sollte nichts entgegenstehen. Das ganze Gelände, bis auf die stehen gebliebenen Gnome ist erodierter, pulverisierter Sandstein, der sich wieder abgelagert hat. Es ist das, was Malcolm ’t’snot-stone nennt, Dannicht-Stein: Wenn er trocken ist, ist er Stein. Wenn nicht, dann nicht. Es ist trocken, aber vor ein paar Wochen muss es geregnet haben. Teile des Off-Road-Trails scheinen zerstört worden zu sein und wurden komplett neu angelegt. Der Grader, das Planierfahrzeug, hat ganze Arbeit geleistet. Gegen Ende der Strecke, nachdem wir schon fast 20 km über Sand und Steine gerumpelt sind, wird das Gelände flacher. Das Wasser scheint sich hier zu sammeln und wegen der kühlen Temperaturen nur oberflächlich verdunstet zu sein. Das Planierfahrzeug ist eingesunken und hat seine Arbeit vorerst eingestellt. Wir versuchen uns trotzdem durchzuschlagen, kommen aber nur ein paar Meter weit, bevor auch wir versinken. ’t’snot-stone ist wohl noch nicht wieder zu Stein geworden. Allrad, Differentialsperre und Untersetzung im kleinsten Rückwärtsgang retten uns auch diesmal wieder. Wir ändern unseren Plan und fahren zurück – die ganze Strecke. Natürlich wird es schon wieder dunkel. Glücklicherweise gab es kurz vor Ende des Weges einen kleinen Wanderparkplatz, wo wir bleiben können und nicht befürchten müssen, bei eventuell einsetzendem nächtlichem Regen die nächsten Wochen gefangen zu sein, bis sich Dannicht-Stein zu Dochwieder-Stein zurückverwandelt hat, denn ab hier beginnt eine reguläre Schotterstraße.

Goosenecks SP + Natural Bridges NM + Lake Powell, Utah – Ein Tag des Staunens

Montag, Dezember 6th, 2010

Goosenecks ist ein hübsches und sehr treffendes Wort für die Mäander, die der San Juan River hier bildet: Gänsehälse. Auf fast 10 km Länge dreht und windet sich der Fluss in zahlreichen S-Kurven, deren Winkel weit über 180° liegen Dabei nähert er sich dem Powell See um gerade mal drei Kilometer. Vom Aussichtspunkt im Goosenecks State Park hat man sensationelle Blicke auf die längsten Flussmäander Nordamerikas. Die unterschiedlichen geologischen Schichten können leicht ausgemacht werden, denn der San Juan Fluss hat sich bereits 460 m tief hinuntergefressen – und er ist noch lange nicht fertig.

Zurück auf Hwy # 261 steht man vor der 500 m hohen Steilwand der Cedar Mesa. Was folgt, ist eine der spektakulärsten Straßen der USA, die mit normalen Fahrzeugen befahren werden kann. Der Moki Dugway, Teilstück der # 261, klettert mit bis zu 11 % Steigung einfach die Steilwand hoch. Unglaublich. In den zahlreichen sehr engen Spitzkehren gibt es jeweils in der Außenkurve eine Verlängerung zum Rückwärtsschieben, falls man nicht auf Anhieb herumkommt. Dugway bedeutet in den Berg oder Fels gegrabener Weg; das ist es wohl. Von den fünf Kilometern sind vier nicht asphaltiert. Und war die Aussichten über Monument Valley, Valley of the Gods und das ganze riesige Tal aus dieser Flugzeugperspektive betrifft: dramatisch. Lasst Bilder sprechen.

Unmittelbar nach Erreichen des Mesa-Plateaus zweigt die Muley Point Road nach Südwesten ab. Absolut erstaunlich, dass diese Straße so wenig bekannt ist. Der Ausblick vom nur acht Kilometer entfernten Muley Point ist einmalig. Man schaut wieder hinunter auf die Goosenecks des San Juan Canyon, aber der Fluss ist fast nur noch zu erahnen, da man sich weitere 500 m höher befindet. Unter der Steilwand auf dem Mittelplateau machen wir die Johns Canyon Road aus, die wir gestern Abend gefahren sind, und im Hintergrund präsentiert sich ganz dekorativ Monument Valley. Die mäanderzerfurchte Landschaft wirkt nahezu unwirklich, wie von einem anderen Planeten. Welch unzugängliche, lebensfeindliche Welt endloser Schönheit in rot und grün. Die Schotterstraße dürfte kaum einem Fahrzeug Schwierigkeiten bereiten.

Das Natural Bridges National Monument an der Highwaykreuzung # 261 und 95 hat wiederum drei große steinerne Brücken als Attraktion, die den White bzw. den Armstrong Canyon überspannen. Im Gegensatz zu den Arches sind diese gelb-braunen Bögen durch Unterspülung durch die Flüsse entstanden. Zwei ein- und eine halbstündige Wanderung führen zu den Brücken hinunter. Alternativ läuft man den 14 km langen Rundweg durch das ziemlich ausgetrocknete Flussbett, dann muss man nur einmal aus dem steilen Canyon herausklettern. Der größte der drei Bögen, Sipapu Bridge, hat eine Spannweite von 67 mal 82 m – der einzige größere auf der Erde überbrückt Lake Powell, nicht weit entfernt, aber nicht per Straße zugänglich.

Heute folgt eine optische Sensation der nächsten. Den Hwy # 95 würde ich als eine der Straßen bezeichnen, die man einmal gefahren sein muss. Ab Natural Bridges führt die hier Bicentennial Highway genannte Strecke in nördlicher Richtung durch eine Szenerie, die eine einzigartige Mischung aus einer Art Monument Valley und Needles District bildet. Dazu läuft neben der Straße der White Canyon entlang, dessen Fluss es geschafft hat, sich in die unter dem roten Sandstein liegende helle, fast weiße Gesteinsschicht einzufräsen. Den Hintergrund dekorieren die Henry Mountains, ein begrenztes, jedoch hohes Gebirge mit schneebedeckten Gipfeln. Zwei anmutige Brücken überqueren den Colorado River und den Dirty Devil River, beide markieren Anfangspunkte des Lake Powell. Man fährt an trocken gefallenen Buchten des intensiv grünen Sees entlang, der sich hier vor allem in den letzten 15 Jahren viele Meter zurückgezogen hat. Die ehemalige Hite Marina ist völlig nutzlos geworden und liegt verlassen da. Am Seeufer finden wir einen ruhigen Schlafplatz, obwohl auf dem Highway sowieso fast niemand fährt.

Monument Valley, Arizona – Berühmte Felsen und schaurig-schöne Geisterbahn

Sonntag, Dezember 5th, 2010

Bei Sonnenaufgang müssen wir nicht einmal die Kabine verlassen, sondern können die Bilder vom Morgenrot hinter den Steingebilden vom Kabinenfenster aus schießen. Später begeben wir uns auf den 17 Meilen langen Rundkurs zwischen den eindrucksvollem, spirituell durchaus inspirierenden Monolithen, die ihre Entstehung ebenfalls Wind und Wetter, und nicht etwa fließendem Wasser verdanken. Die an manchen Stellen raue Sandpiste kann von den meisten Fahrzeugen befahren werden. Wer mit seinem Fahrzeug nicht kann, darf oder will, bucht im Visitor Center eine Jeeptour zu satten Tarifen. An den Aussichtspunkten stehen die unausweichlichen Souvenirstände. Die Indianer haben nichts zu tun und Zeit für einen netten Plausch. Wir kaufen trotzdem nichts. Bis zu 100 $ für eine schlichte Türkiskette scheinen mir übertrieben. Gut, sie ist nicht „made in China“, sondern von den Navajos gefertigt. Doch mich dünkt, sie gewähren sich selbst ansehnliche Stundelöhne. Seit 1925 diente Monument Valley 50 Kinofilmen als Kulisse, von hunderten Werbespots und Anzeigen nicht zu reden. Die einzige Wanderung von fünf Kilometer Länge führt über den Wildcat Trail und ist ruhig und nett. Das spektakulärste Bild bekommt man mit dem Auto vom Artist’s Point, der einen Überblick über das Tal und die Felsattraktionen verschafft.

Auf der # 163 fahren wir dasselbe Stück zurück nach Norden und biegen über die # 261 und # 316 in die Johns Canyon Road ein. Die gut 25 km lange Off-Road-Strecke führt in spannendem Verlauf an der Steilwand der Cedar Mesa auf der einen Seite und der Abbruchkante des San Juan Canyon auf der anderen Seite entlang – dazwischen liegen drei Meter, manchmal weniger. Das hat so was von Geisterbahn fahren: Es ist schön und schaurig zugleich, und man setzt voraus, dass alles gut geht. Für diese Strecke ist Vierradantrieb erforderlich, der Schwierigkeitsgrad ist einfach mit einigen steilen Rampen und einer Bachdurchquerung (Wasserstand?). Irgendwann im Johns Canyon ist Schluss und wir müssen uns beeilen zurückzukommen, da es schon dunkelt. Da die Möglichkeit von Regenschauern besteht, möchten wir keinesfalls auf dieser Piste festsitzen. Zum Glück wissen wir, dass wir im um die Ecke liegenden Goosenecks State Park, zu erreichen vom Highway aus über Asphalt, kostenlos campen dürfen.

Mexican hat, Utah – Alles in Stein: Göttertal und Sombrero

Samstag, Dezember 4th, 2010

Tief unterhalb unseres Schlafplatzes schlägt der San Juan River zwei perfekte 180°-Kuurven hintereinander. Der blutrote Sandstein ist hunderte Meter tief ausgewaschen. Stehen bleiben sich nach oben verjüngende Landzungen, die nach und nach erodieren. Um freie Sicht auf diese horseshoe bend, Hufeisenkurve, zu erhalten, muss man auf eine dieser vorstehenden Zungen hinabklettern und an deren Ende auf dem Bauch bis an die Abbruchkante robben. Für manche Fotos muss man sich eben etwas anstrengen. Nur ein Stück entfernt gibt es ein „totes“ Hufeisen. Der Fluss hat sich irgendwann eine Abkürzung gesucht und eine ausgetrocknete Schleife hinterlassen.

Noch etwas weiter westlich zweigt die Valley of the Gods Road von der # 163 ab. Die Schotterpiste sollte für die meisten Fahrzeuge mit einigermaßen Bodenfreiheit und nur kleinem Überhang passierbar sein, Regen soll sie unbefahrbar machen. Die Landschaft, die einen dort erwartet, wurde von Regen, Eis und Wind gestaltet. Ähnlich dem weit bekannteren Monument Valley ragen vereinsamte rote Sandsteinmonolithen in die Lüfte. Der Film Forrest Gump z.B. wurde an beiden Orten gedreht. Mit einem Mindestmaß an Fantasie erkennt man ein Kriegsschiff, ein Schloss oder eine füllige sitzende Frau. Das schönste daran: Eintritt wird nicht erhoben. Die 17 Meilen lange Straße durch das „Tal der Götter“ endet am Highway # 261, dem wir nach Süden und weiter auf der # 163 folgen. Nach zehn Meilen, kurz vor der gleichnamigen Stadt, steht der Mexican Hat Rock. Der Fels gleicht einem Sombrero, lässt sich aber aus einiger Entfernung besser fotografieren als aus unmittelbarer Nähe. Nach weiteren 30 Meilen überqueren wir kurzfristig die Grenze zu Arizona und erreichen Monument Valley auf dem Gebiet der Navajo-Indianer. Wir waren auf einer unserer früheren USA-Reisen schon einmal hier, aber wir wollen Arminius das Vergnügen nicht vorenthalten. Gegenüber dem Visitor Center gibt es einen Schotterplatz mit ein paar Picknicktischen und Chemietoiletten. An sich eher unattraktiv, aber man campt hier kostenlos. Und die Aussicht ins Tal ist grandios. (Eintritt 5 $ pP, Jahrespass nicht anerkannt.)

USA-Reisen im Winter sind unschlagbar. Diese Meinung scheint auch Matthias aus der Nähe von Würzburg zu teilen, der schon das elfte Mal in den USA ist, ein richtiger Staatenfan also. Er ist der erste Tourist, dem wir seit langem begegnen, und der erste ausländische Tourist – seit wann eigentlich? Das ist es was ich meine: Man hat sämtliche Nationalparks und Sehenswürdigkeiten fast für sich alleine, wo in der Hochsaison Stoßstange an Stoßstange klemmt, sich Besucher gegenseitig auf die Füße treten, Parkplätze, Motels und Campgrounds überquellen. Natürlich braucht man etwas Wetterglück, denn Regen und Schnee können unangenehm sein, aber Utah und Colorado haben in den Ebenen relativ stabiles, trockenes Winterwetter. Vielen Reisenden dürfte der Wüstensommer sowieso zu heiß sein. Der Winter kann die eine oder andere Aktivität einschränken, jede andere Jahreszeit – mit Hitze, Regen, Überfüllung, Insekten – vermag das auch.

Bluff, Utah – Der Zug der Mormonen

Freitag, Dezember 3rd, 2010

Auf der # 191/163 geht es über Blanding nach Bluff. Drei Meilen nach Blanding gibt es eine Tankstelle mit Convenience Store, einem kleinen Gemischtwarenladen, wo es neben Bier und Lebensmitteln (Blanding ist eine „trockene“ Stadt, es gibt also keinen Alkohol zu kaufen,) auch Socken, Arbeitshandschuhe oder Sättel gibt. Neben der Tankstelle kann man in einem kleinen Stall das passende Pferd zum Sattel erstehen. Hinter Bluff durchfährt man die Comb Ridge, einen langen, aber schmalen Höhenzug, der aus der Luft betrachtet die zahllosen Querbrüche offenbart, die ihn wie einen Kamm aussehen lassen. Gleich daneben biegen wir links in die Comb Wash Road ein, einen von Malcolms Geheimtipps. Zunächst aber müssen wir etliche Meilen Off-Road-Piste zurücklegen, deren Schwierigkeitsgrad zwischen leicht und geringfügug moderat variiert, so lange der Track trocken ist. 4-Rad-Antrieb ist in jedem Fall erforderlich, bei Regen kann der Weg unpassierbar sein, da man einen Bach, den Comb Wash, mehrfach durchqueren muss. Auch für größere Fahrzeuge ist die Straße nicht geeignet. Am Ende steht man vor dem San Juan River, einem großen Fluss ähnlich dem Colorado, den er später im Lake Powell trifft. Um schöne Fotos zu erhalten, muss man sich erst etwas anstrengen und den San Juan Hill erklettern – erst von hier bekommt man eine gute Aussicht.

Uns lässt der Aufstieg auf den Berg schnaufen. Wie mag das erst für die Mormonen Ende des 19. Jahrhunderts gewesen sein, die ihre Planwagen mit Ochsen und Pferden über diesen Berg hievten? Ihre Kirche hatte eine Gruppe ostwärts gesandt, um mit den Indianern freundschaftliche Beziehungen zu knüpfen. In dem extrem schwierigen Gelände fanden sie sich schließlich eingekeilt zwischen Fluss und Berge, und der einzige Ausweg schien ihnen, den San Juan Hill, so nannten sie ihn, zu überqueren. Aus heutiger Sicht ist es nahezu unvorstellbar, wie die Mormonen ihr Hab und Gut über die steilen Sandsteinplatten brachten. Und vor allem: Wie überzeugten sie ihre Tiere, das zu tun? Sie mussten sieben Gespanne jeweils vor einen einzigen Planwagen spannen, um diese Höchstleistung zu vollbringen. So war sichergestellt, dass immer Zug auf der Gabel war, auch wenn einige der Tiere stürzten oder erschöpft aufgaben. Einige der Ochsen und Pferde überlebten die Anstrengungen nicht. Noch immer erkennt man Spuren, die die Mormonen hinterlassen haben. An besonders steilen und schwierigen Stellen schlugen sie Stufen in den Hang, um den Tieren Halt zu verschaffen. Selbst die Schleifspuren ihrer eisenbeschlagenen Holzspeichenräder sind stellenweise noch zu erkennen. Der Wagenzug schaffte es bis in die Gegend von Four Corners, wo sich die Gläubigen niederließen und die ihnen zugetragene Pflicht erfüllten.

Zurück auf der # 163 biegen wir nach wenigen Meilen erneut links ab in die Lime Ridge Road. Das ist anfangs eine Schotterpiste, die sich später verschlechtert, aber keine Schwierigkeiten beinhaltet. Den dort wartenden Fotomotiven wollen wir uns morgen widmen.

Canyonlands National Park, Utah – Rügen, Schnee und Lagerfeuer

Donnerstag, Dezember 2nd, 2010

Die Nacht verbrachten wir auf dem Parkcampground Squaw Flat (15 $, sehr schöne Aussicht, wenige Stellplätze). Am Morgen lässt uns ein Zettel an unserem Stellplatz-Pinboard wissen, dass wir verdächtigt werden, die Platzgebühr nicht bezahlt zu haben. Drei Fahrzeuge campten heute Nacht hier. Es scheint eine größere Schwierigkeit darzustellen, einen der u.a. mit Fahrzeugkennzeichen beschrifteten Geldumschläge aus dem Depotbriefkasten unserem Mobil zuzuordnen.

Zunächst fahren wir sämtliche Parkstraßen ab und gehen an den Aussichtspunkten ein Stück wandern, um die bizarre Felsnadellandschaft zu genießen und fotografisch einzufangen. Dann begeben wir uns ins Visitor Center um zu klären, dass wir die Übernachtungsgebühr ordnungsgemäß beglichen haben. In Amerika gestaltet sich das, wenn man höflich sein und einen guten Eindruck als Deutscher hinterlassen möchte, etwas anders als man möglicherweise geneigt wäre in Deutschland zu agieren. Zunächst versichere ich, dass alles mein Fehler war. (It was my fault.) Dann erkläre ich, dass wir den Kontrollabschnitt an der Windschutzscheibe statt am Klipboard befestigt hätten. Schließlich entschuldige ich mich mehrfach (I am sorry for that.) Den Rest kann man sich besser nur denken. (So etwas in der Art von „blöde Ziege“.) Das ist genau so befriedigend, nur wohlerzogener.

Ganz ohne Rüffel kommen wir dennoch nicht davon. Nämlich als sich herausstellt, dass wir den Colorado River Outlook Trail gefahren sind. Das hätten wir nicht tun dürfen, werden wir gemaßregelt. So? Ein Unimog sei ein ATV und kein OHV. Ein was? Nach einer viertelstündigen Diskussion erfahren wir, ein OHV ist ein Fahrzeug, dessen Hauptzweck es ist, auf der Straße zu fahren, aber Vierradantrieb hat. Ach? Ein ATV dagegen sei gemacht, um abseits von Straßen, also off-road zu fahren. Ja? Und ihr Ranger Superintendent Supervisor habe gesagt, ein Unimog sei ein ATV, und die dürften auf den Trails im Park nicht fahren. Na dann. Er muss es ja wissen. Wir wollen das trotzdem nicht auf uns sitzen lassen und stellen klar, dass wir uns gestern die Genehmigung eingeholt haben. Jetzt leuchten die Fragezeichen auf der anderen Seite des Tresens. Nach einigen Aufklärungsversuchen heißt es abschließend schnippisch: Wie dem auch sei, jedenfalls hätten wir da nicht fahren dürfen. Tja… Das mit Das-war-alles-mein-Fehler-entschuldigen-Sie-bitte übergehe ich ausnahmsweise. Das mit dem Ausdruck über das unintelligente Tier mit Hörnern denke ich mir weiterhin nur. Im Sinne der anderen deutschen Touristen, die uns nachfolgen werden. Außerdem ist es wohl besser, die Kurve zu kratzen, bevor noch jemand merkt, dass wir, ganz ATV-mäßig, im Flussbett rum gefahren sind.

Wir verlassen die Canyonlands und nehmen die Harts Draw Road nach Monticello. Die Straße wird im Winter nicht geräumt, besagt ein Schild, aber was macht das schon, es liegt ja kaum Schnee. Was wir an dieser Stelle nicht wissen und keine unserer zahlreichen Karten uns verkündet: Es ist uns klar, dass wir die Abajo Mountains überqueren müssen, aber haben keine Auskunft über eventuelle Pässe oder deren Höhe. Im Endeffekt landen wir auf rund 2750 m Höhe, mehr als in den La Sal Mountains, oben liegen 20 cm Schnee auf der Fahrbahn, aber Arminius wühlt sich klaglos durch. Bergab kommen uns hin und wieder ein Pkw und sogar ein Vierrad-Pick-up entgegen. Sie alle kehren um und kommen nacheinander die Straße wieder hinuntergefahren. Der Pick-up, der es am weitesten geschafft hatte, muss sogar mehrer hundert Meter rückwärts fahren, da er nicht einmal mehr wenden kann.

Im Tal ist es wieder mild und trocken. Am Recapture Lake kurz vor Blanding gibt es am See ein nicht gepflegtes Erholungsgebiet, wo man kostenlos campen kann. Der See ist friedlich und lauschig; wilde Gänse und Enten schnattern. Ein dicker, trockener Zedernstamm liefert uns duftendes Brennholz für ein Lagerfeuer mit Kaffee und Kuchen.

Canyonlands National Park, Utah – Die Geschichte von Flussbett und Treibsand

Mittwoch, Dezember 1st, 2010

Über die # 191 und # 212 geht es in den Needles District des Canyonlands National Parks. Ca. 20 km nach der Abbiegung steht der Newspaper Rock, eine felsüberdachte, schwarz erodierte Sandsteinwand mit unzähligen Petroglyphen. Die Stelle gilt als beste von der Straße zugängliche präkolumbische Steinkunst. Die etwa 2000 Jahre alten indianischen Felszeichnungen von Symbolen, Tieren, Menschen und Körperteilen (bemerkenswert sind die zahlreichen Füße mit sechs Zehen) sind kreativ und sehr deutlich. Über ihren Zweck gibt es bis heute nur Spekulationen. Ein hübsches Fotomotiv in jedem Fall.

Der Needles District hat vor allem zwei Dinge zu bieten: lange Wanderungen und die anspruchsvollsten Off-Road-Trails ganz Utahs. Das alles immer verbunden mit spannenden Ausblicken in die rote Schluchtenlandschaft. Im Visitor Center des Parks rät man uns von den langen Wandwegen ab. Zu viel Eis und Schnee hinterlässt schattige Stellen glatt und Kletterpartien, die an sich schon anspruchsvoll und wenig geeignet sind für Schwindelanfällige, gefährlich. Selbst mit Spikes an den Schuhen würde uns an ungesicherten Stellen der Halt fehlen. Nicht dass uns jemand die Wanderungen oder das Abstürzen verbieten würde…Amerika ist ein freies Land! Auch einige der Fahrzeugtrails sind wegen Schnee und Eis gesperrt, doch nach ernsthafter Inaugenscheinnahme unseres Expeditionsmobils kommt die kundige Rangerin zu dem Schluss, die Piste zum Colorado River Outlook, die heute als „nicht empfehlenswert“ kategorisiert ist, sollte unserem Fahrzeug keine Probleme bereiten.

Hätte sie auch nicht, wenn wir unsere Augen offen gehalten hätten, wenn wir den Wegweiser nicht übersehen hätten und wenn wir nicht in das Flussbett hinein gefahren wären. Sind wir aber, trottelig den Spuren der anderen unaufmerksamen Fahrer folgend. Dass die Spuren irgendwann aufhören, gibt uns zunächst nicht sonderlich zu denken. Dass der Fluss, dem wir jetzt in Längsrichtung folgen, immer tiefer wird, lässt schon ein paar Fragezeichen im Hirn aufleuchten, denn für einen Jeep wäre der Wasserstand bereits viel zu hoch. Andererseits hatte die Rangerin gesagt, wir müssten irgendwo zugefrorenes Wasser durchqueren, aber das Gewicht unseres Fahrzeugs würde uns einfach durch die Eisdecke brechen lassen, und damit wäre die Stelle ungefährlich. Also weiter. Wir krachen durchs Eis des Flusses, der ständig enger wird. Ich befreie ein paar Büsche von überflüssigen Ästen, andere zerre ich zur Seite, damit wir durchpassen. Auf der rechten Seite des Flussbetts befindet sich jetzt eine kleine Steilwand, auf der linken Seite große, bis zu einem halben Meter hohe Steine, über die wir teilweise hinweg fahren müssen, da die Passage zu schmal wird. Dann wird es noch enger, es sind nirgendwo Reifenspuren zu sehen, wo ist der Ausweg? Es gibt keinen. Das sagt uns eine kurze Erkundung des Geländes zu Fuß. Wir müssen zurück. Rückwärts durch das Nadelöhr und über die beängstigenden Steine zu fahren liegt irgendwo zwischen keine gute Idee und gefährlich. Also umkehren. Kurz bevor es gar nicht mehr weitergeht beschreibt der Fluss eine Kurve, in der das Bett breiter ausgewaschen ist und sich das Wasser in eine Ecke zurückgezogen hat. Jörg holt aus zum Wenden, da beginnt das linke Vorderrad in den Treibsand einzusinken. Die Kabine neigt sich in einem ungesunden Winkel zur Seite, droht umzukippen. Mein Herz setzt einen klitzekleinen Moment aus, bevor es das Adrenalin in die Venen pumpt.

Das Tolle an einem Unimog ist, dass man mit einem kurzen Kupplung treten und einem einfachen Hebelziehen schnellstmöglich in den Rückwärtsgang wechseln kann. Jörg reißt geistesgegenwärtig am Hebel und beginnt rückwärts zu kriechen. Hätte sich der Hinterreifen ebenfall eingegraben, wäre es um Arminius geschehen gewesen. Manchmal braucht man eben etwas Glück. Das Hinterrad fasst und langsam bewegt sich Arminius aus der Gefahrenzone. Doch der schwierige Teil kommt erst: rückwärts durch das problematische Flussbett fahren. Fühlt es sich in der Kabine schon äußerst beunruhigend an, wenn sich das Fahrzeug weit zur Seite neigt. Von außen sieht es einfach unsäglich aus, wenn Jörg einseitig über einen der riesigen Steine klettert. Ein paar mal wird es noch haarig, wenn das rechte Hinterrad droht, den Steilhang hochzuklettern – das hätte eine wörtlich umwerfende Wirkung. In gemeinsamer Arbeit manövrieren wir Arminius zurück bis zu einer sicheren, da festen Wendemöglichkeit im Fluss. Bis auf einen verbogenen Tagfahrlichthalter (der sich später zurück biegen lässt) und einen abgerissenen hinteren Schlammfänger (den finden wir nicht wieder) haben wir keine Schäden zu verzeichnen. Zwei Stunden später nähern wir uns auf der Suche nach dem Gummilappen dem Fluss zu Fuß von einer anderen Seite. Die Reifenspur im Treibsand hat sich so schnell wieder gefüllt wie wir sie reingefahren haben. Die Wasseroberfläche ist wieder zugefroren als ob wir nie dagewesen wären.

Dem Flussbett entfliehend finden wir die richtige Abzweigung und den vorher übersehenen Wegweiser und begeben uns auf den richtigen Pfad. Doch auch diese Strecke hat ihre Tücken. Einfache Sandpassagen wechseln sich ab mit anspruchsvollen Felsklettereien von zunehmendem Schwierigkeitsgrad. Viele scheitern vor den beachtlichen Steinstufen, warnte uns die Rangerin, aber unser Arbeitstier meistert das alles mit gleichmütigem Brummen. Der nach 12 anstrengenden Kilometern willkommene Colorado River Outlook ist auch nicht unspannend. Die natürliche Felsnase muss man sich erklettern, Sicherungen gibt es nicht, doch die Aussicht raubt den Atem.

Da stellt sich wieder einmal die Frage: Muss denn dass immer sein, diese Aufregung? Nein. Man kann sich ein Wohnmobil kaufen und gemütlich auf dem Highway # 1 von Nord nach Süd durchbrausen. Oder doch lieber ganz zu Hause bleiben? Aber wenn man schon mal einen Unimog hat…

Moab, Utah – Endlich offen: die Potash Road

Dienstag, November 30th, 2010

Ich verneige mich tief vor den Bürgern Moabs. Heute waren alle freundlich. Wirklich alle: die Verkäuferinnen im Supermarkt, die Dame in der Besucherinformation (das war übrigens eine Deutsche, wenn auch schon fast 40 Jahre in den USA), der Mann von der einen Tankstelle, der leider unsere Gasflasche trotzdem nicht füllen konnte, und die Frau von der anderen Tankstelle, die zwar unsere Flasche eigentlich auch nicht füllen durfte, aber mit Kennerblick die Größe des Behältnisses abschätzte und das Propan dann doch reinpumpte. Seit einiger Zeit dürfen in den USA nur noch Gasflaschen mit Überdruck-Füllventil verwendet werden, die in Deutschland nicht gebräuchlich sind. Werden die Behälter beim Füllen gewogen, ist das Ganze meist trotzdem kein Problem. In Utah jedoch werden keine Waagen mehr verwendet, man füllt so lange, bis das Überdruckventil anspricht. An der zweiten Tankstelle haben sie zumindest einen Durchflussmesser, und die Frau überschlägt kurz, was reingehen müsste. Welcher Tankwart möchte schon riskieren, dass wir bei diesen Minusgraden verhungern oder gar erfrieren?

Endlich ist auch die Potash Road wieder offen und wir können sie, lang ersehnt, endlich befahren. Die Suche nach dem Schützen, der den Ranger angeschossen hatte, wurde schließlich eingestellt. Die Polizei geht davon aus, dass er das Gebiet entweder verlassen hat oder, wahrscheinlicher, seine eigene Schussverletzung, die Nässe und die Kälte nicht überleben konnte. Seine Leiche jedoch wurde nicht gefunden. Wer jemals in einer der unendlichen Steinwüsten Utahs mit tausenden von Spalten, Löchern und Höhlen war, wird verstehen können, warum man einen toten Körper, nicht lokalisierbar mit Wärmebildkameras, der sich irgendwo verkrochen hat, unter Umständen nicht wiederfindet.

Die zwei Faltblätter von Moabs Touristeninformation zum Befahren und Wandern der Potash Road sind unentbehrlich. Da der Schafer Trail, das Anschlussstück in den Canyonlands Nationalpark / Island in the Sky wegen Schnee und Eis gesperrt bleibt, müssen wir den Hwy # 279, wie die Straße zunächst genannt wird, von der Kreuzung der # 191 anfahren so weit wir kommen und später die gleiche Strecke zurückfahren. Hat man die Wahl, fängt man eher aus dem Nationalpark an. Die ersten Meilen sind asphaltiert und führen neben dem Colorado River durch einen lieblichen, rund geschliffenen roten Canyon. Nach fünf Meilen weist ein Schild auf Indian Writings hin, Petroglyphen, also in den Stein geritzte Tier- und Menschenabbilder der Ureinwohner. Leider haben sich auch weiße Mitbürger der Neuzeit zu kreativen Schöpfungen hinreißen lassen und „Vicky“, „Tom“, „Randy“ oder „Sally“ in der Wand verewigt. Andere Aktivisten haben gar auf in den Stein geschnitzte Zielscheiben geschossen. Nur ein paar Meter weiter gibt es Dinosaurierspuren zu sehen, die ein Vertreter seiner Spezies in den Matsch getrampelt hat, bevor dieser versteinerte. Zu Tage gekommen sind die Tatzen, als der Stein vom Berg fiel und auseinanderbrach, sodass jetzt in der einen Platte die Negative, in der anderen die Positive zu sehen sind. Erschreckend echt, erschreckend groß.

10 Meilen ab Straßenbeginn führt eine Wanderung zum Corona Arch. Auf den 2,5 km Hinweg muss man 135 m Höhenunterschied, zwei mit Stahlseilen gesicherte Sektionen und eine Leiter überwinden. Während das erste Seil lediglich zur Sicherung gegen Abrutschen bei Nässe dient, ist der zweite Steig eine echte Hürde. Kleine Vertiefungen wurden in den Stein gehauen, um Schuhen etwas Halt zu geben. Nicht jeder Wanderer mag diese Mutprobe über sich ergehen lassen und dreht um. Was an sich nicht so schlimm ist, kann man doch Corona Arch von hier aus bereits sehen. Dies ist einer der weltgrößten Bögen mit einer Öffnung von 43 mal 32 m und für uns bisher der schönste und eleganteste. Gleich daneben gibt es eine riesige, in den Berg gewaschene Halbkugel mit einem perfekten runden Loch darüber in der Felsdecke – ein horizontaler Arch sozusagen. Für diese sehr lohnenswerte Wanderung sollte man zwei Stunden einplanen, damit genügend Zeit für Fotos bleibt.

Nach ein paar Meilen endet der Asphalt und eine bei Trockenheit einfach zu fahrende Off-Road-Strecke in den Canyonlands Park hinein folgt, die dennoch Vierradantrieb erfordert. Bei Nässe verwandelt sich der Pudersand in rote Schmierseife, und man denkt besser noch mal darüber nach, ob man hier lang fahren will.

La Sal Junction, Utah – Schwerer Abschied

Montag, November 29th, 2010

Es geschieht nicht oft, nur manchmal: Man trifft Menschen, die auf absolut gleicher Wellenlänge funken. Wenn diese Menschen dann noch so intelligent, gebildet und kreativ sind wie Malcolm und Pam, von denen man so vieles lernen kann, ist es schwer, sich wieder zu trennen. Nach wundervollen Tagen, an denen wir zahlreiche ihrer Freunde und Nachbar kennenlernen konnten, reißen wir uns endlich los. Nicht ohne dutzende von fotografischen Geheimtipps für Utah von Malcolm erhalten zu haben. Ob wir jemals wieder aus dem Bundesstaat rauskommen?

Da wir die Strecke mittlerweile schon ein paar Mal gefahren sind, nehmen wir zur Abwechslung ab Grand Junction die Straßenkombination # 141/90/46 durch hübsche Canyons nach La Sal Junction. Wer Lust hat, kann hier für 5 $ Eintritt pro Person eine kuriose Höhlenwohnung besuchen. In 12jähriger Arbeit hat eine Familie eine Werkstatt in den Berg gehämmert, mit allem Kitsch und Komfort zu besichtigen.

Da wir heute keinen Internetzugang bekommen, bleiben uns die Vergnügungen des Cyber Monday vorenthalten. Das Gegenstück zum Black Friday propagiert Internetshopping mit zahlreichen Angeboten anstelle von „realem“ Einkauf. Willkommen in den Einkaufszentren der elektronischen Welt.

Palisade, Colorado – Der Schokoladenlauf

Samstag, November 27th, 2010

Die fünf Kunstgalerien Palisades (welch enorme Anzahl für ein Dorf) veranstalten heute einen Chocolate Walk – Schokoladenspaziergang. Überall gibt es unterschiedliche kostenlose schokoladige Köstlichkeiten. Natürlich kann man etwas gewinnen und selbstverständlich kann man etwas kaufen. Aber es gibt nette Sachen und – mal ehrlich – ist es nicht besser, kleine lokale Unternehmen zu unterstützen, als die großen Supermarktketten wie z.B. W..-…t, der Made in China fast gepachtet hat?

Danach besuchen Pam und ich noch ein paar der hiesigen Winzer zur Weinprobe und Kauf. Uff – fünf Wineries und jede hat etliche Sorten…

Palisade, Colorado – Der schwarze Freitag

Freitag, November 26th, 2010

Der Tag nach Thanksgiving ist ein verrückter Tag. Viele Amerikaner haben frei, Weihnachten ist nicht fern, und so wird die Zeit zum Einkaufen genutzt. Geschäfte, die um 5 Uhr morgens öffnen, sind spät dran. Manche machen gar schon um Mitternacht auf. Selbst dann stehen bereits lange Schlangen von Menschen an, die unvermeidlichen Sonderangebote zu ergattern. Im letzten Jahr wurde bei dem Ansturm in Grand Junction sogar ein Mann totgetrampelt.

Die Bezeichnung Schwarzer Freitag kommt aber nicht vom Trauerflor. Es gibt verschiedene Erklärungen für die Herkunft des Begriffs, am plausibelsten scheint mir folgende zu sein: Zum ersten Mal taucht der Name 1966 in Philadelphia auf. Dort bildeten sich am Freitag nach Thanksgiving lange Fahrzeugschlangen in Erwartung des Schnäppchenkaufs. Zu der Zeit waren fast alle Autos schwarz – und so entstand der Ausdruck Schwarzer Freitag.

Wir finden es viel zu hektisch und vielleicht sogar gefährlich auf den Straßen – Schnäppchenjäger gehören einer besonders aggressiven Gattung an – daher verkriechen wir uns lieber bei Malcolm und Pam zu Hause.

Palisade, Colorado – Erntedank auf amerikanisch

Donnerstag, November 25th, 2010

Thanksgiving ist das wichtigste amerikanische Familienfest im ganzen Jahr, teilweise sogar wichtiger als Weihnachten. Vielleicht weil in einem Amerika mit der vermutlich liberalsten Religionspolitik aller Länder der Erntedank das vereinende Fest aller ist. Die ganze Familie und oft auch Freunde kommen zu einem Festessen zusammen. Traditionell wird gefüllter Truthahn serviert mit Fleisch- und Preiselbeersoße sowie vielen verschiedenen Beilagen. Bei Malcolm und Pamela genießen wir heute Abend, zusammen mit ihrem Freund Harold, Süßkartoffelpüree und Grüne-Bohnen-Casserole dazu. Anschließend gibt es den üblichen Kürbis- und Pekannusskuchen.

Grand Junction, Colorado – Toiletten mit Tücken

Mittwoch, November 24th, 2010

Es hat zwar heute Nacht gestürmt, aber der Schnee ist ausgeblieben. Zumindest hier im „Tal“ auf 1400 m. In den höheren Lagen soll es etwas anders aussehen. Jedenfalls nutzen wir den Tag für Friseurbesuch, Besorgungen usw. Da geht man natürlich auch mal aufs Klo. Die öffentlichen Toiletten in Restaurants und Supermärkten haben häufig zwei Besonderheiten: Es gibt Toilettensitzauflagen und sie besitzen eine automatische Klospülung, was nicht immer ganz gut zusammengeht.

Ich also rein in die Kabine und eines dieser pergamentartigen Toilettenbrillenabdeckungen aus dem Spender gezogen. Das erste Papieroval zerreißt mir, so filigran wie es ist. Ich werfe es ins Wasser. Mit dem nächsten gehe ich zarter um und versuche es auf dem glatten, nach innen abschüssigen Plastiksitz zu platzieren. Prompt rutscht das Ding ab und landet im Klo. Der dritte Versuch ist erfolgreich. Mit einem abschließenden sanften Klaps überzeuge ich die Auflage zu bleiben wo sie ist. Nur noch schnell die Hose aufgeknöpft und – da geht die automatische Klospülung los und reißt das Pergament herzlos mit sich. Ich muss wohl noch an meiner Technik arbeiten. Also erst Hose runterlassen, dann Sitzauflage in Position bringen. Jetzt kommt der schwierige Teil: mit der Hose an den Fußangeln ein Mal um 180° drehen ohne zu stolpern und ohne zu viel Wind zu machen, damit das federleichte Papieroval nicht etwa noch Mal einen Positionswechsel veranstaltet. Für Menschen mit Verdauungsstörungen ist das jedenfalls nix.

Grand Junction, Colorado – Zurück in Colorado

Dienstag, November 23rd, 2010

In zwei Tagen ist Thanksgiving, das hoch gefeierte amerikanische Erntedankfest, und wir sind auf dem Weg zurück nach Colorado. Was ist geschehen? Am Samstag hatten wir kurz vor dem Deadhorse State Park Malcolm getroffen. Der Kunstfotograf und Künstler aus der Nähe von Grand Junction (tolle Website: www.malcolmchilders.com) hatte sich über unser Expeditionsmobil und die Reise gar nicht wieder eingekriegt. Per E-Mail lud er uns zu Thanksgiving zu sich nach Hause ein. Dass wir uns heute schon in die Richtung begeben, obwohl die Fahrt nur ein paar Stunden dauert, hat einen besonderen Grund, und der heißt Blizzardwarnung. Der Schneesturm soll heute Abend über uns hereinbrechen und rund 30 Stunden dauern. In anderen Bundesstaaten wütet er schon. Seit heute Morgen verbreitet das Verkehrsamt von Utah über Radio die Meldung, dass von unnötigen Reisen ab heute Abend bis morgen Nacht dringend abgeraten wird. Das Risiko, dass das Vorankommen am Donnerstagmorgen immer noch nicht möglich sein könnte und wir irgendwo feststecken ist uns zu hoch und so fahren wir schon heute in unser geliebtes Colorado zurück.

Needles Overlook, Utah – Blick ins Sandsteinland

Montag, November 22nd, 2010

Der Wind ist geblieben, die Wolken sind gegangen. In zugig-sonniger Kälte laufen wir am Needles Overlook entlang, der einen weit in den Needles District des Canyonland Nationalparks hineinschauen lässt. Wer keinen Besuch dieses Parkteils plant, kann hier zumindest einen  Blick hineinwerfen. Wir möchten im Park noch wandern gehen, uns aber die Aussicht ins zerfurchte rote Sandsteinland trotzdem nicht entgehen lassen.

Ein paar hundert Meter unter uns, knapp über dem Colorado River, knattern die Rotoren eines Polizeihubschraubers. Immer wieder kreisen die Helikopter auf der Suche nach dem Schützen, der den Parkranger verletzt hat. Hier oben, 600 Steilwandmeter höher, sollten wir sicher sein.

Moab, Utah – Miniaturgebirge und Massentourismus

Sonntag, November 21st, 2010

Die La Sal Mountains sind ein kleines überschaubares Grenzgebirge zwischen Utah und Colorado. Die pyramidenartigen, meist schneebedeckten Bergspitzen erscheinen als Hintergrundpanorama auf vielen Fotos des Delicate Arch im Arches Nationalpark und anderen Steinskulpturen. Die zweithöchste Erhebung Utahs liegt dort mit fast 3.900 m. Vom Ort Moab aus führt eine rund 80 Meilen lange Loop Road (Rundeweg) über den Highway # 128 einmal durch das Gebirge und zurück nach Moab. Zunächst fährt man durch das Castle Valley Tal, wo weitere dunkelrote Sandsteintürme und -wände in den Himmel ragen und der John-Wayne-Klassiker Rio Grande gedreht wurde. Innerhalb kurzer Distanz fährt man von der roten Halbwüste über subalpine Flora bis in die fast vegetationslose alpine Höhe von 2.700 m. In den oberen Lagen ist die Fahrbahn schneebedeckt und, schlechter, in mittleren Höhen eisig. Das Glück ist jedoch mit uns und instinktiv haben wir den Rundweg von der richtigen Seite angefahren. Beim Abstieg im Westen ist die Straße trocken und gefahrlos.

In Moab stocken wir alle unsere Vorräte and Lebensmitteln, Wasser und Diesel auf, Für eine Tankfüllung von 125 $ erhalten wir einen Rabatt von 40 Cent pro Gallone Diesel und kommen in dieser teuren Gegend auf hervorragende 2,92 $. Für diesen unglaublichen Discount beantragen wir lediglich eine noch nicht in unserem Besitz befindliche Supermarkt-Kundenkarte und kaufen (geplant) für 100 $ eine Prepaid-Telefonkarte. Beim Tanken an den Supermarkttankstellen erhält man mit deren Kundekarte (z.B. Safeway, City Market/King Soopers u.a.) grundsätzlich 3 Cent / Gallone Rabatt, bei bestimmten Umsätzen im Supermarkt 10 Cent, und oft gibt es auch Sonderaktionen. Trotzdem lohnt sich Preise vergleichen (zur Not ein Mal durch den Ort fahren) immer, da die Preisspanne innerhalb einer Stadt teils 30 Cent / Gallone und mehr betragen kann.

Ansonsten ist Moab eine Stadt, die vom Massentourismus geprägt ist. Die Infrastruktur ist perfekt, die Preise größtenteils unverfroren. Selbst im Winter, wenn hier fast alles tot ist, verlangen die Campingplätze Preise, die sich gewaschen haben. Dabei sind die meisten kaum als anheimelnd zu bezeichnen. Ohne den Einwohner Moabs Unrecht tun zu wollen: Uns ist es nicht gelungen, einen freundlichen Menschen zu treffen. Das sind ganz gewöhnliche Auswirkungen des Massentourismus. Trotzdem würde ich persönlich einen Sommerbesuch soweit vorplanen sofern das möglich ist, um eine Vorreservierung für die staatlichen Campgrounds in den National oder State Parks zu bekommen. Oder alternativ einen der sieben BLM (Bureau of Land Management) Camps am Hwy #128 nutzen. Allerdings haben die alle keine Hook-ups zu bieten, also Versorgung mit Wasser und Strom oder sogar TV- und Telefonanschluss.

Lange angekündigt, endlich da: Schon vor Tagen machte sich ein Schneesturm im südlichen Alaska, der eine Hochdruckfront vor sich herschiebt, auf den Weg nach Süden. Die Kapriolen treffen der Reihe nach ein: Gestern Abend stieg die Temperatur bis auf 16° an und kräftiger Wind erhob sich. Heute Mittag schickt der Herbst schwere Sturmböen übers Land, Blätter und Büsche fliegen nur so durch die Gegend und alle paar Minuten auch Regenschauer. Gegen Abend wird das Ganze zu Schnee und unsere Welt wird weiß.

Canyonlands National Park, Utah – Land der tausend Schluchten – und des Verbrechens

Samstag, November 20th, 2010

Utah ist bekannt für seine Off-Road-Strecken, die nicht nur Spaß und fahrtechnische Herausforderung, sondern unglaubliche Landschaften und Aussichten bieten. Auf kleinen „Parkplätzen“ neben den Strecken darf man frei campen, sofern man eine (zumindest portable) Toilette mit sich führt. Für heute morgen haben wir uns nach Beratung mit einem Ranger für den Gemini Bridges Trail entschieden, nachdem wir gestern den Arches Nationalpark bereits auf einer Vierradstrecke verlassen hatten und der uns nun in den Canyonlands Nationalpark bringen wird. Die Strecke erfordert zwar Vierradantrieb und hohe Bodenfreiheit, ist aber sonst gut machbar. Es gibt Strecken mit Schwierigkeitsgraden von einfach über moderat bis schwierig. Jeder muss sorgfältig selbst entscheiden und Information einholen, welche Problematik er sich und seinem Fahrzeug, insbesondere mit Camperkabine darauf, zumuten möchte. Spaß haben wir, die Strecke ist steil, kurvig, abwechslungsreich, sandig, läuft teilweise auf einem steinernen Plateau und wirkt wie grob natursteingepflastert, und sie bietet tolle Aussichten.

Ein Abstecher führt uns in den Deadhorse State Park. (10 $ Eintritt pro Auto; in Utahs State Parks gelten die Jahrespässe nicht) Von den Steilwänden der Schlucht hat man unglaubliche Ausblicke auf den Meander Canyon des Colorado und die tief vernarbte, felsige Landschaft. Der grüne Coloradofluss mäandert in großen S-Kurven durch das marsrote Gestein wie z.B. am Horseshoe Bend, vom Deadhorse Point Overlook zu sehen. Vor dieser Kulisse droht der berühmte Grand Canyon zu verblassen.

Der benachbarte Canyonlands Nationalpark ist durch die sich vereinenden Flüsse Colorado und Green River in drei nicht verbundene Teile gespalten. Während der westliche Part zu den am schwersten zugänglichen Gebieten der Vereinigten Staaten gehört, ist der östliche Teil (Needles District) und die vor uns liegende nördliche Island in the Sky gut erreichbar. Nur über einen schmalen Felsrücken gelangt man auf das 800 m hohe Plateau, eine von Steilwänden begrenzte Mesa. Von den Rändern aus blickt man auf das 400 m tiefer gelegene White Rim Plateau und die weitere 200 m unten liegenden Flusscanyons. Auch hier wieder zerfressene, gespaltene, tiefrote Schluchtenlandschaft mit gigantischen Steilwänden und Felseninseln dazwischen. Zahlreiche Aussichtspunkte, kurze und lange Pfade laden zum Wandern, Verbleiben und Staunen ein. Einen Felsbogen gibt es auch, den Mesa Arch, auf dem man sogar raufklettern kann. Der Wind ist stark und empfindlich böig heute und die Schlucht darunter verdammt tief. Die Fotos werden auch ohne meine Anwesenheit auf dem Bogen hübsch.

Unser Plan war, einen 4-Rad-Trail aus dem Park heraus zu nehmen, der uns gen Moab, den nächsten Ort, führen sollte. Die Strecke gilt als besonders dramatisch, da sie vom Gipfel der Mesa bis hinunter in die Schlucht führt und dort entlang – eine recht seltene Gelegenheit. Doch der Schafer Trail, wo die Potash Road ihren Anfang nimmt, ist gesperrt. Das Gespräch mit einem Ranger bringt Klarheit in die unvollständigen Informationen, die heute Morgen im Radio ausgestrahlt worden waren. Auf der Potash Road war gestern Abend ein Ranger angeschossen aufgefunden worden. Der Parkangestellte wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Auf der Suche nach dem vermutlich ebenfalls verletzten Verbrecher hat die Polizei die Piste gesperrt. Klar, schade für uns, aber auch die Straße aus dem Canyonlands NP raus ist wunderschön im Schluchtenland angelegt. Viel wichtiger aber ist, dass der Ranger genest und der Schütze gefunden wird. Wir legen noch ein paar Kilometer zurück und bringen zum Schlafen etwas Distanz zwischen uns und den Tatort.

Arches National Park, Utah – Wandern mit unfreiwilligem Bad

Freitag, November 19th, 2010

Der Devils Garden ist die einzige längere gekennzeichnete Wanderung im Arches Park, auf der die meisten Steinbögen liegen. Läuft man den Hauptweg bis zum Ende und den Primitivpfad zurück mit sämtlichen Nebentrails zu den einzelnen Arches, muss man mit ein, zwei Pausen und genügend Zeit für Fotostopps für die gut 12 km fünf Stunden rechnen. Das liegt in erster Linie am schwierigen Gelände, auf dem man nur langsam vorwärts kommt. Läuft man den gesamten Rundweg, sind Schuhe mit haftfesten Sohlen, eine gute Portion Schwindelfreiheit und etwas Mut von erheblichem Vorteil.

Zunächst führt uns ein gut ausgebauter Wanderweg bis zum berühmten Landscape Arch. Dieses fragile Gebilde mit 93 m Spannweite hat nur noch eine dünne Brückendecke, vor allem seit 1991 eine große Platte von seiner Unterseite abgebrochen ist. Glücklicherweise hatte sich das Ereignis mit rieselnden kleinen Steinen angekündigt, sodass die Besucher in Sicherheit rennen konnten und niemandem Leid geschehen ist. Der Bereich unter der Brücke ist seitdem gesperrt. Den nächsten Bogen, Wall Arch, gibt es gar nicht mehr. Er ist 2008 zusammengebrochen, wiederum ohne Verletzte. Das Kommen und Gehen ist der normale Lauf der Dinge. Dafür schafft die Natur an anderen Stellen neue Brücken.

Ab hier bis zum Double-O-Arch erfordert der Weg schon etwas Kondition und Trittsicherheit. Teilweise führt der Pfad über eine schmale Felsfinne, von der man zu beiden Seiten hinunterfallen kann. Zugunsten der Natürlichkeit der Umgebung hat man auf sichernde Geländer und Ähnliches verzichtet. Nimmt man ab hier den sogenannten Primitive Loop, wird es richtig spannend. Der Hinweis auf schwieriges Terrain kommt mehrfach auf Schildern, aber man will ja nicht hören. Ein paar ordentliche Kletterpartien müssen bewältigt werden, man balanciert auf einem sehr schmalen und vor allem sehr abschüssigen Steig an einer noch abschüssigeren Steilwand entlang, alles ohne Sicherung. Die Natur aber entschädigt für alles. Man wandert zwischen den Felsskulpturen, stapft in schmalen Tälern durch puderig-weichen roten Sand. Dazwischen krallt sich Leben, wo es nur möglich ist. Widerstandsfähige Steinkiefern und Wacholderbäume behaupten sich neben exotischen Tamarisken. In der unteren Etage dieser Halbwüste gedeihen Kakteen, Yuccas und Wildblumen.

Ich fühle mich ein wenig wie während unserer Jahre in der Arabischen Wüste. Die Landschaft und die entspannende Einsamkeit sind ähnlich. Niemand kommt uns entgegen, niemand scheint vor oder hinter uns zu sein. Warum eigentlich? Das Wort „primitiv“ in Zusammenhang mit Straßen, Wegen oder Pfaden sollte in Zukunft Alarmglocken bei mir läuten lassen. Schon einmal, im Great Sand Dunes National Park, hat uns eine Primitive Road zur Umkehr gezwungen. Diesmal sind wir dazu nicht bereit, der Rückweg ist einfach zu weit und anstrengend.

Das vor uns liegende Problem ist aber weit schwieriger: Zwischen zwei Steilwänden hat sich in einer Senke ein Teich gebildet. Etwas Wasser steht hier wohl immer, aber jetzt ist der Teich tief. Zu tief. Mindestens schulterhoch, vielleicht noch tiefer. Die rechte senkrechte Wand ist keine Option. Bleibt links. Es sind vielleicht zwei Schritte auf einem sehr steilen Sandsteinhang bis zu einem wiederum ziemlich schrägen kleinen Absatz ein paar Meter über dem Wasser und danach habe ich keine Ahnung, wie es weitergehen könnte. Oft ist Sandstein recht griffig und scheinbar einfach zu klettern, manchmal aber sehr schlüpfrig. Im Englischen wird er unter anderem slick rock genannt, glatter rutschiger Stein. Nach nur wenigen absolut fruchtlosen Versuchen Halt zu finden zieht Jörg kurz entschlossen Schuhe, Strümpfe und Hose aus und läuft durchs Wasser. (Nein, davon gibt es keine Bilder!) Der Teich ist natürlich viel zu tief zum Durchlaufen, aber er findet am rasch abfallenden Ufer entlang Halt zum Gehen. Auf der Oberfläche befindet sich eine dünne Eisschicht. Jörg wälzt sich durch wie ein Eisbrecher und erreicht unfallfrei das andere Ufer. Da ich nach wie vor der Meinung bin den Weg über die Wand zu gehen, kommt Jörg freundlicherweise nochmals wieder und holt den zurückgelassenen Rucksack ab. Mein Vertrauen in die Haftkraft meiner Wanderschuhsohlen ist nahezu unendlich. War. Drei Mal versuche ich an der steilen glatten Wand Halt zu finden und gleite jedes Mal ziemlich hilflos bäuchlings wieder ab. Der schiefe Rettung verheißende Absatz scheint unerreichbar, wiewohl nur zwei Schritte entfernt. Es mag eine Lösung für dieses Problem zu geben, ich erkenne sie hingegen nicht. Vielleicht wäre die Stelle mit etwas mehr Freiklettererfahrung überwindbar, meine aber beschränkt sich auf ein Minimum, tendiert sozusagen gegen Null. Also was tun? Mit Fingerspitzen festkrallen will mir nicht gelingen. Ob es barfuß besser ginge? Oder vielleicht mir Geschwindigkeit? Leider habe ich nur einen Versuch. Wenn der Absatz dann nicht den erhofften Halt bietet, liege ich mitsamt meinen Klamotten in der eisigen Brühe. Mit nasser Kleidung mehrere Kilometer durch ein winterliches Utah zu wandern steht auf meiner Prioritätenliste nicht sehr weit oben. Von der anderen Seite scheint die Stelle eher machbar zu sein, denn dort ist der Steilhang geringfügig flacher, sodass man irgendwie hoch käme und auf der steilen Seite auf dem Hosenboden wieder runter. Das hilft nur jetzt nicht weiter. Mit einem tiefen Seufzer ziehe ich Schuhe und Hosen aus und stapfe im String durch den Teich. Zum Glück ist es, wie schon erwähnt, einsam hier. Was für ein Bild muss das geben. Die Hose habe ich mir um den Hals gewickelt, die Schuhe in der Hand. (Nochmals: keine Fotos!) Der Vorteil ist, dass der Schmerz im oberschenkeltiefen Eiswasser nicht sofort einsetzt, sondern erst, wenn man schon ein paar Meter gelaufen ist. Dann ist der Reiz weiterzugehen größer als umzukehren. Schließlich stehe auch ich mit krebsroten Beinen auf dem Trockenen, versuche den Sand von den Füßen zu streifen und mich wieder anzuziehen. Ein Schild verkündet Hoffnung gebietend, dass der Pfad den Wash, also das trockene Bachbett oder Wadi, wie wir im Arabischen sagen würden, verlässt. Der Rest des Weges ist bergauf im Sand allerhöchstens anstrengend, aber technisch nicht mehr anspruchsvoll.

Es war eine tolle Wanderstrecke in märchenhafter Landschaft. Kann ich jedem nur empfehlen. Vielleicht in umgekehrter Richtung? Oder im Sommer mit Badehosen?

Arches National Park, Utah – Felsenwunder der Natur

Donnerstag, November 18th, 2010

Der Arches Nationalpark gehört zum Pflichtprogramm der meisten USA-Besucher in dieser Gegend. Und das nicht ohne Grund: Das Hochplateau weist die weltgrößte Dichte an natürlichen Felsbögen (arches) auf. Die Steinbrücken dürften zu den am häufigsten fotografierten Objekten der Staaten gehören mit allerhöchstem Wiedererkennungswert. Wasser und Eis, extreme Temperaturen und eine dicke Salzschicht im Untergrund sind verantwortlich für die bildhauerische Leistung, die Mutter Natur hier geschaffen hat. Neben Felsbögen aus rotem Sandstein gibt es Säulen, Kuppeln, Wände, Zinnen und manchmal auch Felsbrocken, die völlig außerhalb des Gleichgewichts auf einem dürren Türmchen jeglicher Schwerkraft zu trotzen scheinen.

Die meisten dieser Felswunder wie die Windows, Balancing Rock, Park Avenue oder Sand Dune Arch liegen direkt an der Straße oder können mit kurzen Wanderungen erreicht werden. Die Kletterpartie im Fiery Furnace Irrgarten kann unter Rangerführung gebucht werden. Eine Genehmigung für einen individuellen Besuch zu erhalten ist schwierig, nachdem sich mehrfach Kletterer verirrt hatten und gerettet werden mussten. Obwohl auch der Delicate Arch von Aussichtspunkten an der Straße gesehen werden kann, lohnt sich die Mühe des Aufstiegs zu dem grazilen Bogen. Ab Wolfe Ranch sind es 2,5 km Aufstieg über 150 Höhenmeter, und das Ganze dann wieder zurück. Die – je nach Kondition – 30 bis 60 Minuten bergauf läuft man anfangs über einen angelegten Weg, später sehr hübsch über die großen Felsendomkuppeln einiger Berge. Ranger haben den Pfad mit kleinen Steintürmchen kenntlich gemacht. Die letzten 200 m geht man auf einem in den Stein gehauenen Pfad an einer Felskante entlang. Dann kommt man um die Ecke und ein umwerfender Blick öffnet sich auf den Delicate Arch und einen ausgewaschenen Felstrichter vor den zuckerweißen La Sal Mountains im Hintergrund. Das warme Abendlicht zaubert die schönsten Lichtspiele auf den Bogen. Selbst jetzt im Winter warten so einige Fotografen und Schaulustige, aufgereiht in diesem natürlichen Amphitheater, auf den perfekten Moment. Am besten macht man sich etwa zwei Stunden vor Sonnenuntergang auf den Weg, bewaffnet mit genügend Wasser und Taschenlampen für den Rückweg.

Da es jetzt schon dunkel ist und es im Arches Nationalpark noch viel zu sehen gibt, gönnen wir uns für 20 $ den Devils Garden Campground. Es ist einer der beliebtesten Campingplätze in ganz USA. Im Sommer geht hier ohne frühzeitige Online-Reservierung gar nichts. Jetzt aber haben wir freie Auswahl zwischen den oberen Stellplätzen mit freier Fernsicht oder den im Felsengarten versteckten, lauschigen Örtchen.

Colorado National Monument, Colorado – Ein letzter Blick zurück

Mittwoch, November 17th, 2010

Die Sonne Colorados tut das, was an 300 Tagen im Jahr von ihr erwartet wird: sie scheint. Ein guter letzter Tag in diesem Bundesstaat und ein guter Tag für das Colorado National Monument, das nur wenige Meilen von Grand Junction entfernt liegt. Die weite Schluchtenlandschaft mit hohen Steilwänden und kuriosen Felsskulpturen ragt mehr als 600 m über das Grand Valley des Colorado Rivers hinaus. Verschiedenfarbige Gesteinsschichten zeugen von vielen Millionen Jahren unterschiedlichster klimatischer Bedingungen. Leuchtende Rot-, Violett-, Orange- und Brauntöne entstehen durch Eisen und andere Mineralien im Gestein. Die Erosionskräfte von Wasser, Wind und Eis arbeiteten lange an den Sandstein-, Schiefer und anderen Sedimentschichten. Härtere Gesteinslagen halten der Erosion besser stand als weichere und bestimmen so, welche Formen die Felsen annehmen. Aus der Höhe dieser Halbwüste blicken wir noch einmal zurück in ein Colorado, das uns mit seiner schieren Vielfalt eingenommen hat. Bei extrem klarer Sicht entdecken wir die Stadt Grand Junction, das riesige Colorado Flusstal, die Grand Mesa und die Rocky Mountains.

Über die I 70 fahren wir nach Utah hinein und nehmen ab Cisco den Hwy # 128, der im jetzt engen Colorado-Canyon lang läuft. Die ausgewaschene tiefrote Schluchtenlandschaft ist so dramatisch, dass man sich den Besuch des Monument Valley fast sparen kann – und dabei noch eintrittsfrei ist. Eine besonders schöne Ecke sind die Fisher Towers genannten Felstürme auf halber Strecke zwischen der I 70 und dem Ort Moab, zu erreichen über eine kurze Schotterstraße. Phantastisch zackig ragen die roten Monolithen und Wände in den stahlblauen Himmel, von der Abendsonne mild angestrahlt.

Grand Junction, Colorado – Sprechende Zapfsäulen ohne Not-Aus

Dienstag, November 16th, 2010

Auch heute ist nochmals ein teils sonniger, teils aber hässlicher Tag. Wir nutzen ihn für Computerarbeiten, Wartung und immer wieder kleine Verbesserungen und Verschönerungen. So hängt unter unseren Oberschränken jetzt ein schon lange gewünschter kleiner Globus, erstanden im Souvenirshop im Denver Museum.

Zwischendurch fahren wir tanken. Meist läuft es hier so, dass man seine Kreditkarte in einen Schlitz an der Zapfsäule schiebt und alles Weitere über ein Tastenmenü steuert. Eigentlich ganz einfach. Absolut gewöhnungsbedürftig jedoch sind sprechende Zapfsäulen, die einen mit Reklamesprüchen voll blubbern. „Sparen Sie mit unserer Kreditkarte der ABC-Tankstelle.“ Nein, danke. „Müde und erschöpft? WX-Energydrink macht Sie wieder munter!“ Nein. „Hunger? YZ-Schokoriegel im Doppelpack sind ab jetzt im Angebot.“ NEEEIIIN!!! Verdammt, wo ist hier die NEIN-Taste? Wo ist der Not-Aus-Knopf? Doch gnadenlos rattert der Lautsprecher wieder von vorne los. „Sparen Sie mit unserer Kreditkarte…“ Wann ist der Tank endlich voll?

Grand Junction, Colorado – Wintereinbruch in Colorado

Montag, November 15th, 2010

Über Nacht hat es fast überall geschneit. Straßen waren gesperrt, ein paar Unfälle und eine Massenkarambolage sind passiert. Ein ganz normaler Wintereinbruch also. Bei 2°, Schnee und Regen in der Grosstadt Grand Junction auf relativ niedriger Höhe (1400 m) ein idealer Tag, Wäscherei und Einkäufe zu erledigen.

Die Chemieindustrie und in Folge die Pharmaindustrie in den Vereinigten Staaten müssen unendlich reich sein. Nicht nur Nahrungsmittel sind durchsetzt mit eigenartigen Zusätzen, die meiner Meinung nach da drin nichts zu suchen haben. Auch Produkte, die an sich schon in Chemiefirmen hergestellt werden, scheinen anders zusammengesetzt zu sein als gewohnt – den körperlichen Reaktionen nach zu schließen. Vom Duschgel bekommt man Ausschlag, das Haarshampoo verursacht Schuppen und nach Verwendung des feuchten Klopapiers – das führe ich lieber nicht weiter aus. Was also kann man tun? Marken verwenden, die es auch in Deutschland gibt? Hilft leider nicht, die Ingredienzien scheinen andere zu sein. Babyprodukte kaufen? Fehlanzeige. Da stecken genau so viele Allergene drin wie bei den Erwachsenen. Was bleibt dann noch? Nicht waschen? Wäre eine, wenn auch auf Dauer einsame, Option. Oder in die nächste Apotheke laufen (oder zu Costco), Allergiepillen in der Großpackung und Salbe kaufen. Das hält die amerikanische Wirtschaft in Schwung. Ich mache mich auf die Suche nach Natur- oder Bioprodukten. Mal sehen, ob das hilft.

Black Canyon of the Gunnison NP, Colorado – Schwarze Schluchten, weiße Berge

Sonntag, November 14th, 2010

Um an den Nordrand des Black Canyon zu gelangen, muss man zwei bis drei Stunden Fahrt in Kauf nehmen, da es keine direkte Verbindung gibt. Bei Zeitmangel würde ich sogar den North Rim bevorzugen. Hier ist, auch im Sommer, weit weniger los und die Ausblicke in die Schlucht sind dramatischer, da die Wände steiler sind und man so ungehindert bis zum Fluss hinuntergucken kann. Die letzten Kilometer der Zufahrt sind ungepflastert, aber gut gepflegt. Heute ist der erste überwiegend bewölkte Tag nach sechs Wochen Sonnenschein. Schnee krümelt nur leicht ohne sich ernsthaft irgendwo niederzulassen. Die Sonne ist so freundlich, uns ein paar Strahlen in den Canyon zu schicken, damit die Fotos im schwarzen Gestein besser werden.

Auf dem Highway # 65 überqueren wir die Grand Mesa, die größte Mesa der Welt. Über 300 Seen haben dort oben Platz und einige Skigebiete. Die Umgebung der Mesa liegt auf etwa 1.500 m Höhe, die Straße hat ihren höchsten Punkt auf 3.305 m. Die -7° C und die geschlossene Schneedecke laden nicht zum campen ein, und so fahren wir die 1.800 Höhenmeter auf der anderen Seite wieder runter – fast 30 km ohne Gas zu geben. Dann läuft die Straße nicht minder spektakulär und weiter sanft talwärts zunächst im Canyon des Plateau Creek und dann als I 70 im Colorado River Tal.

Silverton, Colorado – Wo das Gold auf der Straße lag

Samstag, November 13th, 2010

Zurück in Durango nehmen wir den Hwy # 550 von Süd nach Nord, der uns diesmal in Längsrichtung durch die San Juan Mountains führt. Diese Region hatte einst enorme Gold- und Silbervorkommen. Das Teilstück zwischen Silverton und Ouray heißt denn auch Million Dollar Highway. Ursprünglich soll die Straße mit goldhaltigem Erzgeröll gepflastert gewesen sein, heute ist davon leider nichts mehr zu sehen. Dafür ist der hochalpine Streckenverlauf atemberaubend zwischen hunderte Meter tiefen Schluchten (ohne Leitplanke natürlich) und Kilometer hohen schneebedeckten Bergen. Drei sich steigernde Pässe müssen wir überqueren, der höchste davon ist 3.360 m, der sich Red Mountain Pass, Roter Berg, nennt. Hier oben herrschen konstante Minustemperaturen und es liegt eine geschlossene Schneedecke, aber die Fahrbahn ist perfekt geräumt.

Bei Montrose fahren wir in den Black Canyon of the Gunnison Nationalpark ein. Die „schwarze Schlucht des Gunnison Flusses“ wird so wegen ihres dunklen bis schwarzen Gesteins genannt. Zudem ist die Schlucht so schmal und tief, dass kaum Licht hineinfällt und sich der düstere Effekt noch verstärkt. De facto handelt es sich um eine der engsten und tiefsten Schluchten überhaupt: bis zu 700 m tief und minimal 12 m breit. Doch wie konnte sich der Fluss so tief in das extrem harte Gestein einfräsen? Das erklärt sich durch die hohe Fließgeschwindigkeit. Auf einer 3-km-Strecke fällt der Fluss um etwa 145 m. Ursprünglich war die Schlucht 80 km lang, aber der Großteil ist unter mehreren hintereinander geschalteten Stauseen verschwunden. Die restlichen 20 km wurden durch die Einrichtung des Nationalparks geschützt.

Auf der Südseite gibt es eine 10 km lange Parkstraße mit mehreren Aussichtspunkten und kurzen Spaziergängen. Die Erkundung der Schlucht selbst bleibt Kletterern vorbehalten, auch wenn eine Versorgungsstraße (nur im Sommer) zum Fuß des Canyons an das Ende einer Staumauer führt. Der Eintritt in diesen Park ist im Winter, wie in vielen anderen, weniger populären Naturschutzgebieten, kostenlos, genau wie die Nutzung des (einfachen) Campingplatzes. Allerdings werden fast alle Wege um den Black Canyon mit Wintereinbruch geschlossen. Noch haben wir Glück, dass auf 2500 m Höhe die Temperaturen zwar eisig sind, aber nur wenig Schnee liegt.

Mesa Verde National Park, Colorado – Vom Wohnen im Berg und der Kunst, an vier Orten gleichzeitig zu sein

Freitag, November 12th, 2010

Mesa Verde ist der erste und einzige Nationalpark in den Vereinigten Staaten, der menschliches Kulturerbe bewahrt. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden die sogenannten cliff dwellings, Felswohnungen, entdeckt. Von ca. 600 bis 1300 n.Ch. lebten die Bewohner dieser Region in sesshaften Dorfgemeinschaften und bauten Steinhäuser zeitweise unter höhlenartigen Überhängen in den Fels. Gegen Ende des 13. Jhdts. haben die früher Anasazi, jetzt bevorzugt Pueblo-Indianer genannten Einwohner dieses Gebiet über eine Zeit von etwas zwei Generationen noch vor Ankunft der Weißen verlassen. Möglicherweise hat eine anhaltende Dürre die Ackerbau betreibenden Indianer zu diesem Schritt veranlasst. Ihre Nachkommen leben noch heute im Südwesten der USA. Der Nationalpark liegt auf einer dicht bewaldeten grünen Hochfläche (daher der spanische Name Mesa Verde) zwischen rund 2.100 und 2.600 m Höhe, die bis zu 600 m über die sie umgebende Ebene hinausragt – die schneebedeckten Berge der Rockies und den herannahenden Feind stets im Blick. Die archäologischen Funde gehören zu den wichtigsten und besterhaltenen der USA. Dazu zählen bis zu vierstöckige Wohn- und Speichertürme, verschiedene Ruinen vorangegangener primitiverer Behausungen, Tongeschirr, Waffen, Kleidung und vieles mehr. Neben den Klippendörfern und vielfältigen Ausgrabungen kann man im Museum etliche Kulturgegenstände besichtigen, die Einblick in das Leben der damaligen Bewohner gewähren.

Etwa 50 Meilen von Mesa Verde entfernt liegt das Four Corners National Monument. Das ist die einzige Stelle in den USA, wo vier Staaten in einer Ecke aufeinandertreffen. Für 3 $ Eintritt pro Person (Jahrespässe gelten nicht) ist das Ganze eher unspektakulär und von den das Monument betreibenden Navajo-Indianern recht kommerziell auf Souvenirverkauf angelegt. Aber irgendwie hat es auch was, wenn man sich auf alle Viere niederlassen und mit je einem Fuß und einer Hand in einem Staat sein kann, und damit in Colorado, Utah, Arizona und New Mexico gleichzeitig.

Durango, Colorado – Sonnenbrille statt Schneeketten

Donnerstag, November 11th, 2010

Auf dem Weg quer durch Colorado in den äußersten Süden des Staates überfahren wir – wieder einmal – die Rocky Mountains. Sobald wir den San Juan Mountains näher kommen, weisen uns LED-Leuchtanzeigen auf Schneekettenpflicht hin. Das, so haben wir gelernt, bezieht sich jedoch nur auf Fahrzeuge mit Sommerreifen. Trotzdem sind wir froh, dass noch vor Erreichen des Wolf Creek Passes auf 3.216 m die Kettenpflicht erlischt. Es geht über viele Kilometer erst eine steile Rampe hoch und dann wieder hinunter, doch die Fahrbahn ist fast frei, die Schneepflüge haben ihre Arbeit getan, und Schnee krümelt nur gelegentlich. Zu Abend finden wir am Fuß des Mesa Verde Nationalparks einen Rastplatz. Leider stehen Schilder, die Campen und Parken über Nacht verbieten. An der Zufahrt steht ein Polizeiwagen. Was ist einfacher, als den Officer zu fragen? Der Beamte sagt, im hinteren Bereich des Parkplatzes könnten wir in der Kabine schlafen, nur kein Camp aufbauen. Die State Patrol wird später noch öfter vorbeikommen, da sie auf dem Gelände eine Station unterhalten. Mit polizeilicher Genehmigung und Überwachung schläft es sich gleich noch mal so gut.

Great Sand Dunes National Park, Colorado – Sandkastenspiele

Mittwoch, November 10th, 2010

Dem Schnee sind wir vorerst entronnen, nicht aber dem Winter. – 10° C haben wir heute Nacht gemessen, und auch tagsüber geht es nicht weit über die 0°-Marke hinaus. Nur die Sonne bleibt uns hold. Am Fuße der Sangre des Christo Range, einer kleinen Bergkette im Süden Colorados, haben sich die größten Sanddünen Nordamerikas angesammelt. Ein Teil des Sandes wird von kleinen Bächen aus den Bergen hinabgespült, der Großteil wird von den San Juan Mountains im Westen, die Teil der Rockies sind, angeweht. Besondere Windkonstellationen sorgen dafür, dass sich die Körnchen genau hier ablagern. Schon von Weitem kann man die gelb-beigen Dünen sehen. Die höchste Erhebung im Great Sand Dunes Nationalpark ist 229 m hoch. Für Fahrzeuge ist das Sandfeld gesperrt, aber zu Fuß darf man sämtliche Dünen erkunden. Das ist nur nicht so einfach: Der Sockel liegt bereits auf 2500 m Höhe, dann geht es noch 200 m steil hinauf im weichen Sand: drei Schritt vor, zwei zurück. Das Mittagessen hat man sich jedenfalls schwer atmend verdient. Auf halber Höhe kommt ein junger Mann von unten mit eiligen Schritten näher. Wir staunen, aber als er uns laut schnaufend erreicht, erklärt er uns, dass nicht viele Leute ganz hoch gehen. Auch er sei sich nicht sicher gewesen. Aber in unserer Begleitung erhoffe er sich Motivation. Oben angekommen feiern wir den Geburtstag des Kanadiers mit Limonade und Crackern. Der Sand erwärmt sich in der Sonne schnell, aber im Schatten oder wenige Zentimeter unter der Oberfläche ist er tief gefroren. Braucht man für den Aufstieg rund eine Stunde, schafft man es bergab in wenigen Minuten. Mit Sieben-Meilen-Stiefeln rase ich gefahrlos den Hang hinunter und freue mich dabei wie ein Kind.

Hinter den Dünen führt eine 18 km lange Off-Road Piste, die Medano Pass Primitive Road, hinauf über die Sangre des Christo Range. Im Visitor Center holen wir uns eine Karte dazu und fragen, ob wir mit unserem Fahrzeug da durchkommen. An der Information steht eine ältere Dame. Das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Sie wirkt, ohne ihr zu nahe treten zu wollen, als ob sie schon drei Mal pensioniert worden und jedes Mal zurückgekehrt wäre. Sie fragt nach der Breite unseres Vehikels, aber die Höhe scheint sie nicht zu stören. Vielleicht sieht sie auch nicht mehr so gut. Der Trail ist nur mit Vierradantrieb und ausreichender Bodenfreiheit befahrbar. Er besteht teilweise aus weichem Sand und man muss mehrfach einen Bach durchqueren. Soweit ist es ganz lustig. Danach geht es durch peripheren Espenwald hinauf in die Berge. Die Bäume stehen immer enger, das Durchkommen wird immer problematischer, vor allem nach oben hin. Ich zerre ein paar Begrenzungspflöcke, die uns im Weg stehen, aus dem Sand und grabe sie anschließend wieder ein. Ich entaste einige Bäume und schließlich reiße ich zwei ganze Stämme, die mindestens doppelt so groß sind wie ich, samt Wurzeln aus der Erde und werfe sie anschließend wie Rübezahl in den Wald. Zugegeben, es handelt sich um Relikte eines vergangenen Waldbrandes, aber es war trotzdem nicht ganz einfach! Jörg schwingt seine Axt und versucht den Truck durch den Wald hindurchzuzirkeln. Nach der Hälfte der Strecke geben wir auf. Die oberen Äste drohen unser Solarpaneel oder die Dachluke zu beschädigen und wir kehren um. Mit ein paar kleinen Kratzern, aber ohne größere Blessuren.

Guffey, Colorado – Dem Schnee enteilen

Dienstag, November 9th, 2010

Der Wetterbericht sieht nicht gut aus. Gestern noch aßen wir bei 25° C Schattentemperatur draußen im T-Shirt zu Mittag, morgen soll es schneien. Wir wollen lieber weiter reisen. Noch eine kleine Quadfahrt durch den Wald auf die Bergspitze, um das ansehnliche Grundstück von Joyce und Dave zu überblicken. Ihre Tochter Debbie, die wunderschöne Miniaturvogelhäuschen dekoriert, schenkt uns eines davon. Wieder eine Herausforderung, etwas in unserer Kabine unterzubringen. Dann zeigt unser Kompass nach dem Durchqueren des schönen Arkansas River Canyons konstant auf Süd. Wir versuchen, den uns umzingelnden Schneewolken zu entkommen.

Colorado Springs, Colorado – Eisenbahntunnel, Göttergarten und Spielhölle

Montag, November 8th, 2010

Zwischen Victor, wenige Kilometer südlich von Cripple Creek, und Canon City läuft die 56 km lange Phantom Canyon Road. Die Schotterpiste ist ein Waschbrett und stellenweise richtig eng, aber wer die Möglichkeit hat, sollte sich dieses Erlebnis gönnen. Die zulässige Fahrzeuggröße beträgt 25 Fuß / 7,6 m Länge und 13 US t / 11,8 t Gewicht. In Südrichtung führt die Straße – mit Ausnahme der ersten Kilometer – kontinuierlich bergab von knapp 3000 m auf 1600 Höhe in die Prärie. Dabei folgt sie dem Verlauf einer ehemaligen Erzbahntrasse durch die Schlucht des Phantom Creek. Felswände ragen manchmal zu beiden Seiten der Straße hoch auf, dann wieder fällt der Hang steil ab zum Bach tief unten. In den Haarnadelkurven muss man recht viel kurbeln, dafür darf man durch zwei alte Eisenbahntunnel fahren. In tieferen Lagen wir das Klima deutlich milder, die Vegetation verändert sich und die Bäume werden grüner, weniger herbstlich. Feigenkakteen, Drachenbäumchen und Weiden ergeben eine eigenartige Mischung. In der Nähe der Stadt Canon City erreichen wir asphaltierten Highway. Eine alternative Off-Road Piste ab Cripple Creek könnte auch die noch engere Shelf Canyon Road sein.

Wir schlagen einen Rundkurs nach Colorado Springs ein, wo der Garden of the Gods auf dem Programm steht. Im „Garten der Götter“ stehen hübsche rote Sandsteinformationen, die der Öffentlichkeit kostenlos zugänglich sind. Sie tragen fantasievolle, aber durchaus treffende Namen wie Sleeping Giant, „schlafender Riese“, oder Kissing Camels, ein Fels, der zwei sich küssenden Dromedaren ähnelt. Gegen Abend sind wir fast zurück am Startpunkt unserer heutigen Fahrt, nämlich im Dörfchen Guffey. Das Kuriose an dem Ort ist, dass er 26 Einwohner zählt, eine Bücherei, zwei Saloons und eine schwarze Katze als Bürgermeister hat. Da das Dorf rechtlich keinen formellen Bürgermeister benötigt, wurde jemand bestellt, der das verschlafene Nest am besten repräsentieren kann. Wir sind zu Gast bei Joyce und Dave, die in dieser Ecke ein Wochenendhaus besitzen. Bei einer zufälligen Begegnung auf einem Parkplatz im Rocky Mountain Nationalpark hatten sie uns eingeladen.

Beim Abendessen in Cripple Creek, um den Rundkurs zu beenden, lernen wir eine Menge über Spielcasinos. An der Bar einer der Spielhöllen erfahren wir, dass uns alle halbe Stunde ein kostenloser Drink zusteht – bei freier Auswahl, egal ob Bier, Longdrink oder „Kurzer“ – wenn man irgendwo spielt. Wir nicken eifrig mit dem Kopf, nehmen unser Bier und gehen ins hauseigene Restaurant. Das ist zwar so nicht vorgesehen, scheint aber niemanden wirklich zu stören. Hier kommen die Gutscheine zum Einsatz, die Joyce und Dave von einer befreundeten Viel-Spielerin bekommen haben. Für einen bestimmten Spieleinsatz (= verspieltes Geld) bekommt man Essensgutscheine. Pro Voucher kann man für maximal 10 $ eine Mahlzeit bestellen. Das teuerste Gericht, Fish & Chips, kostet 9,75 $. Es ist reichlich und nicht schlecht – für Fast Food jedenfalls. Danach geht die Lehrstunde weiter: Lässt man sich als Kunde im Casino registrieren, bekommt man eine Kundenkarte mit der man ungefähr eine Viertelstunde wie wild kostenlos an den einarmigen Banditen zocken kann. Hier wird wirklich alles dafür getan, Menschen zur Abhängigkeit zu verhelfen.